Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.622/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_622/2009
5A_623/2009

Urteil vom 21. Dezember 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Levante.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Beat Müller-Roulet,

gegen

5A_622/2009
Kanton Solothurn, 4500 Solothurn 1,
Beschwerdegegner,
vertreten durch das Steueramt des Kantons Solothurn, Bezug, Schanzmühle,
Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn,

und

5A_623/2009
Schweizerische Eidgenossenschaft,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch das Steueramt des Kantons Solothurn, Bezug, Schanzmühle,
Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Definitive Rechtsöffnung,

Beschwerden gegen die Urteile des Obergerichts des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 3. Kammer, vom 10. August 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 17. Oktober 2000 nahm die Y.________ AG eine Kapitalherabsetzung vor, wobei
sie 800 Aktien aus dem Eigenbestand vernichtete. Die Veranlagungsbehörde
A.________ erblickte darin eine Teilliquidation. Sie erfasste bei X.________,
der zuvor Aktien der Y.________ AG an diese verkaufte, den
Liquidationsüberschuss im Übergangsjahr 2000 als ausserordentlichen Ertrag in
der Höhe von Fr. 2'112'700.--. Die direkte Bundessteuer wurde auf Fr.
242'960.50 und die Kantons- und Gemeindesteuer auf Fr. 598'316.65 festgesetzt.
Nachdem die von X.________ erhobene Einsprache abgewiesen worden war, gelangte
dieser hinsichtlich beider Veranlagungsverfügungen an das Steuergericht des
Kantons Solothurn, welchem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden war. X.________
focht den kantonalen Rekursentscheid beim Bundesgericht an. Das Verfahren
drehte sich im Wesentlichem um die subjektive Seite der Steuerpflicht. Der
Beschwerdeführer bestritt, dass die Steuern bei ihm zu erheben seien, und
machte ohne Erfolg das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses geltend. Die Höhe
der Steuerforderung beanstandete er hingegen nicht. Mit Urteil 2C_387/2007 vom
4. März 2008 wies das Bundesgericht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheit ab.

B.
Mit Zahlungsbefehl Nr. 1 des Betreibungsamtes B.________ vom 29. September 2008
betrieb die Schweizerische Eidgenossenschaft X.________ für den Betrag von Fr.
242'960.50 nebst Zinsen. Mit Zahlungsbefehl Nr. 2 des gleichen Amtes betrieb
ihn auch der Kanton Solothurn für den Betrag von Fr. 598'316.65 nebst Zinsen.
Der Betriebene erhob jeweils Rechtsvorschlag. In beiden Betreibungen erteilte
die Gerichtspräsidentin II von Lenzburg am 17. März 2009 die definitive
Rechtsöffnung für den geforderten Kapitalbetrag. Daraufhin gelangten beide
Seiten an das Obergericht des Kantons Aargau. Dieses hiess die Beschwerden der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Kantons Solothurn am 10. August 2009
gut und erteilte ihnen die definitive Rechtsöffnung auch für die verlangten
Zinsen. Demgegenüber wies es die Beschwerden von X.________ mit gleichem Urteil
ab, soweit darauf einzutreten war.

C.
X.________ ist mit je einer Beschwerde in Zivilsachen bzw.
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und einer Verfassungsbeschwerde vom 18.
September 2009 an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt im
Wesentlichen die Aufhebung der beiden obergerichtlichen Urteile, die Abweisung
der Rechtsöffnungsgesuche in beiden Betreibungen sowie die Feststellung, dass
er der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kanton Solothurn keine
Steuern, Zinsen und Kosten aus der Kapitalherabsetzung der Y.________ AG
schulde. Eventualiter sei die Sache je zu neuer Bearbeitung und neuem Entscheid
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem stellt er in beiden Verfahren ein
Sistierungsgesuch.

Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen auch Entscheide aus dem
Zwangsvollstreckungsrecht und damit solche über die definitive Rechtsöffnung
(Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Hiebei handelt es sich um eine vermögensrechtliche
Angelegenheit. Die erforderliche Streitwertgrenze ist vorliegend bei weitem
erreicht (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen
grundsätzlich gegeben. Die Eingabe des Beschwerdeführers wird unbeachtet ihrer
Bezeichnung als solche entgegen genommen. Damit entfällt die ebenfalls erhobene
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).

1.2 Ein Rechtsöffnungsentscheid stellt immer einen Endentscheid dar (Art. 90
BGG). Es handelt sich hierbei nicht um eine einstweilige Anordnung, so dass das
Bundesgericht auf sämtliche Rügen nach Art. 95 BGG eingehen kann. Es prüft
frei, ob die behaupteten Rechtsverletzungen gegeben sind. Hingegen ist das
Bundesgericht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden (Art.
105 Abs. 1 BGG). Die tatbeständlichen Feststellungen des angefochtenen
Entscheides können vom Beschwerdeführer nur in Frage gestellt werden, wenn sie
gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (BGE 133 III 399
E. 1.2-1.5). Allgemeine Bestreitungen des Sachverhaltes, welche nicht an eine
Willkürrüge geknüpft sind, bleiben unbeachtet. Ebenso wenig nimmt das
Bundesgericht im vorliegenden Verfahren Beweise ab, womit auf die wiederholt
gestellten Anträge auf Parteieinvernahmen und Durchführung von Expertisen nicht
eingegangen wird.

1.3 Beide Beschwerden betreffen den gleichen Sachverhalt, werfen im
Wesentlichen die gleichen Fragen auf und enthalten die selben Anträge. Damit
rechtfertigt sich eine Verbindung der Beschwerden und die Beurteilung in einem
einzigen Entscheid (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP).

2.
2.1 Nach Art. 80 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 1 SchKG ist die definitive
Rechtsöffnung zu erteilen, wenn die Forderung auf einem vollstreckbaren
gerichtlichen Urteil beruht und der Betriebene nicht durch Urkunden beweist,
dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist, oder
wenn er ohne Erfolg die Verjährung anruft. Demgegenüber ist die definitive
Rechtsöffnung bezüglich eines in einem andern Kanton ergangenen Urteils gemäss
Art. 81 Abs. 2 SchKG zu verweigern, wenn der Betriebene nicht richtig
vorgeladen worden oder nicht gesetzlich vertreten war. Darüber hinaus ist die
definitive Rechtsöffnung ebenfalls zu verweigern, wenn sie sich auf eine
nichtige Verfügung oder einen nichtigen Entscheid als Rechtsöffnungstitel
stützt (BGE 129 I 361 E. 2.3 S. 364). Verfügungen und Entscheide kantonaler
Verwaltungsbehörden über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen sind
gerichtlichen Urteilen gleichgestellt, soweit das kantonale Recht dies vorsieht
(Art. 80 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG). Sie können zudem gemäss dem Konkordat über die
Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher
Ansprüche vom 28. Oktober 1971 (in: AS 1972, S. 153 ff.; nachfolgend:
Konkordat), welchem alle Kantone beigetreten sind, auf dem ganzen Gebiet der
Eidgenossenschaft vollstreckt werden.

2.2 Die Vorinstanz hat in beiden Fällen das Vorliegen eines
Rechtsöffnungstitels anerkannt. Die Veranlagungsverfügung für die
Kantonssteuern erfülle die Anforderungen von Art. 80 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG und
von Art. 3 und Art. 4 des Konkordates. Diejenige für die Bundessteuern
entspreche Art. 165 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (SR
642.11; DBG). Konkret liege eine Kopie der am 22. November 2001 eröffneten
Veranlagungsverfügung vor. Daraus ergebe sich ein steuerbarer
Liquidationsüberschuss von Fr. 2'211'700.--, woraus eine Übergangssteuer des
Bundes von Fr. 242'960.50 sowie eine solche für Kanton und Gemeinde von Fr.
598'316.65 resultiere. Die Abschrift sei der Einsprache nicht mehr zugänglich.
Zudem liege eine Bestätigung der Veranlagungsbehörde vor, wonach der
Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, eine Steuererklärung einzureichen und die
Veranlagung unter Hinweis auf die Rechtsmittelmöglichkeiten eröffnet worden
sei. Dass dagegen kein Rechtsmittel erhoben worden sei, hielt die Vorinstanz
für missverständlich. Immerhin habe sich die Veranlagungsbehörde mit der
Einsprache des Beschwerdeführers befasst und sie abgewiesen. Anschliessend habe
das Steuergericht sowie das Bundesgericht die jeweiligen Rechtsmittel
abgewiesen. Die Veranlagung sei damit in Rechtskraft erwachsen. Die nötigen
Unterlagen für die Erteilung einer definitiven Rechtsöffnung lägen daher vor.

3.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, den Sachverhalt unvollständig
und fehlerhaft abgeklärt zu haben. Ob er überhaupt im konkreten Fall
Steuersubjekt sei, hätte durch ein ordentliches Beweisverfahren geklärt werden
müssen. Dies sei bisher nicht der Fall gewesen, womit sein rechtliches Gehör
verletzt worden sei. Zudem hätte das vor dem Steuergericht anhängig gemachte
Revisionsverfahren abgewartet werden müssen. Bisher liege kein
Rechtsöffnungstitel für die geforderten Steuern vor.

3.1 Der Rechtsöffnungsrichter und die ihm folgende Rechtsmittelinstanz haben
einzig zu prüfen, ob für die in Betreibung gesetzte Forderung ein
Vollstreckungstitel vorliegt und gestützt darauf der Rechtsvorschlag des
Betriebenen beseitigt werden kann. Hingegen steht es ihnen - abgesehen vom
Falle einer nichtigen Verfügung (E. 2.1) - nicht zu, die Rechtsgrundlage der in
Betreibung gesetzten Forderung zu überprüfen (vgl. BGE 113 III 6 E. 1b S. 9;
GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4. Aufl. 2005, S. 146
Rz 746). Ob ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegeben ist, befindet die
verfügende Behörde durch Erlass ihres Entscheides sowie auf Einsprache hin,
alsdann die jeweilige kantonale Rechtsmittelinstanz und schliesslich das
Bundesgericht.

3.2 Der Beschwerdeführer schöpfte diese Möglichkeiten aus, indem er
insbesondere den Entscheid des Solothurner Steuergerichts an das Bundesgericht
weiterzog. Mit der Abweisung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten am 4. März 2008 ist über die Veranlagung der vom
Beschwerdeführer aus der Teilliquidation der Y.________ AG geschuldeten Steuern
gegenüber Bund und Kanton endgültig entschieden worden. Zwar stand im genannten
Verfahren die subjektive Seite der Steuerpflicht im Vordergrund und der
Beschwerdeführer hatte die Höhe der Steuerforderung nicht beanstandet (E. 3.2).
Daraus kann er nun aber nicht ableiten, es liege kein Rechtsöffnungstitel für
die veranlagten Steuern von Bund und Kanton vor. Wie ihm bereits die Vorinstanz
erläuterte, besteht zudem kein Hinweis darauf, dass die Veranlagungsbehörde
bisher lediglich einen Teilentscheid zur subjektiven Steuerpflicht gefällt und
damit die Festsetzung des Steuerbetrags zurückgestellt hätte. Soweit er im
vorliegenden Verfahren auf einer erneuten Klärung seiner Eigenschaft als
Steuersubjekt für die in Betreibung gesetzten Beträge besteht und eventualiter
behauptet, die Steuern seien falsch berechnet worden und für die Zinsen und
Mahngebühren bestünde daher keine Rechtsgrundlage, blendet er die Rechtskraft
der beiden Steuerveranlagungen aus und verkennt zudem die Prüfungsbefugnis des
Rechtsöffnungsrichters. Auf die Anträge zu den steuerrechtlichen Folgen des
Aktienverkaufs kann aus den gleichen Gründen nicht eingegangen werden. Ebenso
wenig drängt sich eine Sistierung des vorliegenden Verfahrens auf, da der
Beschwerdeführer vor dem kantonalen Steuergericht offenbar ein
Revisionsverfahren zur subjektiven Steuerpflicht und zur Berechnung der Steuern
anhängig gemacht hat.

3.3 Der Vorinstanz kann damit weder eine offensichtlich unzutreffende
Feststellung des Sachverhaltes sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des
Beschwerdeführers noch eine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden. Dass
die Normen des interkantonalen Rechts (Konkordat) falsch angewendet worden
wären, wird nicht behauptet.

4.
Nach dem Gesagten ist den beiden Beschwerden kein Erfolg beschieden.
Ausgangsgemäss werden die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerdeverfahren 5A_622/2009 und 5A_623/2009 werden vereinigt.

2.
Die Sistierungsgesuche werden abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 11'000.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Dezember 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Levante