Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.65/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_65/2009

Urteil vom 25. Februar 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
Gerichtsschreiber Schett.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau.

Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege (Eheschutz),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
5. Kammer, vom 22. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Auf Klage von X.________ vom 24. August 2008 hin erliess der Gerichtspräsident
von Y.________ mit Entscheid vom 7. Oktober 2008 Eheschutzmassnahmen zur
Regelung des Getrenntlebens von seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen,
unmündigen Kindern.

B.
Die von X.________ am 27. Oktober 2008 geführte Beschwerde hiess das
Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 22. Dezember 2008 teilweise gut,
auferlegte diesem aber 5/6 der Gerichtskosten, ausmachend Fr. 700.--, und
verpflichtete ihn, dem Rechtsvertreter seiner Ehefrau 2/3 der
zweitinstanzlichen Parteikosten in noch festzusetzender Höhe zu ersetzen. Das
Gesuch von X.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
oberinstanzliche Verfahren wies das Obergericht gleichentags mit der Begründung
ab, einerseits gestatte der diesem unter Berücksichtigung des zivilprozessualen
Existenzminimums verbleibende, wenn auch geringfügige Überschuss, die
Gerichtskosten zu bezahlen (E. 7.2.2.), und andererseits verfüge er über eine
verwertbare Lebensversicherung, weshalb er in der Lage sei, auch für die
zweitinstanzlichen Anwaltskosten aufzukommen (E. 7.2.3).
Im Rahmen eines Ergänzungsurteils vom 13. Januar 2009 hat das Obergericht des
Kantons Aargau die von X.________ zu bezahlenden Parteikosten auf Fr. 1'240.20
(inkl. Mwst) festgelegt.

C.
Mit Eingabe vom 28. Januar 2008 erhebt X.________ (fortan: Beschwerdeführer)
Beschwerde in Zivilsachen mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts vom
22. Dezember 2008 sei in Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege aufzuheben und es sei das entsprechende Gesuch vom 27. Oktober
2008 gutzuheissen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das
Obergericht des Kantons Aargau zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche
Verfahren ersucht er ebenfalls um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind die Akten, aber keine Vernehmlassung eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit
dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Beim Entscheid über
die unentgeltliche Rechtspflege handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131), dessen ungeachtet, ob er während des
Hauptverfahrens, zusammen mit dessen Hauptentscheid oder nach diesem ergangen
ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2).

1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Im
vorliegenden Fall betrifft es die unentgeltliche Rechtspflege in einem
(oberinstanzlichen) Eheschutzverfahren, in welchem nur noch die Höhe der an die
Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder zu leistenden Unterhaltsbeiträge
umstritten war. Mithin handelt es sich um eine Zivilsache im Sinn von Art. 72
Abs. 1 BGG; der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b
BGG). Somit ist gegen den Entscheid in der Hauptsache die Beschwerde in
Zivilsachen zulässig, womit sie auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid
ergriffen werden kann.

1.3 Das Bundesgericht hat entschieden, dass Eheschutzmassnahmen nach Art. 172
ff. ZGB grundsätzlich den vorsorglichen Massnahmen nach Art. 98 BGG
gleichzustellen sind (BGE 133 III 393 E. 5.2). Deshalb kann mit der
vorliegenden Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts nur die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das gilt auch für den
mit dem Sachentscheid ergangenen Beschluss des Obergerichts, womit das Gesuch
des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abgewiesen
wurde (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E. 1.2). Da nur die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden kann, gelangen die Art. 95
und 97 BGG und auch Art. 105 Abs. 2 BGG nicht zur Anwendung. Die hier gegebenen
Verhältnisse entsprechen denjenigen bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde
(Art. 113 ff. BGG). Wie dort (Art. 118 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 116 BGG)
kommt eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen ebenfalls
hier nur dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte
verletzt hat. Wird Letzteres geltend gemacht, ist neben der Erheblichkeit der
gerügten Tatsachenfeststellung für den Ausgang des Verfahrens klar und
detailliert darzutun, inwiefern diese verfassungswidrig, insbesondere
willkürlich (Art. 9 BV), offensichtlich unhaltbar sein soll, d.h. mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehe, auf einem offenkundigen
Versehen beruhe oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lasse (BGE 133
III 393 E. 7.1 S. 398, 585 E. 4.1 S. 588).
Mit Bezug auf die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gilt das strenge
Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Das
Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen, die soweit möglich
zu belegen sind, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 134 II
244 E. 2.2 S. 246, mit Hinweisen).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art.
29 Abs. 2 BV sowie die im Verfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege
geltende Untersuchungsmaxime. Die Vorinstanz sei verpflichtet gewesen, die
Verhältnisse durch eigene Erhebung abzuklären, wenn die ihr vorgelegten
Unterlagen keine hinreichende Grundlage für einen Entscheid geben. Indem sie
bezüglich der Lebensversicherung des Beschwerdeführers auf die Angaben in der
Steuererklärung abgestellt habe, ohne die genauen Umstände abzuklären oder
zumindest dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten, habe
sie gegen die Garantie des rechtlichen Gehörs und gegen die Untersuchungsmaxime
verstossen, was letztlich zu einer unrichtigen Sachverhaltsfeststellung geführt
habe. Einerseits sei die Vorinstanz zu Unrecht vom Steuerwert der
Lebensversicherung ausgegangen; der tatsächliche Wert, nämlich der
Rückkaufswert, liege unter der Grenze des für die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege relevanten Vermögens. Andererseits sei die fragliche
Lebensversicherung bereits zur Sicherstellung eines Kontokorrentkredites bei
der Raiffeisenbank A.________ verpfändet, weshalb sie entgegen der
vorinstanzlichen Feststellung nicht durch Verkauf oder Belehnung in flüssige
Mittel umgewandelt werden könne.

2.2 Im umfassenden Rechtsbegehren auf Gutheissung des Gesuches um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ist grundsätzlich auch das Gesuch um Befreiung von
der Pflicht zur Tragung der obergerichtlichen Gerichtskosten enthalten.
Indessen rügt der Beschwerdeführer weder die tatsächliche Feststellung des
Obergerichts, wonach er über einen (geringen) Überschuss verfüge, noch die
(rechtliche) Schlussfolgerung, wonach dieser ihm gestatte, die Gerichtskosten
zu bezahlen, als willkürlich. In diesem Punkt mangelt es an rechtsgenüglich
vorgebrachten Rügen, sodass insofern nicht auf auf die Beschwerde eingetreten
werden kann.

3.
3.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst u.a. das Recht der Parteien,
sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache
zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen,
mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung
wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum
Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu
beeinflussen (BGE 132 V 368 E. 3.1 S. 371; 129 II 497 E. 2.2 S. 504 f., je mit
Hinweisen).
Beweisergebnis im Sinne dieser Rechtsprechung sind beispielsweise die Aussage
eines Zeugen, die Auskunft einer Auskunftsperson, das Gutachten eines Experten,
die am Augenschein getroffenen Feststellungen, usw. Dazu muss den Parteien -
jedenfalls sofern sie an der Beweisabnahme nicht mitgewirkt haben - Gelegenheit
zur Stellungnahme eingeräumt werden. Davon zu unterscheiden ist die
Beweiswürdigung und die sich darauf stützende Sachverhaltsfeststellung des
Gerichts: Diese wird regelmässig erst im Entscheid selbst begründet und muss
den Parteien grundsätzlich nicht vorab zur Stellungnahme unterbreitet werden.

3.2 Ihren Entscheid stützte die Vorinstanz allein auf das vom Beschwerdeführer
eingereichte Gesuch und von diesem eingereichte Unterlagen, namentlich die
Steuererklärung. Die Würdigung dieser Eingabe und der Beilagen war Sache der
Vorinstanz; diese musste ihm dazu nicht nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme
einräumen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet.

4.
4.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege wird in erster Linie durch das
kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch
auf Grund von Art. 29 Abs. 3 BV. Die Auslegung und Anwendung der kantonalen
Gesetzesbestimmungen über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege prüft
das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes (BGE 120 Ia
179 E. 3 S. 180 mit Hinweisen). Gleiches gilt für den Umfang der
Untersuchungsmaxime, die sich ebenfalls nach kantonalem Recht bestimmt; Art. 29
Abs. 3 BV schreibt die Untersuchungsmaxime für das kantonale Verfahren nicht
vor (Pra 2004 Nr. 110 S. 613). Soweit der Beschwerdeführer in der (angeblichen)
Verletzung der Untersuchungsmaxime eine Verletzung eines verfassungsmässigen
Rechts erblickt, erweist sich eine solche Rüge von vornherein als unbegründet.

4.2 Sodann rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei zu Unrecht vom
Steuerwert der Lebensversicherung ausgegangen; der tatsächliche Wert, nämlich
der Rückkaufswert, liege unter der Grenze des für die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege relevanten Vermögens. Indessen legt der
Beschwerdeführer nicht dar, welche Norm dadurch krass verletzt worden sein soll
und kommt insofern seiner Begründungspflicht nicht nach; auf diese Rüge ist
deshalb nicht einzutreten.

4.3 Auf der Basis von § 129 Abs. 1 ZPO/AG gilt für die Abklärung der
Bedürftigkeit eines Gesuchstellers insofern der Untersuchungsgrundsatz, als
Neuerungen während des Prüfungs- und gegebenenfalls auch noch im
Rechtsmittelverfahren unbeschränkt zulässig sind (Alfred Bühler, Kommentar zur
aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N 1 zu § 129, mit Hinweisen). Der
Untersuchungsgrundsatz entbindet jedoch einen Gesuchsteller nicht von einer
umfassenden Mitwirkungspflicht. Die mit dem Gesuch befasste Behörde ist nicht
verpflichtet, den Sachverhalt nach jeder Richtung hin abzuklären (Beat Ries,
Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung vom
18. Dezember 1984, S. 125). Die Untersuchungsmaxime (vgl. dazu BGE 96 V 95 f.)
bedeutet nicht, dass sie unbesehen alles, was behauptet wird, von Amtes wegen
prüfen müsste (BGE 100 V 61). Die Behörde hat nur dort den Sachverhalt
abzuklären (bzw. besser abzuklären), wo noch Unsicherheiten und Unklarheiten
bestehen, sei es, dass sie von einer Partei auf solche - wirkliche oder
vermeintliche - Fehler hingewiesen wird, sei es, dass sie sie selbst
feststellt. Dasselbe gilt, wenn die Behörde aufgrund erkennbar mangelhafter
Angaben an der Richtigkeit derselben zu Zweifeln Anlass hat oder haben müsste
(Urteil 2A.428/1995 vom 20. Mai 1996, E. 4.c/aa). Der Beschwerdeführer macht
indessen nicht geltend, für die Vorinstanz sei aufgrund der ihr vorliegenden
Auskünfte eine (vorbestehende) Verpfändung der fraglichen Lebensversicherung
erkennbar gewesen. Ebenso wenig liefert er stichhaltige Gründe, welche die
Vorinstanz dazu hätten veranlassen müssen, den Sachverhalt weitergehend
abzuklären. Im konkreten Fall stehen die unterlassenen Abklärungen hinsichtlich
der Verfüg- bzw. Liquidierbarkeit der Lebensversicherung nicht im Widerspruch
zur Untersuchungsmaxime. Mithin erweist sich die von der Vorinstanz getätigte
Feststellung, wonach der Beschwerdeführer mit der Lebensversicherung über einen
verwertbaren Vermögenswert verfüge, der es ihm gestatte, seine Anwaltskosten
selber zu tragen, nicht als willkürlich.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Sodann erweist sich die Beschwerde von vornherein als
aussichtslos, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
für das bundesgerichtliche Verfahren abgewiesen werden muss (Art. 64 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Februar 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Schett