Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.791/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_791/2009

Urteil vom 8. März 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer,
Gerichtsschreiber Zingg.

Parteien
X.________ Inc.,
vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Engelberger,
Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________,
vertreten durch Fürsprecher Michael Kramer und Rechtsanwalt Dr. Michael
Lazopoulos,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arresteinsprache,

Beschwerde gegen den Entscheid des Ober-
gerichts des Kantons Luzern, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als
Rekursinstanz, vom 20. Oktober 2009.

Sachverhalt:

A.
Z.________ war von 2006 bis 2008 Mitglied des Verwaltungsrates und
Geschäftsführer der X.________ Inc. Die X.________ Inc. ist eine Gesellschaft
kanadischen Rechts mit Sitz in Québec. Die beiden anderen Verwaltungsräte -
S.________ und T.________ - halten (direkt und indirekt) zusammen mit
Z.________ das gesamte Aktienkapital der X.________ Inc.

Die Y.________ S.A. war Kundin der X.________ Inc. Z.________ stellte der
Y.________ S.A. in den Jahren 2006 und 2007 im Namen der X.________ Inc. acht
Rechnungen über den Honorarbetrag von USD 350'300.-- aus (umgerechnet Fr.
392'336.--), wobei er ein auf seinen Namen lautendes Konto bei der Bank
V.________ als Zahlstelle angab. Die Y.________ S.A. beglich die Rechnungen
weisungsgemäss.

Nachdem es im Jahre 2008 zu Differenzen zwischen Z.________ und den übrigen
Aktionären gekommen war, wurde jener seiner Ämter bei der X.________ Inc.
enthoben. Daraus erwuchsen zwei Zivilverfahren zwischen der X.________ Inc.
bzw. S.________ und T.________ einerseits sowie Z.________ andererseits, welche
nach wie vor an der Cour Supérieure des Bezirks Québec hängig sind.

B.
Auf Antrag der X.________ Inc. erliess der Amtsgerichtspräsident III von
Luzern-Stadt am 1. April 2009 den Arrestbefehl Nr. xxxx, mit welchem das Konto
Nr. yyyy und das Depot Nr. zzzz von Z.________ bei der Bank V.________ für die
Forderungssumme von Fr. 392'336.-- nebst 10 % Zins seit 30. Januar 2008 mit
Arrest belegt wurden.

Im Arrestbegehren machte die X.________ Inc. eine Arrestforderung aus
deliktischer Schädigung geltend. Sie brachte vor, die Zahlungen der Y.________
S.A. seien ohne ihr Einverständnis auf ein auf Z.________ lautendes Konto bei
der Bank V.________ erfolgt.

Auf Einsprache von Z.________ hin hob der Amtsgerichtspräsident III von
Luzern-Stadt den Arrest mit Entscheid vom 17. Juli 2009 auf.

C.
Der gegen diesen Entscheid von der X.________ Inc. erhobene Rekurs vom 3.
August 2009 wurde durch das Obergericht des Kantons Luzern am 20. Oktober 2009
abgewiesen.

D.
Die X.________ Inc. (fortan: Beschwerdeführerin) hat gegen den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Luzern am 23. November 2009 Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die
Verarrestierung der sich auf Konto Nr. yyyy und Depot Nr. zzzz bei der Bank
V.________, befindlichen Vermögenswerte von Z.________ (fortan:
Beschwerdegegner) bis zur Höhe der Arrestforderung von Fr. 392'336.-- nebst
Zins zu 10 % seit 30. Januar 2008. Eventualiter reduziert die
Beschwerdeführerin die Arrestforderung auf Fr. 282'696.40 nebst Zins zu 10 %
seit 30. Januar 2008; subeventualiter beantragt sie Rückweisung der Sache an
die Vorinstanz zur Neubeurteilung. Schliesslich ersucht sie um aufschiebende
Wirkung.

Das Obergericht und der Beschwerdegegner haben sich dem Gesuch um aufschiebende
Wirkung nicht widersetzt. Hingegen hat der Beschwerdegegner beantragt, die
Beschwerdeführerin zur Sicherstellung der Parteientschädigung und der
Gerichtskosten zu verhalten.

Mit Präsidialverfügung vom 14. Dezember 2009 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden und am 24. Dezember 2009 ist das Gesuch um
Sicherstellung der Gerichtskosten als gegenstandslos abgeschrieben, dasjenige
auf Sicherstellung der Parteientschädigung hingegen gutgeheissen worden. Die
Sicherheitsleistung von Fr. 7'000.-- wurde am 22. Januar 2010 hinterlegt.

In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist binnen Frist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid
(Art. 75 Abs. 1, 100 Abs. 1 BGG) über eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache.
Diese kann mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht weitergezogen
werden (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Der erforderliche Streitwert von Fr.
30'000.-- ist bei Weitem überschritten (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2 Dem angefochtenen Entscheid liegt eine Weiterziehung (Art. 278 Abs. 3
SchKG) des Einspracheentscheides gegen den Arrestbefehl (Art. 278 Abs. 1 und 2
SchKG) zugrunde. Der Weiterziehungsentscheid beschlägt ausschliesslich das
betreffende Arrestverfahren und befindet ebenso wenig wie der Arrest selbst
endgültig über Bestand und Fälligkeit der Arrestforderung. Er gilt damit wie
der Arrestentscheid (BGE 133 III 589 E. 1 S. 590 f.) als vorsorgliche Massnahme
im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234 mit Hinweis). Folglich
kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden, die das
Bundesgericht nur insofern prüft, als eine entsprechende Rüge in der Beschwerde
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dabei muss klar und
detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheides dargelegt
werden, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE
133 III 393 E. 6 S. 397 mit Hinweis). Wird eine Verletzung des Willkürverbots -
einschliesslich der Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung (BGE 133 II 249 E.
1.4.3 S. 255) - geltend gemacht, muss anhand des angefochtenen Entscheides im
Einzelnen aufgezeigt werden, in welcher Hinsicht er an einem qualifizierten und
offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis). Auf
rein appellatorische Kritik ist nicht einzutreten (BGE 133 II 396 E. 3.1 S.
399; 133 III 589 E. 2 S. 591 f.).

2.
Der Amtsgerichtspräsident erachtete im Einspracheentscheid als glaubhaft, dass
die Honorarzahlungen der Y.________ S.A. mit Wissen und Willen der
Beschwerdeführerin auf ein Konto des Beschwerdegegners erfolgt seien. Dies
lasse sich insbesondere aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Beschwerdegegner
und S.________ ableiten, in welchem die Aufteilung der Zahlungen unter den
Aktionären thematisiert worden sei. Der Beschwerdegegner habe seine
Mitaktionäre zudem über die Anweisung an die Y.________ S.A. informiert, die
Zahlungen auf sein Konto vorzunehmen. Schliesslich habe der Beschwerdegegner
S.________ die Vollmacht erteilt, von seinem Konto bei der Bank V.________
Geldbeträge abzuheben. Das Obergericht hat sich dieser Beweiswürdigung des
Amtsgerichtspräsidenten angeschlossen und ergänzt, es sei kaum vorstellbar,
dass die Beschwerdeführerin während mehrerer Jahre nicht gemerkt haben soll,
dass Honorarzahlungen im Umfang von mehreren hunderttausend USD nie auf ihrem
eigenen Konto eingetroffen seien. Sie lege denn auch keine entsprechenden
Mahnschreiben vor, wie sie sonst bei ausstehenden Zahlungen üblicherweise
verfasst worden seien. Insgesamt ergebe sich, dass die Bankbeziehungen des
Beschwerdegegners jederzeit transparent gewesen seien. Da die
Beschwerdeführerin nach den Umständen zu schliessen nicht nur von den
Honorarzahlungen der Y.________ S.A. auf das Konto des Beschwerdegegners
gewusst habe, sondern auch damit einverstanden gewesen sei, erscheine das
Vorliegen eines Anspruchs aus deliktischer Schädigung wenig glaubhaft.

3.
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des Willkürverbotes geltend.

3.1 Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid auf einem
offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132
I 13 E. 5.1 S. 17 f., 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen). In
analoger Weise liegt Willkür in der Sachverhaltsfeststellung vor, wenn sie
offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Auch hier darf nicht bloss die Begründung,
sondern muss das Ergebnis unhaltbar sein (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178 mit
Hinweisen).

3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, der Amtsgerichtspräsident habe in einem
ersten Schritt als erwiesen erachtet, dass das umstrittene Debitorenguthaben
der Beschwerdeführerin zustehen würde. Dabei müsse es sein Bewenden haben. Erst
in einem zweiten Schritt sei er - gestützt auf eine angebliche Vereinbarung
zwischen den Aktionären der Beschwerdeführerin - zum Schluss gekommen, dass es
dem Beschwerdegegner gelungen sei, den glaubhaft gemachten Bestand der
Forderung umzustossen. Der Amtsgerichtspräsident habe damit offensichtlich eine
Verrechnung zugelassen, wobei aber der Gegenanspruch nicht belegt worden sei.
Dies sei auch von der Vorinstanz verkannt worden. Die Vorinstanz greife des
Weiteren mit ihrem Entscheid dem materiellen Urteil des kanadischen Gerichts
vor. Der Arrest könne höchstens dann aufgehoben werden, wenn das Urteil im
kanadischen Verfahren rechtskräftig sei. Ein laufendes Verfahren hingegen
vermöge den Arrest aufrechtzuerhalten.

3.3 Die Beschwerdeführerin bezieht sich massgeblich auf die Ausführungen des
Einspracherichters. Da das Obergericht die erstinstanzlichen Ausführungen
weitgehend übernommen hat, ist dies grundsätzlich zulässig.
Indes ist unbehelflich, wenn die Beschwerdeführerin aus der zweistufigen
Glaubhaftigkeitsprüfung der ersten Instanz einzig denjenigen Teil der
richterlichen Aussagen heranzieht, der auf den ersten Blick zu ihren Gunsten
spricht. Entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin war für den
Amtsgerichtspräsidenten nach der gesamten Beweiswürdigung keineswegs erstellt,
dass die Debitorenguthaben der Beschwerdeführerin zustehen. Vielmehr kam er zum
Schluss, die Arrestforderung sei glaubhaft bestritten worden. Die
Beschwerdeführerin setzt sich mit diesem zweiten Teil der erstinstanzlichen,
vom Obergericht übernommenen und ergänzten Erwägungen nicht genügend
auseinander. Stattdessen beschränkt sie sich im Wesentlichen auf die
Behauptung, die erste Instanz habe eine Verrechnung angenommen, wobei die
Gegenforderung ungenügend nachgewiesen sei. Dieser Einwand ist bereits vom
Obergericht widerlegt worden mit der Begründung, dass nicht eine Verrechnung
zur mangelnden Glaubhaftigkeit der Arrestforderung geführt habe, sondern eine
eingehende Beweiswürdigung, insbesondere anhand der vorliegenden Korrespondenz
unter den Aktionären. Diese habe ergeben, dass die Zahlungen mit Wissen und
Willen der übrigen Beteiligten auf das Konto des Beschwerdegegners erfolgt
seien. Da sich die Beschwerdeführerin weder mit dieser Beweiswürdigung an sich
noch mit den Ausführungen des Obergerichts zur Verrechnung rechtsgenüglich
auseinandersetzt, kann auf ihre Rügen nicht eingetreten werden.
Keine Willkür kann die Beschwerdeführerin schliesslich mit ihren Ausführungen
zum Zusammenhang zwischen Arrest und Forderungsklage in Kanada dartun. Sie
verkennt damit vielmehr die Unabhängigkeit der beiden Verfahren und dass der
Arrest als Sicherungsmassnahme spezifische Voraussetzungen aufweist. Fehl geht
deshalb auch der Hinweis auf BGE 93 III 72, betrifft dieser Entscheid doch die
Frage, wie eine Klage ausgestaltet sein muss, um einen bestehenden Arrest zu
prosequieren. Die Beschwerdeführerin versucht im Ergebnis das Umgekehrte zu
erreichen, nämlich aus der Tatsache der Rechtshängigkeit einer Klage das
Bestehen einer Arrestforderung abzuleiten. Darauf kann nicht eingetreten
werden.

Auf den Hauptstandpunkt der Beschwerdeführerin ist somit insgesamt nicht
einzutreten.

3.4 Im Hinblick auf ihr Eventualbegehren hält die Beschwerdeführerin nur an
einem Teil der Arrestforderung fest. Sie macht geltend, der Beschwerdegegner
habe in seiner Arresteinsprache selber anerkannt, dass ihm aufgrund der
Vereinbarung der Aktionäre nur ein anteilmässiger Anspruch an den
Debitorenzahlungen zustehe.

3.5 Diese Argumentation ist bereits vom Obergericht widerlegt worden. Es hat
festgehalten, dass für eine Teilentlassung aus dem Arrest kein Raum bleibe,
wenn keine Arrestforderung glaubhaft gemacht sei. Zudem gehe es bei der im
Eventualbegehren geltend gemachten Forderung gar nicht um die Arrestforderung,
sondern um die Aufteilung der auf dem Konto liegenden Gelder unter den
Aktionären. Damit hat das Obergericht ausgedrückt, dass die im Eventualbegehren
behauptete Forderung nicht der Beschwerdeführerin zusteht, sondern - wenn
überhaupt - den Aktionären.

Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerdeführerin nicht
rechtsgenüglich auseinander. Sie beschränkt sich wiederum darauf, die
Glaubhaftigkeit der Arrestforderung zu behaupten, und äussert sich mit keinem
Wort zur Erwägung, dass sie im Eventualbegehren gar nicht die behauptete
Arrestforderung geltend mache.

Auch auf den Eventualstandpunkt kann mithin nicht eingetreten werden.

3.6 Auf die Beschwerde ist somit insgesamt nicht einzutreten. Für die
subeventualiter verlangte Rückweisung zur Ergänzung des Sachverhalts besteht
nach dem Gesagten kein Anlass.

4.
Die Beschwerdeführerin ist vollumfänglich unterlegen und trägt somit die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mangels Einholung einer Vernehmlassung in
der Sache wird dem Beschwerdegegner keine Parteientschädigung zugesprochen. Die
von der Beschwerdeführerin geleistete Sicherstellung der Parteikosten von Fr.
7'000.-- wird ihr aus der Bundesgerichtskasse zurückerstattet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Die von der Beschwerdeführerin
als Sicherheit geleisteten Fr. 7'000.-- werden ihr aus der Bundesgerichtskasse
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. März 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zingg