Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 13/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_13/2009

Urteil vom 6. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

C.________, Beschwerdegegnerin,
handelnd durch ihre Eltern I.________,
und diese vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 25. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1999 geborene C.________ bezog auf Anmeldung vom 11. April 2000 hin
medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung zur Behandlung des
Geburtsgebrechens Ziffer 390 GgV-Anhang. Im Jahr 2002 wurde ein Sotos-Syndrom
mit der Komplikation einer progredienten idiopathischen thorakalen infantilen
Skoliose diagnostiziert. Die Invalidenversicherung gewährte medizinische
Massnahmen (Korsett und Physiotherapie). Infolge zunehmender
Rumpfdekompensation wurde C.________ im Februar 2006 am Kinderspital X.________
ein erstes Mal nach dem Campbell-Verfahren operiert. Bei dieser Methode wird
mit einem an den Rippen verankerten Längsimplantat, einer teleskopisch
verlängerbaren "Titanrippe", die Wirbelsäulendeformität indirekt aufgerichtet.
Die Wirbelsäule selbst wird nicht versteift. Im August 2006 wurde die bei
dieser Operationsart aufgrund des Wachstums des Kindes halbjährlich notwendige
operative Verlängerung der eingesetzten "Vertical expandable prosthetic rib"
(VEPTR)-Implantate ("Titanrippe") durchgeführt.
Mit Verfügung vom 6. Juni 2007 lehnte die IV-Stelle Luzern die Übernahme der
operativen Eingriffe als medizinische Eingliederungsmassnahme der
Invalidenversicherung ab mit der Begründung, die Methode nach Campbell sei
wissenschaftlich nicht anerkannt und könne auch nicht als einfach und
zweckmässig erachtet werden.

B.
Die Eltern von C.________ führten Beschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung
der angefochtenen Verfügung sei die IV-Stelle zu verpflichten, die
Skoliose-Operation nach Campbell zu übernehmen. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 25. November 2008 in dem
Sinne gut, dass es die Sache unter Aufhebung der Verfügung vom 6. Juni 2007 an
die IV-Stelle zurückwies, damit diese, nach ergänzenden Abklärungen im Sinne
der Erwägungen, über die Übernahme der nach der Campbell-Methode durchgeführten
Operationen neu verfüge. In den Erwägungen hielt es fest, dass die
Invalidenversicherung für die Skolioseoperation nach Campbell und die
halbjährlich notwendigen Nachoperationen leistungspflichtig sei. Hingegen habe
die Verwaltung noch abzuklären, wie es sich hinsichtlich der Kostenübernahme
der Titanimplantate verhalte. Hernach habe sie neu zu verfügen.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Ferner ersucht sie
darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Die Eltern von C.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde; eventuell
seien die operativen Eingriffe von der Invalidenversicherung im Rahmen der
Austauschbefugnis zu übernehmen. Ferner ersuchen sie um die Bewilligung der
unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) unterstützt das Rechtsbegehren der IV-Stelle.

D.
Mit Verfügung vom 1. April 2009 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde
die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

E.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 gelangte die Instruktionsrichterin an die
Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen und
ersuchte um Beantwortung der Frage, ob die Operationsmethode nach Campbell im
Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung als Pflichtleistung von
den Krankenversicherern übernommen werde.
Am 5. August 2009 beantwortete das Bundesamt für Gesundheit die Anfrage, worauf
die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten.

Erwägungen:

1.
Beim vorinstanzlichen Entscheid, mit welchem eine materielle Grundsatzfrage
entschieden wird, handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der unter den
Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG selbstständig angefochten werden kann
(BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481), was u.a. zutrifft, wenn er einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Wird die
Verwaltung durch einen kantonalen Rückweisungsentscheid gezwungen, eine ihres
Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen, hat dieser Entscheid für sie
einen irreparablen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zur Folge
(BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483).
So verhält es sich im vorliegenden Fall: Durch den vorinstanzlichen
Rückweisungsentscheid wird die IV-Stelle gezwungen, die medizinischen
Massnahmen zuzusprechen, was nach ihrer Auffassung Bundesrecht verletzt. Der
kantonale Entscheid hat für sie demnach einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil zur Folge und kann selbstständig angefochten werden. Auf die
Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin Anspruch auf die
Übernahme der Skoliose-Operationen nach Campbell als medizinische
Eingliederungsmassnahme gemäss Art. 12 IVG hat.

4.
Gemäss Art. 12 Abs. 1 IVG (in der vorliegend anwendbaren, bis 31. Dezember 2007
gültig gewesenen Fassung) hat der Versicherte Anspruch auf medizinische
Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern
unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich
gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im
Aufgabenbereich zu betätigen, dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor
wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Laut Art. 2 Abs. 1 Satz 2 IVV müssen
die medizinischen Massnahmen nach bewährter Erkenntnis der medizinischen
Wissenschaft angezeigt sein und den Eingliederungserfolg in einfacher und
zweckmässiger Weise anstreben. Nach der Rechtsprechung gilt eine Behandlungsart
dann als bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft entsprechend, wenn
sie von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter
Basis anerkannt ist. Das Schwergewicht liegt auf der Erfahrung und dem Erfolg
im Bereich einer bestimmten Therapie. Diese Definition der Wissenschaftlichkeit
findet im Gebiet der Krankenpflege und auf die medizinischen Massnahmen der
Invalidenversicherung Anwendung (BGE 115 V 191 E. 4b S. 195 mit Hinweisen). Die
in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 IVV für die Leistungspflicht der Invalidenversicherung
vorausgesetzte Einfachheit der Massnahme beschlägt als Teilaspekt des
Verhältnismässigkeitsgrundsatzes die Relation zwischen den Kosten der
medizinischen Massnahme einerseits und dem mit der Eingliederungsmassnahme
verfolgten Zweck andererseits (BGE 115 V 191 E. 4e/cc S. 198 mit Hinweisen),
wogegen die Zweckmässigkeit namentlich voraussetzt, dass die Massnahme unter
medizinischen und praktischen Gesichtspunkten geeignet ist, bei der
versicherten Person zum angestrebten Erfolg zu führen (BGE 115 V 191 E. 4e/bb
S. 197 mit Hinweisen).

5.
5.1 Die Vorinstanz gelangte insbesondere gestützt auf die Angaben der Fachärzte
des Kinderspitals X.________, wo die Versicherte operiert worden war, und
entgegen der von ihr beim BSV eingeholten Stellungnahme (vom 7. August 2008)
zum Schluss, dass die vom amerikanischen Orthopäden Robert Campbell entwickelte
Operationsmethode zur Behandlung von Skoliose den Anforderungen der
Wissenschaftlichkeit gerecht werde. In den USA werde die Operationsmethode seit
1989, im Kinderspital X.________ seit 2002, angewandt. Mittlerweile werde das
Verfahren an weiteren europäischen Kliniken eingesetzt. Die nach der
Rechtsprechung massgebenden Kriterien der Erfahrung und des Erfolges seien
erfüllt.
Ebenfalls aufgrund der Aussagen der behandelnden Ärzte bejahte das
Verwaltungsgericht die Einfachheit und Zweckmässigkeit des durchgeführten
operativen Eingriffs, weil die gewählte Methode nach Campbell im Vergleich zu
den anderen herkömmlichen invasiven Methoden Vorteile bringe. Auch der Umstand,
dass mit Blick auf das Wachstum des Kindes halbjährlich eine Verlängerung der
im Rippenbereich eingesetzten Titanstäbe erforderlich ist, vermöge die
Einfachheit und Zweckmässigkeit der Operation nicht in Frage zu stellen.

5.2 Die IV-Stelle vertritt die Auffassung, die Operationsmethode nach Campbell
sei bei idiopathischer infantiler Skoliose weder wissenschaftlich anerkannt
noch einfach und zweckmässig. Die in Frage stehende Methode werde bei der
congenitalen Skoliose, welche durch Wirbelkörper- oder Rippenmissbildungen
verursacht ist, angewendet und sei in diesen Fällen nicht umstritten. Die
idiopathische Skoliose werde demgegenüber nur in seltenen Fällen mit der
Campbell-Methode behandelt. Diese sei zur Behandlung der idiopathischen
Skoliose nicht wissenschaftlich anerkannt. Es fehlten Studien, welche die
Wirksamkeit des Eingriffs über einen längeren Zeitraum dokumentieren.
Angesichts der mit den zahlreichen Spitalaufenthalten (Grundoperation,
Verlängerung und Austausch des Titanstabes) einhergehenden Kosten könne die
Operation nach Campbell nicht mehr als einfach im Sinne von Art. 2 Abs. 1 IVV
bezeichnet werden, zumal diese den finanziellen Aufwand für eine herkömmliche
Skolioseoperation weit übersteige.

6.
6.1 Der Auffassung der IV-Stelle ist beizupflichten. Es kann nicht gesagt
werden, die Operation nach Campbell im Falle idiopathischer Skoliose entspreche
bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft. Den mit der Beschwerde
aufgelegten wissenschaftlichen Arbeiten kann entnommen werden, dass die seit
Mai 2002 in der Schweiz (Kinderspital X.________) durchgeführte Operation nach
Campbell hauptsächlich bei congenitaler Skoliose vorgenommen wird (DRES. MED.
HELL, HASLER, PROF. HEFTI, Neue Wege in der Skoliosebehandlung, in: UKBB,
Ryssverschluss, April 2003; Presseinformationen der Universitätsmedizin
Göttingen vom 9. Februar 2007 [www.med.uni-goettingen.de/presseinformationen/
presseinformationen_5678.asp]). In der zitierten Pressemitteilung der
Universitätsmedizin Göttingen wird einleitend darauf hingewiesen, dass das
Operationsverfahren nach Campbell bisher bei 28 Kindern mit angeborener
Wirbelsäulenverkrümmung erfolgreich angewendet wurde. Die Vorinstanz vermochte
denn auch keine wissenschaftlichen Arbeiten oder gar Studien namhaft zu machen,
die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen und einen Verlauf bei einer
grösseren Anzahl Patienten mit idiopathischer Skoliose, die nach der Methode
nach Campbell operiert wurden, dokumentieren. Vielmehr stützte sie sich
hauptsächlich auf die Stellungnahme der behandelnden Ärzte des Kinderspitals
X.________, Dres. med. H.________ und A.________, deren Angaben eine breit
abgestützte wissenschaftliche Studie mit Verlaufsbericht nicht zu ersetzen
vermögen. Die Beschwerdegegnerin, die sich der Argumentation des
Verwaltungsgerichts anschliesst, legt ebenfalls nicht dar, dass sich die
Operationsmethode nach Campbell bei Versicherten mit idiopathischer Skoliose
durchgesetzt hätte. Dass die Firma Synthes, Herstellerin der Titan-Implantate,
in der Patienteninformation zuhanden der Eltern und auf ihrer Internetseite ihr
Produkt auch in Fällen idiopathischer Skoliose als Lösung empfiehlt, ändert
nichts an der bis anhin fehlenden Anerkennung der Methode durch die
medizinische Wissenschaft in diesen Fällen.

6.2 Ob die Tatsache, dass die Versicherte am Sotos-Syndrom leidet, mit welchem
u.a. eine Vergrösserung der Extremitäten und ein erhöhtes Geburtsgewicht oder
eine Beschleunigung des Wachstums in den ersten vier Lebensjahren einhergehen
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage, S. 1699), zur Folge hat,
dass eine Operation nach Campbell im vorliegenden Fall als indiziert erscheint,
ist nicht entscheidend. Massgebend ist, dass diese Operationsmethode für
idiopathische Skoliosen nicht auf breiter Basis von der medizinischen
Wissenschaft anerkannt ist.

6.3 Weil das Gesetz auch für medizinische Massnahmen zur Behandlung von
Geburtsgebrechen bestimmt, dass die Vorkehren nach bewährter Erkenntnis der
medizinischen Wissenschaft angezeigt sein und den therapeutischen Erfolg in
einfacher und zweckmässiger Weise anstreben müssen (Art. 13 Abs. 1 IVG und Art.
2 Abs. 3 der Verordnung über Geburtsgebrechen; GgV; SR 831.232.21), entfällt
ein Leistungsanspruch der Beschwerdegegnerin auch unter diesem Titel.

7.
Zu prüfen bleibt, ob die Versicherte gestützt auf die Austauschbefugnis
Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung für die Skolioseoperation
nach Campbell hat.

7.1 Die aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz (vgl. Art. 8 Abs. 1 IVG)
fliessende Rechtsfigur der Austauschbefugnis hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht in den invalidenversicherungsrechtlichen Bereichen der
Hilfsmittelversorgung (Art. 21 IVG) und der medizinischen Massnahmen (Art. 12
f. IVG) entwickelt (BGE 107 V 89 E. 2b S. 92 mit Hinweisen auf die frühere
Rechtsprechung) und seither in ständiger Rechtsprechung in verschiedenen
Sozialversicherungszweigen zur Anwendung gebracht (BGE 120 V 280 E. 4a S. 285,
288 E. 3c S. 292). So kann beispielsweise die Austauschbefugnis zwar
grundsätzlich auch in der obligatorischen Krankenversicherung zur Anwendung
gelangen; sie darf jedoch nicht dazu führen, Pflichtleistungen durch
Nichtpflichtleistungen zu ersetzen (RKUV 2000 S. 290 E. 1b mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 126 III 345 E. 3c S. 351). Sie stellt indessen nicht einen im gesamten
Sozialversicherungsrecht anwendbaren Grundsatz dar (nicht veröffentlichtes
Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 283/94 vom 10. Juli 1995;
Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom
19. Juni 1992, Bern 2000, N 46 zu Art. 21) und ist in der Anwendung an
bestimmte Voraussetzungen gebunden. So setzt sie namentlich immer einen
substitutionsfähigen aktuellen gesetzlichen Leistungsanspruch voraus (BGE 120 V
277; MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: Murer
/Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 61). Die Austauschbefugnis kommt
jedoch insbesondere nur zum Tragen, wenn zwei unterschiedliche, aber von der
Funktion her austauschbare Leistungen in Frage stehen (BGE 127 V 121 E. 2a S.
123).

7.2 Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Anwendung der
Austauschbefugnis erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat nach Art. 12 Abs. 1 IVG
Anspruch auf Übernahme einer gemäss herkömmlicher Methode durchgeführten
Skolioseoperation, handelt es sich dabei doch um eine medizinische
Eingliederungsmassnahme, welche auch den Kriterien nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2
IVV entspricht. Damit liegt ein substitutionsfähiger aktueller gesetzlicher
Leistungsanspruch (E. 7.1 hievor) vor. Die der Versicherten zustehenden
Leistungen für die Skolioseoperation nach Campbell entsprechen in diesem Fall
der Höhe der Kosten, die ihr bei einer Operation gemäss konventioneller Methode
von der Invalidenversicherung vergütet worden wären. Entgegen den Vorbringen
der IV-Stelle steht die fehlende Wissenschaftlichkeit der Operation nach
Campbell einer Vergütung der Kosten einer wissenschaftlich anerkannten,
konventionellen Behandlungsmethode nicht entgegen. Denn die
Invalidenversicherung übernimmt gerade nicht die nicht wissenschaftlich
anerkannte Operation, sondern erbringt Leistungen nach Massgabe der Kosten
einer wissenschaftlich auf breiter Basis akzeptierten medizinischen Vorkehr.
Anders als im Fall einer Auslandbehandlung oder nicht zugelassener
Leistungserbringer (vgl. BGE 126 V 330 E. 1b und c S. 332), wo allgemeine
gesundheits- und versorgungspolitische Aspekte zur Diskussion stehen, geht es
bei den Einschränkungen gemäss Art. 2 Abs. 1 Satz 2 IVV einzig um die Finanzen
der Invalidenversicherung, die durch Bezahlung im Rahmen einer
Austauschbefugnis nicht stärker in Anspruch genommen werden als bei Übernahme
einer konventionellen medizinischen Massnahme. Ein Vergleich mit der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung, in welcher die Austauschbefugnis im
Fall von Nichtpflichtleistungen ausgeschlossen ist, ist nicht statthaft.

8.
8.1 Gemäss Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG hat die Beschwerdegegnerin Anspruch auf
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung, falls sie nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und die Bestellung eines Anwalts oder einer
Anwältin zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist.

8.2 Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die
Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur
Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225
E. 2.5.1 S. 232). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der
gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der
Entscheidung über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (BGE 108 V 265 E. 4
S. 269; RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 154). Dazu gehören einerseits sämtliche
finanziellen Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse. Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit ist das Einkommen
beider Ehegatten zu berücksichtigen (Urteil U 545/06 vom 9. Januar 2008).
Ferner wird in die Existenzminimumsberechnung nebst dem Einkommen der Eltern
regelmässig ein Beitrag des im Haushalt der Eltern wohnenden mündigen Kindes an
die Wohnkosten von rund einem Drittel des Nettolehrlingslohnes eingesetzt
(Urteil 8C_530/2008 vom 25. September 2008 = SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49).

8.3 Die Eheleute I.________ erzielen zusammen ein monatliches Einkommen von Fr.
5414.-. Die im elterlichen Haushalt lebende ältere Tochter M.________ hat im
August 2009 eine Lehre begonnen. Der Lohn beläuft sich auf Fr. 700.- im Monat.
Hievon ist ein Drittel (Fr. 233.-) in die Berechnung des verfügbaren Einkommens
einzubeziehen, womit sich ein monatliches Einkommen von insgesamt Fr. 5647.-
ergibt. Die Auslagen für Mietzins (einschliesslich Nebenkosten),
Krankenkassenprämien, Steuern und Berufsauslagen belaufen sich auf Fr. 2286.-.
Der Grundbetrag für die Familie beläuft sich einschliesslich des prozessualen
Bedürftigkeitszuschlages von 25 % auf Fr. 3000.- ([Grundbetrag für die Eltern
Fr. 1550.- plus Grundbetrag für die Kinder Fr. 850.-] x 125 %). Bei der
Berechnung des Notbedarfs resultiert damit ein Überschuss von Fr. 361.- im
Monat (Fr. 5647.- / Fr. 2286.- / Fr. 3000.-). Dieser Betrag reicht nicht aus,
um innert einiger Monate nebst den anteilsmässigen Gerichtskosten das
Anwaltshonorar (E. 9 hienach) zu begleichen. Der Beschwerdegegnerin ist daher
insoweit, als sie unterliegt, die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Es
wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu in der Lage ist.

9.
Die Beschwerdegegnerin obsiegt teilweise, indem ihrem Eventualantrag auf
Übernahme der Operationskosten im Rahmen der Austauschbefugnis stattzugeben
ist. Es ist daher gerechtfertigt, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte
aufzuerlegen, wobei der auf die Versicherte entfallende Anteil auf die
Gerichtskasse zu nehmen ist. Soweit die Beschwerdegegnerin obsiegt, hat sie
Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Angesichts der Komplexität der Materie, namentlich in medizinischer Hinsicht,
erscheint es angebracht, statt vom ordentlichen Ansatz von Fr. 2800.- von der
vom Rechtsvertreter der Versicherten am 10. September 2009 eingereichten
Kostennote auszugehen. Vom Honorar, einschliesslich Auslagen und
Mehrwertsteuer, von total Fr. 4629.60 ist der Beschwerdegegnerin unter dem
Titel Parteientschädigung entsprechend ihrem teilweisen Obsiegen die Hälfte
(Fr. 2314.80) zuzusprechen. Die andere Hälfte ist ihrem Rechtsvertreter im
Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung aus der Gerichtskasse zu entrichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde werden der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 25. November 2008 und die Verfügung
der IV-Stelle Luzern vom 6. Juni 2007 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass
die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Vergütung der Kosten einer konventionellen
Skolioseoperation samt allfälliger Nachbehandlungen hat. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen.

2.
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin und der
Beschwerdegegnerin je Fr. 250.- auferlegt. Der Anteil der Beschwerdegegnerin
wird vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2314.80 zu entschädigen.

5.
Rechtsanwalt Eric Schuler wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr.
2314.80 ausgerichtet.

6.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen.

7.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Abgaberechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer