Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.831/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_831/2009

Urteil vom 24. März 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Zingg.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Wehrenberg,
Beschwerdeführerin,

gegen

Konkursamt des Kantons St. Gallen,
Davidstrasse 27, 9001 St. Gallen.

Gegenstand
Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven; Anordnung des summarischen
Konkursverfahrens,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter
für Rekurse SchKG, vom 6. November 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 13. Juli 2009 eröffnete der Einzelrichter des Kreisgerichts Rheintal auf
Begehren der Y.________ AG den Konkurs über die X.________ AG. Mit Entscheid
vom 17. Juli 2009 stellte der Einzelrichter auf Antrag des Konkursamtes des
Kantons St. Gallen das Konkursverfahren mangels Aktiven ein. Nach Publikation
der Einstellung im Amtsblatt verlangte die Y.________ AG die Durchführung des
Konkursverfahrens und bezahlte am 27. Juli 2009 den entsprechenden
Kostenvorschuss. Am 6. August 2009 ordnete der Einzelrichter auf Antrag des
Konkursamtes die Durchführung des summarischen Konkursverfahrens an.

Mit Eingabe vom 22. September 2009 beantragte das Konkursamt, die Anordnung des
summarischen Konkursverfahrens zu widerrufen und erneut die Einstellung des
Verfahrens zu verfügen. Zur Begründung führte das Amt an, die Schuldnerin habe
der Y.________ AG gestützt auf einen Vergleich vom 26. Juni 2009 am 7. August
2009 einen Betrag von Fr. 80'000.-- überwiesen, weshalb Letztere ihren Antrag
spätestens an diesem Tag hätte zurückziehen müssen.

Der Einzelrichter wies dieses Begehren mit Entscheid vom 25. September 2009 ab.

B.
Dagegen erhob die X.________ AG am 8. Oktober 2009 Rekurs an das Kantonsgericht
St. Gallen mit den Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das
Konkursamt St. Gallen anzuweisen, das Verfahren mangels Aktiven einzustellen.

Der Einzelrichter für Rekurse SchKG am Kantonsgericht St. Gallen wies den
Rekurs mit Entscheid vom 6. November 2009 ab.

C.
Gegen diesen Entscheid hat die X.________ AG (fortan: Beschwerdeführerin) am
10. Dezember 2009 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung an die Vorinstanz
zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen. Zudem ersucht sie um aufschiebende
Wirkung.
Nachdem das Kantonsgericht auf eine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende
Wirkung verzichtet hat und sich das Konkursamt nicht hat vernehmen lassen, ist
der Beschwerde mit Präsidialverfügung vom 13. Januar 2010 die aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist binnen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) ein kantonal
letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) des Konkursrichters. Dagegen
steht die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung (Art. 72 Abs. 2 lit. a und
Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG). Als Rechtsträgerin der vom Konkurs betroffenen
Zweigniederlassung weist die Beschwerdeführerin ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Entscheids auf
(Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2 Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist
(Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen,
sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Der Beschwerdeführer muss
demnach angeben, welche Punkte des Entscheids angefochten und welche
Abänderungen beantragt werden. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag
erforderlich; Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer
Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen nicht und machen die
Beschwerde unzulässig. Ein blosser Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus,
wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst
entscheiden könnte, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz fehlen (vgl. BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383, 133 III 489 E. 3.1 mit
Hinweisen).

1.3 Vorliegend verlangt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung.
Einen materiellen Antrag stellt sie nicht. Dass das Bundesgericht nicht selber
in der Lage wäre, reformatorisch zu entscheiden, geht aus der
Beschwerdebegründung nur hinsichtlich einer der beiden erhobenen Rügen hervor.

1.3.1 Zunächst wirft die Beschwerdeführerin der Y.________ AG Rechtsmissbrauch
und treuwidriges Verhalten vor. In diesem Zusammenhang schildert sie zwar
ausführlich den Sachverhalt aus eigener Sicht, macht jedoch keine willkürliche
oder lückenhafte Sachverhaltsfeststellungen durch die Vorinstanz geltend (vgl.
Art. 97 Abs. 1 BGG). Weshalb das Bundesgericht die aufgeworfene Rechtsfrage der
Verletzung von Art. 2 Abs. 2 ZGB nicht selber beantworten könnte, legt die
Beschwerdeführerin ebenfalls nicht dar. Hinsichtlich dieser Rüge erweist sich
der blosse Rückweisungsantrag als unzulässig.

Die Ergänzung des Antrags anhand der Beschwerdebegründung könnte erfolgen, wenn
zweifelsfrei erstellt wäre, was die Beschwerdeführerin in der Sache verlangt
(Urteil 5A_715/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 1.2 mit Hinweisen). Dies drängt
sich jedoch bereits deshalb nicht auf, weil die anwaltlich vertretene
Beschwerdeführerin offenbar in bewusster Abkehr von ihren Rekursanträgen auf
einen materiellen Antrag verzichtet hat. Zudem anerkennt die Beschwerdeführerin
im Zusammenhang mit ihrer zweiten Rüge (unten E. 1.3.2) ausdrücklich, dass sie
einen Widerrufsgrund nach Art. 195 SchKG nachweisen müsste. Damit ist aber
zweifelhaft, ob sie an der Einstellung des Verfahrens gemäss Art. 230 SchKG
festhalten möchte, oder nicht doch eher auf einen Konkurswiderruf gemäss Art.
195 SchKG abzielt.
1.3.2 Die Beschwerdeführerin rügt des Weiteren, dass die Vorinstanz
hinsichtlich des Bestehens von Widerrufsgründen den Sachverhalt unvollständig
festgestellt und damit das rechtliche Gehör verletzt habe. Insoweit ist die
Beschränkung auf einen blossen Aufhebungs- und Rückweisungsantrag zulässig. Die
Zulässigkeit des Antrags bleibt auf diese zweite Rüge beschränkt, da sich aus
der Beschwerdebegründung nicht mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass und
weshalb die erste Rüge nicht ohne die zweite behandelt werden könnte.

2.
Die Beschwerdeführerin sieht das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt,
da die Vorinstanz im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum Widerruf des
Konkurses gemäss Art. 195 Abs. 1 SchKG keine Angaben zur Existenz weiterer
Gläubiger bzw. eingegebener Forderungen gemacht habe. Die Begründung des
angefochtenen Entscheids sei insofern mangelhaft.

2.1 Die Pflicht zur Begründung eines Entscheids ist Teilgehalt des rechtlichen
Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich
der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in
voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem
Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich
die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 134 I
83 E. 4.1 S. 88 mit Hinweisen).

2.2 Prozessgegenstand bildete vor den Vorinstanzen und bildet nach wie vor die
Wiedererwägung des Entscheids vom 6. August 2009, in welchem das summarische
Konkursverfahren angeordnet wurde, bzw. die erneute Einstellung des Verfahrens
mangels Aktiven gemäss Art. 230 SchKG. Dies ergibt sich insbesondere aus den
Anträgen der Beschwerdeführerin in ihrem Rekurs an das Kantonsgericht. Mit
anderen Worten geht es um die Prüfung, ob der Konkursentscheid vom 6. August
2009 angesichts des behaupteten Rechtsmissbrauchs der Y.________ AG rechtmässig
war. Der Widerruf gemäss Art. 195 SchKG bildete hingegen bisher nicht
Verfahrensthema und wurde von der Vorinstanz einzig deshalb angesprochen, weil
nach ihrer Auffassung die Durchführung des Konkursverfahrens nur noch durch den
Nachweis eines Widerrufsgrundes verhindert werden könnte. Deswegen - so die
Vorinstanz weiter - gehe der Vorwurf der Treuwidrigkeit an die Y.________ AG
fehl, da das Konkursverfahren im aktuellen Stadium nicht mehr vom Verhältnis
der Schuldnerin zur Gläubigerin abhängig sei.

2.3 Weil die Vorinstanz nicht über den Konkurswiderruf gemäss Art. 195 SchKG zu
befinden hatte, sondern über die Rechtmässigkeit der Anordnung des summarischen
Konkursverfahrens bzw. die erneute Einstellung gemäss Art. 230 SchKG, hatte sie
keinen Anlass, sich zum Vorliegen eines Widerrufsgrundes zu äussern. Es ist der
Beschwerdeführerin unbenommen, in einem weiteren Verfahren um Widerruf des
Konkurses zu ersuchen und dabei die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Die
Beschwerdeführerin ist zwar der Ansicht, die Vorinstanz hätte gerade wegen der
Treuwidrigkeit der Y.________ AG Ausführungen zum Bestehen eines
Widerrufsgrundes machen müssen, begründet aber den Zusammenhang zwischen dem
Rechtsmissbrauchsvorwurf und den Widerrufsgründen nicht näher. Da die
Vorinstanz allerdings bereits den Vorwurf der Treuwidrigkeit verworfen hatte,
bestand auch unter diesem Gesichtswinkel kein Anlass, sich mit dem Vorliegen
von Widerrufsgründen zu befassen.

Da die Vorinstanz somit für ihren Entscheid nicht gezwungen war, Feststellungen
über das Bestehen von Konkurswiderrufsgründen zu treffen, liegt in der
Unterlassung solcher Feststellungen keine Verletzung der Begründungspflicht und
damit des rechtlichen Gehörs.

2.4 Im Übrigen lässt sich den Akten entnehmen, dass derzeit ohnehin keine
genügenden Widerrufsgründe vorliegen dürften. Gemäss Art. 195 Abs. 1 SchKG
widerruft das Konkursgericht den Konkurs, wenn der Schuldner nachweist, dass
sämtliche Forderungen getilgt sind (Ziff. 1), wenn er von jedem Gläubiger eine
schriftliche Erklärung des Rückzugs der Konkurseingabe vorlegt (Ziff. 2) oder
wenn ein Nachlassvertrag zustandegekommen ist (Ziff. 3). Der Beschwerdeführerin
dürfte zum jetzigen Zeitpunkt der Nachweis misslingen, dass einer dieser
Tatbestände erfüllt ist. Insbesondere ist der Nachweis der Tilgung sämtlicher
Forderungen grundsätzlich erst nach Ablauf der Eingabefrist (Art. 232 Abs. 2
Ziff. 2 SchKG) möglich (AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 39 N. 4; vgl. auch BGE 111 III 70 E. 2b S. 72),
wobei ein entsprechender Schuldenruf bis anhin offenbar nicht erfolgt ist.
Zudem ist zweifelhaft, ob die Forderung der Y.________ AG überhaupt vollständig
erfüllt wurde. In einem Schreiben vom 17. August 2009 bezeichnet die
Gläubigerin die erfolgte Zahlung nämlich als blosse Teilzahlung und bestreitet
das Vorliegen eines Vergleichs zwischen den Parteien. Auch der Einzelrichter
sprach in seinem Entscheid vom 25. September 2009 von einer blossen
Teilzahlung. Ist die Forderung aber immer noch strittig, besteht weder ein
Widerrufsgrund noch könnte der Y.________ AG grundsätzlich Rechtsmissbrauch
vorgeworfen werden, wenn sie ihre (Rest-)forderung auf dem Konkursweg geltend
macht.

2.5 Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden
kann.

3.
Die Beschwerdeführerin ist vollumfänglich unterlegen und trägt damit die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Konkursamt des Kantons St.
Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse SchKG,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Escher Zingg