Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.708/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_708/2009

Urteil vom 15. Januar 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt
Gerichtsschreiber Zingg.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Roland Padrutt.

Gegenstand
Prozessleitende Verfügung; Verfahrensvereinigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
3. Kammer, vom 21. September 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Teilurteil vom 30. Juni 1999 schied das Amtsgericht Lörrach die Ehe von
X.________ und Y.________, wobei der schuldrechtliche Versorgungsausgleich
vorbehalten blieb. In Ergänzung dieses Scheidungsurteils wies das Obergericht
des Kantons Aargau am 28. Juni 2005 gestützt auf Art. 124 Abs. 1 ZGB die
A.________ an, X.________ den Betrag von Fr. 56'813.50 zuzüglich Zinsen seit
30. Dezember 2000 zu bezahlen. Im Oktober 2005 teilte die A.________ mit, sie
könne dieser Anweisung nicht nachkommen, da Y.________ bereits 2003 das 65.
Altersjahr erreicht habe und ihm in der Folge das Alterskapital ausbezahlt
worden sei.
Mit Eingabe vom 3. März 2006 gelangte X.________ an das Bezirksgericht
Rheinfelden und beantragte, Y.________ zur Bezahlung von einerseits Fr.
56'813.50 und andererseits von Fr. 58'791.50, je zuzüglich Zinsen, zu
verurteilen. Während sich das erste Begehren auf die fehlgeschlagene
Zahlungsanweisung bezieht, steht das zweite im Zusammenhang mit einem
angeblichen Prozessbetrug des Beklagten im vorangegangenen Ergänzungsprozess.
Die Eingabe wurde mit dem Aktenzeichen OZ.2006.19 ins ordentliche Verfahren
verwiesen.
Am 3. Juni 2006 gelangte X.________ erneut an das Bezirksgericht Rheinfelden
und verlangte unter anderem, Y.________ sei umgehend anzuweisen, ihr Fr.
56'813.50 inkl. Zinsen zu überweisen. Diese Eingabe wurde unter Aktenzeichen
OF.2006.56 ins ordentliche Verfahren gewiesen.
Mit Eingabe vom 1. Juli 2008 stellte X.________ unter dem Titel "neue Fakten
zum Revisions-Begehren v. 3. März 2006" unter anderem den Antrag, Y.________
zur Bezahlung von Fr. 58'791.50 zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das
Bezirksgericht Rheinfelden wies diese Eingabe ins ordentliche Verfahren
OF.2008.76.
Durch Verfügung vom 9. März 2009 vereinigte die Gerichtspräsidentin von
Rheinfelden die drei Verfahren OZ.2006.19, OF.2006.56 und OF.2008.76 unter dem
Verfahren OF.2006.56.

B.
Gegen diese Verfahrensvereinigung wandte sich X.________ mit Beschwerde vom 6.
April 2009, auf welche das Obergericht des Kantons Aargau am 21. September 2009
nicht eintrat.

C.
Am 21. Oktober 2009 ist X.________ (fortan: Beschwerdeführerin) mit einer als
staatsrechtliche Beschwerde bezeichneten Eingabe ans Bundesgericht gelangt. Sie
beantragt, den Nichteintretensentscheid aufzuheben und zwei Verfahren - eines
über den Betrag von Fr. 56'813.50, das andere über den Betrag von Fr. 58'791.50
- durchzuführen. Zudem verlangt sie für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege.
Am 26. Oktober 2009 hat die Beschwerdeführerin die Korrektur der Bezeichnung
des Beschwerdegegners verlangt und am 2. November 2009 darauf hingewiesen, dass
sie den Kostenvorschuss von Fr. 2'500.-- nicht aufbringen könne. Das
Bundesgericht hat am 4. November 2009 das Berichtigungsgesuch abgewiesen,
hingegen einstweilig auf die Einforderung des Kostenvorschusses verzichtet.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Im Schreiben vom 2. November 2009 erklärt die Beschwerdeführerin, dass sie die
staatsrechtliche Beschwerde vom 21. Oktober 2009 zurückziehe.
Einem Beschwerdeführer steht es frei, die eingereichte Beschwerde
zurückzuziehen (vgl. Art. 32 Abs. 2 BGG). Ein Rückzug muss aber ausdrücklich
und unbedingt erfolgen (BGE 119 V 36 E. 1b S. 38; Urteil 9C_864/2007 vom 30.
April 2008 E. 4.2).
Vorliegend kann nicht von einem unbedingten Rückzugswillen ausgegangen werden.
Die entsprechende Erklärung findet sich ganz am Schluss eines zweiseitigen
Schreibens, in welchem die Beschwerdeführerin mehrfach darauf hinweist, den
eingeforderten Kostenvorschuss von Fr. 2'500.-- nicht bezahlen zu können. Des
Weiteren schildert sie darin ausführlich angebliche Verfehlungen der
involvierten Gerichte und reicht dazu Beilagen ein. Schliesslich erklärt sie
ausdrücklich, auf ihre Pensionskassen-Ansprüche keinesfalls zu verzichten und
dass sie ihr Recht einfordern werde.
Folglich darf in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass die
Beschwerdeführerin die Beschwerde einzig im Hinblick auf den Kostenvorschuss
zurückgezogen und sie den Rückzug implizit von der Aufrechterhaltung der
entsprechenden Forderung abhängig gemacht hat. Bestätigt wird dies dadurch,
dass sie nach der Annullation der Kostenvorschussverfügung am 4. November 2009
nicht ausdrücklich am Rückzug ihrer Beschwerde festgehalten hat. Ihr Rückzug
ist folglich bedingt erfolgt und damit unbeachtlich.

2.
Angefochten ist binnen Frist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem
auf eine Beschwerde gegen eine verfahrensleitende Verfügung über die
Vereinigung mehrerer Verfahren nicht eingetreten wurde (Art. 75, 100 Abs. 1
BGG). Da das angefochtene Urteil das Verfahren nicht abschliesst, liegt ein
Zwischenentscheid vor (BGE 133 III 629 E. 2.2 S. 631). Bei Zwischenentscheiden
folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteil 5A_484/2008 vom 16. September
2008 E. 1.2). Die Angelegenheit ist zivilrechtlicher Natur (Art. 72 Abs. 1 BGG)
und der erforderliche Streitwert ist erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG),
womit die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zur Verfügung steht. Soweit
es sich nicht um einen - hier nicht gegebenen - Fall einer Ausstands- oder
Zuständigkeitsfrage handelt (Art. 92 BGG), sind Zwischenentscheide vor
Bundesgericht allerdings nur eingeschränkt anfechtbar (Art. 93 BGG). Die
Variante von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG scheidet vorliegend aus, da die
Gutheissung der Beschwerde nicht sofort einen Endentscheid herbeiführen,
sondern einzig zu einer Trennung der Verfahren und ihrer separaten
Weiterbehandlung führen würde.
Es bleibt zu prüfen, ob der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Nach
konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts muss der Nachteil rechtlicher
Natur sein und darf somit auch mit einem für den Beschwerdeführer günstigen
Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar sein (BGE 134 III 188 E. 2.1
S. 190; 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632; je mit Hinweisen). Rein tatsächliche
Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügen
demgegenüber nicht (BGE 134 III 188 E. 2.2 S. 191; 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632
mit Hinweisen). Hintergrund dieser restriktiven Praxis ist, dass sich das
Bundesgericht grundsätzlich nur einmal mit einem Fall befassen soll. Dabei
liegt es am Beschwerdeführer, die Möglichkeit eines rechtlichen Nachteils
darzutun, falls diese nicht klar auf der Hand liegt (BGE 133 III 629 E. 2.3.1
S. 632 mit Hinweis).
Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
ist vorliegend nicht ersichtlich und die Beschwerdeführerin behauptet einen
solchen auch nicht ausdrücklich. Selbst wenn ihre Ausführungen zum angeblich
verletzten § 335 lit. b des aargauischen Zivilrechtspflegegesetzes (ZPO; SAR
221.100), welcher die innerkantonale Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden
regelt, sinngemäss auf Art. 93 BGG übertragen werden, ergibt sich kein anderes
Resultat. Soweit die Beschwerdeführerin den Nachteil in der behaupteten
Verlängerung und Verteuerung des Prozesses sieht, handelt es sich - wie soeben
ausgeführt - um rein faktische Nachteile, welche den Anforderungen von Art. 93
Abs 1 lit. a BGG nicht genügen. Sie führt weiter aus, ihr drohe durch die
Verfahrenszusammenlegung der endgültige Verlust des geltend gemachten Rechts
und die Unmöglichkeit seiner Durchsetzung. Diese Auffassung begründet sie
allerdings nicht weiter und die Möglichkeit eines Rechtsverlusts liegt
angesichts der im Streite stehenden Ansprüche auch nicht auf der Hand.
Somit kann auf die Beschwerde mangels eines nicht wieder gutzumachenden
Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht eingetreten werden.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

4.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das
Verfahren vor Bundesgericht ist abzuweisen, da ihre Beschwerde - wie sich aus
dem vorstehend Gesagten ergibt - von Anfang an aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Januar 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zingg