Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 106/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_106/2009

Urteil vom 8. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
B.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Marcel Muff,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 26.
September 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 19. Dezember 2001 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt der 1970
geborenen B.________ für die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 1999 eine halbe
Rente und ab 1. November 1999 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Am
5. Juli 2002 teilte die IV-Stelle der Versicherten mit, die Überprüfung des
Invaliditätsgrades habe keine rentenbeeinflussende Änderung ergeben. Es bestehe
daher weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente. Als Ergebnis eines im Juli 2005
eingeleiteten Revisionsverfahrens hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 6. März
2008 aufgrund des ermittelten Invaliditätsgrades von 37 % die ganze Rente auf
Ende April 2008 auf.

B.
Die Beschwerde der B.________ wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, mit Entscheid vom 26. September 2008 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 26. September 2008 sei aufzuheben und
die IV-Stelle zu verpflichten, ihr weiterhin eine ganze Invalidenrente
auszurichten; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid bestätigt die revisionsweise Aufhebung der ganzen
Rente durch die IV-Stelle auf Ende April 2008. In der Beschwerde wird im
Wesentlichen eine offensichtlich unzutreffende Beweiswürdigung durch die
Vorinstanz gerügt. Der Nachweis einer relevanten Änderung des
Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit könne mit dem rheumatologischen
Gutachten des Dr. med. J._______ vom 17. Oktober 2007 nicht erbracht werden.
Die Expertise sei nicht schlüssig und weise Mängel auf, welche nicht
willkürfrei behoben werden könnten.

2.
Zeitliche Vergleichsbasis für die Beurteilung einer revisionsrechtlich
relevanten Änderung des Invaliditätsgrades bildet die letzte rechtskräftige
Rentenverfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Anspruchs mit
rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und
Invaliditätsbemessung beruht (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 133 V 108; vgl. auch BGE
130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 ff.). Die Beschwerdeführerin macht geltend, dieser
Referenzzeitpunkt sei nicht der 19. Dezember 2001 (Rentenzusprechung), wie von
der Vorinstanz angenommen, sondern der 5. Juli 2002 (Mitteilung, dass sich der
Invaliditätsgrad nicht in anspruchserheblicher Weise geändert hat). Darauf ist
nicht weiter einzugehen. Es ist nicht ersichtlich und es wird auch nicht
dargelegt, inwiefern das Abstellen auf diesen und nicht jenen Zeitpunkt von
entscheidender Bedeutung ist.

3.
Die unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die
Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 61 lit. c ATSG durch das
kantonale Versicherungsgericht stellen eine Verletzung von Bundesrecht nach
Art. 95 lit. a BGG dar (Urteil 9C_802/ 2008 vom 22. Dezember 2008 E. 1.1 mit
Hinweisen). Der Verzicht der Vorinstanz auf weitere Abklärungen oder
Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu diesem Zwecke (antizipierte
Beweiswürdigung; Urteil 9C_561/2007 vom 11. März 2008 E. 5.2.1) im Besonderen
verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare
Widersprüche enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie
namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person,
auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteil 9C_410/2008 vom 8.
September 2008 E. 3.3.1 mit Hinweisen).

Im Übrigen ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz für das
Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Die konkrete Beweiswürdigung ist wie die darauf beruhende
Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter diesem eingeschränkten Blickwinkel
überprüfbar (Urteile 9C_801/2008 vom 6. Januar 2009 E. 2.2 und 9C_410/2008 vom
8. September 2008 E. 3.3.1). Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht
verletzt Bundesrecht, namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht
beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat
(BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 9C_689/2008 vom 25. Februar 2009 E. 3.1 und
9C_1025/2008 vom 19. Januar 2009 E. 4.1).
Geht es im Besonderen um den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit einer
versicherten Person, ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach einem
ärztlichen Bericht Beweiswert zukommt, wenn er für die streitigen Belange
umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten
Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben
worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und Zusammenhänge
einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind (BGE 125 V 351
E. 3a S. 352; Urteil 9C_55/2008 vom 26. Mai 2008 E. 4.2; Urteil 9C_932/ 2008
vom 23. März 2009 E. 3).

4.
Die Begründung der Rüge der offensichtlich unzutreffenden (unhaltbaren)
Beweiswürdigung durch die Vorinstanz stimmt weitgehend überein mit der Kritik
am rheumatologischen Administrativgutachten vom 17. Oktober 2007 in der
vorinstanzlichen Beschwerde. Sie ist indessen nicht stichhaltig:

4.1 Mit der Aussage des Gutachters, im Gegensatz zu 1998 sei eine
Rezidiv-Diskushernie nicht mehr feststellbar, könne der Nachweis einer
relevanten Änderung des Gesundheitszustandes nicht erbracht werden. Massgebend
sei, ob im Referenzzeitpunkt (Sommer 2002 resp. Dezember 2001) der 1998
festgestellte Zustand noch bestanden habe oder nicht. Dies sei unklar.
Vergleichsbasis für die Beurteilung einer revisionsrechtlich relevanten
Änderung des Gesundheitszustandes bilden alle bis zum massgebenden
Verfügungszeitpunkt (E. 2) erstellten medizinischen Berichte, welche für die
Entstehung und den Umfang des Rentenanspruchs von Bedeutung waren (Art. 28 f.
IVG). Die im rheumatologischen Bericht des Spitals F.________ vom 8. Dezember
1998 erwähnte Rezidivhernie L5/S1 gehörte unbestrittenermassen zum
Tatsachenfundament der Rentenverfügung vom 21. Dezember 2001 und der
Bestätigung der Rente gemäss Mitteilung vom 5. Juli 2002. Es finden sich keine
Hinweise in den Akten, dass die Rezidivhernie bereits damals nicht mehr
bestand. Andernfalls stellte sich die Frage der prozessualen Revision oder
Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG; Urteil 9C_960/2008 vom 6. März 2009
E. 1).

4.2 Dr. med. J.________ habe einzelne Veränderungen aufgelistet, ohne sich zu
den jeweiligen konkreten Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit zu äussern. Die
im Revisionsverfahren ausschlaggebende Aussage über die Veränderung des
Gesundheitszustandes und die Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit lasse sich dem
Gutachten nicht klar und nachvollziehbar entnehmen. Die vorliegend wesentliche
Frage der Belastungsabhängigkeit der Schmerzen werde vom Experten nicht
behandelt.
Das rheumatologische Gutachten vom 17. Oktober 2007 äussert sich zum Verlauf
des Gesundheitszustandes, insbesondere im Lumbalbereich, seit März 1998 sowie
zur Arbeitsfähigkeit aufgrund der aktuellen Befunde. Das waren auch die Fragen,
die sich im Rahmen der revisionsweisen Überprüfung der ganzen Rente auf der
Ebene des medizinischen Sachverhalts stellten. Es ist somit nicht bezüglich
jeder isolierbaren Änderung im Gesundheitszustand deren Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit anzugeben, was in den meisten Fällen wohl auch nicht möglich
sein dürfte. Unbestritten ist, dass die klinische Untersuchung keine
radikulären Zeichen mehr ergab und radiologisch (MRI) keine
Rezidiv-Diskushernie mehr nachweisbar war. Im Übrigen räumt die
Beschwerdeführerin selber ein, dass die Befunde eine Verbesserung der
Beweglichkeit der Wirbelsäule und in Bezug auf das Lasègue-Zeichen rechts
zeigten. Den belastungsabhängigen Schmerzen trug der Gutachter Rechnung, indem
er eine dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit von 30 % annahm. Die Vorinstanz hat
darauf abgestellt, was keine unhaltbare Beweiswürdigung darstellt.

4.3 Die Anamnese im Gutachten vom 17. Oktober 2007 gebe die Angaben der
Beschwerdeführerin zu den Tätigkeiten Sport, Skifahren und Laufen ungenau oder
sogar unrichtig wieder. Es lasse sich nicht zuverlässig beurteilen, ob der
Gutachter zu denselben Schlüssen gelangt wäre, wenn er seine Beurteilung
aufgrund des berichtigten Sachverhaltes nochmals überprüft hätte.
Die Vorinstanz hat zu den nämlichen Vorbringen ausgeführt, es könne nicht daran
gezweifelt werden, dass die Beschwerden in der Ausführung sowohl der
beruflichen Tätigkeit als auch der Freizeitaktivitäten einschränkend sein
könnten. Auch der Gutachter habe eingeräumt, dass die Versicherte während der
Arbeit zusätzliche Erholungspausen benötige sowie die Möglichkeit haben müsse,
bei Schmerzen die Stellung zu wechseln, was zu einer Reduktion der
Arbeitsfähigkeit von 30 % führe. Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht
nicht, dass sich der Gutachter in diesem Sinne geäussert hat. Es kann daher
nicht von einer unhaltbaren Beweiswürdigung oder von einer offensichtlich
unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gesprochen werden, wenn die Vorinstanz
darauf abgestellt und die Arbeitsfähigkeit auf 70 % festgesetzt hat.

4.4 Der Gutachter spreche von einem unveränderten Schmerzzustand, der mit
weichteilrheumatischen Beschwerden zusammenhänge. Er erwähne aber mit keinem
Wort, aus welchem Grund weichteilrheumatische Schmerzen keinen Einfluss auf die
Arbeitsfähigkeit haben sollen. Weichteilrheuma (Fibromyalgie) werde
praxisgemäss grundsätzlich Krankheitswert zuerkannt. Insofern sei die Expertise
unvollständig und eine ergänzende Begutachtung notwendig. Ohne Beurteilung der
Fibromyalgie könne die Frage der wesentlichen Verbesserung des
Gesundheitszustandes nicht zuverlässig beurteilt werden.
Weder im rheumatologischen Gutachten vom 17. Oktober 2007 noch in den übrigen
ärztlichen Berichten in den Akten wurde eine Fibromyalgie erwähnt. Abgesehen
davon kann aus dieser Diagnose allein nicht auf eine Arbeitsunfähigkeit
geschlossen werden. Eine Fibromyalgie hat denn auch nur ausnahmsweise
invalidisierenden Charakter (BGE 132 V 65 E. 4 S. 70 ff.). Im Übrigen hat der
Gutachter die weichteilrheumatischen Beschwerden bei der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit berücksichtigt. Danach sind nur Arbeiten zumutbar ohne Heben,
Stossen oder Ziehen von Gewichten über 7,5 kg, ohne dauerndes
Vornübergebeugtsein und rezidivierendes Bücken mit mehr Erholungspausen und
Gelegenheit, bei Schmerzen die Stellung zu wechseln und aus der sitzenden
Position aufzustehen und herumzugehen. Für eine derartige Tätigkeit besteht
eine Arbeitsfähigkeit von 70 % bezogen auf ein Ganztagespensum.

4.5 Die Rentenrevision lasse sich mit dem Ergebnis des im November 2005 im
Kantonsspital X.________ durchgeführten PACT-Tests weder begründen noch
stützen.
Die Vorinstanz ist demselben Einwand in der Beschwerde mit der Feststellung
begegnet, weder das Ergebnis des PACT-Tests noch Aussagen zur Selbstlimitierung
seien für den Entscheid relevant gewesen. Es ist unklar, ob sich diese Aussage
auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Gutachten vom 17. Oktober 2007
oder auf die eigene Entscheidfindung bezieht. Diese Unklarheit braucht indessen
nicht weiter zu kümmern. Dr. med. J.________ erwähnte die Tests in der
Gesamtbeurteilung bei der «Darstellung der Entwicklung des
Gesundheitsproblems». Welche Bedeutung er den Ergebnissen für die Frage der
Arbeitsfähigkeit beimass, lässt sich nicht sagen. Dies mindert indessen den
Beweiswert der Expertise nicht. Soweit mit dem Vorbringen, die tatsächliche
Belastbarkeitsgrenze liege deutlich unter der normalen Alltagsbelastung, das
Ergebnis des PACT-Tests resp. dessen Interpretation durch die Fachärzte des
Kantonspitals X.________ angezweifelt wird, wird letztlich unzulässige
appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geübt
(Urteile 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3 und 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007
E. 1.3 [in BGE 133 III 421 nicht publiziert]).
Die Einwendungen gegen das rheumatologische Gutachten vom 17. Oktober 2007 sind
somit nicht stichhaltig und die Rüge der unhaltbaren Beweiswürdigung,
allenfalls der unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
durch die Vorinstanz ist unbegründet.

5.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit der selben Begründung wie in der
vorinstanzlichen Beschwerde, bei der Ermittlung des Invalideneinkommens (auf
der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für
Statistik; BGE 124 V 321) sei der maximal zulässige Abzug von 25 % gemäss BGE
126 V 75 vorzunehmen. Das kantonale Gericht hat dargelegt, weshalb der von der
IV-Stelle gewährte Abzug von 10 % angemessen ist. Mit ihren Vorbringen vermag
die Beschwerdeführerin nicht darzutun, inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen
rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder
-unterschreitung vorliegt (Urteil 9C_973/ 2008 vom 19. Januar 2009 E. 3).
Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler