Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.805/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_805/2009

Urteil vom 26. Februar 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
Y.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Edelmann,
Beschwerdeführer,

gegen

Z.________,
Beschwerdegegnerin,

Vormundschaftsbehörde X,
Mitbeteiligte.

Gegenstand
Besuchsrecht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
23. September 2009.

Sachverhalt:

A.
Die Eheleute Z.________ und Y.________ sind die Eltern von M.________ (1985),
N.________ (1987), O.________ (1988), P.________ (1994), Q.________ (1996) und
R.________ (1998).

Im Jahr 2005 zog die Mutter mit den drei jüngeren Kindern zunächst ins
Frauenhaus und danach in den Kanton Thurgau, wo sie seither unter Verwendung
eines Pseudonyms leben. Der Wohnort wird vor dem Vater geheim gehalten.

B.
Im Rahmen des Eheschutzverfahrens teilte das Gerichtspräsidium A.________ der
Mutter am 2. August 2005 die Obhut über die drei jüngeren Kinder zu. Dem Vater
wurde kein Besuchsrecht eingeräumt mit der Begründung, dies gefährde das
Kindeswohl.

In dahingehender Gutheissung der Beschwerde des Vaters erteilte das Obergericht
des Kantons Aargau diesem mit Entscheid vom 26. Februar 2007 ein begleitetes
Besuchsrecht von einem halben Tag pro Monat, unter Errichtung einer Erziehungs-
und Besuchsrechtsbeistandschaft. Die Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz der
Kinder wurde mit der Ernennung und Überwachung des Beistandes beauftragt.

C.
Im Rahmen der Umsetzung des obergerichtlichen Entscheides liess die örtliche
Vormundschaftsbehörde bei der behandelnden Maltherapeutin sowie der
behandelnden Familienberaterin eine Beurteilung vornehmen und gab beim
Psychotherapeuten S.________ eine Begutachtung in Auftrag. Aufgrund der
Abklärungsberichte, in welchen massive Störungen der Kinder aufgrund des
früheren Verhaltens des Vaters festgestellt wurden, beschloss die
Vormundschaftsbehörde mit Verfügung vom 3. Oktober 2007, dass das gerichtlich
angeordnete Besuchsrecht aufgehoben werde.
Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Vaters wies das Departement
für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (DJS) am 4. Dezember 2008 ab mit
der Begründung, die Aufhebung des Besuchsrechts sei im Hinblick auf das
Kindeswohl und den Kindeswillen zu Recht erfolgt.

Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 23. September 2009 ab, nachdem es den Vater angehört
und aktuelle Berichte eingeholt hatte.

D.
Am 27. November 2009 hat Y.________ eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit
den Begehren um Aufhebung des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde und der
Entscheide des DJS und des Verwaltungsgerichts sowie um Feststellung, dass das
vom Obergericht des Kantons Aargau am 26. Februar 2007 angeordnete Besuchsrecht
zu vollstrecken sei, sowie um Anweisung der Vorinstanzen, die Vollstreckung
umgehend vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht und die Vormundschaftsbehörde
verlangen in ihren Vernehmlassungen vom 27. Januar 2010 die Abweisung der
Beschwerde. Die Mutter hat keine Vernehmlassung eingereicht.

Erwägungen:

1.
Die Vormundschaftsbehörde hat in ihrem Beschluss vom 3. Oktober 2007 nicht etwa
den Vollzug des obergerichtlich angeordneten Besuchsrechts vorübergehend
sistiert, sondern dieses explizit aufgehoben. Alle drei kantonalen Instanzen
haben denn auch eigene materielle Entscheidbefugnisse für sich in Anspruch
genommen. Das Verwaltungsgericht spricht zwar vordergründig vom "Vollzug eines
rechtskräftigen Zivilurteils" (E. 3.1), lässt aber in den Erwägungen keinen
Zweifel offen, dass es in der Sache um dessen materielle Abänderung geht (E.
3.2.1 sowie E. 3.2.3).

Angefochten ist mithin ein materieller Entscheid über das Besuchsrecht, der
eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG dargestellt und gegen den alle
Rügen im Sinn von Art. 95 f. BGG zulässig sind, und nicht ein blosser
Vollstreckungsentscheid, welcher der Anfechtung nach Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG
unterliegen würde und vorliegend nur mit Verfassungsrügen angreifbar wäre, weil
er auf kantonalem Recht basieren und im Übrigen eine im Eheschutzverfahren
erlassene Besuchsrechtsordnung betreffen würde (vgl. Urteil 5A_547/2007, E. 2
und 5.1).

Mit Beschwerde in Zivilsachen anfechtbar ist einzig der kantonal
letztinstanzliche Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG), weshalb auf
die Beschwerde nicht einzutreten ist, soweit sie sich gegen den Beschluss der
Vormundschaftsbehörde und den Entscheid des DJS richtet; mit Bezug auf den
verwaltungsgerichtlichen Entscheid erweist sie sich hingegen als zulässig.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und bestreitet
sodann in grundsätzlicher Weise die Kompetenz der vormundschaftlichen Behörden
zu eigener Entscheidung.

Wegen der formellen Natur des rechtlichen Gehörs, wonach dessen Verletzung in
der Regel ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst
zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt (BGE 127 V 431 E. 3d/aa S.
437; 132 V 387 E. 5.1 S. 390), werden Gehörsrügen regelmässig vorweg behandelt.

3.
Das Verwaltungsgericht hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des
Beschwerdeführers festgestellt, ist aber von einer Heilungsmöglichkeit aufgrund
mündlicher Anhörung ausgegangen.

3.1 Im Einzelnen hat das Verwaltungsgericht befunden, es wiege zweifellos
schwer, dass dem Beschwerdeführer vor Fällung des erstinstanzlichen Entscheides
die Einsicht in die Akten verweigert worden sei. Immerhin habe er aber im
Verfahren vor dem DJS vollumfänglich Akteneinsicht erhalten. Der
Beschwerdeführer sei zwar auch vom DJS nicht persönlich angehört worden, aber
dies sei nunmehr durch das Verwaltungsgericht in der Verhandlung vom 22. April
2009 nachgeholt worden. Die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide sei
deshalb nicht angezeigt, zumal das Verwaltungsgericht infolge Gehörsverletzung
die Angelegenheit entgegen § 56 Abs. 1 und 2 VRG/TG uneingeschränkt prüfe. Die
vom Verwaltungsgericht zusätzlich eingeholten Berichte würden zudem ergeben,
dass eine Rückweisung zu keiner Änderung des Ergebnisses führen könnte.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, angesichts der völligen Einseitigkeit
des Verfahrens sei keine Heilung des rechtlichen Gehörs möglich gewesen. Er sei
nicht nur bei der Auswahl bzw. dem Beizug der Fachleute ausgeschlossen gewesen,
sondern von diesen auch nie einbezogen oder angehört worden; dennoch hätten
alle Instanzen auf deren Berichte abgestellt. Die Berichterstatter hätten
zwangsläufig auf den Aussagen der Mutter und Kinder bauen müssen, wobei diese
gemäss Dr. T.________ massgeblich von der mütterlichen Haltung beeinflusst
seien. Wenn die entscheidenden Instanzen schon auf die Berichte der
involvierten Fachleute abstelle, hätten diese wenigstens korrekt beauftragt und
richtig instruiert werden müssen. Bei einer so einseitigen Ausgangslage könnten
die Berichte nicht als massgebliche Entscheidungsgrundlage dienen.

3.3 Das von Art. 29 Abs. 2 BV garantierte rechtliche Gehör dient einerseits der
Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die
Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des
Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden
Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in
die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der
Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum
Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet war, den Entscheid zu
beeinflussen (BGE 132 V 368 E. 3.1 S. 370; 133 I 270 E. 3.1 S. 277).

Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des
rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der
Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Es kommt mit anderen
Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der
materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer
Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 127 V 431 E. 3d/aa
S. 437; 132 V 387 E. 5.1 S. 390). Nach der Rechtsprechung kann aber jedenfalls
eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs als
geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor
einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die
Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 127 V 431 E. 3d/aa S. 438). Von einer
Rückweisung der Sache ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des
rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem
formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die
mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an
einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 132
V 387 E. 5.1 S. 390).

3.4 Dass im kantonalen Verfahren das rechtliche Gehör des Vaters in
schwerwiegender Weise verletzt worden ist, anerkennt auch das
Verwaltungsgericht. Es ist allerdings der Auffassung, mit der nachträglichen
Gewährung der Akteneinsicht, der persönlichen Anhörung und dem Einholen
aktueller Berichte bei den betreuenden Fachpersonen seien alle Mängel geheilt.

Dieser Auffassung kann insoweit nicht gefolgt werden, als auch das
Verwaltungsgericht entscheidend auf die Berichte der beteiligten Therapeuten
abgestellt hat. Alle diese Fachpersonen haben den Vater jedoch weder gesehen
noch angehört, sondern ihre Stellungnahmen einseitig auf der Basis der
Erklärungen der Mutter und der (offenbar stark von ihr beeinflussten) Kinder
erstellt. Zudem handelt es sich ausschliesslich um Berichte von
Betreuungspersonen (was insbesondere auch für S.________ zutrifft, bei welchem
die Kinder in Therapie waren; Dr. T.________ kennt sogar einzig die Mutter,
welche bei ihm Patientin ist), die naturgemäss nur bedingt als unabhängige,
neutrale Gutachter gelten können.

Damit fehlen vor dem Hintergrund, dass es sich beim Besuchsrecht um ein
Pflichtrecht handelt, bei welchem beide Seiten gleichermassen betroffen sind,
zwangsläufig die notwendigen Grundlagen für eine objektive, neutrale und
unabhängige Expertisierung der Besuchsrechtsfrage. Selbstverständlich können
bei dringender Gefahr bereits auf einseitige Gefährdungsmeldung hin
superprovisorische Massnahmen getroffen werden. Vorliegend dauert aber die
Unterbindung des rechtskräftig angeordneten Besuchsrechts nunmehr zwei Jahre,
was zwingend die umfassende Gewährung des rechtlichen Gehörs erfordert. Durch
das vollständige Fernhalten des Vaters von der Erstellung der
Entscheidungsgrundlagen ist jedoch nicht nur die Sachaufklärung in Frage
gestellt, sondern insbesondere dessen rechtliches Gehör in einer Weise
verletzt, die eine Heilung durch formelle Anhörung in dritter Instanz
ausschliesst, zumal auch das Verwaltungsgericht als Entscheidungsgrundlage ganz
wesentlich auf die Berichte abgestellt hat, von deren Ausarbeitung der Vater
systematisch ausgeschlossen war.

4.
Im Übrigen bestreitet der Vater die vom Verwaltungsgericht bejahte
Zuständigkeit bzw. Befugnis der Vormundschaftsbehörde für die Abänderung des
rechtskräftigen Eheschutzentscheides.

4.1 Im Einzelnen hat das Verwaltungsgericht befunden, die Kinder stünden
bereits aufgrund der blossen Androhung des Besuchsrechts unter enormem
psychischen Druck. Gemäss dem Bericht der Maltherapeutin vom 12. Juni 2007
zeigten sie Symptome wie Asthma, Schlafstörung, Haarausfall, Hautausschläge
sowie Konzentrationsstörung. Das Gutachten des Psychotherapeuten S.________ vom
25. September 2007 gelange zum Ergebnis, dass die Durchsetzung des
Besuchsrechts unzulässig sei. Das Obergericht habe im Summarverfahren und ohne
fundierte psychologische Abklärungen entschieden. Die Vormundschaftsbehörde
habe deshalb nach den umfassenden Abklärungen als Kindesschutzmassnahme eine
Abänderung der Besuchsrechtsregelung beschliessen dürfen. Inzwischen sei die
Psychotherapie zwar abgeschlossen und könnten sich die Kinder vermehrt auf die
Schule konzentrieren und freier bewegen; dies halte aber nur so lange an, als
sie im Glauben gelassen würden, das Besuchsrecht sei für immer aufgehoben.
Gemäss den Aussagen der Beiständin und dem Bericht von Dr. T.________ sei ein
Besuchsrecht nach wie vor unzumutbar, namentlich auch deshalb, weil ein Kontakt
zum Vater zu einem weiteren psychischen Schaden der Mutter führen könne, was
sich wiederum negativ auf das Wohlbefinden der Kinder auswirke. Diese sei
Referenz- und Orientierungsperson für die Kinder und ihr Angstniveau übertrage
sich unweigerlich auf diese und beeinträchtige deren Lebensgefühl. Darauf und
auf die Tatsache der vehementen Ablehnung des Vaters durch alle drei Kinder
weise auch S.________ hin.

4.2 Der Vater bestreitet die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde. Er macht
geltend, die Mutter habe den Entscheid des Obergerichtes in Rechtskraft
erwachsen lassen und es gehe nicht an, wenn die Vormundschaftsbehörde bereits
wenige Tage nach Erlass dieses Entscheides die Neuüberprüfung des Besuchsrechts
veranlasst und gestützt hierauf am 3. Oktober 2007 die Aufhebung des
gerichtlich angeordneten Besuchsrechts verfügt habe.

4.3 Die Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz des Kindes ist grundsätzlich für
Anordnungen über den persönlichen Verkehr und für Kindesschutzmassnahmen
zuständig (Art. 275 Abs. 1 bzw. Art. 315 Abs. 1 ZGB). Soweit jedoch ein Gericht
im Rahmen eines Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens mit der Sache befasst ist,
obliegt diesem die Regelung des persönlichen Verkehrs, aber auch der Erlass
allfälliger Kindesschutzmassnahmen (Art. 133 Abs. 1 bzw. Art. 176 Abs. 3 ZGB
i.V.m. Art. 275 Abs. 2 resp. Art. 315a Abs. 1 ZGB; (Botschaft, BBl 1996 I S.
124 und 131). Das bedeutet, dass die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörden
auf die nichtstreitigen Fälle beschränkt bleibt (BREITSCHMID, Basler Kommentar,
N. 15 zu Art. 315/315a/315b ZGB).

Die Vollzugsbehörde ist an das Gerichtsurteil grundsätzlich gebunden, d.h. sie
darf die rechtskräftige Besuchsrechtsordnung weder abändern noch aufheben.
Indessen kann sie - aufgrund ihrer sog. Dringlichkeitszuständigkeit gemäss Art.
315a Abs. 3 Ziff. 2 ZGB, auf welche sich das Verwaltungsgericht denn auch
beruft - den Vollzug vorübergehend (ganz oder teilweise) sistieren, wenn das
Kindeswohl ernstlich gefährdet würde. Es geht jedoch nicht an, den Vollzug über
längere Zeit zu verweigern, weil über eine dauerhafte Änderung der
Besuchsrechtsordnung wiederum das Sachgericht zu entscheiden hat. Diese
Grundsätze gelten für das im Scheidungsurteil festgesetzte Besuchsrecht (BGE
107 II 301 E. 7 S. 305; 118 II 392 E. 4c S. 393 f.), aber auch für den Vollzug
einer Besuchsrechtsordnung, die sich auf Eheschutzmassnahmen stützt (Urteile
5A_547/2007, E. 5.1; 5A_627/2007, E. 3.1).

4.4 Vorliegend hat das zuständige Sachgericht in einem Eheschutzverfahren ein
begleitetes Besuchsrecht von einem halben Tag pro Monat angeordnet und die
Vormundschaftsbehörde mit dem Vollzug betraut. Der oberinstanzliche Entscheid
ist in Rechtskraft erwachsen, nachdem dagegen kein Rechtsmittel eingelegt
worden war.

Aus den Ausführungen im angefochtenen Entscheid geht sodann hervor, dass
inzwischen das erstinstanzliche Scheidungsurteil ergangen ist, in welchem dem
Vater wiederum ein begleitetes Besuchsrecht von einem halben Tag pro Monat
zugestanden wurde. Eine gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG vorgenommene Rückfrage
beim Obergericht des Kantons Aargau hat ergeben, dass gegen das
erstinstanzliche Ehescheidungsurteil die Appellation eingereicht worden ist,
insbesondere auch mit Bezug auf die Frage des Besuchsrechts, und diese zur Zeit
vor dem Obergericht hängig ist.

4.5 Vor dem Hintergrund, dass ein rechtskräftiger Eheschutzentscheid vorliegt
und nunmehr das Scheidungsverfahren hängig ist, haben die vormundschaftlichen
Organe gemäss den Ausführungen in E. 4.3 ihre Zuständigkeit überschritten, wenn
sie das angeordnete Besuchsrecht durch einen neuen Entscheid in der Sache
ersetzt haben. Hingegen dürfte der Vollzug des Besuchsrechts vorübergehend
sistiert werden, soweit zwingende Gründe dies erheischen. Weil über eine
dauerhafte Änderung der Besuchsrechtsordnung das Sachgericht zu entscheiden
hat, kommt eine "vorübergehende Sistierung" primär für die Zeitspanne in Frage,
bis der zuständige Richter die sich gegebenenfalls aufdrängende Neuregelung
vornehmen kann.

Im vorliegenden Fall ist nicht zu übersehen, dass aufgrund der vorhandenen
Rechtsmittelmöglichkeiten und der allenfalls notwendigen Begutachtung im Rahmen
des Scheidungsverfahrens bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils (nochmals)
sehr viel Zeit verstreichen kann. Weil aber die Sistierung aufgrund der blossen
Dringlichkeitszuständigkeit nicht quasi ad infinitum aufrecht erhalten werden
darf, wären beim Scheidungsrichter für die Dauer des Scheidungsverfahrens
vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 137 ZGB zu verlangen, soweit ein Vollzug
des mit dem obergerichtlichen Eheschutzentscheid angeordneten Besuchsrechts für
alle oder einzelne der altersmässig doch recht unterschiedlichen Kinder nach
wie vor ausgeschlossen erscheinen sollte.

Was sodann das Scheidungsverfahren selbst anbelangt, ist zu beachten, dass
Scheidungsurteile im ordentlichen Verfahren ergehen, in welchem ein umfassendes
Beweisverfahren offen steht. Die Mutter kann mit anderen Worten Anträge
betreffend den persönlichen Verkehr stellen und dabei namentlich auch eine
kinderpsychiatrische Begutachtung durch eine unabhängige und geeignete
Fachstelle beantragen, was sie aufgrund der in Kinderbelangen geltenden
uneingeschränkten Offizialmaxime auch noch vor oberer Instanz tun könnte (vgl.
BGE 119 II 201 E. 1 S. 203; 122 III 404 E. 3d S. 408). Sodann hat der
Scheidungsrichter im Fall von Anordnungen über Kinder nicht nur die Eltern
(Art. 144 Abs. 1 ZGB), sondern in geeigneter Weise auch diese selbst anzuhören
(Art. 144 Abs. 2 ZGB). Überdies hat die Vormundschaftsbehörde das Recht, eine
Vertretung der Kinder im Scheidungsprozess zu beantragen (Art. 146 Abs. 2 Ziff.
2 ZGB), die ebenfalls Anträge stellen kann (Art. 147 Abs. 2 ZGB). Aus all
diesen Gründen würde es nicht angehen, ein im ordentlichen Scheidungsverfahren
gegebenenfalls festgesetztes Besuchsrecht einzig aufgrund einer anderen
Sichtweise des (gleichen) Sachverhalts weiterhin zu verweigern.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben
und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an dieses
zurückzuweisen ist. "Im Sinn der Erwägungen" bedeutet vorliegend, dass das
Besuchsrecht auf der Basis des oberinstanzlichen Eheschutzentscheides in
geeigneter Weise - das begleitete Besuchsrecht kann ohne weiteres auch an einem
neutralen Ort, insbesondere ausserhalb der Wohnsitzgemeinde stattfinden - zu
vollziehen ist, soweit dies zumutbar erscheint, oder aber das Besuchsrecht
gestützt auf die Dringlichkeitszuständigkeit bis längstens zum Vorliegen eines
neuen richterlichen Massnahmeentscheides suspendiert wird, wenn sich aufgrund
gehörswahrender Sachverhaltsfeststellung ergeben sollte, dass der Vollzug
momentan immer noch unzumutbar ist. Angesichts der vorliegenden speziellen
Situation dürfte diesfalls im Übrigen eine Koordination des Vorgehens mit den
zuständigen aargauischen Instanzen zweckmässig sein.

6.
Infolge Rückweisung werden die Rügen des Vaters im Zusammenhang mit der
kantonalen Kostenauferlegung gegenstandslos, weil hierüber ohnehin neu zu
befinden sein wird.

7.
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben (Art.
66 Abs. 4 BGG). Das Gesuch des von einer IV-Rente lebenden Vaters um
unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen und er ist durch den ihn
vertretenden Rechtsanwalt zu verbeiständen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In dahingehender Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen wird der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 23. September 2009 aufgehoben
und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
In Gutheissung des betreffenden Gesuches wird dem Beschwerdeführer die
unentgeltliche Rechtspflege erteilt, unter Verbeiständung durch Rechtsanwalt
Dr. Andreas Edelmann. Dieser wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.--
entschädigt.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
dem Obergericht des Kantons Aargau und der betroffenen Vormundschaftsbehörde
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Februar 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli