Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.588/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_588/2009

Urteil vom 20. Oktober 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Betreibungsamt R.________, 5201 Brugg AG,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Schätzung eines zu verwertenden Grundstücks,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts (Schuldbetreibungs- und
Konkurskommission) des Kantons Aargau als oberer betreibungsrechtlicher
Aufsichtsbehörde vom 24. August 2009.

Sachverhalt:

A.
In der von der A.________ AG beim Betreibungsamt R.________ gegen sie
eingeleiteten Betreibung Nr. ________ auf Grundpfandverwertung verlangte
X.________ mit Eingabe vom 26. Januar 2009 beim Bezirksgerichtspräsidium
S.________ als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen, das zu verwertende Grundstück Nr. ________ in R.________ sei
(allenfalls durch einen Sachverständigen) neu zu schätzen (betreibungsamtliche
Schätzung: 1,86 Mio. Franken). Am 7. April 2009 erstattete der mit der
Schätzung beauftragte B.________ seinen Bericht, worin er den Verkehrswert auf
1,98 Mio. Franken schätzte; er wies darauf hin, dass dieser Wert unter der
Annahme ermittelt worden sei, dass das Mietverhältnis über von der C.________
GmbH genutzte Räume aufgelöst sei, und bemerkte, dass die Liegenschaft mit dem
bestehenden Mietverhältnis "nicht handelbar" sei.
Mit Verfügung des Gerichtspräsidenten von S.________ vom 15. April 2009 wurde
der Schätzungsbericht vom 7. April 2009 zur allfälligen Stellungnahme innert
einer Frist von zehn Tagen X.________ zugestellt. Diese reichte mit Eingabe vom
18. Mai 2009, dem letzten Tag der ihr in der Folge erstreckten Frist, eine
Stellungnahme ein. Der Gerichtspräsident forderte B.________ hierauf am 19. Mai
2009 auf, seinen Bericht im Sinne der Vorbringen von X.________ zu erläutern.
Die vom 8. Juni 2009 datierte Ergänzung des Schätzungsberichts sandte der
Gerichtspräsident am 12. Juni 2009 X.________.
Durch Urteil vom 15. Juni 2009 wies das Gerichtspräsidium S.________ das
Betreibungsamt an, den vom Sachverständigen geschätzten Verkehrswert von 1,98
Mio. Franken einzusetzen.
Mit einer vom 16. Juni 2009 datierten und am gleichen Tag zur Post gebrachten
Eingabe ersuchte X.________ das Gerichtspräsidium darum, ihr eine angemessene
Frist zur Stellungnahme zum ergänzenden Bericht von B.________ vom 8. Juni 2009
anzusetzen.

B.
Gegen das Urteil des Gerichtspräsidiums vom 15. Juni 2009 erhob X.________ mit
Eingabe vom 6. Juli 2009 Beschwerde an das Obergericht (Schuldbetreibungs- und
Konkurskommission) des Kantons Aargau als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde.
Sie beantragte im Hauptstandpunkt, die untere Aufsichtsbehörde anzuweisen, den
Schätzungswert unter Berücksichtigung des mit der C.________ GmbH bestehenden
Mietvertrags festzusetzen, und anzuhalten, das Gutachten von B.________ vom 7.
April 2009 zurückzuweisen und den genannten Sachverständigen oder einen Dritten
zu beauftragen, detailliert auszuführen und zu begründen, in welchem Umfang ein
allfälliger Erwerber durch den bestehenden Mietvertrag in der Ausübung seiner
Eigentumsrechte eingeschränkt wäre und was für Auswirkungen die
Beeinträchtigung der Eigentumsrechte bis zur Auflösung des Mietverhältnisses
auf den Verkehrswert der Liegenschaft habe. Ausserdem sei die untere
Aufsichtsbehörde anzuweisen, bei der Festsetzung des Schätzungswertes die von
ihr, X.________, gegen den erläuternden Bericht des Sachverständigen vom 8.
Juni 2009 (in der Beschwerdeschrift) erhobenen Vorwürfe zu berücksichtigen, ihr
ferner das Recht einzuräumen, zu den Ergänzungen des Gutachters vom 8. Juni
2009 Stellung zu nehmen und den Sachverständigen aufzufordern, sich zu ihren
Einwänden zu äussern. X.________ verlangte schliesslich, die Kosten für die
Neuschätzung (Schätzung durch einen Sachverständigen) seien zur Hälfte auf die
Gerichtskasse zu nehmen.
Das Obergericht erkannte am 24. August 2009, dass das Urteil des
Gerichtspräsidiums S.________ vom 15. Juni 2009 in teilweiser Gutheissung der
Beschwerde aufgehoben und das Verfahren zu neuer Entscheidung an diese Instanz
zurückgewiesen werde; soweit mit der Beschwerde mehr oder etwas anderes
verlangt werde, werde sie abgewiesen.

C.
X.________ verlangt mit Beschwerde vom 11. September 2009 an das Bundesgericht,
den obergerichtlichen Entscheid teilweise aufzuheben und dem Gerichtspräsidium
als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde Anweisungen im Sinne des schon im
vorinstanzlichen Verfahren von ihr Beantragten zu erteilen; allenfalls sei das
Obergericht anzuhalten, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig von einem allfälligen Streitwert der
Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c
BGG). Der angefochtene Entscheid stammt von der letzten kantonalen Instanz
(Art. 75 Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat über die Beschwerde nicht endgültig
entschieden, sondern die Sache zu neuer Beurteilung der (Neu-)Schätzung des zu
verwertenden Pfandgrundstücks an die untere Aufsichtsbehörde zurückgewiesen.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich demnach um einen Zwischenentscheid
im Sinne von Art. 93 BGG. Indessen enthält er hinsichtlich der von der
Beschwerdeführerin verlangten Berücksichtigung des auf der Pfandliegenschaft
bestehenden Mietverhältnisses und des Begehrens, die untere Aufsichtsbehörde
anzuhalten, der Beschwerdeführerin Gelegenheit einzuräumen, sich zum
ergänzenden Schätzungsbericht zu äussern, verbindliche (negative) Anweisungen.
Die Beschwerde ist unter diesen Umständen deshalb gleichwohl zulässig (dazu BGE
134 III 136 E. 1.2 S. 138). Auf die innert der Frist von zehn Tagen (Art. 100
Abs. 2 lit. a BGG) eingereichte Beschwerde ist mithin einzutreten.

2.
2.1 Nach Art. 9 Abs. 2 letzter Satz (bei der Grundpfandbetreibung wie hier in
Verbindung mit Art. 99 Abs. 2) VZG werden Streitigkeiten über die Höhe der
Schätzung des Grundstückwertes endgültig durch die (obere) kantonale
Aufsichtsbehörde beurteilt. Das Bundesgericht kann einen derartigen
(Ermessens-)Entscheid einzig daraufhin überprüfen, ob die kantonale
Aufsichtsbehörde allenfalls bundesrechtliche Verfahrensvorschriften verletzt
oder das ihr zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht habe. Letzteres
trifft dann zu, wenn Kriterien mitberücksichtigt worden sind, die keine Rolle
hätten spielen dürfen, oder umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht
geblieben sind (dazu BGE 132 III 49 E. 2.1 S. 51; 130 III 28, E. 4.1 S. 32, und
571, E. 4.3 S. 576; je mit Hinweisen).

2.2 Die bei der Schätzung des Verkehrswertes des strittigen Pfandgrundstücks
angewendete (anerkannte und verbreitete) Methode, die darin besteht, das
(gewichtete) Mittel aus Ertrags- und Realwert zu errechnen (dazu BGE 134 III 42
E. 4 S. 44), stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage. Sie beanstandet
indessen, dass der Sachverständige das bestehende Mietverhältnis, das in den
Steigerungsbedingungen und im Liegenschaftsbeschrieb ausdrücklich erwähnt werde
und sich offensichtlich wertmindernd auswirke, ausser Acht gelassen habe. Dem
nach den Feststellungen des Obergerichts im Beschrieb der Pfandliegenschaft
enthaltenen, die wesentlichen Punkte des Vertrags vom 8. Januar 2008
wiedergebenden Vermerk ist zu entnehmen, dass drei auf drei verschiedenen
Geschossen des Hauses liegende Räume sowie ein Autoabstellplatz für monatlich
Fr. 2'000.--, zuzüglich Fr. 75.-- für den Abstellplatz, zur ausschliesslichen
Nutzung an die C.________ GmbH vermietet sind, wobei Hauseingang, Treppenhaus,
Küche, Toilette im Erdgeschoss, Essraum, Wintergarten und Archivraum von der
Mieterin mitbenutzt werden dürfen. In welcher Form dieses Mietverhältnis bei
der Ermittlung des Verkehrswertes hätte berücksichtigt werden müssen, legt die
Beschwerdeführerin nicht dar. Aus dem bei den kantonalen Akten liegenden
Schätzungsbericht vom 7. April 2009 geht hervor, dass der Sachverständige als
Teil des Ertragswertes einen monatlichen Mietzins von Fr. 4'500.-- für das
gesamte Haus und die Aussenparkplätze eingesetzt hat. Die vermieteten Räume
wurden somit nicht gesondert behandelt, was von der Beschwerdeführerin in
keiner Weise beanstandet wird. Es ist nicht zu bestreiten, dass
Steigerungsinteressenten das von der Beschwerdeführerin angesprochene
(richtigerweise in den Beschrieb der Liegenschaft aufgenommene) Mietverhältnis
- wie andere Eigenschaften des Steigerungsobjekts - je nach Nutzungsabsichten
gewichten werden und jenes daher die Bildung der Angebote beeinflussen wird.
Mit dem Verkehrswert des Pfandgrundstücks hat dies jedoch nichts zu tun, so
dass der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das bestehende Mietverhältnis von
vornherein nicht geeignet ist, die (Neu-)Schätzung in Frage zu stellen. Soweit
die Beschwerdeführerin die obergerichtliche Auffassung beanstandet, dass eine
Ergänzung oder Korrektur dieser Schätzung aufgrund der Nichtberücksichtigung
des bestehenden Mietverhältnisses nicht erforderlich sei, ist die Beschwerde
daher unbegründet.

3.
3.1 Vor Obergericht hatte die Beschwerdeführerin beantragt, die untere
Aufsichtsbehörde sei anzuweisen, ihr das Recht zu geben, zum Ergänzungsbericht
von B.________ vom 8. Juni 2009 Stellung zu nehmen. Die Vorinstanz geht davon
aus, dass die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt habe, sich bei der
unteren Aufsichtsbehörde zu den für deren Entscheid wesentlichen ergänzenden
Ausführungen des Gutachters zu äussern, da an dem Tag, da sie den ihr vom
Bezirksgerichtspräsidium zugestellten Ergänzungsbericht in Empfang genommen
habe, diese Instanz bereits das am Vortag gefällte Urteil zugeschickt habe.
Damit sei der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt
worden. Das Obergericht erklärt sodann, als obere kantonale Aufsichtsbehörde
greife es in das der unteren Aufsichtsbehörde bei Schätzungen der vorliegenden
Art zustehende Ermessen nicht ohne Not ein, so dass die Rügen der
Beschwerdeführerin zum Verkehrswertgutachten und zum erläuternden Bericht des
Gutachters in erster Linie vom Bezirksgerichtspräsidium zu behandeln seien;
eine Heilung des Makels der Gehörsverletzung durch einen von ihm, dem
Obergericht, gefällten Sachentscheid käme nur in Frage, wenn eine solche sich
aus zeitlichen oder anderen Gründen aufdrängen würde, was hier nicht der Fall
sei. Schliesslich weist die Vorinstanz darauf hin, dass die Beschwerdeführerin
in der bei ihr eingereichten Beschwerde zum erläuternden Bericht von B.________
vom 8. Juni 2009 Stellung bezogen habe. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin,
die Beschwerdefrist von zehn Tagen sei zu kurz gewesen, um die ergänzenden
Ausführungen des Gutachters von einer Fachperson überprüfen zu lassen, hält sie
entgegen, es sei davon auszugehen, dass eine von der Beschwerdeführerin
konsultierte Fachperson schon vor der Zustellung des erläuternden Berichts vom
8. Juni 2009 mit dem Fall vertraut gewesen sei, zumal die Beschwerdeführerin
für die Stellungnahme zum eigentlichen Verkehrswertgutachten vom 7. April 2009
mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Beizugs einer Fachperson um
Erstreckung der ihr angesetzten Frist ersucht habe und die Frist hierauf (bis
zum 18. Mai 2009) verlängert worden sei; unter den gegebenen Umständen sei die
zehntägige Beschwerdefrist für eine Stellungnahme zum erläuternden Bericht
ausreichend gewesen, so dass sich die untere Aufsichtsbehörde werde darauf
beschränken können, bei dem von ihr neu zu fällenden Entscheid das von der
Beschwerdeführerin in der Beschwerde an sie, die Vorinstanz, Vorgebrachte zu
berücksichtigen. Damit hat das Obergericht - in Abweisung des entsprechenden
Antrags der Beschwerdeführerin - die untere Aufsichtsbehörde in verbindlicher
Weise angehalten, davon abzusehen, (nochmals) Gelegenheit zur Stellungnahme zu
den erläuternden Ausführungen von B.________ vom 8. Juni 2009 einzuräumen.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Auffassung des Obergerichts führe zu einer
unhaltbaren materiellen Verkürzung ihres Gehörsanspruchs; die Beschwerdefrist
von zehn Tagen, in die im vorliegenden Fall zwei Wochenende gefallen seien,
habe nicht ausgereicht, um den Ergänzungsbericht im Hinblick auf eine
Stellungnahme von einem Fachmann überprüfen zu lassen.
Welche durch das Verkehswertgutachten ausgelösten Fragen auch nach dessen
Erläuterung im Bericht vom 8. Juni 2009 für sie noch nicht geklärt gewesen sein
und den (nochmaligen) Beizug einer Fachperson nötig gemacht haben sollen, legt
die Beschwerdeführerin in keiner Weise dar. Die Auffassung des Obergerichts,
dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) sei hinsichtlich des
gutachterlichen Ergänzungsberichts dadurch Genüge getan worden, dass die
Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt habe, sich dazu in der Beschwerde an
die Vorinstanz zu äussern, ist unter den gegebenen Umständen nicht zu
beanstanden. Die Beschwerde ist mithin auch in diesem Punkt unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Bei diesem Ausgang sind die
Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt R.________ sowie
dem Gerichtspräsidium S.________ als unterer und dem Obergericht
(Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) des Kantons Aargau als oberer
betreibungsrechtlicher Aufsichtsbehörde schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Oktober 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel