Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.605/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_605/2009

Urteil vom 14. Januar 2010
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Glaus,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Hannelore Fuchs.

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden, 1.
Abteilung, vom 23. März 2009.

Sachverhalt:

A.
X.________ (1953) und Y.________ (1954) heirateten am 24. Juni 1983. Sie haben
die gemeinsamen Kinder A.________ (1983) und B.________ (1987). Seit Sommer
2005 leben sie getrennt.

B.
Gestützt auf das gemeinsame Scheidungsbegehren vom 4. September 2006 schied das
Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Urteil vom 14. April 2008 die Ehe
der Parteien. Es genehmigte die konventionsweise vorgenommene güterrechtliche
Auseinandersetzung und Teilung der beruflichen Vorsorge. Mit Bezug auf den
strittigen nachehelichen Unterhalt verpflichtete es den Ehemann zu monatlichen
Zahlungen von Fr. 800.-- ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis Juli 2018.
Im Appellationsverfahren verlangte die Ehefrau einen monatlichen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'225.--, während der Ehemann das Begehren stellte,
es sei von der Festsetzung nachehelichen Unterhaltes abzusehen. Mit Urteil vom
23. März 2009 bestätigte das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden den
nachehelichen Unterhalt von Fr. 800.-- bis Juli 2018.

C.
Gegen dieses Urteil hat X.________ am 14. September 2009 eine Beschwerde in
Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung des
Begehrens um nachehelichen Unterhalt. Es wurden keine Vernehmlassungen
eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten sind die Fr. 30'000.-- übersteigenden vermögensrechtlichen Folgen
eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; auf die Beschwerde ist
somit einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und
Art. 90 BGG).
Gerügte Rechtsverletzungen prüft das Bundesgericht an sich frei (Art. 95 i.V.m.
Art. 106 Abs. 1 BGG). Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass dem Sachgericht
bei der Unterhaltsfestsetzung ein weites Ermessen zukommt (Art. 4 ZGB; BGE 127
III 136 E. 3a S. 141; 134 III 577 E. 4 S. 580; 135 III 59 E. 4.4 S. 64) und das
Bundesgericht bei der Überprüfung solcher Ermessensentscheide grosse
Zurückhaltung übt (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382; 131 III 12 E. 4.2 S. 15; 132
III 97 E. 1 S. 99).
An die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen ist das Bundesgericht gebunden
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, der
Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1
BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist
(Botschaft, BBl 2001 IV 4338; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Hierfür gilt das
strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht
nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft (BGE
134 II 244 E. 2.2 S. 246).
Was die Annahme eines hypothetischen Einkommens anbelangt, ist die effektive
Erzielbarkeit (angesichts des Alters, der Gesundheit, der Ausbildung und
persönlichen Fähigkeiten, der Arbeitsmarktlage, etc.) Tatfrage, hingegen
Rechtsfrage, ob die Erzielung angesichts der Tatsachenfeststellungen als
zumutbar erscheint (vgl. BGE 126 III 10 E. 2b S. 13 oben; 128 III 4 E. 4c/bb
und cc S. 7).

2.
Das Obergericht ist von einem gebührenden Unterhalt der Ehefrau von Fr.
5'145.-- ausgegangen, hat ihr das eigene Einkommen von Fr. 4'345.-- angerechnet
und den Ehemann, der ein Einkommen von rund Fr. 8'000.-- erzielt, als für die
Differenz von Fr. 800.-- leistungsfähig erklärt.
Umstritten ist einzig die Eigenversorgungskapazität der Ehefrau. Der Ehemann
macht geltend, sie könnte einem Vollzeiterwerb nachgehen und damit den
gebührenden Unterhalt vollumfänglich aus eigener Kraft decken.

2.1 Mit Bezug auf die Eigenversorgungskapazität hat das Obergericht im
Einzelnen erwogen, die Ehefrau versehe ein 80%-Pensum bei der C.________ AG und
erziele dabei monatlich Fr. 4'148.90. Dazu komme eine auf den Monat
umgerechnete Vergütung von Fr. 195.75 für ihre politische Tätigkeit als
Kantonsrätin. Eine Ausdehnung des Teilzeiterwerbes auf ein Vollpensum sei nicht
zumutbar. Die Ehefrau habe sich während der Ehe hauptsächlich der
Kinderbetreuung und der Haushaltführung gewidmet. Beim beruflichen
Wiedereinstieg habe sie anfänglich im Service gearbeitet. Seit dem Jahr 2000
arbeite sie wieder im kaufmännischen Bereich, zunächst mit einem Pensum von 50
% und heute mit einem solchen von 80 %. Zusammen mit dem Kantonsratsmandat
ergebe sich ungefähr ein 90%-Pensum. Die Ehefrau habe sich damit erfolgreich
wieder ins Erwerbsleben integriert. Wie bereits das Kantonsgericht festgehalten
habe, seien Kleinpensen von 20 % schwer zu finden, nicht zuletzt wegen der
politischen Tätigkeit und den daraus erwachsenden Verpflichtungen. Dass die
Ehefrau im Jahr XXXX für das Amt einer Regierungsrätin kandidiert habe, ändere
nichts an dieser Einschätzung. Eine solche Gelegenheit sei einmalig und stehe
in engem Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit, weshalb daraus keine
generelle Bereitschaft zur Ausübung eines Vollamtes abgeleitet werden könne.
Angesichts ihrer Erwerbsbiographie und der heutigen Arbeitsmarktsituation
schöpfe die Ehefrau die ihr zumutbare Erwerbstätigkeit voll aus.

2.2 Der Ehemann macht geltend, mit ihrer Kandidatur im Jahr XXXX für einen Sitz
im Regierungsrat habe die Ehefrau gezeigt, dass sie weit über 100 % hinaus
leistungswillig sei, weshalb ihr zugemutet werden könne, ihr Arbeitspensum auf
100 % auszudehnen und damit für sich selbst aufzukommen. Daran ändere nichts,
dass es sich beim Regierungsamt um eine einmalige und eng mit der politischen
Tätigkeit verknüpfte Chance gehandelt habe. Er habe nie verlangt, dass seine
Frau Regierungsrätin werde; er habe einzig geltend gemacht, dass aus der
Kandidatur die Bereitschaft zu einer anspruchsvollen und arbeitsintensiven
Tätigkeit ersichtlich sei. Keinen Einfluss auf die vollumfängliche
Arbeitsfähigkeit habe schliesslich die parlamentarische Tätigkeit, werde doch
diese regelmässig neben einem Vollzeiterwerb ausgeübt. Das Argument, es sei
schwierig, ein zusätzliches Kleinpensum oder aber eine Vollzeitstelle zu
finden, treffe nur für den Urteilszeitpunkt zu; die Ehefrau hätte sich aber
bereits bei der Trennung darum bemühen müssen, als sie erst 51 Jahre alt
gewesen sei.

2.3 Der (anwaltlich vertretene) Ehemann beschränkt sich in seiner Beschwerde
auf rein appellatorische Ausführungen. Was zunächst die Tatfrage der effektiven
Erzielbarkeit eines höheren Erwerbseinkommens anbelangt, macht er nicht einmal
die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechtes geltend, weshalb die
Beschwerde an sich bereits daran scheitert. Aber selbst wenn von sinngemässen
Willkürrügen ausgegangen würde, zeigt der Ehemann jedenfalls nicht mit der
hierfür erforderlichen Substanziierung auf (dazu E. 1), inwiefern das
Obergericht unsachliche Annahmen getroffen oder relevante Sachumstände ausser
Acht gelassen hätte und damit in Willkür verfallen wäre:
Zunächst ist hinsichtlich der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit keine Willkür
darzutun mit dem Verweis auf die im Jahr XXXX erfolgte Kandidatur als
Regierungsrätin. Das Obergericht hat zu Recht festgehalten, dass es sich dabei
um eine nicht wiederkehrende Gelegenheit gehandelt habe, hat doch ein
Regierungsratsamt nicht den geringsten Zusammenhang mit dem allgemeinen
Arbeitsmarkt, auf dem die Ehefrau bestehen und eine Vollzeitstelle finden
können müsste.
Was nun diese Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anbelangt, lässt sich
keine Willkür dartun mit der Behauptung, die - im Zeitpunkt des angefochtenen
Urteils über 55-jährige - Ehefrau hätte sich seit langem um einen
Vollzeiterwerb bemühen müssen. Es ist ihr rein faktisch unmöglich,
gewissermassen rückwirkend eine Vollzeitstelle zu finden, weshalb es nicht
unsachlich und damit auch nicht willkürlich ist, von der aktuell gegebenen
Situation auszugehen. Dass die Ehefrau aber heute kaum eine Vollzeitstelle
finden dürfte, mit der sie ihren gebührenden Unterhalt vollständig aus eigener
Kraft finanzieren kann, anerkennt der Ehemann selbst. Abgesehen davon hatte die
Ehefrau die als Richtlinie für die Wiederaufnahme bzw. Ausdehnung einer
Erwerbstätigkeit dienende Alterslimite (dazu BGE 115 II 6 E. 5 S. 11; Urteile
5C.234/2005, E. 2; 5C.320/2006, E. 5.6.2.2) ohnehin bereits im
Trennungszeitpunkt überschritten, weshalb auch vor diesem Hintergrund keine
Willkür ersichtlich wäre.
Dass sodann Kleinpensen typischerweise eine grosse zeitliche Flexibilität
voraussetzen und jedenfalls nur selten der Arbeitnehmer genau bestimmen kann,
an welchem Tag oder zu welchen Stunden er die betreffende Arbeit verrichten
möchte, ist gerichtsnotorisch und wird vom Ehemann in der Beschwerde auch nicht
eigentlich bestritten. Insofern kann nicht im Ansatz Willkür gegeben sein, wenn
das Obergericht befunden hat, es wäre für die Ehefrau sehr schwierig, ein
zusätzliches Kleinpensum zu finden, das sich mit ihren aktuell bereits
bestehenden Aktivitäten zeitlich verbinden liesse.

2.4 Ist damit aber vom willkürfrei festgestellten Sachverhalt auszugehen, dass
der Ehefrau die Ausdehnung der Erwerbstätigkeit - sei es eine Vollzeitstelle,
sei es ein zusätzliches Kleinpensum - rein tatsächlich kaum möglich sein wird,
stellt sich die Rechtsfrage der Zumutbarkeit gar nicht. Nur der Vollständigkeit
halber sei deshalb erwähnt, dass jedenfalls nicht augenfällig wäre, inwiefern
das Obergericht mit seiner Kernerwägung, angesichts der langjährigen
klassischen Rollenverteilung habe die Ehefrau mit der weitestgehend - nämlich
zu rund 90 % - erfolgten beruflichen Wiedereingliederung das ihr Zumutbare
unternommen, von dem in Unterhaltsfragen bestehenden weiten Ermessen (dazu E.
1) falschen Gebrauch gemacht haben soll. Angesichts der Besonderheit des
politischen Amtes einer Regierungsrätin und der Einmaligkeit dieser Chance wäre
jedenfalls mit dem blossen Verweis auf die betreffende Kandidatur noch kein
Ermessensfehler darzutun.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht von Appenzell Ausserrhoden,
1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli