Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.5/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_5/2009

Urteil vom 9. Juli 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roberto Dallafior und Rechtsanwältin Simone
Stebler,
Beschwerdeführer,

gegen

Bank Y.________, vertreten durch Dr. Titus Pachmann,
Beschwerdegegnerin,
Betreibungsamt A.________,

Gegenstand
Zustellung eines Zahlungsbefehls,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, 2.
Rekurskammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und
Konkurs, vom 4. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
In der von der Bank Y.________ (Y.________) gegen X.________ über Fr.
775'834.30 nebst Zins zu 8,19% seit 12. März 2004 eingeleiteten Betreibung Nr.
1 versuchte das Betreibungsamt A.________ am 7., 14. und 23. Januar 2008
erfolglos, den am 21. Dezember 2007 ausgefertigten Zahlungsbefehl in B.________
zuzustellen.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2008 informierte X.________ das Betreibungsamt,
dass er aus beruflichen Gründen am 17. November 2007 nach C.________
(Deutschland) gezogen sei und nunmehr seinen ständigen Wohnsitz dort an der
Strasse D.________ habe.

Darauf veranlasste das Betreibungsamt die rechtshilfeweise Zustellung des
Zahlungsbefehls, der am 28. Februar bzw. 3. März 2008 in C.________ zugestellt
wurde.

B.
Am 6. März 2008 erhob X.________ Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG mit dem
Begehren um Feststellung der Nichtigkeit des Zahlungsbefehls, eventualiter um
dessen Aufhebung.

Der Bezirksgerichtspräsident A.________ als untere Aufsichtsbehörde wies die
Beschwerde am 21. Juli 2008 ebenso ab wie das Kantonsgericht Schwyz als obere
kantonale Aufsichtsbehörde am 4. Dezember 2008.

C.
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichts hat X.________ am 5. Januar 2009 eine
Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und
Feststellung der Nichtigkeit des Zahlungsbefehls, eventualiter um dessen
Aufhebung, subeventualiter um Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht. Am
19. Mai 2009 liessen sich das Betreibungsamt und das Kantonsgericht vernehmen;
Letzteres verlangte die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Mit Vernehmlassung vom 11. Juni 2009 verlangte Y.________ die Abweisung
der Beschwerde und die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Erwägungen:

1.
Der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen unabhängig vom Streitwert (Art. 74
Abs. 2 lit. c BGG) auch Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Auf die
fristgerecht eingereichte Beschwerde des vor der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde unterlegenen Beschwerdeführers kann grundsätzlich eingetreten
werden.

Der Beschwerdeführer rügt in verschiedener Hinsicht willkürliche
Sachverhaltsfeststellungen und Rechtsverletzungen. Während für die
Sachverhaltsfeststellung das Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106
Abs. 2 BGG), wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG).

2.
Das Kantonsgericht hat erwogen, der Beschwerdeführer habe seine für das Datum
vom 17. November 2007 behauptete Wohnsitzverlegung nach C.________ mit der
Vorlage des dortigen Arbeitsvertrages und der per 13. November 2007 erfolgten
Beförderung nicht genügend nachgewiesen, denn es würden Belege darüber fehlen,
dass er seine Tätigkeit als Geschäftsführer auch tatsächlich in diesem
Zeitpunkt aufgenommen habe, sei doch der Eintrag im Handelsregister als neuer
Geschäftsführer erst am 28. Januar 2008 erfolgt; ohnehin begründe aber ein
Stellenwechsel nicht zwingend einen Wohnsitzwechsel. Im Übrigen sei die Wohnung
in B.________ nicht eigentlich gekündigt, sondern per Januar 2008 auf die
Mitmieterin der Wohnung in C.________ überschrieben worden. Sodann sei die
Hinterlegung der Schriften (Anmeldung in C.________ am 22. Januar 2008;
Abmeldung in F.________ am 4. Februar 2008) nur ein Indiz für eine allfällige
Wohnsitzverlegung; ausschlaggebend sei aber ohnehin, dass der Beschwerdeführer
im Zeitpunkt der Ausstellung des Zahlungsbefehls am 21. Dezember 2007 noch in
der Gemeinde F.________ angemeldet gewesen sei.

3.
Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, der massgebliche Zeitpunkt für die
Wohnsitzbestimmung sei der 17. November 2007, für welchen der Beschwerdeführer
die Wohnsitzverlegung behaupte, bzw. der 21. Dezember 2007, an welchem das
Betreibungsamt den Zahlungsbefehl ausgestellt habe; in diesem Zeitpunkt sei der
Beschwerdeführer aber noch in der Gemeinde F.________ angemeldet gewesen.
In rechtlicher Hinsicht ist diesbezüglich zu bemerken, dass die Ausstellung
(d.h. die Ausfertigung) des Zahlungsbefehls durch das Betreibungsamt im Sinn
von Art. 69 Abs. 1 SchKG noch keine Betreibungshandlung ist, weil sie den
Betreibenden seinem Ziel nicht näher bringt und nicht in die Rechtsstellung des
Betriebenen eingreift; erst die Zustellung des Zahlungsbefehls ist eine
anfechtbare Betreibungshandlung (BGE 120 III 9; 121 III 284 E. 2a) und das
SchKG hält in Art. 38 Abs. 2 explizit fest, dass erst mit diesem Akt die
Schuldbetreibung überhaupt beginnt. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts
ist somit weder der 17. November 2007 noch der 21. Dezember 2007 relevant
(Ausfertigung des Zahlungsbefehls), sondern der 28. Februar bzw. 3. März 2008
(Zeitpunkt der Zustellung), als der Beschwerdeführer längst in F.________ ab-
und in C.________ angemeldet war.

Wo die Schriften hinterlegt sind, ist zwar für sich genommen nicht massgebend,
wohl aber ein wichtiges Indiz zur Wohnsitzbestimmung (BGE 119 III 54 E. 2c S.
56; Urteil 7B.174/2005, E. 4.2). Im Übrigen erwähnt das Kantonsgericht auch
noch weitere zwischenzeitlich eingetretene Anhaltspunkte, namentlich den
Handelsregistereintrag als Geschäftsführer in C.________. Die Wohnsitzfrage ist
deshalb in tatsächlicher Hinsicht neu zu überprüfen, wofür der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen ist.

4.
Mit Blick auf den neu zu treffenden Entscheid sei das Kantonsgericht
schliesslich auf die massgebende Rechtslage im Zusammenhang mit der Zustellung
von Zahlungsbefehlen hingewiesen:

Hat der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls seinen
Wohnsitz in Deutschland, so ist die Einleitung der Betreibung in der Schweiz
wegen fehlenden Betreibungsortes selbstredend nicht möglich (SCHMID, Basler
Kommentar, N. 6 zu Art. 46 SchKG). Nur bei Vorliegen eines (hier offensichtlich
nicht gegebenen) objektiven Anknüpfungspunktes - etwa bei der gelegenen Sache
(Art. 51 Abs. 2 SchKG), aufgrund eines Spezialdomizils (Art. 50 Abs. 2 SchKG)
oder infolge Prosequierung eines Ausländerarrestes (Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4
SchKG) - wäre ein Betreibungsort gegeben und kann es bei einem Schuldner mit
Wohnsitz im Ausland zu einer Betreibung in der Schweiz kommen.
Hat der Beschwerdeführer demgegenüber in der Schweiz Wohnsitz, gelten für die
Zustellung des Zahlungsbefehls die Art. 71 f. SchKG sowie die allgemeinen
Vorschriften von Art. 64 ff. SchKG über die Zustellung von Betreibungsurkunden.
Gemäss Art. 64 SchKG werden Betreibungsurkunden dem Schuldner in seiner Wohnung
oder am Ort seiner Berufsausübung zugestellt, bei Abwesenheit auch durch
Aushändigung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an
einen Angestellten; subsidiär erfolgt die Zustellung durch die Polizei. Ist die
Zustellung auf diesem Weg nicht möglich, namentlich wegen - vorliegend nicht
gegebenen - unbekannten Aufenthaltes des Schuldners, wird sie durch öffentliche
Bekanntmachung ersetzt (Art. 66 Abs. 4 SchKG). Eine rechtshilfeweise Zustellung
von Betreibungsurkunden im Ausland gemäss Art. 66 Abs. 3 SchKG - so wie sie
vorliegend erfolgte - ist nur möglich, wenn der Schuldner tatsächlich am
betreffenden Ort wohnt (vgl. ANGST, Basler Kommentar, N. 13 zu Art. 66;
JEANNERET/LEMBO, Commentaire romand, N. 12 zu Art. 66; AMONN/WALTHER, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl., § 12 N. 20). Diesfalls wäre
aber die Einleitung der Betreibung in der Schweiz nach dem Gesagten unzulässig.
Art. 66 Abs. 3 SchKG schafft keinen Betreibungsort in der Schweiz (SCHMID,
Basler Kommentar, N. 9 zu Art. 46 SchKG), sondern regelt die Zustellung von
Betreibungsurkunden, wenn in der Schweiz aus einem der in Art. 46 ff. SchKG
geregelten Gründen ein Betreibungsort in der Schweiz gegeben ist, aber der
Schuldner im Ausland wohnt, oder wenn er nach Ankündigung der Pfändung oder
Zustellung der Konkursandrohung seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat (vgl.
Art. 53 SchKG) und weitere Betreibungsurkunden zuzustellen sind.

5.
Der Beschwerdeführer ist im Grundsatz durchgedrungen, so dass die auf
Beschwerdeabweisung schliessende Y.________ kosten- und entschädigungspflichtig
wird (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung des Subeventualbegehrens wird der Beschluss des Kantonsgerichts
Schwyz vom 4. Dezember 2008 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung im
Sinn der Erwägungen an das Kantonsgericht zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Bank Y.________ auferlegt.

3.
Die Bank Y.________ hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 2.
Rekurskammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und
Konkurs, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Juli 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli