Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.79/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_79/2009

Urteil vom 28. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter L. Meyer, Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Thierry P. Juillard,

gegen

Z.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner,
vertreten durch Advokatin Bettina Waldmann,

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Zivil- und Strafrecht, vom 9. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Z.________ (Ehemann) (1954) und X.________ (Ehefrau) (1959) heirateten im Jahr
1988. Sie haben die gemeinsamen Kinder S.________ (1987), T.________ (1991) und
U.________ (1993). Seit Beginn des Jahres 2002 leben die Ehegatten getrennt.

B.
Gestützt auf die Klage des Ehemannes vom 3. Mai 2004 schied das Bezirksgericht
Arlesheim die Ehe am 21. August 2007. In finanzieller Hinsicht verpflichtete es
den Ehemann u.a. zu einer güterrechtlichen Zahlung von Fr. 327'574.45. Von
einer Teilung der Vorsorgeguthaben sah es ab.

Mit Appellation vom 30. August bzw. 26. November 2007 verlangte die Ehefrau die
Überweisung einer Freizügigkeitsleistung von Fr. 176'161.60 und eine
güterrechtliche Zahlung von Fr. 690'414.45, evtl. Fr. 566'099.90.

Mit Urteil vom 9. Dezember 2008 verpflichtete das Kantonsgericht
Basel-Landschaft den Ehemann zu einer güterrechtlichen Zahlung von Fr.
397'479.90 und wies das Begehren um Überweisung einer Freizügigkeitsleistung
ab.

C.
Mit Bezug auf beide Streitpunkte sowie die Kostenregelung hat die Ehefrau am 2.
Februar 2009 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um
Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und um Rückweisung der Sache zur
Neubeurteilung im Sinn der Erwägungen an das Kantonsgericht. In ihren
Vernehmlassungen vom 16. bzw. 20. März 2009 verlangen sowohl das Kantonsgericht
als auch der Ehemann die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:

1.
Angefochten sind Fr. 30'000.-- übersteigende vermögensrechtliche Nebenfolgen
eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; die Beschwerde in
Zivilsachen ist somit gegeben (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75
Abs. 1 und Art. 90 BGG).

Die Rechtsanwendung überprüft das Bundesgericht im Rahmen rechtsgenüglicher
Vorbringen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 f. BGG) grundsätzlich mit freier
Kognition (Art. 106 Abs. 1 BGG). Demgegenüber ist das Bundesgericht an die
kantonalen Sachverhaltsfeststellungen grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1
BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, der Sachverhalt sei
offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei
"offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl
2001 IV 4338; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398).
Diesbezüglich gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), wie es für
die frühere staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat (BGE 133 II 249 E. 1.4.2
S. 254).

2.
Zwischen den Parteien ist vorab streitig, ob die Vorsorgeguthaben zwischen den
Parteien gestützt auf Art. 122 Abs. 2 ZGB hälftig zu teilen sind oder ob dies
offensichtlich unbillig im Sinn von Art. 123 Abs. 2 ZGB wäre, wie dies beide
kantonalen Instanzen befunden haben.

2.1 Die während der Ehe geäufneten Vorsorgeguthaben sind im Scheidungsfall
grundsätzlich hälftig zu teilen (Art. 122 ZGB; BGE 129 III 577 E. 4.2 S. 578;
133 III 497 E. 4 S. 498; 135 III 153 E. 6.1 S. 154). Der Teilungsanspruch
bezweckt einen Ausgleich für die vorsorgerechtlichen Nachteile der während der
Ehe erfolgten Aufgabenteilung und dient der wirtschaftlichen Selbständigkeit
jedes Ehegatten nach der Scheidung. Er ist Ausdruck der mit der Ehe verbundenen
Schicksalsgemeinschaft. Widmet sich ein Ehegatte während der Ehe der
Haushaltsführung und der Kinderbetreuung und verzichtet er deshalb ganz oder
teilweise auf eine Erwerbstätigkeit, soll er bei der Scheidung von der
Einrichtung der beruflichen Vorsorge seines Partners einen Teil der von diesem
während der Ehe aufgebauten Vorsorge erhalten (Botschaft zum neuen
Scheidungsrecht, BBl 1991 I 100; BGE 129 III 577 E. 4.2.1 S. 578). In einem
neueren Entscheid hat das Bundesgericht sodann klargestellt, dass die
Formulierung nicht in dem Sinn verstanden werden darf, dass ein Anspruch auf
Vorsorgeausgleich nur besteht, wo aufgrund der Aufgabenteilung während der Ehe
ein vorsorgerechtlicher Nachteil entstanden ist. Vielmehr ist der
Teilungsanspruch als Folge der Schicksalsgemeinschaft nicht davon abhängig, wie
sich die Ehegatten während der Ehe die Aufgaben geteilt haben; der Ausgleich
findet mit anderen Worten - wie dies auch bei der hälftigen Teilung der
Errungenschaft der Fall ist - voraussetzungslos statt (Urteil 5A_623/2007, E.
5.2)

Der Grundsatz der hälftigen Teilung gilt freilich nicht schrankenlos. Gemäss
Art. 123 Abs. 2 ZGB - der jedoch restriktiv auszulegen ist (BGE 135 III 153 E.
6.1 S. 155) - kann das Gericht von einer Teilung ganz oder teilweise absehen,
wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der
wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre.
Dies könnte etwa der Fall sein, wenn die Frau als Verkäuferin und der Ehemann
als selbständig erwerbender Anwalt oder Arzt tätig ist (vgl. SUTTER/
FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 14 zu Art.
123 ZGB). Als weitere Fallbeispiele sind anzuführen, dass die Ehefrau bereits
arbeitstätig ist und dem Ehemann ein Studium finanziert, das ihm später ein
hohes Einkommen und den Aufbau einer besseren Vorsorge ermöglichen wird (BBl
1996 I 105) oder dass der eine Teil bereits rentenberechtigt ist und der
andere, kurz vor dem Rentenalter stehende Teil voraussichtlich eine kleinere
Rente erhalten wird (BGE 133 III 497 E. 4.5 S. 502 unten, mit Verweis auf
Urteil 5C.176/2006, E. 3.2; vgl. auch die Fallkonstellation in BGE 135 III 153
E. 6.2.3 S. 157).

Demgegenüber bildet ein hohes Vermögen für sich genommen noch keinen
Verweigerungsgrund im Sinn von Art. 123 Abs. 2 ZGB (BGE 133 III 497 E. 4.5 S.
503 oben, mit Hinweis auf Urteil 5C.49/2006, E. 3.1), weil der
Vorsorgeausgleich ein vom Güterrecht unabhängiges Institut ist (BBl 1996 I 99
f.) und es deshalb für die Annahme einer offensichtlichen Unbilligkeit nicht
genügt, wenn die Zukunft des teilungsberechtigten Ehegatten finanziell
gesichert ist. Dem letztgenannten Urteil lag übrigens ein Sachverhalt zugrunde,
bei welchem der Ehemann über ein etwas tieferes und die Ehefrau über ein etwas
höheres Vermögen als im vorliegenden Fall verfügte.

2.2 Vorliegend beträgt das Vermögen der Ehefrau nach Vollzug der
güterrechtlichen Auseinandersetzung rund Fr. 2,73 Mio. - ihr Vorbringen,
infolge der Finanzkrise sei es kleiner, ist vom Ausmass her unbelegt und würde
ohnehin ein unzulässiges Novum darstellen (Art. 99 Abs. 1 BGG) - und dasjenige
des Ehemannes rund Fr. 625'000.--. Das heisst, dass grundsätzlich beide
Parteien relativ wohlhabend sind. Das Vermögen der Ehefrau ist zwar deutlich
grösser, aber die Vermögensdiskrepanz ist wesentlich darauf zurückzuführen,
dass die Ehefrau geerbt hat (am 9. Januar 2006 ein Vermögen von rund Fr. 1,65
Mio.).

Was das Vorsorgeguthaben anbelangt, gilt es einerseits zu berücksichtigen, dass
die Parteien eine langjährige Ehe mit klassischer Rollenteilung führten, d.h.
dass die Ehefrau zugunsten der Erziehung der drei gemeinsamen Kinder weitgehend
auf eine eigene Erwerbstätigkeit und damit einhergehend auf die Äufnung eines
eigenen Vorsorgekapitals verzichtete. Ausgehend von den kantonalen
Sachverhaltsfeststellungen ist sodann festzuhalten, dass der Ehemann, auch wenn
er älter ist, in den verbleibenden Jahren bis zur Pensionierung noch ein
deutlich grösseres Vorsorgeguthaben wird ansparen können als die
teilzeitbeschäftigte Ehefrau.

Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht von einer offensichtlichen Unbilligkeit
(inéquitabilité manifeste) sprechen, die ein Abweichen vom Grundsatz der
hälftigen Teilung der während der Ehe geäufneten Vorsorgeguthaben rechtfertigen
würde, zumal sich der Ehemann mit seinem Nettovermögen von rund Fr. 625'000.--
jedenfalls rechnerisch wieder für den zu überweisenden Betrag von rund Fr.
176'000.-- bei seiner Pensionskasse einkaufen und damit auf eine volle Rente
kommen könnte.

2.3 Die Differenz der während der Ehe (d.h. vom 26. Mai 1988 bis 21. August
2007) geäufneten Vorsorgeguthaben ist nach dem Gesagten hälftig zu teilen.
Indes kann das Bundesgericht nur diesen Teilungsgrundsatz festhalten (Art. 142
Abs. 1 ZGB), während der Vollzug der Teilung dem gemäss FZG zuständigen
kantonalen Gericht obliegt (Art. 142 Abs. 2 ZGB). Die Angelegenheit ist somit
zur weiteren Behandlung bzw. Überweisung im Sinn von Art. 142 Abs. 2 ZGB dem
Kantonsgericht zurückzusenden.

3.
In güterrechtlicher Hinsicht ist einzig noch die Massenzuordnung eines gemäss
der Steuererklärung 2003 Fr. 235'890.-- betragenden Wertschriften-, Guthaben-,
Bargeld- und Edelmetall-Vermögens der Ehefrau umstritten.

3.1 Das Kantonsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, der Ehemann habe von der
Ehefrau in der Klagebegründung gestützt auf Art. 170 ZGB Auskunft über die
Entstehung und genaue Höhe und Zusammensetzung der versteuerten Vermögen gemäss
Steuerveranlagung 2004 verlangt. Die Ehefrau habe dazu in der Klageantwort
keine Stellung genommen. Das Bezirksgericht habe sinngemäss erwogen, dass das
Vermögen der Ehefrau gemäss Steuerveranlagung 2003 Fr. 235'890.-- betrage und
dessen Charakter als Eigengut nicht nachgewiesen sei, weshalb es gemäss Art.
200 Abs. 3 ZGB als Miteigentum (gemeint wohl: Errungenschaft) zu betrachten
sei. Der Ehemann habe in der Appellation die vollumfängliche Bestätigung des
erstinstanzlichen Urteils verlangt. Die Ehefrau lege auch mit der
Appellationsantwort keine Beweismittel vor, welche die Herkunft des strittigen
Vermögens aufzeige, weshalb es gemäss Art. 200 Abs. 3 ZGB der Errungenschaft
zuzurechnen sei.

3.2 Die Ehefrau bringt diesbezüglich vor, der Ehemann habe aus seinen
Ausführungen keine Ansprüche für die güterrechtliche Auseinandersetzung
abgeleitet, zumal ihm klar gewesen sei, dass ihr gesamtes Vermögen (ererbtes)
Eigengut darstelle. Dies gehe denn auch aus der Steuererklärung 2001 hervor,
welche der Ehemann mit seiner Eingabe vom 16. Juli 2002 eingereicht habe. Dem
Bezirksgericht sei deshalb die Herkunft der Mittel bekannt gewesen.

3.3 Die tatsächliche Mittelherkunft ist eine Sachverhaltsfrage. Die Ehefrau
legt indes nicht dar, welches verfassungsmässige Recht und inwiefern das
Kantonsgericht dieses bei der grundsätzlich verbindlichen
Sachverhaltsfeststellung verletzt haben soll. Insbesondere ruft sie keine
Verletzung des Willkürverbots an, so dass ihre Vorbringen unsubstanziiert
bleiben (dazu E. 1). Ohnehin liesse sich mit ihren Ausführungen keine Willkür
dartun, wäre doch die (von der Ehefrau nicht näher bezeichnete) Eingabe vom 16.
Juli 2002 lange vor dem erst am 3. Mai 2004 anhängig gemachten
Scheidungsverfahren eingereicht worden und ist die Steuererklärung 2001 nie zu
den Scheidungsakten gegeben worden. Entsprechend bleibt die Behauptung, gemäss
Steuererklärung 2001 stelle der Betrag von Fr. 235'890.-- ererbtes Eigengut
dar, im Scheidungsverfahren unbewiesen und greift demzufolge die
Errungenschaftsvermutung von Art. 200 Abs. 3 ZGB. Diese Gesetzeslage musste der
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin im Übrigen bekannt sein, so dass sie
entgegen ihrer Behauptung, sie habe nicht mit entsprechend lautenden kantonalen
Urteilen rechnen müssen, sehr wohl Anlass gehabt hätte, die von ihr als
Beweismittel angerufene - und nunmehr im bundesgerichtlichen Verfahren als
unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG) eingereichte - Steuererklärung 2001 im
kantonalen Verfahren zu den Scheidungsakten zu geben und gestützt darauf
Eigengut zu behaupten.

4.
Weil das Kantonsgericht infolge des geänderten Ausgangs des Verfahrens ohnehin
neu über die kantonalen Kosten zu befinden hat (Art. 68 Abs. 5 BGG), wird die
Rüge, diese seien falsch verteilt worden, gegenstandslos.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass in teilweiser Gutheissung der Beschwerde die
während der Ehe geäufneten Vorsorgeguthaben zwischen den Parteien hälftig zu
teilen sind, dass auf die Beschwerde im Güterrechtspunkt mangels
Substanziierung nicht einzutreten ist und dass das Kantonsgericht die Teilung
der Vorsorgeguthaben zu vollziehen bzw. die Angelegenheit diesbezüglich im Sinn
von Art. 142 Abs. 2 ZGB kantonsintern zu überweisen und im Übrigen über die
Festsetzung und Verteilung der Kosten für die kantonalen Verfahren neu zu
befinden hat.

6.
Das Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien vor Bundesgericht hält sich in etwa
die Waage, weshalb ihnen die Gerichtskosten je zur Hälfte aufzuerlegen und die
Parteikosten wettzuschlagen sind (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 bzw. 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde werden die während der Ehe geäufneten
Vorsorgeguthaben zwischen den Parteien hälftig geteilt.

Im Übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten bzw. ist sie
gegenstandslos.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung im Sinn der Erwägungen an das
Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Mai 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli