Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.87/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_87/2009/don

Urteil vom 2. März 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt
Gerichtsschreiber Zbinden.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Adriano Marti,

gegen

Gerichtspräsidium Y.________,,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Rechtsverzögerung (fürsorgerische Freiheitsentziehung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 17.
November 2008.

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit längerer Zeit aufgrund einer
fürsorgerischen Freiheitsentziehung in der Psychiatrischen Klinik A.________.
Am 10. September 2008 reichte der Verein Psychex in seinem Namen ein Gesuch um
Entlassung ein, welches die Vormundschaftsbehörde A.________ am 29./30.
September 2008 abwies. Am 2. Oktober 2008 gelangte Rechtsanwalt Adriano Marti
im Namen des Beschwerdeführers an das Gerichtspräsidium Y.________ mit dem
Begehren, der Beschwerdeführer sei unverzüglich aus der Anstalt zu entlassen.

B.
B.a Am 19. Oktober 2008 wandte sich der anwaltlich verbeiständete
Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons Thurgau mit den Anträgen, das
Gerichtspräsidium Y.________ sei anzuweisen, unverzüglich die gerichtliche
Beurteilung vorzunehmen und ein eventuell erforderliches Gutachten einzuholen;
bis zur Entscheidfällung sei der ersten Instanz eine Frist von maximal sieben
Arbeitstagen anzusetzen. Mit Beschluss vom 17. November 2008 wies das
Obergericht die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten sei und sie nicht
gegenstandslos geworden sei.
B.b Die Anhörung des Beschwerdeführers erfolgte am 24. Oktober 2008 im Beisein
seines Anwalts. Der Entscheid des Gerichtspräsidiums Y.________ über das
Entlassungsgesuch erging am 14. Januar 2009.

C.
Der Beschwerdeführer gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 2. Februar 2009
an das Bundesgericht mit den Begehren, der Beschluss des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 17. November 2008 sei aufzuheben (Ziff. 1); es sei
festzustellen, dass das Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung
infolge Rechtsverzögerung Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 397f Abs. 1 ZGB, Art. 5 Ziff.
4 EMRK verletze (Ziff. 2). Das Obergericht sei zu verpflichten, eine
Pikettliste freischaffender Psychiater zu erstellen, die an den Arbeitstagen
von Januar bis Dezember für die Erstellung von Gutachten zur Verfügung stehen
(Ziff. 3). Das Obergericht sei zu verpflichten, die Bezirksgerichte anzuweisen,
in Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung innert einer Frist von
maximal 4 Arbeitstagen zu entscheiden (ohne Begründung) (Ziff. 4); ferner sei
das Obergericht zu verpflichten, die Bezirksgerichte anzuweisen, in Verfahren
der fürsorgerischen Freiheitsentziehung ein Aktenverzeichnis zu erstellen und
die Anhörung des Betroffenen mittels Tonaufzeichnungsgerät aufzuzeichnen (Ziff.
5). Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beschwerdeführer um
unentgeltliche Rechtspflege.
Das Obergericht hat sich am 13. Februar 2009 vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer hat gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 17. November 2008, welcher ihm am 18. Dezember 2008 mitgeteilt
worden war, am 2. Februar 2009, mithin zu einem Zeitpunkt Beschwerde in
Zivilsachen erhoben, als der Entscheid betreffend die gerichtliche Beurteilung
der fürsorgerischen Freiheitsentziehung bereits ergangen war (Urteil vom 14.
Januar 2009). Soweit seinen Anträgen durch die obergerichtliche Feststellung
der Rechtsverzögerung nicht entsprochen worden ist, verfügt er damit über kein
aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheides bzw. an der Behandlung der von ihm vorgetragenen Rügen (Art. 76
Abs. 1 lit. b BGG; BGE 114 Ia 88 E. 5b S. 90; 116 Ia 149 E. 2a S. 150; 116 Ia
359 E. 2a S. 363; 118 Ia 46 E. 3c S. 53 f.). Ungeachtet der formellen Natur der
Rüge der Rechtsverzögerung besteht nach Wegfall des aktuellen Interesses auch
konventionsrechtlich kein Anspruch auf Feststellung, dass die gerügte
Rechtsverletzung stattgefunden hat (BGE 123 II 285 E. 4a S. 297 mit Hinweis).

1.2 Das Bundesgericht prüft Beschwerden materiell trotz Wegfalls des aktuellen
praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter
gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an deren
Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches
Interesse besteht und sofern sie im Einzelfall kaum je rechtzeitig
verfassungsgerichtlich überprüft werden könnten (BGE 110 Ia 140 E. 2b S. 143;
114 Ia 88 E. 5b S. 90; 125 I 394 E. 4b S. 397).
Der Beschwerdeführer begründet nicht rechtsgenüglich, inwiefern im vorliegenden
Fall vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses abgesehen werden
muss. Insbesondere legt er nicht dar, dass er sich bereits einmal in der
gleichen Situation befunden habe und ausser Stande gewesen sei, eine angebliche
Rechtsverzögerung rechtzeitig vom Bundesgericht überprüfen zu lassen. Im
Weiteren ist auch nicht ersichtlich, dass sich diese Frage jederzeit wieder
stellen könnte. Sodann kann für die gerügte Rechtsverzögerung kein allgemeiner
Grundsatz bezüglich der Dauer von Verfahren der fürsorgerischen
Freiheitsentziehung aufgestellt werden, zumal diese Frage anhand der konkreten
Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist (BGE 127 III 385 E. 3a S. 389).

2.
Der Beschwerdeführer bemängelt des Weiteren, die Art und Weise der Anhörung und
der Protokollierung ohne Aufzeichnung der Aussagen verletze Art. 6 Ziff. 1 und
Art. 5 Ziff. 4 EMRK. Der Beschwerde lässt sich entnehmen, dass der
Beschwerdeführer die Aufzeichnung vorgängig sowie am Tag der Anhörung (24.
Oktober 2008) beantragt hat und der Gerichtspräsident diese abgelehnt hat. Der
Gerichtspräsident hat sich demnach mit dem Begehren des Beschwerdeführers um
Aufzeichnung der Verhandlung befasst. Der Beschwerdeführer zeigt in diesem
Zusammenhang nicht auf, dass er den Entscheid des Gerichtspräsidenten bei der
zuständigen kantonalen Instanz angefochten hat, bzw. dass dieser Entscheid
kantonal nicht anfechtbar ist. Insoweit liegt somit kein letztinstanzlicher
kantonaler Entscheid vor (Art. 75 Abs. 1 BGG). Im Übrigen setzt sich der
Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend mit der obergerichtlichen Begründung
auseinander, wonach diese Frage nicht Gegenstand des obergerichtlichen
Beschwerdeverfahrens sei. Darauf ist nicht einzutreten.

3.
Was die Frage der Aktenführung anbelangt, die der Beschwerdeführer ebenfalls
als konventionswidrig beanstandet, so hält das Obergericht fest, dass diese
nicht Gegenstand des strittigen Beschwerdeverfahrens sei. Der Beschwerdeführer
setzt sich mit dieser Begründung nicht rechtsgenügend auseinander (Art. 42 Abs.
2 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.

4.
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich in allgemeiner Weise die schlechten
Bedingungen seiner Unterbringung in der Anstalt als konventionswidrig
kritisiert, war diese Frage nicht Gegenstand des kantonalen Verfahrens. Darauf
ist nicht einzutreten (Art. 75 Abs. 1 BGG).

5.
Damit ist auf die Beschwerde insgesamt nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

6.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist nicht zu entsprechen, da sich die
Beschwerde von Anfang an als aussichtlos erwiesen hat (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. März 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zbinden