Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.603/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_603/2009

Urteil vom 26. Oktober 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Schett.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Dörig,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Ottilie Mattmann-Arnold.

Gegenstand
Beweisentscheid/Persönlichkeitsschutz,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer
als Beschwerdeinstanz, vom 1. Juli 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ klagte vor dem Amtsgericht Willisau gegen Y.________ wegen
Persönlichkeitsverletzung. Mit der Klageantwort vom 2. Dezember 2004 reichte
Y.________ zwei Belege mit dem Hinweis ein, dass diese Unterlagen X.________
nicht integral zur Einsicht zu geben seien, da sie Aufzeichnungen über alle
Lehrpersonen der Schule S.________ enthalten würden. In der Folge verlangte
X.________ vollständige Akteneinsicht. Der gegen den das Gesuch abweisenden
Bescheid des Amtsgerichts vor dem Obergericht des Kantons Luzern geführten
Nichtigkeitsbeschwerde war kein Erfolg beschieden, ebenso wenig wie der
Beschwerde in Zivilsachen, auf welche das Bundesgericht nicht eintrat (Urteil
5A_211/2007 vom 16. August 2007).
A.b Mit Entscheid vom 20. April 2009 entfernte die Amtsgerichtspräsidentin die
beiden fraglichen Belege aus den Akten und retournierte sie an die Beklagte.

B.
Das von X.________ am 13. Mai 2009 angerufene Obergericht trat nicht auf die
dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde ein, weil prozessleitende Verfügungen
nach kantonalem Prozessrecht (§ 265 Abs. 2 ZPO/LU) nur dann selbständig
angefochten werden können, wenn ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht,
was nicht der Fall sei (Entscheid vom 1. Juli 2009).

C.
Mit Eingabe vom 14. September 2009 führt X.________ (nachfolgend
Beschwerdeführerin) Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiäre
Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, den Entscheid des Obergerichts des
Kantons Luzern aufzuheben und die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen,
eventuell die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 30. September 2009 hat die Präsidentin der urteilenden
Abteilung der Beschwerde die beantragte aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Zur Hauptsache wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG),
mit welchem auf eine gegen eine Beweisverfügung gerichtete Beschwerde nicht
eingetreten wurde. Der angefochtene Nichteintretensentscheid schliesst das
erstinstanzliche Verfahren nicht ab (s. Art. 90 BGG), sondern stellt einen
Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG dar (Urteile 5D_72/2009 E. 1.1 und 5A_211/
2007 vom 16. August 2007 E. 3).

2.
Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteil 5A_108
/2007 E. 1.2). Diese beschlägt ein Verfahren wegen Verletzung der
Persönlichkeit, mithin eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG. In
diesem Verfahren geht es im Wesentlichen um die Feststellung, dass bestimmte
Äusserungen die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin verletzten. In einem
weiteren Begehren wird auch die Zusprechung einer Genugtuung verlangt. Da die
Frage der Persönlichkeitsverletzung im Zentrum des Verfahrens steht, liegt
keine vermögensrechtliche Angelegenheit vor (vgl. BGE 102 II 161 E. 1 S. 165),
weshalb die Beschwerde in der Hauptsache unabhängig vom Streitwerterfordernis
nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG zulässig ist. Unter Vorbehalt der nachgenannten
besonderen Voraussetzungen (s. E. 3 hiernach) ist die Beschwerde in Zivilsachen
auch gegen den angefochtenen Entscheid gegeben.

3.
3.1 Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit
noch den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde nur zulässig,
wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit.
b BGG). Die selbständige Anfechtbarkeit von Vor- und Zwischenentscheiden bildet
aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das
Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 134 III 188
E. 2.2 S. 191; 133 III 629 E. 2.1 S. 631). Die Ausnahme ist restriktiv zu
handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen
Vor- bzw. Zwischenentscheid erst mit dem Endentscheid anfechten können, soweit
er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Der Begriff des nicht
wieder gutzumachenden Nachteils entspricht demjenigen, der Art. 87 Abs. 2 OG
zugrunde lag, so dass das Bundesgericht zu seiner Auslegung die Rechtsprechung
zu jener Bestimmung heranzieht (BGE 135 III 127 E. 1.3 S. 129; 133 III 629 E.
2.3 S. 632 mit Hinweis). Danach muss es sich um einen Nachteil rechtlicher
Natur handeln, der sich auch mit einem für die Beschwerde führende Partei
günstigen späteren Endentscheid nicht oder nicht vollständig beseitigen lässt.

Nach der Rechtsprechung, welche zu Art. 87 Abs. 2 OG ergangen und für Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG massgebend ist, haben Beweisverfügungen als
Zwischenentscheide grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen
Nachteil zur Folge (vgl. BGE 99 Ia 437 E. 1 S. 438; s. auch das der
Beschwerdeführerin bekannte Urteil 5A_211/2007 vom 16. August 2007 E. 3.1).
Ausnahmen können bestehen, z.B. wenn ein Beweismittel, dessen Existenz
gefährdet ist, verweigert wird, oder wenn bei Abnahme eines Beweismittels
Geheimhaltungsinteressen auf dem Spiel stehen (vgl. WALTER KÄLIN, Das Verfahren
der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. Bern 1994, S. 343 Fn 135).

3.2 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, mit der Retournierung von zwei
von der Beschwerdegegnerin im Hauptverfahren eingereichten Belegen drohe ihr
ein nicht wiedergutzumachenden Nachteil, weil die Gerichtspräsidentin diese
gelesen und deren Inhalt zur Kenntnis genommen habe, was unweigerlich zu einer
Beeinflussung des Entscheids führen werde, ohne dass sie selber Gelegenheit
gehabt habe, sich zu den Belegen zu äussern. Sofern sich die fraglichen Belege
nicht mehr bei den Akten befänden, werde es ihr zudem verunmöglicht, den
Nachweis der unrechtmässigen Beeinflussung zu erbringen, zumal die
Beschwerdegegnerin diese vernichten könnte, sodass auch ein Editionsantrag ins
Leere laufen würde.

3.3 Das Anliegen der Beschwerdeführerin, das von ihr angerufene Amtsgericht
Willisau dürfe bei seinem Urteil in keiner Art und Weise auf Belege abstellen,
die sich nicht in den Akten befänden, kann nicht ganz von der Hand gewiesen
werden. Indessen beruhen ihre weitergehenden Befürchtungen nicht auf
überprüfbaren Tatsachen, sondern auf reinen Spekulationen, die von vornherein
nicht geeignet sind, einen drohenden, nicht wiedergutzumachenden Nachteil
darzutun. Im Grunde genommen behauptet die Beschwerdeführerin - gewissermassen
präventiv - Voreingenommenheit der Gerichtspräsidentin; dieser Vorwurf wäre im
Rahmen eines Ausstandsbegehrens geltend zu machen. Indes vermag die
theoretische Möglichkeit, dass ein Richter in Zukunft etwas falsch machen
könnte, keine Ausstandspflicht zu begründen, wie bereits das Obergericht
festgestellt hat (E. 4.2). Sodann behauptet die Beschwerdeführerin nicht, mit
der Retournierung der fraglichen Belege werde ihr die Möglichkeit genommen, die
für ihre Klage erforderlichen Anspruchsgrundlagen zu beweisen. Das Urteil über
ihre Klage unterliegt in allen Punkten einem ordentlichen Rechtsmittel; bei
ungünstigem Ausgang kann sie eine umfassende Überprüfung desselben verlangen.
Namentlich steht ihr gegebenenfalls die Rüge offen, das urteilende Gericht habe
auf Umstände abgestellt, die sich nicht aus den Akten ergeben. Mithin ist das
Erfordernis, dass sich der von der Beschwerdeführerin befürchtete Nachteil auch
mit einem für sie günstigen späteren Endentscheid nicht oder nicht vollständig
beseitigen lässt, nicht erfüllt.

4.
Nach dem Dargelegten ist die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht
gegeben. Im Weiteren legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern die
zweite (alternative) Voraussetzung gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt
sei, welche die Beschwerde gegen Zwischenentscheide erlauben würde.

5.
Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unzulässig und kann darauf
nicht eingetreten werden. Bei diesem Ausgang trägt die Beschwerdeführerin die
Verfahrenskosten (Art. 65 Abs. 3 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da die Beschwerdegegnerin sich dem
Gesuch um aufschiebende Wirkung unterzogen hat und in der Hauptsache keine
Vernehmlassung eingeholt worden ist (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Beschwerdeinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Oktober 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Schett