Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.5/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8F_5/2009

Urteil vom 10. September 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Parteien
P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Braun,
Gesuchstellerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Revisionsgesuch gegen
das Urteil des Bundesgerichts
vom 14. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 22. September 2006, bestätigt durch den Einspracheentscheid
vom 10. November 2006, verneinte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) ihre Leistungspflicht, da keine Verschlimmerung der organischen
Unfallfolgen am rechten Sprunggelenk im Sinne eines Rückfalls ausgewiesen sei
und die nachträglich aufgetretenen Rückenbeschwerden sowie die psychischen
Gesundheitsstörungen nicht als Spätfolgen des Unfalls vom 16. November 2000
betrachtet werden könnten. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 15. Oktober 2007
ab. Diesen Entscheid bestätigte das Bundesgericht mit Urteil vom 14. April 2008
(Urteil 8C_741/2007).

B.
Mit Eingabe vom 20. Mai 2009 (Poststempel) lässt P.________ gestützt auf einen
neu vorliegenden Bericht des Dr. med. J.________ vom 26. Februar 2009 und den
diesem zugrunde liegenden Untersuchungsbericht des Dr. med. B.________,
Facharzt FMH Neurologie, vom 27. Januar 2009 um Revision des Urteils des
Bundesgerichts vom 14. April 2008 und Zusprechung von Versicherungsleistungen
mit Wirkung ab 1. Juli 2002 ersuchen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung des Revisionsgesuchs. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Revisionsgesuch stützt sich auf den Revisionsgrund gemäss Art. 123 Abs.
2 lit. a BGG. Danach kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid
entstanden sind.

1.2 Fraglich ist, ob die 90tägige Frist gemäss Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG
eingehalten wurde. Die Gesuchstellerin stellt zur Fristberechnung auf ihre
Kenntnis des Berichts des Dr. med. J.________ vom 26. Februar 2009 am 27.
Februar 2009 ab. Dr. med. B.________ hat die Gesuchstellerin indessen bereits
am 26. Januar 2009 untersucht und dabei eine hochgradige Schädigung des Nervus
peroneus rechts im Bereich des Sprunggelenks vorgefunden. Mit Blick auf das
Ergebnis kann offenbleiben, ob die Gesuchseinreichung rechtzeitig erfolgt ist.

1.3 Nach der zum analogen Art. 137 lit. b OG ergangenen, gemäss BGE 134 III 45
E. 2.1 S. 47 weiterhin gültigen Rechtsprechung sind "neue" Tatsachen solche,
die sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen
prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch dem
Revisionsgesuchsteller trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die
neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein,
die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei
zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. Neue
Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen
erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im
früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers
unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist,
es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren
davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht
bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient (BGE
110 V 138 E. 2 S. 141; 108 V 170 E. 1 S. 171; ferner nicht publ. E. 4.1 des
Urteils 134 III 286).

2.
2.1 Die Gesuchstellerin führt aus, nach der Unterschenkelfraktur vom 16.
November 2000 und der Metallentfernung vom 25. Mai 2001 habe sie an starken,
brennenden Schmerzen im Bereich des lateralen rechten Unterschenkels und Fusses
gelitten. Im August 2001 sei sie dem Neurologen Dr. med. E.________ zugewiesen
worden zur Klärung der Frage, ob während des Eingriffs oder durch den
Knochenbruch ein Nerv verletzt worden sei. Dieser habe darauf keine klare
Antwort gegeben. Infolge einer schmerzbedingten Fehlbelastung seien Beschwerden
im rechten Oberschenkel und im Rücken hinzugekommen. Im Rahmen der von Dr. med.
B.________ durchgeführten ENG-Messung habe sich eine hochgradige Schädigung des
Nervus peroneus rechts im Bereich des Sprunggelenkes gezeigt, welche die
elektrisierenden Schmerzen zusammen mit einem Morbus Sudeck verursacht habe. Da
die linke Seite unauffällig und der Nervus auf der Aussenseite des
Unterschenkels lokalisiert sei, stehe die Unfallkausalität fest.

2.2 Nachdem die SUVA ihre Leistungen mit unangefochten in Rechtskraft
erwachsener Verfügung vom 19. August 2002 mit Wirkung ab 1. Juli 2002
eingestellt hatte, bildete einzig die Frage nach einer unfallbedingten
wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes Gegenstand des dem
Revisionsgesuch zugrunde liegenden bundesgerichtlichen Urteils vom 14. April
2008. Zu prüfen ist, ob eine solche unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten
mit Blick auf die von Dr. med. B.________ erwähnte hochgradige Schädigung des
Nervus peroneus rechts zu bejahen ist.

2.3 Laut Dr. med. B.________ dürfte die Ursache der elektrisierenden Schmerzen
zum einen der Status nach Morbus Sudeck und zum andern auch eine hochgradige
Schädigung des Nervus peroneus rechts im Bereich des Sprunggelenks sein. Damit
hat der Facharzt gegenüber der neurologischen Abklärung vom August 2001 keine
bis anhin unbekannt gebliebene wesentliche Tatsache ans Licht gebracht. Bereits
im Bericht des Dr. med. E.________ vom 11. August 2001 wurden eine Blockierung
der motorischen Leitung des Nervus peroneus auf der Höhe des OSG rechts und
eine Kontusion/Kompression der Nervenfasern dieses Nervus erwähnt. Die von Dr.
med. B.________ gestellte Diagnose einer Neuropathie findet sich als
neuropathischer Schmerz der rechten Körperhälfte bereits in den Berichten des
Spitals X.________ vom 26. Januar und 23. Februar 2004. Eine Verschlechterung
des Gesundheitszustandes am rechten Fuss lässt sich mit den Angaben des Dr.
med. B.________ für den Zeitraum der Leistungseinstellung auf den 1. Juli 2002
und der Rückfallmeldung vom April 2004 nicht begründen. Aus dessen Bericht vom
27. Januar 2009 kann auch nicht ohne weiteres und schon gar nicht mit dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf die Unfallkausalität
geschlossen werden, da der Neurologe hinsichtlich der Ursache bloss von einer
Annahme ("dürfte") spricht und allein aufgrund der Unauffälligkeit der linken
Seite die Unfallkausalität der Beschwerden rechts ohne weiteres bejaht. Demnach
fehlt es an erheblichen neuen medizinischen Erkenntnissen im Sinne von Art. 123
Abs. 2 lit. a BGG. Daran ändert auch der Bericht des Dr. med. J.________ vom
26. Februar 2009 an den Rechtsvertreter der Gesuchstellerin nichts, da darin
bloss Bezug auf den Bericht des Dr. med. B.________ genommen wird.

2.4 Nach dem Gesagten vermögen die neu vorgelegten Arztberichte kein vom
Haupturteil abweichendes Ergebnis zu begründen. Ein Revisionsgrund im Sinne von
Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG liegt somit nicht vor, weshalb das Gesuch abzuweisen
ist, soweit darauf eingetreten werden kann.

3.
Die Gerichtskosten sind der Gesuchstellerin als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. September 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Hofer