Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.591/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_591/2009

Urteil vom 22. Oktober 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
Gerichtsschreiber von Roten.

Parteien
B.________, (Ehefrau),
vertreten durch Fürsprecherin Ursula Padrutt,
Beschwerdeführerin,

gegen

K.________, (Ehemann),
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Ehescheidung (Vorsorgeausgleich/Güterrecht),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 23. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
B.________ (Ehefrau) (hiernach: Beschwerdeführerin), Jahrgang 1948, und
K.________ (Ehemann) (fortan: Beschwerdegegner), Jahrgang 1947, heirateten am
23. Oktober 1970. Sie wurden Eltern zweier Kinder, geboren in den Jahren 1974
und 1980. Die Beschwerdeführerin betreute und erzog die Kinder, führte den
Haushalt und war ab 1990 zusätzlich in Teilzeit erwerbstätig. Sie arbeitet
heute bei der Post (Anstellung im Umfang von rund 70 %). Der Beschwerdegegner
ist seit Oktober 1997 vollinvalid und bezieht ganze Renten seiner Pensionskasse
und der Eidgenössischen Invalidenversicherung. Die Parteien lebten ab 1.
November 2001 getrennt. Ihr Getrenntleben musste gerichtlich geregelt werden.
Am 12. August 2004 klagte der Beschwerdegegner auf Scheidung, der die
Beschwerdeführerin zustimmte. Uneinig blieben sich die Parteien über die
vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen.

B.
Der Gerichtspräsident von G.________ schied die Ehe. Er verpflichtete den
Beschwerdegegner zur Bezahlung folgender Geldbeträge an die Beschwerdeführerin:
Fr. 875.-- (ab Rechtskraft bis 31. Juli 2012) und Fr. 1'035.-- (ab 1. August
2012) als monatliche, teuerungsangepasste Unterhaltsbeiträge;
Fr. 153'684.85 per Saldo aller güterrechtlichen Ansprüche;
Fr. 112'500.-- als Entschädigung gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB auf das
Vorsorgekonto der Beschwerdeführerin bei der Pensionskasse Post.
Begehren, mit denen die Parteien mehr oder anderes verlangten, wies der
Gerichtspräsident ab, soweit er darauf eintrat (Urteil vom 24. Oktober 2007).

C.
Gegen das Urteil legte der Beschwerdegegner Appellation ein. Er beantragte, es
sei gerichtlich festzustellen, dass die Parteien einander keinen nachehelichen
Unterhalt schuldeten, er sei zu verpflichten, der Beschwerdeführerin aus
Güterrecht Fr. 150'280.70 zu bezahlen, und es sei gerichtlich festzustellen,
dass auf eine Teilung der von der Beschwerdeführerin während der Ehe
angesparten Austrittsleistung in Anwendung von Art. 123 Abs. 2 ZGB verzichtet
werde, eventuell sei er zu verpflichten, Fr. 50'000.-- als Entschädigung gemäss
Art. 124 Abs. 1 ZGB auf das Vorsorgekonto der Beschwerdeführerin bei der
Pensionskasse Post zu bezahlen. Die Beschwerdeführerin schloss auf Abweisung
der Appellation und verlangte in ihrer Antwort eine Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils von Amtes wegen, was den Beginn der Verpflichtung zur
Leistung von Unterhalt angeht. Sie legte Anschlussappellation ein mit dem
Antrag, den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr aus Güterrecht Fr. 265'674.60
zu bezahlen.

D.
In teilweiser Gutheissung der Appellation und von Amtes wegen legte das
Obergericht des Kantons Aargau die vom Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin
geschuldeten Leistungen neu fest wie folgt:
Fr. 485.-- (ab Rechtskraft bis 31. März 2012) und Fr. 685.-- (ab 1. April 2012)
als monatliche, teuerungsangepasste Unterhaltsbeiträge;
Fr. 151'366.30 per Saldo aller güterrechtlichen Ansprüche;
Fr. 50'000.-- als Entschädigung gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB auf das
Vorsorge-konto der Beschwerdeführerin bei der Pensionskasse Post.
Die Anschlussappellation der Beschwerdeführerin wies das Obergericht ab (Urteil
vom 23. Juni 2009).

E.
Dem Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin, den Beschwerdegegner zu
verpflichten, ihr güterrechtlich per Saldo aller Ansprüche Fr. 210'866.30 sowie
den Betrag von Fr. 112'500.-- als Entschädigung gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB zu
bezahlen, eventuell die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Streitig sind die Forderungen der Beschwerdeführerin von Fr. 210'866.30 aus
ehelichem Güterrecht und von Fr. 112'500.-- aus beruflicher Vorsorge. Die
Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG ist grundsätzlich zulässig. Auf formelle
Einzelfragen wird im Sachzusammenhang zurückzukommen sein.

2.
In güterrechtlicher Hinsicht geht es um die Bewertung der im Eigentum des
Beschwerdegegners stehenden Liegenschaft (Einfamilienhaus). Die kantonalen
Gerichte haben auf die Verkehrswertschätzung im eingeholten Gerichtsgutachten
abgestellt. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Bewertungsmethode, die
dem Gerichtsgutachten zugrunde liegt. Sie nimmt einen Liegenschaftswert von Fr.
816'000.-- an und errechnet auf Grund der übrigen unangefochtenen Werte eine
ihr zustehende Güterrechtsforderung von Fr. 210'866.30 (S. 4 ff. der
Beschwerdeschrift).

2.1 Der Gerichtsgutachter hat den Ertragswert der Liegenschaft auf Fr.
401'000.-- und deren Realwert auf Fr. 816'000.-- festgelegt, den Ertragswert
mit 0.4 und den Realwert mit 1.0 gewichtet und nach der Formel "(0.4 x
Ertragswert + 1.0 x Realwert) : 1.4" einen Verkehrswert von rund Fr. 697'000.--
errechnet (E. 5.2.3.2.1 S. 25 f.). Zum Verfahren hat das Obergericht
festgehalten, die Beschwerdeführerin stelle das Vorgehen des gerichtlichen
Experten zu Recht nicht grundsätzlich in Frage (E. 5.2.3.2.2 S. 26). Es ist
davon ausgegangen, die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen betreffend
Baulandreserve und Bauarbeiten an der Umfahrungsstrasse seien unbegründet bzw.
nicht substantiiert (E. 5.2.3.2.2 und .3 S. 26 ff. des angefochtenen Urteils).
Ihre bisherigen Rügen erneuert die Beschwerdeführerin nicht. Sie wendet sich
heute gegen das Vorgehen des Gerichtsgutachters und verlangt, es sei einzig auf
den Realwert abzustellen. Der Ertragswert dürfe nicht berücksichtigt werden.

2.2 Als neues rechtliches Vorbringen ist der Einwand grundsätzlich zulässig,
sofern er nicht auf einer Ausweitung des vorinstanzlich festgestellten
Sachverhalts beruht, d.h. ohne Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen oder
des Beweisverfahrens beurteilt werden kann (BGE 134 III 643 E. 5.3.2 S. 651;
135 I 91 E. 2.1 S. 93; 135 II 123 E. 4.1 S. 124 f.). Bei Bewertungsfragen
bestimmt in seinem Anwendungsbereich das Bundesrecht, nach welchen Grundsätzen
die Bewertung vorzunehmen ist (Begriff, Methode u.ä.), wogegen die danach
vorzunehmende Wertermittlung eine tatsächliche Feststellung betrifft. Auf Grund
der besseren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse im Rahmen der Auswahl der
Schätzungsmethode verfügt die kantonale Instanz über ein gewisses Ermessen. In
diesen Beurteilungsspielraum greift das auf eine reine Rechtskontrolle
beschränkte Bundesgericht nur mit Zurückhaltung dann ein, wenn die Auffassung
der Vorinstanz als unvertretbar erscheint (vgl. BGE 133 III 416 E. 6.3.3 S.
419).

2.3 Der Verkehrswert eines überbauten Grundstückes darf in differenzierender
Kombination von Real- und Ertragswert ermittelt werden. Die Bestimmung des
Verkehrswertes anhand des gewichteten Mittels aus Real- und Ertragswert ist als
Methode anerkannt und verbreitet. Die Gewichtung hängt von der Art des
Bewertungsobjekts im konkreten Einzelfall ab (vgl. BGE 125 III 1 E. 5 S. 5 ff.;
134 III 42 E. 4 S. 44, je Wohn- und Geschäftsliegenschaften betreffend). Der
Verkehrswert von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern orientiert sich
dabei auf dem Markt erfahrungsgemäss hauptsächlich am Realwert, der insoweit
stärker gewichtet werden darf (vgl. Urteil 5A_294/2008 vom 18. August 2008 E.
3.3.3). Der Ertragswert kann dort wiederum in den Vordergrund rücken, wo der
Eigentümer seine Liegenschaft voraussichtlich über längere Zeit nicht
veräussern wird (vgl. Urteil 5A_251/2008 vom 6. November 2008 E. 3.3.1, eine
Eigentumswohnung betreffend). Die Lehre weicht nicht grundsätzlich von der
Rechtsprechung ab und beantwortet die Frage nach der richtigen
Schätzungsmethode bei Einfamilienhäusern ebenfalls differenziert. Nach der
Ansicht, die die Beschwerdeführerin zitiert, bildet Ausgangslage für den
Verkehrswert der Substanzwert (WENGER/WENGER/NAEGELI, Der
Liegenschaftenbewertung, 5.A. Zürich 2009, S. 34). Der Meinung wird teilweise
insofern beigepflichtet, als bei normalen Einfamilienhäusern der Substanzwert
in der Regel wichtiger sei als der ertragsorientierte Wert, weil
Einfamilienhäuser keine Investitions-, sondern Konsumgüter seien (FIERZ, Der
Schweizer Immobilienwert, 5.A. Zürich 2005, S. 307). Verbreitet ist
schliesslich die Auffassung, bei Einfamilienhäusern werde dem Ertragswert im
Vergleich zum Realwert eine untergeordnete Bedeutung beigemessen; die
Gewichtung habe Wohnlage, Objektgrösse, Gebäudecharakter, Bauart, Raumanordnung
und Nachfrage zu beachten (DAS SCHWEIZERISCHE SCHÄTZERHANDBUCH, Bewertung von
Immobilien, Chur 2005, S. 112).

2.4 Mit Blick auf Rechtsprechung und Lehre kann nicht gesagt werden, eine
Gewichtung von Ertrags- und Realwert sei bei der Schätzung von
Einfamilienhäusern ausgeschlossen und der Gerichtsgutachter habe eine
Bewertungsmethode gewählt, deren Anwendung zu einem unhaltbaren Ergebnis führen
muss (vgl. für das Steuerrecht: BGE 131 I 291 E. 3.2.2 S. 307). Ob und
allenfalls in welchem Verhältnis der Ertragswert und der Realwert hier
gewichtet werden durften, hängt von der Art und den Besonderheiten des
konkreten Einfamilienhauses ab, die das Obergericht nicht festgestellt hat,
weil im kantonalen Verfahren eine Rüge gegen das Vorgehen des
Gerichtsgutachters nicht erhoben wurde (E. 2.2). Immerhin kann darauf
hingewiesen werden (Art. 105 Abs. 2 BGG), dass das Privatgutachten, das die
Beschwerdeführerin am 5. September 2007 eingereicht hat, die gleiche Methode
wie das Gerichtsgutachten verwendet und dabei den Ertragswert mit 0.25 und den
Realwert mit 1.0 gewichtet unter Berücksichtigung der Faktoren "Wohnhaus mit
Garage, freistehend, Zustand gut, gesuchte Wohnlage" (S. 12; act. 302 der
erstinstanzlichen Akten mit blauem Hefter "Gutachten, eingereicht von RA Oswald
am 05.09.2007"). Mangels entsprechender Rügen (E. 2.2) fehlen auch
Feststellungen zur Frage, ob der Beschwerdegegner als Eigentümer die
Liegenschaft nach Abschluss des Verfahrens verkaufen, selber bewohnen oder
vermieten wird. Immerhin steht fest, dass er seit der Trennung im Jahre 2001 in
einer anderen Ortschaft in einer Mietwohnung lebt, während die
Beschwerdeführerin offenbar mit den Kindern bis heute im Einfamilienhaus wohnt.
Es wäre deshalb denkbar, dass der Beschwerdegegner die Wohnverhältnisse
belässt, wie sie sind, und seine Liegenschaft inskünftig vermietet. Aus seiner
Sicht spielt es bei der Frage, ob er das Haus verkaufen will, eine Rolle,
welchen Ertrag er bei einer allfälligen Vermietung erzielen würde. Auch ein
potentieller Käufer beachtet nicht nur, welchen Substanz- bzw. Realwert die
Liegenschaft hat, sondern auch, was er als Miete bezahlen müsste, wenn er ein
(zwar rares) Einfamilienhaus oder eine entsprechend grosszügige Wohnung mieten
würde. Insgesamt erscheint die Berücksichtigung des Ertragswertes bei der
Schätzung des Einfamilienhauses im vorliegenden Fall nicht als
bundesrechtswidrig, zumal der Ertragswert im Verhältnis zum Realwert keine
dominante (hier: 0.4 : 1.0) Rolle spielt.

2.5 Aus den dargelegten Gründen kann nicht beanstandet werden, dass das
Obergericht auf das Gerichtsgutachten abgestellt hat und vom darin geschätzten
Verkehrswert der Liegenschaft ausgegangen ist. In ihren übrigen Teilen ist die
güterrechtliche Auseinandersetzung unangefochten geblieben. Der
Beschwerdeführerin stehen somit die obergerichtlich errechneten Fr. 151'366.30
aus Güterrecht zu.

3.
Streitig ist der Anspruch der Beschwerdeführerin aus beruflicher Vorsorge.
Während das Obergericht auf die konkreten Vorsorgebedürfnisse der Parteien
abgestellt und die vom Beschwerdegegner zu leistende Entschädigung auf Fr.
50'000.-- bemessen hat, fordert die Beschwerdeführerin den Betrag von Fr.
112'500.--, der sich bei einer Teilung der hypothetischen Vorsorgeguthaben
ergeben hätte (S. 8 ff. der Beschwerdeschrift).

3.1 Die Regelung über die Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge unterscheidet
danach, ob ein Vorsorgefall eingetreten ist oder nicht. Gehört ein Ehegatte
oder gehören beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge an und
ist bei einem oder bei beiden Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten,
so ist eine Teilung der nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993
(FZG; SR 831.42) für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistungen
ausgeschlossen und eine angemessene Entschädigung geschuldet (vgl. Art. 122
Abs. 1 und Art. 124 Abs. 1 ZGB). Beim Beschwerdegegner ist der Vorsorgefall
"Invalidität" mit einem Invaliditätsgrad von 100 % im Oktober 1997 eingetreten,
so dass der ganze Vorsorgeausgleich über eine angemessene Entschädigung nach
Art. 124 Abs. 1 ZGB erfolgt (BGE 129 III 481 E. 3.2 S. 483 ff.).

3.2 Bei der Bestimmung der angemessenen Entschädigung ist die gesetzgeberische
Grundentscheidung zu berücksichtigen, dass Vorsorgeguthaben unter den Ehegatten
hälftig zu teilen sind (Art. 122 ZGB). Allerdings darf nicht ungeachtet der
konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse eine Entschädigung festgesetzt werden,
die schematisch dem Ergebnis der hälftigen Teilung der Vorsorgeguthaben
entspricht. Vielmehr ist den Vermögensverhältnissen nach der güterrechtlichen
Auseinandersetzung sowie der sonstigen wirtschaftlichen Lage der Parteien nach
der Scheidung gebührend Rechnung zu tragen. Es kann zweistufig vorgegangen
werden, indem das Gericht zuerst die Höhe der Austrittsleistung im Zeitpunkt
der Scheidung bzw. des Eintritts des Vorsorgefalls berechnet und alsdann auf
das konkrete Vorsorgebedürfnis der Parteien abstellt (BGE 129 III 481 E. 3.4.1
S. 488). Mit Bezug auf diesen zweiten Schritt hat das Bundesgericht
festgehalten, dass es nicht angeht, der Bemessung der Entschädigung die
Grundsätze von Art. 122 ZGB (hälftige Teilung eines hypothetischen
Vorsorgekapitals) zugrunde zu legen, wo der Vorsorgefall viele Jahre vor der
Scheidung eingetreten ist. Massgebend sind in einem solchen Fall hauptsächlich
die konkreten Vorsorgebedürfnisse der Ehegatten (BGE 131 III 1 E. 5 und E. 6 S.
7 ff.). Umgekehrt treten diese Vorsorgebedürfnisse in den Hintergrund, wo der
Eintritt des Vorsorgefalls und der Eintritt der Rechtskraft der Scheidung
zeitlich nahe beieinander liegen. Massgebend ist in einem solchen Fall der
Teilungsgrundsatz, so dass die Entschädigung gemäss Art. 124 ZGB summenmässig
der Hälfte der Austrittsleistungen im Sinne von Art. 122 ZGB entsprechen darf
(BGE 133 III 401 E. 3.3 S. 405 f.).

3.3 Der zeitliche Abstand zwischen der Rechtskraft des Urteils im
Scheidungspunkt (30. November 2007) und dem Eintritt des Vorsorgefalls (28.
Oktober 1997) beträgt hier gut zehn Jahre. Das Obergericht hat deshalb einen
Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine angemessene Entschädigung in der Höhe
der hälftig geteilten Austrittsleistungen (= Fr. 112'500.--) verneint und die
angemessene Entschädigung anhand der konkreten Vorsorgebedürfnisse auf Fr.
50'000.-- festgelegt (E. 6.3 S. 34 ff. des angefochtenen Urteils). Die
Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, es dürfe keine Korrektur des hälftigen
Vorsorgeausgleichs vorgenommen werden, weil beide Parteien kurz vor der
Pensionierung stünden (2012) und die gleichen Vorsorgebedürfnisse hätten. Die
Auffassung lässt sich weder auf die Rechtsprechung stützen noch mit der
angeführten Literaturstelle belegen. Die zitierten Autoren behandeln den Fall,
wo beide Ehegatten in wenigen Jahren das AHV-Alter erreichen und der Ehegatte
A. seit zwei Jahren - nicht wie hier seit zehn Jahren - invalid ist. In ihrem
Fall sehen sie keinen Bedarf nach einer Korrektur der nach der Höhe der
Austrittsleistungen bestimmten Entschädigung. Umgekehrt verhält es sich mit der
Variante einer Pensionierung des Ehegatten A., zu der die zitierten Autoren
festhalten, je weiter zurück die Pensionierung - hier der Vorsorgefall
"Invalidität" - liegt, desto mehr verliert das Kriterium der letzten
Austrittsleistung an Massgeblichkeit. Diesfalls müsse die Entschädigung
angemessen reduziert werden (GEISER/GRÜTTER, Reformbedarf in der zweiten und
dritten Säule, in: Scheidungsrecht -aktuelle Probleme und Reformbedarf, Zürich
2008, S. 67 ff., S. 68 f.). Eine Abweichung von der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Die Lehrmeinung stützt vielmehr die
Vorgehensweise des Obergerichts.

3.4 Gegen die obergerichtliche Bestimmung der angemessenen Entschädigung wendet
die Beschwerdeführerin einzig ein, den angenommenen Vermögensverhältnissen sei
bereits deshalb die Grundlage entzogen, weil das im Eigentum des
Beschwerdegegners stehende Einfamilienhaus nicht Fr. 697'000.--, sondern Fr.
816'000.-- wert sei. Diese Auffassung trifft nach dem Gesagten nicht zu (E. 2
hiervor). Weitere Rügen erhebt die Beschwerdeführerin diesbezüglich keine, so
dass die Angemessenheit der zuerkannten Entschädigung auch nicht zu prüfen ist
(vgl. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104
f.; 135 V 39 E. 2.2 S. 41).

3.5 Nach dem Gesagten kann die Festsetzung der angemessenen Entschädigung auf
Fr. 50'000.-- nicht beanstandet werden.

4.
Im erstinstanzlichen Urteil wurde der Beschwerdegegner verpflichtet, die
Entschädigung gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB auf das Vorsorgekonto der
Beschwerdeführerin bei der Pensionskasse Post zu bezahlen. Gegen diese
Auszahlungsart hat die Beschwerdeführerin weder appelliert noch
Anschlussappellation eingelegt (Bst. C hiervor). Das Obergericht hat die
Auszahlungsart beibehalten. Die Beschwerdeführerin begehrt vor Bundesgericht
die Auszahlung direkt an sich selbst und macht geltend, es bestehe keine
gesetzliche Grundlage für eine Auszahlung der Entschädigung in gebundener Form
und ihre Zustimmung dazu habe sie nie erteilt. Das angefochtene Urteil sei
bezüglich der Auszahlungsart aufzuheben (S. 10 f. der Beschwerdeschrift mit
Hinweis auf BGE 132 III 145 E. 4.5 S. 154 f. und auf GEISER/GRÜTTER, a.a.O., S.
69).

Da die Beschwerdeführerin eine Auszahlung direkt an sich selbst nicht in einem
förmlichen Antrag vor Obergericht verlangt hat, ist das entsprechende
Beschwerdebegehren neu und unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 135 I 119 E. 2
S. 121).

Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift findet sich im angefochtenen
Urteil keine allgemeine Feststellung, die Beschwerdeführerin habe geltend
gemacht, sie könne die Entschädigung nach Art. 124 Abs. 1 ZGB nicht einfach in
die Pensionskasse einzahlen und damit ihre eigene Austrittsleistung erhöhen.
Diesen Einwand hat die Beschwerdeführerin gemäss den obergerichtlichen
Feststellungen "vor Vorinstanz (act. 68) zwar noch geltend" gemacht (E. 6.3.3.3
S. 36). Vor Obergericht aber ist der Einbezug der Entschädigungszahlung in die
Berechnung der Rente aus beruflicher Vorsorge als solcher dem Grundsatz nach
unbeanstandet geblieben (E. 6.3.3.3 S. 37 des angefochtenen Urteils). Diese
Feststellungen des Obergerichts zu ihren Vorbringen ficht die
Beschwerdeführerin nicht an und sind für das Bundesgericht verbindlich (Art.
105 Abs. 1 BGG). Danach hat die Beschwerdeführerin die Auszahlungsart vor
Obergericht nicht beanstandet, obschon sie dazu Gelegenheit und mit Blick auf
die Anordnung des Gerichtspräsidenten auch Anlass gehabt hätte, wie sie das in
ihrer Beschwerdeschrift selber belegt. Unter diesen Umständen aber haben die
heutigen Vorbringen zur Auszahlungsart und zum Fehlen ihrer Zustimmung auch in
tatsächlicher Hinsicht als neu und unzulässig zu gelten (Art. 99 Abs. 1 BGG;
BGE 134 V 223 E. 2 S. 226 f.; 135 III 121 E. 3 S. 124). Auf die Beschwerde kann
insgesamt nicht eingetreten werden, was die Art der Bezahlung der angemessenen
Entschädigung angeht.

5.
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit
darauf einzutreten ist. Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche
Rechtspflege kann nicht entsprochen werden. Die vorstehenden Erwägungen, wonach
ihre Rügen zur Hauptsache unbegründet, teils aber auch unzulässig sind,
verdeutlichen, dass die gestellten Rechtsbegehren von Beginn an keinen Erfolg
haben konnten. Es kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin über eine Forderung
im Betrag von rund Fr. 150'000.-- gegen den Beschwerdegegner verfügt und deren
Uneinbringlichkeit vor Bundesgericht nicht dargetan hat, so dass sie nicht als
bedürftig gelten kann (Art. 64 BGG; vgl. GEISER, Grundlagen, in: Prozessieren
vor Bundesgericht, 2.A. Basel 1998, S. 1 ff., S. 22 bei/in Anm. 140, mit
Hinweis). Die Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, da in der Sache keine
Vernehmlassungen eingeholt wurden (vgl. Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Oktober 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl von Roten