Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1038/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_1038/2009

Urteil vom 18. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter M. Saurer, Wengistrasse 7, 8004 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 6. Oktober 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 20. Januar 1995 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem
1961 geborenen P.________ ab 1. Oktober 1993 auf Grund eines Invaliditätsgrades
von 70 % eine ganze Invalidenrente samt Zusatzrente für die Ehefrau und zwei,
ab 1. Januar 1994 drei Kinderrenten zu. Mit Verfügung vom 21. Oktober 1998 hob
die IV-Stelle die ganze Rente auf Ende des folgenden Monats auf, was das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 3. Juli 2000
bestätigte. Mit Urteil I 513/00 vom 5. Dezember 2000 hob das Eidg.
Versicherungsgericht beide Erkenntnisse auf.
Als Ergebnis eines im Juli 2001 eingeleiteten Revisionsverfahrens, in welchem
P.________ unter anderem in der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) der
Kliniken X.________ polydisziplinär untersucht und begutachtet wurde (Expertise
vom 22. April 2002), teilte ihm die IV-Stelle mit Schreiben vom 13. Mai 2002
mit, dass keine rentenbeeinflussende Änderung eingetreten sei und weiterhin
Anspruch auf eine Invalidenrente auf Grund des bisherigen Invaliditätsgrades
bestehe.
Im Mai 2006 leitete die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren ein. Unter
anderem liess sie den Versicherten von Dr. med. S.________, Orthopädische
Chirurgie FMH, untersuchen und begutachten (Expertise vom 19. Februar 2007).
Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren setzte die IV-Stelle mit Verfügung vom
14. Januar 2008 die ganze Rente zum 1. März 2008 auf eine Viertelsrente herab.

B.
Die Beschwerde des P.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 6. Oktober 2009 ab.

C.
P.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 6. Oktober 2009 sei aufzuheben und
ihm wieder eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter die Sache zur
Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht und
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Entscheid bestätigt die revisionsweise Herabsetzung der
ganzen Rente auf eine Viertelsrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Der Beschwerdeführer
rügt sinngemäss, die vorinstanzliche Annahme eines wesentlich verbesserten
Gesundheitszustandes seit dem MEDAS-Gutachten vom 22. April 2002 verletze
Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG).

2.
Die Vorinstanz hat festgestellt, in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Dr.
med. S.________ vom 19. Februar 2007 sei von einer wesentlichen Besserung des
Gesundheitszustandes seit der letzten revisionsweisen Überprüfung der Rente
(Mitteilung vom 13. Mai 2002) und einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer
behinderungsangepassten Tätigkeit spätestens ab dem Zeitpunkt der Untersuchung
vom 2. Februar 2007 auszugehen. Insbesondere zeige ein Vergleich der Befunde,
dass die Beschwerden am Handgelenk rechts in erheblicher Weise abgeklungen
seien. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass sich auch die Arbeitsfähigkeit
verbessert habe. Die von Dr. med. S.________ attestierte Arbeitsfähigkeit von
100 % in einer behinderungsangepassten Tätigkeit sei nachvollziehbar.

3.
3.1 Im MEDAS-Gutachten vom 22. April 2002 waren unter anderem folgende
orthopädische Diagnosen gestellt worden: Chronifiziertes Schmerzsyndrom der
(dominanten) rechten Hand und des rechten Ellbogens mit Gefügelockerung des
distalen Radioulnargelenkes, Ulnarvorschub mit Fehlstatik der proximalen
Handwurzelreihe und Cubitus valgus als Folge einer Resektion des
Radiusköpfchens wegen Köpfchenfraktur 1991 sowie ein chronisches Reizknie
rechts bei Status nach mehrfacher arthroskopischer Innenmeniskusresektion mit
Stabilitätsminderung, Chondromalazie und Muskelatrophie des Oberschenkels und
Unterschenkels. Der orthopädische Experte der Abklärungsstelle hielt in seinem
Untergutachten vom 12. März 2002 fest, der Versicherte sei wie übereinstimmend
in allen Berichten funktionell als Einarmiger anzusehen. Dabei sei von einem
Dauerzustand auszugehen. Die Arbeitsfähigkeit in theoretisch denkbaren
Verweisberufen werde wesentlich durch das Knieleiden rechts, welches trotz
fehlender Arbeitsbelastung in den Jahren 2001 Rezidivoperationen mit Entfernung
weiterer Meniskusanteile notwendig gemacht habe, eingeschränkt. Der dabei
festgestellte Knorpelschaden zusammen mit dem Meniskusdefekt und der
konsekutiven leichten Bandlockerung würde auch in Zukunft den schmerzhaften
Reizzustand erhalten und in eine Arthrose münden. Damit würden alle
Tätigkeiten, wie weites Gehen, Treppensteigen, schweres Tragen oder langes
Sitzen am Ort, beeinträchtigt. Auf dem offenen Wirtschaftsmarkt seien keine in
einem über 30 % hinausgehenden Mass zumutbare Tätigkeiten zu sehen.

3.2 Dr. med. S.________ diagnostizierte in seinem fünf Jahre später erstellten
Gutachten vom 19. Februar 2007 einen Status nach Meisselfraktur des
Radiusköpfchens rechts, eine geringfügige Einschränkung der Pro-/Supination mit
geringen Restbeschwerden, einen Status nach arthroskopischer
Meniskusteilresektion rechts sowie eine diskretestens beginnende mediale
Gonarthrose beidseits. In einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit,
vornehmlich ausgeübt in Wechselbelastung und ohne besondere Beanspruchung der
rechten Hand bestehe volle Arbeitsfähigkeit. Diese Beurteilung spricht für eine
erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes aus orthopädischer Sicht seit
der MEDAS-Begutachtung, wie auch die Vorinstanz unter Hinweis auf die am
Handgelenk rechts erhobenen Befunde festgestellt hat.
Zu beachten ist indessen, dass Dr. med. S.________ selber nicht von einem
verbesserten Gesundheitszustand auszugehen scheint. So setzte er den Beginn
einer dauerhaften Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in der bisherigen oder
einer angepassten Tätigkeit auf 1991 fest. Sodann bestand seine
Auseinandersetzung mit der Beurteilung der MEDAS im Wesentlichen aus offener
Kritik am orthopädischen Gutachter der Abklärungsstelle, dessen Beurteilung er
als komplett falsch bezeichnete, wie in der Beschwerde richtig festgehalten
wird. Insoweit stellt aber seine Einschätzung lediglich eine andere Beurteilung
der Auswirkungen eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen
Gesundheitszustandes auf die Arbeitsfähigkeit dar, was für sich allein genommen
keinen Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG darstellt (Urteil 9C_1025/2008
vom 19. Januar 2009 E. 1.1). Anderseits kann aufgrund der grossen Diskrepanz
zwischen der Beurteilung der MEDAS und derjenigen des Dr. med. S.________ eine
Verbesserung des Gesundheitszustandes seit der Begutachtung 2002 nicht
ausgeschlossen werden.

3.3 Die Akten erlauben somit nicht, die für eine revisionsweise Herabsetzung
der ganzen Rente entscheidende Frage einer voraussichtlich dauernden
Verbesserung des Gesundheitszustandes aus orthopädischer Sicht und einer
dadurch bewirkten Erhöhung der Arbeitsfähigkeit seit der Begutachtung durch die
MEDAS im Frühjahr 2002 in zuverlässiger Weise zu beurteilen. Der
vorinstanzliche Entscheid beruht somit auf einem unvollständig abgeklärten
Sachverhalt, was Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG; Urteile 9C_736/2009
vom 26. Januar 2010 E. 3.1 und 9C_772/2009 vom 12. Januar 2010 E. 4.3). Die
IV-Stelle wird nochmals ein orthopädisches Gutachten einzuholen haben und nach
allfälligen weiteren Abklärungen über den Rentenanspruch des Beschwerdeführers
ab 1. März 2008 neu verfügen. Die Beschwerde ist im Eventualstandpunkt
begründet.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die IV-Stelle die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine unter anderem nach
dem anwaltlichen Vertretungsaufwand bemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Oktober 2009 und die
Verfügung der IV-Stelle vom 14. Januar 2008 werden aufgehoben. Die Sache wird
an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie nach Abklärungen im Sinne der
Erwägungen über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der
Invalidenversicherung ab 1. März 2008 neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Zürich
auferlegt.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Gerichtskosten und
die Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. März 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler