Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.529/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_529/2009

Urteil vom 9. November 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Luigi R. Rossi,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Mayer.

Gegenstand
Vorsorgliche Massnahmen,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter im
Familienrecht, vom 14. Juli 2009.

Sachverhalt:

A.
Y.________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) ehelichten sich 1985 und leben
seit 2006 getrennt. In einem Eheschutzverfahren vor dem Richteramt A.________
wurde der Ehemann verpflichtet, an den Unterhalt der Ehefrau mit Fr. 8'820.--
pro Monat beizutragen. Dieser Entscheid wurde vom Obergericht des Kantons
Solothurn im Jahr 2006 bestätigt.

B.
Im März 2008 verlangte der Ehemann beim Kreisgericht B.________ die Aufhebung
des Ehegattenunterhalts. Noch während dieses Verfahrens betreffend Abänderung
der Eheschutzmassnahmen reichte er im August 2008 die Scheidungsklage ein. Der
Massnahmerichter schrieb deshalb mit Verfügung vom 23. September 2008 das
Eheschutzverfahren ab, behandelte das Gesuch des Ehemannes im Rahmen
vorsorglicher Massnahmen weiter und reduzierte mit Entscheid vom 25. März 2009
den Ehegattenunterhalt rückwirkend ab August 2008 auf monatlich Fr. 6'500.--.
Mit Entscheid vom 14. Juli 2009 wies der Einzelrichter im Familienrecht des
Kantonsgerichts St. Gallen den vom Ehemann gegen den erstinstanzlichen
Entscheid erhobenen Rekurs ab.

C.
Der Ehemann gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. August 2009 an das
Bundesgericht. Er ersucht um Aufhebung des Entscheides des Einzelrichters vom
14. Juli 2009 und um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur
Neubeurteilung.
Der Einzelrichter hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Ehefrau beantragt in
ihrer Eingabe vom 19. Oktober 2009, die Beschwerde sei abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 75 Abs.
1 und Art. 90 BGG) betreffend vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des
Scheidungsverfahrens (Art. 137 ZGB), der ausschliesslich den Unterhalt
zugunsten der Beschwerdeführerin zum Gegenstand hat (Art. 137 ZGB). Es liegt
damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) und eine vermögensrechtliche
Angelegenheit vor, wobei der Streitwert von mindestens Fr. 30'000.-- angesichts
der Höhe und der unbestimmten Dauer des Unterhaltsbeitrages offenkundig
überschritten wird (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. 1 und 4 BGG). Auf
die fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde in Zivilsachen
ist damit einzutreten.

1.2 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme
im Sinn von Art. 98 BGG (Urteil 5A_9/2007 vom 20. April 2007, E. 1.2.), womit
einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, vorab eine Verletzung des
Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend gemacht werden kann. Entsprechende Rügen
sind in der Beschwerde zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt das
Rügeprinzip entsprechend der bisherigen Praxis zur staatsrechtlichen
Beschwerde. In der Beschwerdeschrift ist deshalb anzuführen, welches
verfassungsmässige Recht verletzt sein soll und kurz darzulegen, worin die
behauptete Verletzung besteht (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397; 134 I 83 E. 3.2 S.
88).

1.3 Der Beschwerdeführer verlangt ausschliesslich die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Das
Obergericht hat die Frage nach einem möglichen und zumutbaren Einkommen
behandelt. Der angefochtene Entscheid enthält aber keine genügenden
tatsächlichen Feststellungen, die es dem Bundesgericht erlaubten, im Fall der
Gutheissung der Beschwerde einen Sachentscheid betreffend den Unterhaltsbeitrag
an die Beschwerdegegnerin zu fällen, für den Fall, dass sich die Ermittlung des
Einkommens des Beschwerdeführers als verfassungswidrig erwiese. Der
ausschliessliche Rückweisungsantrag ist daher zulässig (BGE 134 III 379 E. 1.3
S. 383).

2.
2.1 Dem angefochtenen Entscheid kann entnommen werden, dass der
Beschwerdeführer früher bei der C.________ AG als Geschäftsführer der
D.________ GmbH mit Sitz in E.________ angestellt war und daraus ein
durchschnittliches monatliches Einkommen von Fr. 14'300.-- erzielt hat.
Zusätzlich erwirtschafteten die Eheleute aus der Einzelfirma Y.________ einen
monatlichen Gewinn von rund Fr. 7'000.--.
Laut dem angefochtenen Entscheid ist dem Beschwerdeführer nunmehr seine
Arbeitsstelle bei der Multibus AG gekündigt worden. Dem arbeitslosen
Beschwerdeführer wird eine Arbeitslosenentschädigung entrichtet. Da er einen
Zwischenverdienst als freier Mitarbeiter in der Höhe von Fr. 3'000.--
realisiert, welcher ihm im Umfang von Fr. 2'400 (80%) angerechnet wird, beträgt
die Arbeitslosenentschädigung effektiv Fr. 5'000.-- netto pro Monat. Zu diesem
Betrag ist laut dem angefochtenen Entscheid das Nettoeinkommen aus dem
Zwischenverdienst, mithin ein Betrag von Fr. 2'600.-- netto (brutto Fr.
3'000.--) hinzuzurechnen, womit sich ein effektives Nettoeinkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit bzw. aus Arbeitslosenentschädigung von Fr.
7'600.-- ergibt.
Im Weiteren hat der Einzelrichter geprüft, ob noch zusätzlich ein
Erwerbseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit anzurechnen sei, und hat
dazu erwogen, der Beschwerdeführer sei während Jahren neben seiner
Vollbeschäftigung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er sei
Ideengeber der Firma Y.________ gewesen, habe spätestens seit Ende November
2007 über die Firmenunterlagen verfügt, weshalb es ihm möglich gewesen wäre,
die Geschäftstätigkeit auch ohne seine Ehefrau fortzusetzen. Daran vermöge
nichts zu ändern, dass ihm die Ehefrau die Verwendung der bisherigen Firma
untersagt habe, wäre es ihm doch trotzdem möglich gewesen, die Geschäfte unter
einer anderen Firma weiterzuführen. Zudem habe ihm im Eheschutzverfahren
nachgewiesen werden können, dass er auch nach der Trennung tatsächlich
weiterhin Einkünfte aus einer solchen Tätigkeit erzielt und auf ein eigenes
Konto habe auszahlen lassen. Im Rekursverfahren betreffend vorsorgliche
Massnahmen bringe der Beschwerdeführer nichts Neues vor, sondern beschränke
sich darauf, wie bereits im Eheschutzverfahren die Weiterführung solcher
Geschäfte zu bestreiten. Ob er diese Geschäftstätigkeit tatsächlich nicht
weiterführe, könne offenbleiben, zumal ihm gegebenenfalls ein hypothetisches
Einkommen in entsprechender Höhe anzurechnen wäre. Ausgehend von den in den
Jahren 2003 bis 2005 erzielten Gewinnen dieser Firma errechnete der
Einzelrichter ein erzielbares Nettoeinkommen aus der Geschäftstätigkeit von
durchschnittlich Fr. 7'000.-- pro Monat. Unter Berücksichtigung des Einkommens
aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bzw. aus Arbeitslosenentschädigung (Fr.
7'600.--) hat der Einzelrichter ein Gesamteinkommen von Fr. 14'600.--
errechnet.

2.2 Soweit der Beschwerdeführer sein effektives Einkommen mit lediglich Fr.
5'000.-- beziffert, kann auf seine Beschwerde nicht eingetreten werden. Der
Einzelrichter hat aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers ein effektives
Nettoeinkommen von Fr. 7'600.-- ermittelt. Der Beschwerdeführer legt nicht
substanziiert dar, inwiefern die Berücksichtigung dieses Einkommens willkürlich
sein soll (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid bleibt unbeachtlich.
2.3
2.3.1 Der Beschwerdeführer macht im Weiteren geltend, er beziehe eine
Arbeitslosenentschädigung von Fr. 5'000.-- netto pro Monat. Unter diesen
Umständen sei es willkürlich, ihm zusätzlich ein hypothetisches Einkommen von
Fr. 7'000.-- aus selbstständiger Erwerbstätigkeit anzurechnen und so von einem
Gesamteinkommen von Fr. 14'600.-- auszugehen.
2.3.2 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin sind die Vorinstanzen grundsätzlich
nicht von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen, sondern haben vielmehr
angenommen, der Beschwerdeführer verdiene mit der Geschäftstätigkeit
tatsächlich das veranschlagte Einkommen.

3.
Ob der Einzelrichter mit Bezug auf das Einkommen aus selbstständiger
Geschäftstätigkeit von einem tatsächlichen oder von einem hypothetischen
Einkommen ausgegangen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, zumal sich
der Entscheid so oder so als willkürlich erweist:
Vor der Kündigung betrug das Einkommen des Beschwerdeführers aus 100%iger
unselbständiger Erwerbstätigkeit Fr. 14'300.--. Mit der Kündigung reduzierte
sich dieses auf Fr. 7'600.--, bestehend aus der Arbeitslosenentschädigung von
Fr. 5'000.-- und dem Einkommen aus dem Zwischenverdienst aus unselbstständiger
Tätigkeit von Fr. 2'600.--. Verdiente der Beschwerdeführer zusätzlich zu den
vorerwähnten tatsächlichen Einkünften ein weiteres Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 7'000.-, wie der Einzelrichter
annimmt, hätte dies für den Beschwerdeführer eine Kürzung, wenn nicht gar die
Einstellung seiner Arbeitslosenentschädigung zur Folge (vgl. zu den
Anspruchsvoraussetzungen: Art. 8 des Bundesgesetzes über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung; AVIG; SR 837.0), womit
sein Gesamteinkommen keinesfalls Fr. 14'600.-- pro Monat, sondern - z.B. im
Fall der gänzlichen Streichung der Arbeitslosenentschädigung - Fr. 9'600.--
betrüge. Das hat der Einzelrichter nicht berücksichtigt. Damit aber erweist
sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis als willkürlich (zum
Willkürbegriff: BGE 131 I 57 E. 2 S. 61). Er ist aufzuheben und die Sache zur
Ermittlung des massgebenden Einkommens des Beschwerdeführers und zur
Festsetzung des Unterhaltsbeitrages an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG) und hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid
des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, vom 14. Juli
2009 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinn der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zbinden