Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.93/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_93/2009

Urteil vom 13. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, Bundesrichter von Werdt,
nebenamtlicher Bundesrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Eduard Schoch,

Gegenstand
Vorsorgliche Massnahmen (Persönlichkeitsschutz),

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft (Abteilung
Zivil- und Strafrecht) vom 15. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ ist die 1990 ausserehelich geborene, von ihrem Vater anerkannte
Tochter von Y.________ und Z.________. Mit Eingabe vom 8. September 2008 an das
Gerichtspräsidium B.________ ersuchte sie darum, Y.________ im Sinne einer
vorsorglichen Massnahme nach den Art. 28c ff. ZGB (Persönlichkeitsschutz) -
vorab superprovisorisch - zu verbieten, mit ihr in irgendeiner Form, sei es per
Brief, E-Mail, Natel oder fernmündlich, in Verbindung zu treten oder sich mit
ihr persönlich zu treffen oder über andere Drittpersonen als ihre Mutter mit
ihr Kontakt aufzunehmen.

Mit Verfügung vom 9. September 2008 gab die Gerichtspräsidentin von B.________
dem Begehren von X.________ superprovisorisch statt.

In der Folge verlangte Y.________ die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung, worauf die Gerichtspräsidentin am 29. September 2008 die Parteien
verpflichtete, zur noch anzusetzenden Verhandlung persönlich zu erscheinen.

Am 15. Dezember 2008 beschloss das Kantonsgericht Basel-Landschaft (Abteilung
Zivil- und Strafrecht), dass auf die von X.________ gegen die Verfügung der
Gerichtspräsidentin von B.________ vom 29. September 2008 erhobene Beschwerde
nicht eingetreten werde.

B.
Mit einer vom 3. Februar 2009 datierten und am 5. Februar 2009 zur Post
gebrachten Eingabe erhob Z.________ im Namen ihrer (volljährigen) Tochter
Beschwerde in Zivilsachen. Es wurde beantragt, es sei festzustellen, dass
X.________ nicht verpflichtet werden könne, persönlich vor Gericht zu
erscheinen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege nachgesucht.
Mit Präsidialverfügung vom 9. Februar 2009 wurde die Beschwerdeführerin darauf
hingewiesen, dass die Parteivertretung patentierten Anwältinnen und Anwälten
vorbehalten ist. X.________ gab hierauf am 25. Februar 2009 eine von ihr
persönlich unterzeichnete (ergänzte) Beschwerdeschrift vom 24. Februar 2009 bei
der Post auf und erneuerte darin die in der Eingabe vom 3. Februar 2009
gestellten Rechtsbegehren.
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, sie
allenfalls abzuweisen. Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

Durch Präsidialverfügung vom 26. Februar 2009 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.
Den angefochtenen Entscheid nahm die Beschwerdeführerin am 26. Januar 2009 in
Empfang. Die an diesem Tag ausgelöste Beschwerdefrist von 30 Tagen (Art. 100
Abs. 1 BGG) endete am 25. Februar 2009. An diesem Tag hat die
Beschwerdeführerin die von ihr persönlich unterzeichnete Beschwerdeschrift vom
24. Februar 2009 zur Post gebracht, so dass die darin enthaltenen Ergänzungen
innert der Beschwerdefrist angebracht wurden und zu berücksichtigen sind.

2.
Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich nicht um einen das Verfahren
abschliessenden Entscheid im Sinne von Art. 90 BGG, sondern um einen
(selbständig eröffneten) Zwischenentscheid (der letzten kantonalen Instanz).

2.1 Abgesehen von den in Art. 92 BGG geregelten Sonderfällen (Entscheide über
die Zuständigkeit bzw. über Ausstandsbegehren) und dem hier ebenfalls ausser
Betracht stehenden Fall von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG (Möglichkeit der
sofortigen Herbeiführung eines Endentscheids), ist die Beschwerde in
Zivilsachen gegen Zwischenentscheide nur dann zulässig, wenn sie einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Der
Begriff des nicht wieder gutzumachenden Nachteils entspricht demjenigen, der
Art. 87 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege
(OG) zugrunde lag, so dass zu seiner Auslegung die Rechtsprechung zu jener
Bestimmung heranzuziehen ist (BGE 135 III 127 E. 1.3 S. 129 mit Hinweis).
Darnach muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der sich auch
mit einem späteren günstigen Entscheid nicht gänzlich beseitigen lässt (BGE 133
IV 139, E. 4 S. 141, 288, E. 3.1 S. 291, und 335, E. 4 S. 338; mit Hinweisen).
Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist in der Beschwerde darzutun, es sei denn,
dass sie offensichtlich sei (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632 mit Hinweis).

2.2 Die Beschwerdeführerin hat es unterlassen, sich mit der dargelegten Frage
zu befassen und die Beschwerde entsprechend zu begründen. Ob darin, dass sie
aufgrund der den Parteien auferlegten Pflicht, persönlich zur
bezirksgerichtlichen Verhandlung zu erscheinen, mit dem Beschwerdegegner
zusammentreffen würde, ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu erblicken ist, mag indessen ohnehin dahingestellt
bleiben. Wie darzulegen sein wird, wäre der Beschwerde nämlich auch dann kein
Erfolg beschieden, wenn die in der genannten Bestimmung verlangte Voraussetzung
als erfüllt betrachtet würde.

3.
Die Beschwerdeführerin geht selbst zutreffend davon aus, dass mit Beschwerde
gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen nur die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (Art. 98 BGG). Die Verletzung von
Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das
bedeutet, dass - entsprechend den altrechtlichen Begründungsanforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG - klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte
verletzt worden sein sollen (BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88 mit Hinweisen). Bei der
Willkürrüge ist in der erwähnten Form aufzuzeigen, inwiefern der kantonale
Entscheid offensichtlich unhaltbar sein, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch stehen bzw. eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzen oder sonst wie in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen soll (BGE 133 I 149 E. 3.1 S. 153 mit
Hinweisen). Auf rein appellatorische Kritik, wie sie allenfalls in einem
Berufungsverfahren zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258 E. 1.3
S. 261 f. mit Hinweisen).

4.
4.1 Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur soweit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. In
der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzung für eine nachträgliche
Einreichung von Beweismitteln erfüllt sein soll (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).

4.2 Das Begehren der Beschwerdeführerin, bei Dr. med. R.________ allenfalls
einen schriftlichen Bericht über die bei einer persönlichen Begegnung mit dem
Beschwerdegegner für sie zu erwartenden Folgen einzuholen, ist nach dem
Gesagten von vornherein unbeachtlich. Sodann hatte die Beschwerdeführerin
bereits in ihrer Beschwerde vom 9. Oktober 2008 an die Vorinstanz auf die
Eloquenz des Beschwerdegegners hingewiesen. Unzulässig ist dagegen das neue
Vorbringen, es handle sich beim Beschwerdegegner um einen 58-jährigen
geschäfts- und lebenserfahrenen Mann, ..., zumal nicht dargetan wird, inwiefern
die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung dieses Hinweises erfüllt sein
sollen.

5.
5.1 Seinen Entscheid, auf das von der Beschwerdeführerin bei ihm eingereichte
Rechtsmittel nicht einzutreten, hat das Kantonsgericht vorab damit begründet,
dass nach § 233 Abs. 6 der basellandschaftlichen Zivilprozessordnung (ZPO)
prozessleitende Verfügungen des Gerichtspräsidiums nur zusammen mit der
Hauptsache angefochten werden könnten. Sodann hält es dafür, dass selbst dann,
wenn mit der Bezirksgerichtspräsidentin davon ausgegangen werden wollte, im
Falle eines drohenden nicht mehr gutzumachenden Nachteils könne aufgrund von §
233 Abs. 1 ZPO gegen prozessleitende Verfügungen selbständig Beschwerde erhoben
werden, auf die Beschwerde nicht einzutreten wäre, da die Beschwerdeführerin
einen solchen Nachteil nicht darzutun vermocht habe. Abschliessend erklärt die
Vorinstanz, eine analoge Anwendung von § 233 Abs. 7 ZPO, wonach Verfügungen
betreffend Anordnung bzw. Nichtanordnung der Anhörung eines Kindes mit
Beschwerde angefochten werden könnten, auf den Fall einer mündigen Person sei
abzulehnen; die erwähnte Bestimmung diene nämlich vornehmlich dem Kindeswohl
und es sei nicht vorgesehen, dass sich eine mündige Person mittels Beschwerde
einer persönlichen Anhörung entziehen könne.
5.2
5.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin die sich aus dem Anspruch auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergebende Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu
begründen (dazu BGE 133 III 439 E. 3.3 S. 445 mit Hinweisen), anspricht, sind
ihre Vorbringen von vornherein unbeachtlich: Die Rüge der fehlenden Begründung
richtet sich gegen die Verfügung der Gerichtspräsidentin. Gegenstand der
vorliegenden Beschwerde kann indessen einzig der Entscheid der letzten
kantonalen Instanz, hier der kantonsgerichtliche Nichteintretensbeschluss vom
15. Dezember 2008, bilden (Art. 75 Abs. 1 BGG).
5.2.2 Mit dem Vorbringen, das kantonale Recht dürfe die Verwirklichung des
Bundesrechts nicht behindern und das Kantonsgericht hätte aus diesem Grund auf
die Beschwerde eintreten müssen, rügt die Beschwerdeführerin dem Sinne nach
sodann einen Verstoss gegen Art. 49 Abs. 1 BV.

Wie früher bei der staatsrechtlichen Beschwerde, wo das Recht ebenfalls nicht
von Amtes wegen angewendet wurde, sondern das Rügeprinzip galt (s. oben E. 3),
gelangt auch bei den Art. 98 BGG unterworfenen Beschwerden der Grundsatz zur
Anwendung, dass nicht nur neue tatsächliche, sondern auch neue rechtliche
Vorbringen unzulässig sind (BGE 133 III 638 E. 2 S. 640). Eine Verletzung des
Prinzips des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) hatte die
Beschwerdeführerin vor Kantonsgericht noch nicht gerügt. Die Verfügung der
Gerichtspräsidentin vom 29. September 2008, wonach die Parteien persönlich zur
Verhandlung zu erscheinen hätten, hatte ihrerseits auf kantonalem Prozessrecht
beruht, und die Beschwerdeführerin, die ihr den aus den personenrechtlichen
Bestimmungen des Bundesrechts (Art. 28 ff. ZGB) abgeleiteten Anspruch, den
Beschwerdegegner nicht treffen zu müssen, gegenübergestellt hatte, hätte schon
im kantonalen Beschwerdeverfahren Anlass gehabt, eine Verletzung von Art. 49
Abs. 1 BV geltend zu machen. Bei der vor Bundesgericht erhobenen Rüge handelt
es sich unter den dargelegten Umständen um ein unzulässiges neues rechtliches
Vorbringen.
5.2.3 Die übrigen Vorbringen stossen insofern von vornherein ins Leere, als die
Beschwerdeführerin sich nicht mit den vom Kantonsgericht für das Nichteintreten
auf die Beschwerde angeführten Gründen befasst, sondern mit dem von ihr geltend
gemachten Anspruch, den Beschwerdegegner nicht treffen zu müssen, d.h. mit der
Sache selbst. Inwiefern der Nichteintretensentscheid als solcher gegen
verfassungsmässige Rechte, namentlich etwa gegen das Willkürverbot (Art. 9 ZGB)
verstossen soll, wird nicht in rechtsgenügender Weise dargelegt. Die
Beschwerdeführerin begnügt sich damit, in appellatorischer Form ihre eigene
Sicht der Dinge vorzutragen.

6.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Sie erschien unter
den dargelegten Umständen von vornherein als aussichtslos. Wie die
Beschwerdeführerin, die zur Zeit noch eine Mittelschule besucht, selbst
ausführt, wird sie im Übrigen von ihrer Mutter unterstützt, so dass auch das
Erfordernis der Bedürftigkeit nicht erfüllt ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Das
Gesuch der Beschwerdeführerin, ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, ist daher abzuweisen, und es sind die
Gerichtskosten ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Ausserdem ist diese zu verpflichten, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin, ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft
(Abteilung Zivil- und Strafrecht) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel