Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.582/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_582/2009

Urteil vom 26. November 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
Betreibungsamt C.________,
beteiligte Behörde.

Gegenstand
Löschung von Betreibungen,

Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantons Solothurn vom 7. September 2009.

Sachverhalt:

A.
In den beiden von der B.________ GmbH für eine Forderung von jeweils Fr.
165'388.-- eingeleiteten Betreibungen Nrn. 1 und 2 stellte das Betreibungsamt
C.________ A.________ am 1. Mai 2009 die Zahlungsbefehle zu. A.________ schlug
in beiden Fällen Recht vor. Die B.________ GmbH sah davon ab, eine Beseitigung
der Rechtsvorschläge anzustreben, und leistete der vom Betriebenen in der
Betreibung Nr. 1 verlangten Aufforderung des Betreibungsamtes, die Beweismittel
für ihre Forderung einzureichen (Art. 73 SchKG), keine Folge.

B.
Mit Eingabe vom 16. Juli 2009 stellte A.________ bei der Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn das Gesuch, die Betreibungen
Nrn. 1 und 2 des Betreibungsamtes C.________ zu löschen, da sie missbräuchlich
seien und jeglicher Beweisgrundlagen entbehrten. Die kantonale Aufsichtsbehörde
behandelte die Eingabe als Beschwerde gegen die Zahlungsbefehle, die auf
rechtsmissbräuchlichen und damit nichtigen Betreibungsbegehren beruhten, und
wies sie am 7. September 2009 ab.

C.
A.________ verlangt mit Beschwerde vom 17. September 2009 an das Bundesgericht,
das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 7. September 2009 aufzuheben,
festzustellen, dass die Betreibungen Nrn. 1 und 2 des Betreibungsamtes
C.________ nichtig seien, und dieses Amt anzuweisen, die beiden Betreibungen zu
löschen. Mit Eingaben vom 14. Oktober 2009 und vom 6. November 2009 teilt er
ausserdem mit, dass das Betreibungsamt C.________ am 13. Oktober 2009 in einer
weiteren durch die B.________ GmbH gegen ihn persönlich eingeleiteten
Betreibung (Nr. 3) den vom 12. Oktober 2009 datierten Zahlungsbefehl über Fr.
175'388.-- bzw. das Betreibungsamt E.________ in der von der gleichen
Betreibungsgläubigerin gegen die D.________ AG, deren Inhaber er sei,
eingeleiteten Betreibung Nr. 4 am 6. November 2009 den von diesem Tag datierten
Zahlungsbefehl über den gleichen Betrag zugestellt habe.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.
Erwägungen:

1.
Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig von einem allfälligen Streitwert der
Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c
BGG). Der angefochtene Entscheid stammt von der letzten kantonalen Instanz
(Art. 75 Abs. 1 BGG) und befindet über die Gültigkeit von Zahlungsbefehlen,
d.h. über betreibungsamtliche Verfügungen nach Art. 17 SchKG, so dass er einen
Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG darstellt (BGE 133 III 350 E. 1.2 S.
351).
Den angefochtenen Entscheid nahm der Beschwerdeführer am 10. September 2009 in
Empfang. Der letzte Tag der hier geltenden Frist von zehn Tagen (Art. 100 Abs.
2 lit. a BGG), der 20. September 2009, fiel auf einen Sonntag, so dass die
Beschwerde spätestens am 21. September 2009 (Montag) zur Post zu bringen war.
Auf die Beschwerdeeingabe vom 17. September 2009 ist mithin ohne weiteres
einzutreten. Hingegen sind die erst am 14. Oktober 2009 bzw. am 6. November
2009 aufgegebenen Ergänzungen, mit denen ohnehin erst nach Fällung des
angefochtenen Entscheids eingetretene Tatsachen vorgebracht werden,
unbeachtlich.

2.
Die kantonale Aufsichtsbehörde verweist auf Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG, wonach
das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis gibt, wenn sie
nichtig (oder aufgrund einer Beschwerde oder eines Urteils aufgehoben worden)
ist. Nichtig seien nach Art. 22 SchKG Verfügungen, die gegen Vorschriften
verstiessen, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren
nicht beteiligten Personen erlassen worden seien. Dazu gehöre auch das
Rechtsmissbrauchsverbot nach Art. 2 ZGB, das in der gesamten Rechtsordnung,
insbesondere auch im Schuldbetreibungsrecht, Anwendung finde.
Zu den beiden hier in Frage stehenden Betreibungen hält die Vorinstanz fest,
aus der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zum Löschungsbegehren gehe nicht
hervor, worauf die Betreibungsforderungen genau beruhten. Im Wesentlichen
würden ausstehende Lohnzahlungen angeführt. In den Betreibungsbegehren würden
als Gründe der Betreibungen nicht ausbezahlte Arbeiten, Nichtbezahlen von
Sozialbeiträgen, Kundenverluste, Umtriebe und die Missachtung von Abmachungen
erwähnt. Es würden keine Einzelheiten, keine Zusammensetzung und keine
Berechnung der Forderungen offengelegt, so dass es sich um eine pauschale
Umschreibung von Anspruchsgrundlagen handle. Ferner deute zur Zeit nichts
darauf hin, dass die Beschwerdegegnerin die vom Beschwerdeführer erhobenen
Rechtsvorschläge beseitigen zu lassen gedenke.
In Würdigung der von ihr festgehaltenen Gegebenheiten hält die kantonale
Aufsichtsbehörde dafür, dass das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs nicht
angenommen werden könne. Auch wenn die Beschwerdegegnerin der Aufforderung des
Betreibungsamtes, Beweismittel für die den Betreibungen zugrunde liegende
Forderung einzureichen, nicht nachgekommen sei, sei nicht auszuschliessen, dass
den Betreibungen eine bestehende Forderung zugrunde liege. Gerade im
Wirtschaftsleben komme es häufig vor, dass trotz des Bestehens einer Forderung
keine sie bestätigenden Urkunden vorlägen. Es könne angesichts der Besonderheit
des schweizerischen Vollstreckungsrechts, wonach eine Betreibung auch dann
eingeleitet werden könne, wenn der Gläubiger nicht konkret darlegen könne, was
für eine Forderung ihr zugrunde liege und aus was für Kontakten mit dem
Betriebenen diese entstanden sein soll, nicht angenommen werden, die
Beschwerdegegnerin glaube nicht an die Durchsetzbarkeit ihrer Forderung auf dem
Betreibungsweg. Ausserdem sei zu beachten, dass Betreibungen häufig auch bloss
zum Zweck der Verjährungsunterbrechung eingeleitet würden, um dem drohenden
Untergang der Forderung zu entgehen. Die Tatsache, dass zunächst beim
Betreibungsamt C.________ zwei identische Betreibungen und kurze Zeit später
beim Betreibungsamt E.________ eine Betreibung über den gleichen Betrag und mit
gleicher Forderungsbegründung eingeleitet worden seien, spreche noch nicht für
das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs, zumal die in E.________ eingeleitete
Betreibung nicht gegen den Beschwerdeführer persönlich, sondern gegen die von
ihm geführte D.________ AG gerichtet gewesen sei und die Beschwerdegegnerin als
Betreibungsgläubigerin das Risiko trage, den richtigen Schuldner zu betreiben.
Es müsse dem Betreibungsgläubiger bei Ungewissheit darüber, wer Schuldner sei,
gestattet sein, für die gleiche Forderung vorsorglich mehrere mögliche
Schuldner zu betreiben.

3.
3.1 Nach dem schweizerischen Vollstreckungsrecht kann ein Zahlungsbefehl
grundsätzlich gegenüber jedermann erwirkt werden, ohne dass der Bestand der in
Betreibung gesetzten Forderung nachzuweisen wäre (BGE 125 III 149 E. 2a S. 150
mit Hinweisen). Dem Betreibungsamt und den betreibungsrechtlichen
Aufsichtsbehörden steht es nicht zu, über die Begründetheit der
Betreibungsforderung zu befinden (BGE 115 III 18 E. 3b S. 21). Allerdings
verdient die Partei, die sich nicht an die auch im
Zwangsvollstreckungsverfahren zu beachtenden Regeln von Treu und Glauben (Art.
2 ZGB) hält, keinen Rechtsschutz (BGE 108 III 119 E. 2 S. 120 mit Hinweis).
Eine Betreibung ist deshalb nichtig, wenn mit einem Betreibungsbegehren
offensichtlich Recht missbraucht wird (Art. 2 Abs. 2 ZGB).
Rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt vor, wenn der Betreibungsgläubiger
offensichtlich Ziele verfolgt, die mit der Zwangsvollstreckung nicht das
Geringste zu tun haben, es ihm beispielsweise einzig darum geht, den
Betriebenen zu schikanieren und zu bedrängen.

3.2 Der Beschwerdeführer verweist hauptsächlich auf vier Betreibungen, die von
der Beschwerdegegnerin im Mai 2007 für Forderungsbeträge von Fr. 28'500.-- bzw.
Fr. 19'800.--, im Dezember 2008 für einen Forderungsbetrag von Fr. 104'650.--
und im Mai 2009 für einen Forderungsbetrag von (ebenfalls) Fr. 165'388.-- in
E.________ gegen die D.________ AG, deren Inhaber er sei, eingeleitet worden
seien. Durch Urteil vom 15. Juni 2009 habe die Aufsichtsbehörde über das
Betreibungsamt E.________ diese Betreibungen als nichtig erklärt. Auf eine von
der Beschwerdegegnerin gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde sei das
Bundesgericht nicht eingetreten, so dass die Betreibungen gestützt auf die
entsprechende aufsichtsbehördliche Anweisung gelöscht würden. In Anbetracht der
angeführten Betreibungen seien auch die beiden im Kanton Solothurn
eingeleiteten Betreibungen missbräuchlich und schikanös.

3.3 Vorab ist festzuhalten, dass sich aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 27.
August 2009 nichts zu Gunsten des Standpunkts des Beschwerdeführers ableiten
lässt: Die Präsidentin der erkennenden Abteilung hat darin nicht über die
Gültigkeit der von der Beschwerdegegnerin in E.________ eingeleiteten
Betreibungen materiell befunden, sondern (aus formeller Sicht) einzig
festgehalten, dass die von der Beschwerdegegnerin gegen die Nichtigerklärung
der Betreibungen erhobene Beschwerde keine den gesetzlichen Anforderungen
genügende Begründung enthalte und daher auf sie nicht einzutreten sei. Die
Betreibungen waren zudem gegen die D.________ AG, d.h. gegen ein Rechtssubjekt
gerichtet, dessen Inhaber der Beschwerdeführer nach seinen Angaben zwar ist,
das jedoch von seiner Person zu unterscheiden ist. Das Argument der Vorinstanz,
einem Gläubiger müsse freistehen, für die gleiche Forderung gegen verschiedene
Rechtssubjekte Betreibungen einzuleiten, falls nicht klar sei, wer den
geforderten Betrag schulde, ist nicht zu beanstanden, und der Beschwerdeführer
vermag ihm denn auch nichts entgegenzuhalten.
Zu den beiden hier zu beurteilenden Betreibungen Nrn. 1 und 2 des
Betreibungsamtes C.________ erklärt der Beschwerdeführer selbst, dass die eine
gegen ihn persönlich und die andere gegen seine Einzelfirma (F.________)
gerichtet seien. Von einer eigentlichen Wiederholung der gleichen Betreibung,
worin unter gewissen Umständen ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten der Beschwerdegegnerin erblickt werden könnte, kann bei den
dargelegten Gegebenheiten auch bei einer Mitberücksichtigung der in E.________
eingeleiteten Betreibungen nicht gesprochen werden.

4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassungen zur Beschwerde eingeholt worden
und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen sind, entfällt die
Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt C.________ und der
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. November 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel