Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.712/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_712/2009

Urteil vom 25. Januar 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer,
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiber Levante.

Parteien
S.S.Ma.,
Beschwerdeführerin,

gegen

Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus,
8090 Zürich Amtsstellen Kt. ZH,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Namensänderung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 3. September 2009.

Sachverhalt:

A.
S.S.Si.________ (Nachname kursiv) ist seit vielen Jahren in Zürich wohnhaft und
schweizerische sowie srilankische Staatsangehörige. Sie heiratete am 19. August
2006 in Jaffna/Sri Lanka K.Ma.________, Staatsangehöriger von Sri Lanka. Im
schweizerischen Zivilstandsregister wurde in der Folge der Nachname des
Ehemannes (Ma.________) als gemeinsamer Familienname der in Zürich
domizilierten Eheleute eingetragen.

B.
Mit Eingabe vom 28. Februar 2008 stellte S.S.Ma., geb. Si.________, beim
Gemeindeamt des Kantons Zürich das Gesuch, es sei ihr gestützt auf Art. 30 Abs.
1 ZGB die Änderung ihres Familiennamens "Ma.________" in "K.________", den
Vornamen ihres Ehemannes, zu bewilligen. Zur Begründung machte sie im
Wesentlichen geltend, nach srilankischer Tradition werde der Vorname des Vaters
zum Nachnamen der Kinder und der Vorname des Ehemannes zum Nachnamen der
Ehefrau. Es sei störend und belastend, wenn sie (im Ergebnis bei Anwendung von
schweizerischem Recht) als Familiennamen den Vornamen des Schwiegervaters
führen müsse, und nicht jenen des Ehemannes tragen könne, zumal sie auch
Staatsangehörige von Sri Lanka sei, in beiden Ländern gleich registriert sein
wolle und eine enge Beziehung zu ihrer tamilischen Familie habe. Mit Verfügung
vom 26. Mai 2008/9. Februar 2009 wies die Direktion der Justiz und des Innern
des Kantons Zürich das Gesuch um Namensänderung ab.

C.
Gegen die Verfügung der Direktion erhob S.S.Ma.________ Rekurs und verlangte
die Änderung ihres Familiennamens "Ma.________" in "K.________". Mit Beschluss
vom 3. September 2009 wies das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs ab und
bestätigte die angefochtene Verfügung.

D.
S.S.Ma.________ führt mit Eingabe vom 23. Oktober 2009 Beschwerde in
Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht sinngemäss, es
sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. September 2009
aufzuheben und die Änderung des Familiennamens "Ma.________" in "K.________" zu
bewilligen.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Aus den Erwägungen:
1. ---
2. ---

3.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, das Gesuch um Änderung ihres
Familiennamens "Ma." in "K." zu Unrecht verweigert zu haben. Sinngemäss macht
sie geltend, es liege ein wichtiger Grund zur Namensänderung vor, da sie nicht
den Nachnamen des Ehemannes - als Vornamen ihres Schwiegervaters -, sondern nur
den Vornamen ihres Ehemannes als Familiennamen tragen wolle, zumal dies den
Namensregeln ihres Herkunftslandes Sri Lanka entspreche.

3.1 Das Obergericht hat zu Recht ein internationales Verhältnis im Sinne von
Art. 1 IPRG angenommen, da die Beschwerdeführerin mehrfache Staatsangehörigkeit
besitzt und im Ausland geheiratet hat. Die Beschwerdeführerin lebt seit Jahren
in Zürich und hatte zur Zeit der Eheschliessung unbestrittenermassen in der
Schweiz Wohnsitz. Damit fällt ausser Betracht, dass sie als
schweizerisch-srilankische Doppelbürgerin nach Art. 37 Abs. 2 IPRG verlangen
könnte, ihren Namen anlässlich der Eheschliessung dem ausländischen Heimatrecht
zu unterstellen (Art. 23 Abs. 2 IPRG; BGE 131 III 201 E. 3.1 S. 205); ihr Name
untersteht mit Bezug auf die Folge der Eheschliessung nach Art. 37 Abs. 1 IPRG
dem schweizerischem Recht. Aus diesem Grund hat die Beschwerdeführerin - wie
das Obergericht zu Recht ausgeführt hat und im Zivilstandsregister beurkundet
worden ist - mit der Heirat gemäss Art. 160 Abs. 1 ZGB den Namen des Ehegatten
erworben. Es ist unbestritten, dass der erworbene Name ("Ma.") der Nachname des
Ehemannes ist.

3.2 Gemäss Art. 38 Abs. 3 IPRG unterstehen die Voraussetzungen und Wirkungen
der Namensänderung dem schweizerischen Recht, nach welchem das Gesuch der
Beschwerdeführerin, ihren Namen gestützt auf Art. 30 Abs. 1 ZGB "Ma." in "K."
zu ändern, beurteilt worden ist.
3.2.1 Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass vorliegend die
(nachträgliche, bzw. durch Namensänderung zu bewilligende) Option zu Gunsten
des Heimatrechts nicht in Frage kommt (E. 3.1). Folglich darf der
Beschwerdeführerin eine Namensänderung aus wichtigen Gründen im Sinne von Art.
30 Abs. 1 ZGB - wozu grundsätzlich auch die Vereinheitlichung des
Familiennamens im internationalen Verhältnis gehören kann (BGE 115 II 195 E. 5
S. 198) - nur bewilligt werden, soweit der neue Name Art. 160 oder Art. 30 Abs.
2 ZGB entspricht (BGE 5A_576/2009 vom 25. November 2009 E. 3.1.2; BRÄM, Zürcher
Kommentar, N. 24 zu Art. 160 ZGB).
3.2.2 Vorliegend beantragt die Beschwerdeführerin nicht, den Namen "K." dem
Namen des Ehemannes ("Ma.") voranzustellen (vgl. Art. 160 Abs. 2 ZGB), obwohl
dies - vorbehältlich wichtiger Gründe (Art. 30 Abs. 1 ZGB) - grundsätzlich
möglich wäre, denn der erste Teil des Namens braucht nicht notwendigerweise mit
dem Namen übereinzustimmen, den die Frau vor der Ehe führte (BGE 5A_576/2009
vom 25. November 2009 E. 3.1.2). Ebenso wenig verlangen die Beschwerdeführerin
und ihr Ehegatte (mit Vornamen K.), dass "K." als gemeinsamer Familienname der
Ehegatten bewilligt werden soll (vgl. Art. 30 Abs. 2 ZGB). Die
Beschwerdeführerin beantragt vielmehr, nur einen Namen ("K.") tragen zu dürfen.
Dieser Antrag ist mit den Grundsätzen des geltenden ehelichen Namensrechts
jedoch nicht vereinbar, weil dieses keine getrennte Namensführung der Ehegatten
kennt, unabhängig davon, ob der gewünschte Name der Ehefrau ihr bisheriger oder
ein - wie hier - nach Art. 30 Abs. 1 ZGB zu ändernder Name ist. Vor diesem
Hintergrund musste das Obergericht zum Ergebnis gelangen, dass das
Namensänderungsgesuch der Beschwerdeführerin nicht bewilligt werden kann.

3.3 Es ist anerkannt, dass sich die Regelung gemäss Art. 160 Abs. 1 und Art. 30
Abs. 2 ZGB in ihrer Gesamtheit als verfassungswidrig erweist, indem sie gegen
das in Art. 8 Abs. 3 BV verankerte Gebot der Gleichstellung der Geschlechter
verstösst (BGE 126 I 1 E. 2e S. 4; 116 II 657 E. 5 S. 665; 115 II 193 E. 3b S.
197; statt vieler: BÜHLER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 3. Aufl.
2006, N. 3 zu Art. 160 ZGB). Zu prüfen bleibt, ob das vorliegende Ergebnis mit
der EMRK vereinbar ist (Art. 5 Abs. 1 und 4 BV).
3.3.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil (Nr.
29865/96) Ünal Tekeli gegen Türkei vom 16. November 2004 entschieden, dass die
Bestimmungen des türkischen Rechts gegen Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK verstossen,
soweit die Ehefrau den Namen des Mannes als Familiennamen tragen muss, wenn die
Eheleute den Frauennamen nicht als gemeinsamen Namen tragen wollen (Recueil
CourEDH 2004-X S. 213 ff., §§ 64 f., 68). Nichts anderes geschieht jedoch bei
der Anwendung von Art. 160 und Art. 30 Abs. 2 ZGB. Wenn die Eheleute nicht den
Namen der Ehefrau tragen wollen, muss die Frau gemäss Art. 160 ZGB den Namen
des Mannes tragen, auch wenn es nicht ihrem Willen entspricht. Daran ändert
nichts, dass sie ihren eigenen Namen voranstellen kann. Die eherechtliche
Namensregelung des ZGB ist mit der EMRK nicht vereinbar (DESCHENAUX/ STEINAUER/
BADDELEY, Les effets du mariage, 2. Aufl. 2009, Rz. 127, mit Hinweisen;
AEMISEGGER, Zur Umsetzung der EMRK in der Schweiz, in: Jusletter 20. Juli 2009,
Rz 95, mit Hinweis auf HEGNAUER, in: Neue Zürcher Zeitung vom 14. April 2009 S.
11; WITTINGER, "Europäisches Familienrecht": Die familienrechtliche
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in jüngerer
Zeit - Altbekanntes und Neues, FamPra.ch 2009 S. 109).
3.3.2 Gemäss Art. 190 BV sind für das Bundesgericht sowohl Bundesgesetze als
auch Völkerrecht massgebend. Im Konfliktfall geht das Völkerrecht dem
Landesrecht jedenfalls dann vor, wenn die völkerrechtliche Norm dem Schutz der
Menschenrechte dient. Dies hat zur Folge, dass eine völkerrechtswidrige Norm
des Landesrechts insoweit nicht angewendet werden kann (BGE 125 II 417 E. 4d S.
425 i.S. PKK). Damit stellt sich die Frage, ob die im ZGB festgelegte - gegen
die EMRK verstossende - Unmöglichkeit zur getrennten Namensführung der
Ehegatten noch massgebend ist (DESCHENAUX/STEINAUER/ BADDELEY, a.a.O., Rz. 127
Fn 97).
3.3.3 Für die Beantwortung der Frage sind die jüngsten Beratungen im Parlament
zum Problem der Kollision zwischen dem Namensrecht der Ehegatten und der EMRK
zu berücksichtigen (vgl. HANGARTNER, in: Die schweizerische Bundesverfassung,
Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 30 zu Art. 190 BV). Am 19. Juni 2003 wurde eine
(weitere) parlamentarische Initiative (03.428 Leutenegger Oberholzer)
eingereicht, welche verlangt, das ZGB so zu ändern, dass die Gleichstellung der
Ehegatten im Bereich der Namens- und Bürgerrechtsregelung gewährleistet ist. Am
22. August 2008 verabschiedete die Rechtskommission des Nationalrates einen
entsprechenden Entwurf zur Änderung des Namens- und Bürgerrechts (BBl. 2009 403
ff.). Der Nationalrat beschloss jedoch am 11. März 2009 die Rückweisung der
Vorlage an die Rechtskommission, "mit dem Auftrag, ausschliesslich die durch
das EMRK-Urteil vom 22. Februar 1994 (Burghartz gegen Schweiz) absolut
notwendigen Schritte vorzuschlagen" (AB 2009 N 275 ff.). Diesem Auftrag ist die
Rechtskommission des Nationalrates am 27. August 2009 mit dem Vorschlag
nachgekommen, dass die in der ZStV festgeschriebene Regelung, wonach dem
Ehegatten erlaubt wird, seinen Namen voranzustellen, wenn die Brautleute die
Frauennamen als Familiennamen führen wollen (Art. 12 Abs. 1 zweiter Satz ZStV),
in das ZGB aufzunehmen sei. Dabei hat sie festgehalten, dass die vorgeschlagene
Regelung - auch mit Blick auf das Urteil Tekeli gegen Türkei vom 16. November
2004 - die Gleichstellung nicht gewährleistet (BBl 2009 7573, 7577 f.). Der
entsprechende Vorschlag wurde vom Nationalrat am 10. Dezember 2009 angenommen,
nachdem das Urteil Tekeli in der Beratung thematisiert und darauf hingewiesen
wurde, dass nach diesem Urteil die Schweiz bei einer vergleichbaren Klage vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit grosser Wahrscheinlichkeit
verurteilt würde (Votum Bundesrätin Widmer-Schlumpf; AB 2009 N 2284).
3.3.4 Die verweigerte Änderung bzw. Anpassung des ehelichen Namensrechts an die
EMRK bzw. aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte läuft darauf hinaus, dass der schweizerische Gesetzgeber bewusst
den Grundsatz der Einheit der Familie und ihres Namens höher gewichtet als den
Rechtsgleichheitsgrundsatz, wie ihn der Europäische Gerichtshof versteht. Damit
liegt nahe, gemäss BGE 99 Ib 39 ff. i.S. Schubert das Bundesgesetz weiterhin
als massgeblich zu erachten (vgl. HANGARTNER, a.a.O., N. 29 ff. und 32 zu Art.
190 BV), zumal eine Aufhebung der Pflicht zur gemeinsamen Namensführung
sinnvollerweise mit der gesetzlichen Gestaltung des Namens der allfälligen
gemeinsamen Kinder verbunden wird (DUTOIT, Jusqu'où le délitement du nom de
famille? Les exemples suisse et français, in: Festschrift Suzette Sandoz, 2006,
S. 247 f.; BÜHLER, a.a.O., N. 30 zu Art. 160 ZGB). Ob diese Sichtweise -
Massgeblichkeit der geltenden ZGB-Bestimmungen - mit der neueren Rechtsprechung
vereinbar ist, wonach das Bundesgericht der EMRK den Vorzug gibt, wenn eine
Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte droht (BGE
125 II 417 E. 4d S. 425 i.S. PKK; vgl. Hangartner, a.a.O., N. 32 zu Art. 190
BV; Auer/ Malinverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse, 2. Aufl. 2006,
Bd. I, Rz. 1882-1884; Aemisegger, a.a.O., Rz. 7, Rz. 99), braucht im konkreten
Fall - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht abschliessend entschieden zu
werden.

3.4 Selbst wenn die im ehelichen Namensrecht festgelegte Pflicht der Eheleute
zur gemeinsamen Namensführung als unmassgeblich betrachtet wird und insoweit
dem Namensänderungsgesuch der Beschwerdeführerin kein Hindernis entgegensteht,
ist das Begehren ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin hat bereits im kantonalen
Verfahren geltend gemacht, in Sri Lanka mit dem Nachnamen "K." registriert zu
sein. Die Tatsache, dass eine in der Schweiz wohnhafte Person mit
schweizerischer und ausländischer Staatsangehörigkeit im ausländischen Staat
unter einem anderen Namen eingetragen ist, begründet für sich allein keinen
wichtigen Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB, der eine Namensänderung in der
Schweiz rechtfertigt (BGE 126 III 1 E. 4 und 5 S. 4 f. i.S. Radici; zuletzt:
Urteil 5C.175/2006 vom 22. November 2006 E. 2.2). Diese Rechtsprechung wird in
der Lehre bestätigt (SIEHR/GERSTEL, SJZ 2001 S. 82), zum Teil auch als zu
streng bezeichnet (BUCHER, SZIER 2001 S. 208; VISCHER, in: Zürcher Kommentar
zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 9 zu Art. 38). Im konkreten Fall bestehen keine
Anhaltspunkte, welche Anlass geben, diese Praxis in Frage stellen. In der
Beschwerdeschrift wird weiter nicht dargelegt (Art. 42 Abs. 2 BGG), inwiefern
das Obergericht weitere Umstände bzw. "wichtige Gründe" zur Namensänderung
verkannt habe, welche ein Eingreifen des Bundesgerichts in die
Ermessensbetätigung (Art. 4 ZGB) der kantonalen Behörden rechtfertigen würden.
Im Ergebnis ist daher haltbar, wenn das Obergericht das Gesuch der
Beschwerdeführerin, die Änderung ihres Nachnamens in "K." - den Vornamen ihres
Ehemannes - zu bewilligen, verweigert hat.
4. ---

Lausanne, 25. Januar 2010