Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.515/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_515/2009

Urteil vom 5. November 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Levante.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
Betreibungsamt Schaffhausen,
verfahrensbeteiligtes Amt.

Gegenstand
Nachpfändung, Auskunftspflicht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen,
Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen, vom 24. Juli
2009.

Sachverhalt:

A.
Das Betreibungsamt Schaffhausen vollzog in der gegen X.________ laufenden
Betreibung Nr. 1 (Gläubigerin: Y.________ AG) am 14. Januar 2009 die Pfändung
(Pfändungsurkunde vom 6. Februar 2009). Am 23. Februar 2009 verlangte die
Gläubigerin die Nachpfändung von 100 Inhaberaktien der A.________ AG, deren
Alleinaktionär der Schuldner sein soll. Am folgenden Tag lud das Betreibungsamt
X.________ auf den 4. März 2009 zur Nachpfändung vor. Nachdem der Schuldner
ausblieb, liess ihn das Betreibungsamt am 17. März 2009 (rechtshilfeweise durch
das Gemeindeammann- und Betreibungsamt Niederglatt) einvernehmen. Auf die Frage
nach 100 Inhaberaktien der A.________ AG, welche gemäss Begehren der
Gläubigerin zu pfänden seien, erklärte er, keine Aktien zu besitzen; diese
seien auch nicht bei seiner Mutter. Er werde die Namen der Aktionäre nicht
bekanntgeben. Mit Schreiben vom 25. März 2009 forderte das Betreibungsamt
Schaffhausen X.________ unter Strafandrohung auf, "die Eigentümer der
Inhaberaktien der A.________ AG mitzuteilen".

B.
Gegen diese Aufforderung gelangte X.________ an das Obergericht des Kantons
Schaffhausen als Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.
Er beklagte sich über das Vorgehen des Betreibungsamtes und beantragte die
Aufhebung der Aufforderung vom 25. März 2009. Mit Entscheid vom 24. Juli 2009
wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab und gab der
Aufsichtsanzeige keine Folge.

C.
X.________ ist mit als "staatsrechtliche Beschwerde" bezeichneter Eingabe vom
5. August 2009 (Postaufgabe) an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer
verlangt sinngemäss die Aufhebung des Entscheides der kantonalen
Aufsichtsbehörde vom 24. Juli 2009 und der Aufforderung des Betreibungsamtes
zur Auskunft vom 25. März 2009. Weiter ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege.
Mit Präsidialverfügung vom 28. August 2009 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der
Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Beschwerdeentscheide der
kantonalen Aufsichtsbehörden über eine Verfügung eines Vollstreckungsorganes
gemäss Art. 17 SchKG - wie sie die mit Strafandrohung verbundene Aufforderung
des Betreibungsamtes zur Angabe von Vermögenswerten nach Art. 91 SchKG ist (BGE
117 III 61 ff.) - stellen einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG dar (BGE
133 III 350 E. 1.2 S. 351). Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich
zulässig und die Eingabe des Beschwerdeführers ist als solche zu behandeln.

1.2 Auf Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG hin kann überprüft werden, ob die
Aufforderung zur Angabe von Vermögenswerten sich im gesetzlichen Rahmen bewegt
(vgl. BGE 117 III 61 E. 2 und 3 S. 62 ff.; 129 III 239 E. 3 S. 241). Wenn das
Betreibungsamt den Betroffenen in konkreter Weise auf seine in Art. 91 SchKG
festgelegten Pflichten (wie die Anwesenheits-, Auskunfts- und
Offenbarungspflicht des Schuldners) und die Straffolgen ausdrücklich aufmerksam
macht (Art. 91 Abs. 6 SchKG), gehört dies zum Pfändungsvollzug als materiellem
Akt der Zwangsvollstreckung (vgl. BGE 69 III 75 ff.; KUHN, Die Auskunftspflicht
des Schuldners, 1956, S. 37 f.; vgl. BGE 5A_197/2009 E. 1.2, "acte matériel").
Da die angefochtene Anordnung insoweit nicht durch einen einstweiligen,
prozessualen Charakter geprägt ist, fällt sie nicht unter die vorsorglichen
Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG (vgl. BGE 133 III 589 E. 1 S. 590) bzw.
sind die Beschwerdegründe nicht beschränkt, sondern es können die
Beschwerdegründe nach Art. 95 ff. BGG erhoben werden.

1.3 Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG), zu welchem nach der Begriffsbestimmung auch das
Verfassungsrecht gehört. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist in der Beschwerdeschrift
vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei das Rügeprinzip gilt
(BGE 133 III 589 E. 2 S. 591). Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung
seines Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) rügt, fehlt es in der
Beschwerdeschrift an einer Begründung und ist die Beschwerde unzulässig.

1.4 Im Weiteren legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde,
den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Unzulässig ist, was
der Beschwerdeführer (wie unter dem Titel "Vorgeschichte") u.a. an neuen
Tatsachen vorbringt (Art. 99 Abs. 1 BGG) oder wenn er sich nicht auf den
Gegenstand des angefochtenen Entscheides bezieht.

2.
2.1 Die Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass die Gläubigerin gestützt auf ihre
(leere) Pfändungsurkunde vom 6. Februar 2009 berechtigt gewesen sei, an das
Betreibungsamt zu gelangen, um gemäss Art. 115 Abs. 3 SchKG die Nachpfändung
von 100 Inhaberaktien der A.________ AG zu verlangen, deren Alleinaktionär der
Beschwerdeführer in den Augen der Gläubigerin sein soll. Der Beschwerdeführer
sei gemäss Art. 91 SchKG zur Auskunft verpflichtet, wo sich die in Frage
stehenden 100 Inhaberaktien befinden. Seine Ablehnung der Auskunft sei nicht
berechtigt, zumal es Sache des Betreibungsamtes sei, über den Pfändungsbeschlag
zu entscheiden. Die Aufsichtsbehörde hat geschlossen, die ausdrückliche
Aufforderung des Betreibungsamtes vom 25. März 2009 an den Beschwerdeführer,
unter Strafandrohung Auskunft über die 100 Inhaberaktien der A.________ AG zu
geben, sei nicht zu beanstanden.

2.2 Der Beschwerdeführer führt aus, dass er lediglich Kenntnis von der
Identität einiger, jedoch nicht aller Aktionäre habe. Die Aufsichtsbehörde gehe
jedoch zu Unrecht davon aus, dass die Inhaberaktien entweder in seinem Eigentum
oder Gewahrsam seien und er Alleinaktionär sei. Er sei seiner Auskunftspflicht
gemäss Art. 91 SchKG hinreichend nachgekommen. Die Aufsichtsbehörde verpflichte
ihn zu Unrecht, über Vermögenswerte Dritter, von welchen er zufällig oder aus
beruflichen Gründen Kenntnis habe, Auskunft zu geben.

3.
Im Wesentlichen wirft der Beschwerdeführer der Aufsichtsbehörde eine Verletzung
der Regeln über die Auskunftspflicht des Schuldners gemäss Art. 91 SchKG sowie
von Art. 9 BV vor.

3.1 Vorliegend hat die Gläubigerin am 23. Februar 2009 die Nachpfändung von 100
Inhaberaktien der A.________ AG verlangt, da der Beschwerdeführer nicht nur
alleiniger Verwaltungsrat und Geschäftsführer, sondern (seit der Übernahme im
Jahre 2005) auch Alleinaktionär der AG sei. Zu Recht ist unbestritten, dass im
Fall, in dem ein Gläubiger behauptet, ein gewisser Vermögensgegenstand stehe im
Eigentum des Schuldners, dieser gegebenenfalls nachzupfänden ist (BGE 42 III
116 S. 118), und dass die Regeln der Pfändung auch für die Nachpfändung gemäss
Art. 115 Abs. 3 SchKG gelten. Der Schuldner ist daher bei Straffolge
verpflichtet, seine Vermögensgegenstände, einschliesslich derjenigen, die sich
nicht in seinem Gewahrsam befinden, anzugeben, soweit dies zu einer genügenden
Pfändung nötig ist (Art. 91 SchKG Abs. 1 Ziff. 2 SchKG).

3.2 Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers hat die Aufsichtsbehörde
nicht über die Nachpfändung der erwähnten Aktien entschieden. Anlass zur
Beschwerde gibt einzig die Frage, ob das Betreibungsamt den Beschwerdeführer
(gemäss Art. 91 Abs. 6 SchKG) bei Straffolge auf seine Pflicht aufmerksam
machen durfte, Auskunft über die 100 Inhaberaktien der A.________ AG zu
erteilen.
3.2.1 Der Einwand des Beschwerdeführers, die Aufsichtsbehörde könne ihn nicht
zur Auskunft über "Vermögenswerte Dritter" verpflichten, geht fehl. Zwar trifft
zu, dass nur gepfändet werden darf, was dem Schuldner rechtlich gehört (BGE 105
III 107 E. 4 S. 115; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 23 Rz 2 ff.). Über die Pfändbarkeit entscheidet
allerdings nicht der Beschwerdeführer als Schuldner, sondern - wie die
Aufsichtsbehörde zu Recht erwogen hat - das Betreibungsamt (Jaeger,
Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1911, N. 6 und 7 zu Art. 91). Ebenso ist
es Sache des Betreibungsamtes, eine Pfändung unter Vormerkung von Ansprüchen
Dritter vorzunehmen (Art. 106 ff. SchKG).
3.2.2 Der Beschwerdeführer übergeht, dass er als Schuldner dem Betreibungsamt
umfassend, d.h. auch bei konkreten Anfragen nach bestimmten Vermögensstücken
Auskunft zu geben hat, z.B. über Objekte, von denen der Beamte kraft eigenen
Wissens, auf Grund von Angaben seitens Dritter oder des Gläubigers Kenntnis hat
(vgl. Jeandin, Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 9 zu art.
91; KUHN, a.a.O., S. 38). Die Auskunftspflicht des Schuldners kann sich im
Hinblick auf mögliche Anfechtungsgeschäfte auch auf die sogenannte
Verdachtsperiode beziehen (BGE 129 III 239 E. 3.2 S. 241 f.; Urteil 7B.109/2004
vom 17. August 2004 E. 4.2), so dass der Schuldner dem Betreibungsbeamten auch
Aufschluss z.B. über Veräusserungen zu erteilen hat (Kuhn, a.a.O., S. 61 f.).
Vorliegend steht nach dem angefochtenen Entscheid fest, dass das Betreibungsamt
von der Gläubigerin konkrete Hinweise auf mögliche pfändbare Vermögenswerte
erhalten hat. Wenn die Aufsichtsbehörde die Auskunftspflicht des
Beschwerdeführers bestätigt hat, obwohl dieser selber der Meinung ist, die 100
Inhaberaktien der A.________ AG gehörten ihm nicht, kann von einer
Rechtsverletzung nicht gesprochen werden.
3.2.3 Aus dem angefochtenen Entscheid geht weiter hervor, dass der
Beschwerdeführer die Auskunft über die 100 Inhaberaktien abgelehnt hat. Diese
Ablehnung der Auskunft ist eine für das Bundesgericht verbindliche
Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 1 BGG), und der Beschwerdeführer legt
nicht dar, inwiefern diese auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Der Hinweis des
Beschwerdeführers, dass die Auskunft "ungeahnte Wirkungen", z.B. auf die
Privatsphäre derjenigen Personen habe, welche die betreffenden Aktien in der
Hand halten, ist unbehelflich. Das Gesetz sieht vor, dass Dritte, welche
Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren, im gleichen Umfang wie der
Schuldner auskunftspflichtig sind (Art. 91 Abs. 4 SchKG), und dass sie
allenfalls ihre Ansprüche im Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG) geltend
zu machen haben. Der Beschwerdeführer legt insoweit nicht dar, inwiefern die
Aufforderung des Betreibungsamtes, Auskunft über die 100 Inhaberaktien der
A.________ AG zu erteilen, und der Hinweis auf die Straffolgen eine
Rechtsverletzung darstellen sollen (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.3 Nach dem Dargelegten ist der Vorwurf des Beschwerdeführers, die
Aufsichtsbehörde habe die Regeln über seine Pflichten als Schuldner im
Pfändungsverfahren unrichtig angewendet, unbegründet.

4.
Aus diesen Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem
Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Entschädigungspflicht entfällt, da die Gläubigerin als Beschwerdegegnerin mit
ihren Anträgen in der Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht
durchgedrungen ist; in der Sache sind keine Vernehmlassung eingeholt worden,
weshalb ihr keine weiteren Kosten entstanden sind.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen,
zumal die Bedürftigkeit innert der gewährten Frist nicht belegt worden ist
(Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen,
Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. November 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Levante