Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.538/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_538/2009

Urteil vom 28. September 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiberin Gut.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,

gegen

Vormundschaftsbehörde V.________.

Gegenstand
Obhutsentzug,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
27. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
T.________, geb. am xxxx 1992, ist die Tochter der seit 1996 geschiedenen
A.________ und des B.________. Mit Scheidungsurteil wurde das Sorgerecht und
die Obhut der Mutter zugeteilt und dem Vater ein Besuchsrecht eingeräumt.
A.a Im Mai 2006 gelangte T.________ mit dem Wunsch, das Besuchsrecht mit dem
Vater neu zu regeln, an die Vormundschaftsbehörde V.________.
Am 4. Oktober 2006 beschloss die Vormundschaftsbehörde, A.________ die Obhut
über ihre Tochter zu entziehen und T.________ beim Vater unterzubringen.
A.________ wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. Einer allfälligen Beschwerde
wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
A.b Dagegen führte A.________ beim Departement für Justiz und Sicherheit des
Kantons Thurgau Beschwerde und verlangte die Aufhebung des vormundschaftlichen
Beschlusses.
Im Oktober 2006 zog T.________ zu ihrem Vater.
Nachdem in der Familie des Vaters vermehrt Probleme aufgetaucht waren, wurde
T.________ ab November 2007 bei einer vertrauten Familie untergebracht.
Mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 11. August 2008 erfolgte eine
Umplatzierung in eine Pflegefamilie. Dagegen wehrte sich A.________ beim
Departement für Justiz und Sicherheit.
Am 24. August 2008 ersuchte T.________ die Vormundschaftsbehörde, zu ihrer
Mutter zurückkehren zu können.
Am 27. Oktober 2008 entschied das Departement für Justiz und Sicherheit sowohl
über die Beschwerde gegen den Vormundschaftsbeschluss vom 4. Oktober 2006
betreffend den Obhutsentzug wie auch über denjenigen vom 11. August 2008
betreffend die Zustimmung zur Umplatzierung in die Pflegefamilie. Es wies beide
Beschwerden ab, bestätigte den Obhutsentzug und die Fremdplatzierung und wies
auch den Antrag von T.________ auf Rückplatzierung zur Mutter ab.
A.c Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 17. November 2008 Beschwerde
beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und verlangte dessen Aufhebung und
die Wiederherstellung der Obhut. Zudem ersuchte sie um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege und teilte gleichzeitig mit, dass T.________ seit
Oktober 2008 wieder bei ihr wohne.
Mit Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 wurde die Beschwerde
teilweise gutgeheissen und das Verfahren zum Neuentscheid unter
Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse an die Vormundschaftsbehörde
zurückgewiesen.

B.
A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ist am 17. August 2009 mit
Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt die
Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids und die Wiederherstellung der
Obhut über ihre Tochter. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.
Es sind keine Antworten eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde
von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 134 II 137 E. 1 S. 138; 133 II 249 E.
1.1 S. 251).

1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Entscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG). Es handelt sich um ein
Beschwerdeverfahren betreffend eine Kindesschutzmassnahme (Art. 307 ff. ZGB)
und damit um eine öffentlich-rechtliche Frage, die in unmittelbarem
Zusammenhang mit Zivilrecht steht. Dafür steht die Beschwerde in Zivilsachen
grundsätzlich offen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 7 BGG).

1.2 Gemäss Art. 90 BGG ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig gegen
Entscheide, die das Verfahren abschliessen. Mit dem angefochtenen Entscheid
weist das Verwaltungsgericht die Sache an die Vormundschaftsbehörde zur neuen
Beurteilung der Obhutsfrage zurück. Mit der Rückweisung der Angelegenheit an
die Vormundschaftsbehörde zur neuen Entscheidung wird das Verfahren nicht
abgeschlossen. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich Zwischenentscheide,
welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG beim Bundesgericht
anfechtbar sind, sogar wenn damit über materielle Teilaspekte der Streitsache
entschieden wird (BGE 134 II 137 E. 1.3 S. 139 f.; 134 III 136 E. 1.2 S. 138;
133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790; 129 I 313 E. 3.2
S. 316). Wenn jedoch der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein
Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, handelt es sich in
Wirklichkeit um einen Endentscheid (Urteile 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007
E. 1.1, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131; 1A.194/2006 vom 14. März 2007 E. 2.2;
2P.164/2004 vom 25. Januar 2005 E. 1.1; vgl. BGE 129 I 313 E. 3.3 S. 317).
Die Beschwerdeführerin behauptet, es handle sich beim verwaltungsgerichtlichen
Entscheid trotz Rückweisungsentscheid um einen Endentscheid im Sinn von Art. 90
BGG. Jedoch hat das Verwaltungsgericht vorliegend keine für die Vorinstanzen
verbindlichen materiellen Anordnungen getroffen. Die Vormundschaftsbehörde wird
vielmehr angewiesen, unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung und dem
Alter von T.________ sowie gestützt auf die notwendigen Abklärungen einen neuen
Entscheid betreffend den Obhutsentzug und die Fremdplatzierung zu treffen.
Daran vermag auch die von der Beschwerdeführerin beanstandete Feststellung des
Verwaltungsgerichts nichts zu ändern, wonach sich der damalige Obhutsentzug vom
4. Oktober 2006 als verhältnismässig erwiesen habe. Auch mit dieser
Feststellung wird - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht
endgültig über den Obhutsentzug entschieden. Die Vormundschaftsbehörde wird
über diese Frage unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände mit voller
Prüfungsfreiheit neu zu befinden bzw. darüber einen neuen Entscheid zu fällen
haben. Die Rückweisung dient somit keineswegs nur noch der Umsetzung des
oberinstanzlich Angeordneten.

1.3 Zu prüfen bleibt, ob der Zwischenentscheid unter den Voraussetzungen von
Art. 92 und 93 BGG angefochten werden kann. Gegen Vor- und Zwischenentscheide,
die weder zu Ausstandsbegehren noch zur Zuständigkeit ergehen (dazu Art. 92
BGG), ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur zulässig, wenn sie einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Das gilt im Übrigen auch für die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde (vgl. Art. 117 BGG). Dass die Voraussetzungen
des Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, hat die Beschwerdeführerin aufzuzeigen,
soweit diese nicht ohne weiteres auf der Hand liegen (BGE 134 III 426 E. 1.2 S.
429; 133 IV 288 E. 3.2 S. 292; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2 S. 632 f.).
Dass eine der Tatbestandsalternativen des Art. 93 BGG gegeben wäre, ist
vorliegend weder ersichtlich noch von der Beschwerdeführerin in
rechtsgenügender Weise begründet worden (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Sie begnügt
sich damit zu behaupten, bei Gutheissung der Beschwerde könne vor Bundesgericht
direkt ein Endentscheid herbeigeführt werden. Inwiefern und weshalb dies der
Fall sein sollte, führt sie nicht näher aus. Insbesondere äussert sie sich in
keiner Weise zur verwaltungsgerichtlichen Feststellung, wonach aufgrund der
veränderten Situation und dem Alter von T.________ neue Abklärungen vorzunehmen
seien. Immerhin beantragte die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren
selber wiederholt die Einholung eines kinderpsychiatrischen Gutachtens. Sodann
müsste ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit.
a BGG rechtlicher Natur sein und dürfte somit auch mit einem für die Beschwerde
führende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar
sein (BGE 134 III 188 E. 2.1 S. 190; 133 IV 139 E. 4 S. 141, 335 E. 4 S. 338;
133 V 645 E. 2.1 S. 647). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entsteht
regelmässig nicht bloss aus dem Umstand, dass eine Sache an eine untere Instanz
zu neuem Entscheid zurückgewiesen wird. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin ändert daran nichts, dass das Verfahren dadurch verlängert
und verteuert wird (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2.2 S. 483, 645 E. 2 S. 647 f.; 133
IV 139 E. 4 S. 141; 133 III 188 E. 2.2 S. 191; Urteil 2C_596/2007 E. 1.2, in:
RDAF 2008 II S. 390). Inwiefern der geltend gemachte Umstand, dass T.________
im Mai 2010 volljährig wird und daher ein neu gefällter Entscheid
möglicherweise mangels aktuellem Interesse nicht mehr angefochten werden
könnte, eine ausnahmsweise Anfechtung dieses Zwischenentscheides rechtfertigen
sollte, wird ebenfalls nicht näher begründet.

1.4 Anzumerken ist schliesslich, dass auch der Umstand, dass die
Vormundschaftsbehörde mit Beschluss vom 7. Juli 2009 über den Obhutsentzug und
die Fremdplatzierung neu entschieden hat, nichts an der fehlenden
Anfechtbarkeit des Zwischenentscheids zu ändern vermag. Ohnehin handelt es sich
bei dieser Tatsache um ein echtes tatsächliches Novum, welches vor
Bundesgericht in keinem Fall berücksichtigt werden kann (BGE 133 IV 342 E. 2.1
S. 343 f.). Dieser neue Beschluss ist wiederum zuerst bei den kantonalen
Instanzen anzufechten.

2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Ausgangsgemäss
trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da ihre Anträge von vornherein
aussichtslos waren (Art. 64 Abs. 1 BGG). Da der angefochtene Entscheid nicht
geändert wird, erfolgt zudem keine Neuverlegung der kantonalen Verfahrenskosten
(Art. 67 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. September 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:

Hohl Gut