Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.647/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_647/2009

Urteil vom 8. Dezember 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter L. Meyer, Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiberin Gut Kägi.

Parteien
B.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Gerold Meier,

gegen

K.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Späti,

Gegenstand
Vorsorgliche Massnahmen nach Art. 137 ZGB,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
14. August 2009.

Sachverhalt:

A.
K.________ (Ehefrau) und B.________ (Ehemann) heirateten am xxxx. Sie sind die
Eltern der inzwischen mündigen Kinder Q.________, R.________ und S.________ und
der am xxxx 1992 geborenen Tochter T.________.
A.a Am 12. Dezember 2007 machte K.________ (Ehefrau) beim Kantonsgericht
Schaffhausen die Scheidungsklage rechtshängig. Als vorsorgliche Massnahme
beantragte sie, B.________ (Ehemann) sei zu verpflichten, ab 1. Januar 2008 für
die Dauer des Scheidungsverfahrens an den Unterhalt der Tochter T.________
einen Beitrag von monatlich Fr. 750.-- zuzüglich allfälliger Kinder- und
Ausbildungszulagen zu entrichten.

Das Kantonsgericht Schaffhausen hiess diesen Antrag mit Verfügung vom 29. April
2008 gut und wies das Gesuch von B.________ (Ehemann) um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege ab.
A.b In teilweiser Gutheissung des Rekurses von B.________ (Ehemann) änderte das
Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 14. August 2009 die
Unterhaltsverpflichtung dahingehend ab, dass erst ab 1. Dezember 2009 Beiträge
zu bezahlen sind. Im Übrigen wurde B.________ (Ehemann) für das kantonale
Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

B.
B.________ (Ehemann) (fortan: Beschwerdeführer) ist am 25. September 2009
(Postaufgabe) mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gelangt. Er stellt den Antrag, das
obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

Das Obergericht und K.________ (Ehefrau) (fortan: Beschwerdegegnerin) sind
nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden.
Erwägungen:

1.
1.1 Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet die
Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für
seine Tochter T.________ für die Dauer des Scheidungsverfahrens. Es handelt
sich dabei um eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG. Der angefochtene
Entscheid des Obergerichts ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid
(Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG; BGE 134 III 426 E. 2.2 S. 431 f., vgl. auch
Urteil 5A_649/2007 vom 5. Februar 2008 E. 1.3). Da zudem aufgrund der
unbestimmten Dauer des Scheidungsverfahrens die Voraussetzung der
Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- erfüllt ist, erweist sich die Beschwerde
grundsätzlich als zulässig.

1.2 Der Beschwerdeführer bezeichnet seine Eingabe als Beschwerde in Zivilsachen
und subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Da die Voraussetzungen für eine
Beschwerde in Zivilsachen vorliegend erfüllt sind, kann die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde von vornherein nicht greifen (Art. 113 BGG). Die Eingabe
ist somit lediglich als Beschwerde in Zivilsachen zu behandeln.

1.3 Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art.
107 Abs. 2 BGG). Daher darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu beantragen,
sondern muss einen Antrag in der Sache stellen (vgl. BGE 134 III 379 E. 1.3 S.
383). Vorliegend lautet der Antrag lediglich auf Aufhebung des angefochtenen
Urteils. Damit wird der Beschwerdeführer der reformatorischen Natur der
Beschwerde nicht gerecht. Aus der Begründung ergibt sich immerhin, dass er
keinen Unterhalt an seine Tochter bezahlen will, weshalb bei grosszügiger
Auslegung das Antragserfordernis als gewahrt betrachtet werden kann.

1.4 Der angefochtene Entscheid betrifft schliesslich eine vorsorgliche
Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG. Damit kann vorliegend einzig die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden, weshalb die Art. 95 und 97
BGG und auch Art. 105 Abs. 2 BGG nicht zur Anwendung gelangen (BGE 133 III 393
E. 5 und 7.1 S. 396 ff. und 585 E. 3.3 und 4.1 S. 587 ff.). Die hier gegebenen
Verhältnisse entsprechen denjenigen bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde
(Art. 113 ff. BGG; BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588 f.). Der Beschwerdeführer muss
angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde und substanziiert
darlegen, worin die Verletzung besteht (vgl. der zu Art. 90 OG ergangene BGE
130 I 26 E. 2.1 S. 31). Das Bundesgericht kann die Verletzung eines Grundrechts
nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzis vorgebracht
und detailliert begründet worden ist. Auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133
III 439 E. 3.2 S. 444). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht
es nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den
davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen;
vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht
willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an
einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 117 Ia 10 E. 4b S.
11 f.).

2.
Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen seine Verpflichtung zur Bezahlung von
Kinderunterhaltsbeiträgen für seine unmündige Tochter. Bei der Feststellung des
Sachverhalts betreffend die Frage der Unterhaltspflicht habe das Obergericht
sein rechtliches Gehör und das Gebot des fairen Prozesses verletzt.

3.
3.1 Vorab führt der Beschwerdeführer aus, er habe die Erbschaft von seinen
Eltern von Fr. 200'000.-- für den Lebensunterhalt der Familie und die
Ausbildung der Beschwerdegegnerin eingesetzt und aufgebraucht. Diesem
finanziellen Einsatz verdanke die Beschwerdegegnerin heute ihre gut bezahlte
Stelle im 80%-Pensum als Sozialarbeiterin. Er gehe davon aus, dass dieses
Pensum auf 100% ausgedehnt werden könnte. Das Einkommen reiche dann komfortabel
aus, um für die Tochter alleine aufzukommen. Da ihm selber eine Erhöhung des
Einkommens in seinem selbständig betriebenen Unternehmen kaum möglich wäre und
die Annahme einer unselbständigen Arbeitsstelle zum Konkurs und aller
Voraussicht nach zu seiner Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, sei seine
Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen nicht gerechtfertigt. Ohnehin dauere die
Unterhaltspflicht nur noch ein gutes halbes Jahr, da T.________ dann mündig
werde.

3.2 Mit diesen Ausführungen schildert und ergänzt der Beschwerdeführer den
Sachverhalt aus seiner Sichtweise. Dabei unterlässt er es, auf die
Feststellungen des Obergerichts Bezug zu nehmen und sich damit auseinander zu
setzen. Insbesondere zeigt der Beschwerdeführer mit seinen Schilderungen nicht
in nachvollziehbarer Weise auf, weshalb und inwiefern das Obergericht den
Sachverhalt willkürlich festgestellt habe oder dabei andere Verfahrensgarantien
verletzt worden seien. Die Begründungsanforderungen an eine Beschwerde in
Zivilsachen sind damit nicht gewahrt, weshalb auf die Vorbringen nicht
eingetreten werden kann (E. 1.4). Ohnehin sind die Ausführungen zur behaupteten
Finanzierung der Ausbildung mit Mitteln der Erbschaft und zur Ausdehnung des
Arbeitspensums der Beschwerdegegnerin teilweise neu und damit vor Bundesgericht
unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Was der Beschwerdeführer schliesslich mit
seinem Hinweis auf die im Juli 2010 eintretende Mündigkeit der Tochter
begründen will, ist nicht nachvollziehbar, geht doch daraus nicht hervor,
weshalb er bereits schon im Dezember 2009 keine Unterhaltsbeiträge mehr leisten
kann.

4.
Weiter folgen Ausführungen zur behaupteten Gehörsverletzung.

4.1 Dazu führt der Beschwerdeführer aus, er habe im kantonalen Verfahren
geltend gemacht, dass er keine Möglichkeit zur Einkommenssteigerung habe.
Obwohl er vor Obergericht genügend deutlich ausgeführt habe, unter welchen
gesundheitlichen Störungen er leide, habe dieses die Vorbringen als zu wenig
belegt betrachtet. Eine Gelegenheit, um die gesundheitlichen Probleme zu
belegen, sei ihm jedoch nie gegeben worden. Insbesondere sei er zur Möglichkeit
der Erzielung eines höheren Einkommens nicht angehört worden. Indem das
Obergericht ohne jegliche Abklärungen der konkreten Verhältnisse von der
Möglichkeit der Einkommenssteigerung ab November 2009 ausgegangen sei, habe es
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die apodiktische Annahme von
Verhältnissen, die seinen persönlichen und ökonomischen Gegebenheiten
widersprächen, verletze zudem das Gebot des fairen Prozesses und damit Art. 9
BV.

4.2 Weshalb und inwiefern bei der Sachverhaltsfeststellung zur Frage der
Anrechnung eines höheren hypothetischen Einkommens der Gehörsanspruch verletzt
oder kein faires Verfahren durchgeführt worden wäre, geht aus der Begründung
des Beschwerdeführers nicht hervor. Immerhin hätte er es selber in der Hand
gehabt, seine Behauptung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen unaufgefordert
mit entsprechenden Ausführungen oder Beilagen, so beispielsweise mit Einreichen
einer ärztlichen Bestätigung, zu belegen. Die Vorbringen zur Realisierbarkeit
einer Einkommenssteigerung betreffen sodann bei näherer Betrachtung nicht - wie
vom Beschwerdeführer behauptet - die Frage der Gehörsverletzung, sondern
vielmehr die Würdigung von Sachverhaltsmomenten. Erachtet das Obergericht die
geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht als gegeben oder
nicht als entscheidrelevant, betrifft dies nämlich eine Frage der
Beweiswürdigung. Entgegen der beschwerdeführerischen Ansicht schreibt Art. 29
Abs. 2 BV den Richtern nicht vor, mit welchen Mitteln der Sachverhalt
abzuklären und wie das Ergebnis davon zu würdigen ist. Diese Bestimmung
schliesst auch die vorweggenommene Beweiswürdigung nicht aus (vgl. BGE 122 III
219 E. 3c S. 223; Urteil 5A_44/2008 vom 7. Juli 2008 E. 3.3). Vorliegend ist
das Obergericht nach Prüfung der Ausführungen des Beschwerdeführers und unter
Beiziehung der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung im Dienstleistungssektor
sowie unter Berücksichtigung des Alters des Beschwerdeführers und der
angespannten Wirtschaftslage zur Überzeugung gelangt, dass eine
Einkommenserhöhung nach einer Übergangsfrist von drei Monaten realisierbar
wäre. Eine willkürliche Beweiswürdigung ist nicht zu erkennen und in der
Beschwerde auch nicht geltend gemacht oder aufgezeigt. Anzumerken ist
schliesslich, dass sich der Beschwerdeführer nicht ansatzweise mit dem Argument
des Obergerichts auseinander setzt, wonach dieser seit Anhängigmachen des
Ehescheidungsverfahrens durch die Beschwerdegegnerin am 12. Dezember 2007 mit
seiner Unterhaltsverpflichtung habe rechnen und daher die nötigen Veränderungen
zur Bereitstellung der entsprechenden finanziellen Verhältnisse hätte einleiten
müssen.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf überhaupt
einzutreten ist. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
abzuweisen, da seine Anträge von vornherein aussichtslos waren (Art. 64 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Dezember 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Escher Gut Kägi