Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1022/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_1022/2009

Urteil vom 17. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
M.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 29. September 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1956 geborene M.________ meldete sich im November 2001 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 23. Februar 2007
gewährte ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich Arbeitsvermittlung. Am 7. Februar
2008 teilte sie ihm mit, die Massnahme sei erfolgreich abgeschlossen worden. Am
10. Februar 2009 beantragte der Versicherte erneute Arbeitsvermittlung. Das im
Rahmen des Vorbescheidverfahrens gestellte Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung wies die IV-Stelle mit Verfügung vom 19. Juni 2009 ab.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des M.________ wies der Einzelrichter des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. September
2009 ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei der Entscheid vom 29. September 2009 aufzuheben und die
Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es in einem
Kollegialentscheid neu darüber befinde.
Die IV-Stelle schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale
Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Streitig ist aufgrund der Beschwerdebegründung (vgl. Anwaltsrevue 2009 8 S.
393, 9C_251/2009 E. 1.3 mit Hinweisen) einzig die Zuständigkeit des
Einzelrichters für den Entscheid über die Beschwerde vom 24. Juni 2009
betreffend die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung im
Vorbescheidverfahren, welches im Zusammenhang mit der beantragten
Arbeitsvermittlung durchgeführt wurde. Das Rechtsbegehren auf Aufhebung des
angefochtenen Entscheides, soweit er die Sache selber (Abweisung der
unentgeltlichen Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren) betrifft, wird
auch nicht im Sinne einer Eventualbegründung substanziiert. Darauf ist nicht
weiter einzugehen.

2.
Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantieren u.a. den Anspruch des
Einzelnen auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und
unparteiisches Gericht. Ob diese Garantien verletzt sind, überprüft das
Bundesgericht grundsätzlich mit freier Kognition (Art. 95 lit. a und b BGG).
Welches Gericht als kantonales Versicherungsgericht (vgl. Art. 57 ATSG)
zuständig und wie dieses zu besetzen ist, ergibt sich im Einzelnen aus der
einschlägigen kantonalen Regelung der Gerichtsorganisation, in casu aus dem
zürcherischen Gesetz vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht
(GSVG; ZH-Lex 212.81). Dessen Anwendung und Auslegung wird vom Bundesgericht -
vorbehältlich der in Art. 95 lit. c und d BGG genannten Fälle - nur auf Willkür
hin geprüft (ZBl 103/2002 S. 334, 1P.157/2001 E. 2a; Urteile 9C_836/2008 vom
30. Oktober 2008 E. 2.2 und 3; 1P.473/2000 vom 20. Oktober 2000 E. 2b).

3.
3.1 Die Vorinstanz beruft sich auf § 11 Abs. 1 GSVG, wonach die voll- und
teilamtlichen Mitglieder des Gerichts als Einzelrichterinnen und Einzelrichter
Streitigkeiten entscheiden, deren Streitwert Fr. 20'000.- nicht übersteigt. Sie
geht offensichtlich davon aus, dass ein Entscheid über die Gewährung oder
Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren als
Gegenstand mit Streitwert betrachtet werden kann.

3.2 Die Frage, ob die Beschwerde in Bezug auf die Willkürrüge (E. 2) den
qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügt, kann offen
bleiben, da die Auffassung des kantonalen Gerichts jedenfalls in der hier
vorliegenden Konstellation im Ergebnis nicht unhaltbar ist: Der angefochtene
Entscheid stellt nicht die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs oder die
Möglichkeit der anwaltlichen Vertretung im Vorbescheidverfahren in Frage; die
Interessen des Beschwerdeführers wurden denn auch durch seinen Anwalt
tatsächlich vertreten. Streitig war einzig, ob der Rechtsvertreter als privater
Anwalt vom Versicherten selbst oder als unentgeltlicher Rechtsbeistand vom
Staat zu bezahlen ist, d.h. wen die Zahlungspflicht für das Honorar trifft. Es
ist nicht willkürlich, dies als Streitwertfrage zu betrachten.

3.3 Im Urteil 9C_275/2008 vom 24. Juli 2008 E. 3.3 hat das Bundesgericht
entschieden, dass einer Rechtsverzögerungsbeschwerde kein bestimmbarer
Streitwert zukommt und offen gelassen, ob dies auch auf eine Beschwerde gegen
die Verweigerung unentgeltlicher Verbeiständung zutrifft. Zwar geht die
Rechtsprechung im Rahmen von Art. 51 und 74 BGG davon aus, dass es sich beim
Streit um die unentgeltliche Rechtspflege nicht um eine Sache mit bestimmtem
Streitwert handelt, sofern auch die Hauptsache nicht vermögensrechtlicher Natur
ist (Urteil 5D_41/2007 vom 27. November 2007 E. 2.3). Die Festsetzung einer
Parteientschädigung stellt einen Nebenpunkt des Streitgegenstandes dar, der
grundsätzlich mit dem für die Hauptsache zulässigen Rechtsmittel angefochten
werden kann. Ebenso folgt der Streit über den Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung grundsätzlich dem in der Hauptsache einzuschlagenden
Rechtsweg (vgl. Urteile 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E. 1.2; 5A_85/2007 vom 17.
April 2007 E. 1.2). Etwas anderes gilt indessen, wenn die Hauptsache nicht
angefochten worden ist und einzig die Entschädigung für den unentgeltlichen
Rechtsbeistand, mithin ein finanzielles Interesse, streitig ist; dann bestimmt
sich der Streitwert nach dem strittigen Betrag (Pra 2009 Nr. 114 S. 779, 5D_175
/2008 E. 1.1; Urteil 5D_88/2008 vom 14. August 2008 E. 1). Wenn auch in solchen
Konstellationen zu beachten ist, dass der Anwalt und nicht sein von ihm
vertretener Mandant als Partei auftritt, bestehen insofern Parallelen zum
vorinstanzlichen Verfahren, als es letztlich nur noch darum geht, eine
Entschädigung für die vom Anwalt geleisteten Dienste zu erhalten. Schliesslich
gilt es zu berücksichtigen, dass Art. 74 BGG dazu dient, überhaupt den
Rechtsmittelweg zu eröffnen oder verschliessen, während hier die Frage nach dem
Streitwert nur dafür entscheidend ist, ob über das Rechtsmittel
einzelrichterlich oder in Dreierbesetzung entschieden wird. Nach dem Gesagten
erscheint hinsichtlich des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung
die Annahme eines bestimmbaren Streitwertes und damit die vorinstanzliche
Auslegung der kantonalen Bestimmung über die einzelrichterliche Zuständigkeit
auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts als vertretbar.

3.4 Über die Höhe des Streitwerts sind keine näheren Angaben aktenkundig, aber
es ist ausgeschlossen, dass ein angemessenes Honorar für die Bemühungen des
Anwalts im Verwaltungs- und erst recht im Vorbescheidverfahren den Betrag von
Fr. 20'000.- auch nur annähernd erreichen könnte. Die einzelrichterliche
Behandlung ist daher nicht zu beanstanden.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE
125 V 201 E. 4a S. 202), wobei die Höhe des Honorars für den unentgeltlichen
Rechtsbeistand dem geringen Umfang der Beschwerde Rechnung trägt. Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später
dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Viktor Györffy, Zürich, wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.-
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann