Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.573/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_573/2009

Urteil vom 9. Oktober 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
Gerichtsschreiber Schett.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Daniel von Arx.

Gegenstand
Vollstreckung eines Scheidungsurteils,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 2. September 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (geb. 1954) und Y.________ (geb. 1954) heirateten am 16. Mai
1997. Sie sind die Eltern der am 27. Januar 1997 geborenen Tochter A.________.
A.b Am 22. Juni 2006 schied das Amtsgericht B.________ die Ehe der Parteien und
regelte die Nebenfolgen der Scheidung. Das von X.________ angerufene
Obergericht des Kantons Solothurn änderte das erstinstanzliche Urteil teilweise
ab. Hinsichtlich des vorliegend relevanten Sachzusammenhangs wies es die sich
im Alleineigentum von Y.________ befindende Liegenschaft GB C.________ Nr. 1
bis Ende Juli 2009 X.________ zur Benützung zu, welche für die Dauer der
Nutzung für anfallende Hypothekarzinse sowie für den ordentlichen Unterhalt
aufzukommen hatte. Sodann verpflichtete es X.________, das Grundstück per 1.
August 2009 zu verlassen. Mit Urteil 5A_76/2009 vom 4. Mai 2009 hiess das
Bundesgericht die von X.________ erhobene Beschwerde in Zivilsachen teilweise
gut; die Regelung betreffend die Nutzung der Liegenschaft in C.________ blieb
indessen unverändert.
A.c Auf Begehren des Y.________ eröffnete das Oberamt D.________ am 6. Juli
2009 ein Vollstreckungsverfahren und erliess gegen X.________ am 4. August 2009
einen Vollstreckungsbefehl. Die dagegen erhobene Einsprache wies das Oberamt
D.________ mit Entscheid vom 20. August 2009 ab und setzte einen
Zwangsräumungstermin auf Donnerstag, 10. September 2009, 09.00 Uhr, fest.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies die von X.________ dagegen
gerichtete Beschwerde ab (Entscheid vom 2. September 2009).

C.
Mit als "Beschwerde in öffentlichrechtlicher Angelegenheit" bezeichneter
Eingabe vom 3. September 2009 gelangt X.________ (nachfolgend
Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie beantragt, der Räumungsverfügung
solange aufschiebende Wirkung zu gewähren, bis gültige Urteile des
Strafgerichts und des Obergerichts in Sachen Güterrecht vorliegen, worauf dann
die Möglichkeit bestehe, die Liegenschaft zu übernehmen.
Nachdem die Präsidentin der urteilenden Abteilung mit Verfügung vom 8.
September 2009 superprovisorisch Vollziehungshandlungen untersagt hatte,
erkannte sie nach Einholen von Stellungnahmen der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung zu (Verfügung vom 23. September 2009).
Zur Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und
Art. 90 BGG), mit welchem eine Beschwerde gegen einen Vollstreckungsentscheid
betreffend Nebenfolgen einer Ehescheidung abgewiesen wurde. Mithin handelt es
sich um einen öffentlich-rechtlichen Entscheid, der in unmittelbarem
Zusammenhang mit Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG), gegen
den unter Vorbehalt des Streitwerterfordernisses (s. nachfolgend E. 1.2) die
Beschwerde in Zivilsachen gegeben ist; die falsche Bezeichnung der Eingabe
schadet nicht (BGE 134 III 379 E. 1.2 S. 382).

1.2 Mit dem Vollzug des Urteils, in welchem der Beschwerdeführerin gestattet
wurde, die sich im Alleineigentum des Beschwerdegegners befindende Liegenschaft
bis Ende Juli 2009 zu benützen, wird letztlich und überwiegend ein
wirtschaftlicher Zweck verfolgt. Damit ist von einer vermögensrechtlichen
Angelegenheit auszugehen, und die Beschwerde in Zivilsachen ist - unter dem
vorliegend nicht zutreffenden Vorbehalt des Vorliegens einer Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) - nur gegeben, wenn ein
Streitwert von Fr. 30'000.-- erreicht wird (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG); Art. 74
Abs. 1 lit. a BGG und damit der reduzierte Betrag von Fr. 15'000.-- kommt hier
nicht zur Anwendung, weil es sich nicht um einen mietrechtlichen Fall handelt.
Im Rahmen ihrer Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 BGG) hat die
Beschwerdeführerin darzulegen, inwiefern das Streitwerterfordernis erfüllt ist.
Das tut sie nicht. Entgegen Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG enthält auch der
angefochtene Entscheid keine Angabe über den Streitwert. Lautet ein Begehren -
wie hier - nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, legt das
Bundesgericht selbst den Streitwert nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG).
Dabei stützt es sich auf Tatsachen, die sich aus der Beschwerdeschrift, dem
angefochtenen Entscheid oder gegebenenfalls den sonstigen Akten ergeben (BGE
109 II 491 E. 1c/ee S. 495). Vorliegend schweigt sich die Beschwerdeführerin
über den Streitwert aus und weder der angefochtene Entscheid selbst noch die
dem Bundesgericht vorliegenden Akten enthalten zweckdienliche Angaben, anhand
derer dieses "ermessensweise" einen Fr. 30'000.-- übersteigenden Streitwert
annehmen kann; der erforderliche Betrag wird nicht erreicht, weshalb auf die
Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten werden kann.

1.3 Erweist sich die eingereichte Beschwerde mangels Erfüllung des
Streitwerterfordernisses als unzulässig, konvertiert das Bundesgericht diese
von Amtes wegen in eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG),
sofern sämtliche formellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (BGE 133 II 396
E. 3.1 S. 399), ansonsten es nicht auf die Beschwerde eintritt.
Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Dies wirkt sich auf die Anforderungen aus,
denen die Beschwerdeschrift genügen muss. Es gilt das so genannte Rügeprinzip.
Dieses verlangt, dass der Beschwerdeführer in seiner Eingabe dartut, welche
verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt
worden sind. Eine Überprüfung von Amtes wegen, wie sie dem Bundesgericht
hinsichtlich des Gesetzes- und Verordnungsrechts des Bundes zusteht (vgl. Art.
106 Abs. 1 BGG), findet nicht statt. Das Bundesgericht untersucht deshalb nicht
von sich aus, ob der angefochtene kantonale Entscheid verfassungsmässig ist,
sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit
möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein (zum Ganzen: BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399).

2.
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde mit dem Hinweis, während des
ganzen Appellationsverfahrens habe sie laufend Provisionsbezüge des
Beschwerdegegners aus Nebengeschäften aufgedeckt, welche an den gemeinsamen
Errungenschaften vorbeigeschleust worden seien. Am 9. Februar 2009 habe sie
dann eine Strafanzeige wegen Prozessbetrugs und Urkundenfälschung eingereicht.
Mit dem ersten obergerichtlichen Urteil und der nachfolgenden Rechtsverzögerung
durch die Strafuntersuchungsbehörden sei ihr die finanzielle Basis für die
mehrmals dokumentierte Absicht und Bereitschaft, die Liegenschaft in C.________
zu übernehmen, genommen worden. Grundsätzlich sei auch die Bereitschaft des
Beschwerdegegners vorhanden, die Liegenschaft an sie abzutreten, sofern die
Mittel dafür zur Verfügung stünden. Es sei auch im Interesse der Entwicklung
der zwölfjährigen Tochter, wenn sie ihr Umfeld behalten könne. Durch die
Zwangsräumung werde das Kindeswohl verletzt und das Kind stigmatisiert.
Mit diesen Ausführungen wird den strengen Anforderungen an die
Beschwerdebegründung (s. E. 1.3) nicht genüge getan. Die Beschwerdeführerin
gibt nicht an, welche Verfassungsbestimmung verletzt sein sollte. Ihren
Ausführungen ist auch nicht zu entnehmen, welche Verfassungsbestimmung(en)
damit gemeint sein könnte(n). Die allgemein gehaltenen Unmutsäusserungen zu
einer für die Beschwerdeführerin unbefriedigenden Situation haben bloss
appellatorischen Charakter.
Im Übrigen könnte die Beschwerdeführerin mit dem Antrag auf Sistierung des
Vollstreckungsverfahrens das von ihr letztlich angestrebte Ziel, nämlich die
Liegenschaft in C.________ zu übernehmen, nicht erreichen. Ein aus ihrer Sicht
erfolgreiches Strafverfahren könnte zwar möglicherweise zu einer Revision der
güterrechtlichen Auseinandersetzung führen; es ist aber nicht ersichtlich, wie
sie dadurch einen (durchsetzbaren) Anspruch auf Übertragung des Eigentums an
der Liegenschaft erlangen könnte.

3.
Nach dem Gesagten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Der vom Oberamt D.________ auf den 10. September 2009 angesetzte
Zwangsräumungstermin liegt in der Vergangenheit. Folglich muss ein neuer Termin
festgelegt werden, wobei eine angemessene Vorbereitungszeit zu berücksichtigen
ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner musste sich nur zur aufschiebenden
Wirkung äussern; er ist mit seinem Antrag unterlegen, sodass ihm keine
Entschädigung zusteht (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Der Zwangsräumungstermin wird auf Freitag, 27. November 2009, 09.00 Uhr,
festgelegt. Der Beschwerdegegner hat bis Mittwoch, 25. November 2009, 17.00
Uhr, dem Oberamt D.________ mitzuteilen, ob die Beschwerdeführerin das
Grundstück GB C.________ Nr. 1 (E.________) freiwillig verlassen hat.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Schett