Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1095/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_1095/2009

Urteil vom 31. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Verfahrensbeteiligte
Progrès Versicherungen AG, Versicherungsrecht, Postfach, 8081 Zürich Helsana,
Beschwerdeführerin,

gegen

M.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
4. November 2009.

In Erwägung,
dass die Progrès Versicherungen AG (nachfolgend: Progrès) als obligatorischer
Krankenpflegeversicherer des M.________ die Vergütung der Zahnbehandlungskosten
mit Verfügung vom 14. April 2008 und mit Einspracheentscheid vom 28. April 2008
abgelehnt hat,
dass das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, die vom Versicherten hiegegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid
vom 4. November 2009 gutgeheissen und festgestellt hat, die Progrès habe die
gesetzlichen Leistungen zu erbringen,
dass die Progrès Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führt mit
dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides,
dass M.________ und das kantonale Gericht auf Abweisung der Beschwerde
schliessen, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung
verzichtet,
dass mit der Beschwerde u. a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden kann
(Art. 95 lit. a BGG),
dass die Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden kann, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG),
dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten der Behandlung von
Schäden des Kausystems übernimmt, die durch einen Unfall verursacht worden
sind, soweit dafür keine Unfallversicherung aufkommt (Art. 31 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 1a Abs. 2 lit. b KVG),
dass das kantonale Gericht die Bestimmungen und Grundsätze zum Unfallbegriff
nach Art. 4 ATSG sowie insbesondere zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit
(vgl. die zu Art. 9 Abs. 1 UVV ergangene, geltende Rechtsprechung: BGE 134 V 72
E. 4.1 S. 76, 129 V 402 E. 2.1. S. 404, 122 V 230 E. 1 S. 232) und die
Rechtsprechung, wonach die einzelnen Umstände des leistungsbegründenden
Geschehens vom Ansprecher glaubhaft zu machen sind (BGE 116 V 136 E. 4b S. 140
mit Hinweis), richtig dargelegt hat, sodass darauf verwiesen wird,
dass nach ständiger Rechtsprechung die blosse Vermutung, der Zahnschaden sei
durch einen Fremdkörper verursacht worden, für die Annahme eines ungewöhnlichen
äusseren Faktors nicht genügt (TURTÈ BAER, Die Zahnschädigung als Unfall in der
Sozialversicherung, SJZ 1992, S. 324 mit Hinweisen), sodass die Frage, ob ein
Unfall im Rechtssinne vorliegt, nicht beantwortet werden kann, wenn ungeklärt
bleibt, um was für einen Gegenstand es sich gehandelt hat, und sich demzufolge
auch nicht zuverlässig beurteilen lässt, ob dieser als ungewöhnlicher äusserer
Faktor zu qualifizieren ist (vgl. Urteil 8C_1059/2008 vom 27. Februar 2009),
dass der Beschwerdegegner nach den für das Bundesgericht im Rahmen von Art. 97
Abs. 1 und 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG - weil weder offensichtlich unrichtigen
noch rechtsfehlerhaften - verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz beim Essen eines Nussgipfels auf einen harten Gegenstand gebissen
und sich dadurch einen Zahnschaden zugezogen hat,
dass der Versicherte den Gegenstand, welcher die Schädigung des Zahnes
verursachte, unbestrittenermassen verschluckt hat, sodass er nicht genau weiss,
wodurch er sich verletzt hat,
dass deswegen nach Auffassung der Beschwerdeführerin nicht mehr rechtsgenüglich
festgestellt werden kann, ob der Zahnschaden durch einen ungewöhnlichen
äusseren Faktor verursacht wurde, was für die Bejahung eines Unfalls im
Rechtssinne jedoch vorausgesetzt wäre,
dass nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin auch die Befragung der
behandelnden Zahnärztin bzw. die Ausführungen des den Beschwerdegegner
langjährig betreuenden Zahnarztes Dr. med. dent. S.________ nicht behilflich
sein können, weil diese Zahnärzte ebenfalls keine Auskunft über den
schädigenden Gegenstand geben konnten, nachdem der Beschwerdegegner diesen
unmittelbar nach Eintritt des Zahnschadens verschluckt hatte,
dass der Beschwerdegegner dagegen vorbringt, es liege auf der Hand, dass er auf
eine Nussschale gebissen habe, sodass es nicht gerechtfertigt sei, dem Ereignis
die Unfallqualität abzusprechen, obwohl er nicht nachzuweisen vermöge, auf was
genau er gebissen habe,
dass diese Kontroverse letztlich unerheblich ist, weil, wie gesagt, die
Vorinstanz verbindlich festgestellt hat, der Beschwerdegegner habe beim Essen
eines Nussgipfels auf einen harten Gegenstand gebissen und sich dadurch einen
Zahnschaden zugezogen,
dass sie ihren Entscheid im Weiteren zutreffend damit begründet, als
wahrscheinlichste Ursache für die festgestellte Wurzelfraktur bezeichne der
Zahnarzt entweder den Biss auf einen harten Gegenstand oder einen Schlag auf
den Zahn, wobei der am 22. Januar 2008 erstellte ärztliche Befund keine
Hinweise auf Vorschädigungen des betreffenden Zahns enthielte, sodass mit der
erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit erwiesen sei, dass der
Versicherte am 7. Dezember 2007 den Zahnschaden erlitt, indem er beim Verzehr
eines Nussgipfels auf etwas Hartes, höchstwahrscheinlich auf eine Nussschale,
gebissen hatte,
dass rechtsprechungsgemäss eine Nussschale bzw. sonst etwas vergleichbar Hartes
(wie z.B. ein Kieselstein) in einem Nussgipfel ein ungewöhnlicher äusserer
Faktor (BGE 114 V 169 nicht veröffentlichte E. 2b) darstellt,
dass es insofern auch keine Rolle spielt, ob man den Gegenstand genau
bezeichnen kann, weil dies nur als Element der Beweiswürdigung von Bedeutung
ist, indem es die Glaubwürdigkeit der Darstellung erhöhen mag,
dass dies aber unerheblich ist, sobald, wie hier vorinstanzlich erkannt,
feststeht, dass etwas Hartes den Zahn schädigte, denn so oder anders gehört ein
harter Gegenstand nicht in einen Nussgipfel,
dass es sich hier anders verhält als in Fällen, in denen nicht feststand, ob
überhaupt etwas Hartes in der Nusstorte war (nicht veröffentlichtes Urteil L.
vom 5. Juli 1989, U 28/89), wodurch der Schaden verursacht wurde (Urteil S. vom
27. Februar 2009, 8C_1059/2008) oder wo die Schädigung nur möglicherweise durch
einen Nahrungsbestandteil herbeigeführt worden war (Urteil M. vom 3. Juni 2008,
9C_196/2008),
dass das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit sich zwar nicht auf die Wirkung
des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber bezieht (BGE 134 V 72 E.
4.3.1 S. 79 f.),
dass zwar das kantonale Gericht, insofern unrichtig, davon ausging, es handle
sich nicht um einen Zahn mit Vorschädigung, obwohl der betroffene Zahn nach der
medizinischen Aktenlage bereits mit einem Metallstift und einer Krone versorgt
war,
dass der Einwand des Versicherten, als Beweismittel für eine ungewöhnliche
äussere Einwirkung diene die Zahnkrone mit dem abgebrochenen Metallstift,
trotzdem stichhaltig ist, weil nach dem Gesagten ohnehin ein Unfall vorliegt,
wenn verbindlich feststeht, dass der Schaden durch das Beissen auf einen harten
Gegenstand, mit dem in der betreffenden Nahrung nicht gerechnet werden muss,
verursacht wurde,
dass es nach dem Gesagten der Beschwerdeführerin nicht gelingt, die auf einer
vertretbaren Beweiswürdigung beruhende Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach
der Zahnschaden höchstwahrscheinlich durch den Biss auf eine Nussschale bzw.
etwas Hartes verursacht wurde, als offensichtlich unrichtig zu bezeichnen,
sodass sie für die Folgen der Zahnschädigung aufzukommen hat,
dass die Gerichtskosten entsprechend dem Ausgang des Verfahrens der
unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (Art. 66 Abs. 1 BGG),
erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. März 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Scartazzini