Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.514/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_514/2009

Urteil vom 25. Januar 2011
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Bettler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Badertscher,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Mark Furger,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kostenbeschwerde (Erbteilung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 1. Juli 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 29. Mai 2006 (Gesuch um Durchführung der Sühneverhandlung vom 11. April
2006) erhob Y.________ beim Bezirksgericht Bülach eine Erbteilungsklage gegen
X.________. Im Laufe des Verfahrens einigten sich die Parteien über die Teilung
des Nachlasses und schlossen am 21. November 2007 vor dem Bezirksgericht einen
Vergleich ab, den das Bezirksgericht in seinen Beschluss vom 5. Dezember 2007
aufnahm und das Verfahren als durch Vergleich erledigt abschrieb.

B.
Mit Gesuch vom 16. Juni 2008 verlangte Y.________ die Vollstreckung des
bezirksgerichtlichen Beschlusses vom 5. Dezember 2007. X.________ beantragte in
ihrer Antwort vom 18. August 2008 die Abweisung des Gesuchs und forderte in
einem Punkt selbst die Vollstreckung. In der Folge schlossen die Parteien am
30. Oktober 2008 vor dem Bezirksgericht eine Teilvereinbarung ab und
überliessen die noch strittigen Punkte (unter anderem auch den Entscheid über
die Prozesskosten des Vollstreckungsverfahrens) dem Bezirksgericht.
Mit Verfügung vom 18. März 2009 vollzog das Bezirksgericht die Teilvereinbarung
vom 30. Oktober 2008 (soweit Anweisungen an das Notariat, das Grundbuchamt, die
Bank und den Erbenvertreter betreffend), schrieb das Verfahren im Umfang des
Vergleichs ab und entschied über die noch strittigen Punkte. Die Gerichtskosten
setzte es (ausgehend von einem Streitwert von Fr. 786'500.--) auf Fr. 26'505.80
fest (Ziff. 9 des Dispositivs), auferlegte diese X.________ (Ziff. 10 des
Dispositivs) und verpflichtete sie zu einer Prozessentschädigung von Fr.
28'190.-- an Y.________ (Ziff. 11 des Dispositivs).

C.
Dagegen rekurrierte X.________ an das Obergericht des Kantons Zürich und
verlangte insbesondere die Auferlegung der Gerichtskosten an Y.________ sowie
deren Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Parteientschädigung.
Eventualiter erhob sie eine Kostenbeschwerde gegen die bezirksgerichtlich
festgelegte Höhe der Gerichtskosten.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2009 hiess das Obergericht den Rekurs teilweise gut
und änderte Ziff. 10 und 11 des bezirksgerichtlichen Dispositivs dahingehend
ab, als es die Kosten zu 10% Y.________ und zu 90% X.________ auferlegte und
die Prozessentschädigung an Y.________ auf Fr. 25'400.-- reduzierte. Im Übrigen
wies es den Rekurs ab. Auch die Kostenbeschwerde wies es (sinngemäss) ab, da es
die bezirksgerichtliche Festlegung der Gerichtskostenhöhe nicht beanstandete.

D.
Dem Bundesgericht beantragt X.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) in
ihrer Beschwerde vom 3. August 2009 die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils
betreffend die Abweisung der Kostenbeschwerde und die angemessene Reduktion der
Gerichtsgebühr des bezirksgerichtlichen Verfahrens, wobei diese auf höchstens
Fr. 3'270.-- festzusetzen sei. Eventualiter verlangt sie die Rückweisung der
Sache an das Obergericht zu neuer Beurteilung.
Weiter ersucht die Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung
vom 5. August 2009 hat die Abteilungspräsidentin das Gesuch um aufschiebende
Wirkung abgewiesen.
Zudem hat die Abteilungspräsidentin das bundesgerichtliche Verfahren bis zum
Entscheid über die von der Beschwerdeführerin am 3. August 2009 beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde (gegen
die Abweisung des Rekurses durch das Obergericht) sistiert. Das
Kassationsgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 3. September
2010 teilweise gutgeheissen und den obergerichtlichen Rekursentscheid insoweit
abgeändert, als es die Kosten (des bezirksgerichtlichen Verfahrens) zu 25%
Y.________ (nachfolgend Beschwerdegegnerin) und zu 75% der Beschwerdeführerin
auferlegte und die Prozessentschädigung an die Beschwerdegegnerin auf Fr.
14'095.-- reduzierte. Dagegen wurde kein Rechtsmittel ergriffen.
Es sind die Akten, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist die kantonal letztinstanzliche (Art. 75 Abs. 1 BGG)
Festsetzung der Gerichtskosten in einem Verfahren, das die Vollstreckung eines
im Erbteilungsverfahren ergangenen Entscheides (Beschluss vom 5. Dezember 2007)
zum Gegenstand hat und damit eine Zivilsache vermögensrechtlicher Natur
darstellt (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 und Art. 74 Abs. 1 BGG). Es kann offen
gelassen werden, ob der vorliegenden Beschwerde ein Streitwert von mindestens
Fr. 30'000.-- zugrunde liegt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), da die
Beschwerdeführerin nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügt (Art. 9
und Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; zum Begriff der verfassungsmässigen
Rechte vgl. BGE 131 I 366 E. 2.2 S. 367 f.).

1.2 Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Anträge auf Geldforderungen sind zu beziffern (BGE 134 III 235 E. 2 S.
236 f.). Dies gilt namentlich auch für die selbständige Anfechtung der
kantonalen Kostenregelung. Soweit die Beschwerdeführerin die "angemessene"
Reduktion der bezirksgerichtlichen Gerichtsgebühr verlangt, genügt sie diesen
Anforderungen nicht. Sie präzisiert aber in ihrem Rechtsbegehren, die
Gerichtsgebühr sei auf höchstens Fr. 3'270.-- festzusetzen. Unter diesen
Umständen ist ihr Hauptantrag so zu verstehen (BGE 99 II 176 E. 2 S. 180 f.),
dass sie die Herabsetzung der umstrittenen Gerichtskosten für das
erstinstanzliche Verfahren auf Fr. 3'270.-- begehrt (BGE 119 II 333 E. 3 S.
334; Urteil 4A_43/2008 vom 4. März 2008 E. 2.2 mit Hinweisen, in: Pra 2008 Nr.
121 S. 758).

2.
2.1 Gemäss § 64 Abs. 1 der Zivilprozessordnung des Kantons Zürich vom 13. Juni
1976 (ZPO; LS 271; in Kraft bis zum 31. Dezember 2010) bemessen sich die
Gerichtskosten nach den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes des
Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (GVG; LS 211.1; in Kraft bis zum 31. Dezember
2010). In § 202 Abs. 1 GVG wird die Verordnungskompetenz für die
Gebührenansätze an das Obergericht delegiert, das am 4. April 2007 die
vorliegend massgebende Verordnung über die Gerichtsgebühren erlassen hat (GebV;
LS 211.11; in der Fassung bis zum 31. Dezember 2010). Für vermögensrechtliche
Streitigkeiten sieht § 4 Abs. 1 GebV einen streitwertabhängigen Tarif vor. Der
Streitwert richtet sich nach dem Rechtsbegehren des Klägers zur Zeit des
Eintritts der Rechtshängigkeit (§ 18 Abs. 1 ZPO/ZH).

2.2 Mit der Kostenbeschwerde gemäss § 206 GVG, die einen Sonderfall der aus dem
Aufsichtsrecht fliessenden Beschwerde im Sinne von § 108 ff. GVG darstellt,
kann die Höhe der Kostenansätze der Gerichte, das heisst die den Parteien
auferlegten Gerichtsgebühren und Kosten, angefochten werden. Die Festsetzung
der Gerichtskosten stellt nicht einen Akt der Rechtsprechung, sondern einen
solchen der Justizverwaltung dar (ZR 102/2003 S. 14).

3.
3.1 Das Obergericht hielt fest, der Streitwert richte sich nach dem
klägerischen Begehren, vorliegend also der Vollstreckung eines in einem
Erbteilungsverfahren zustande gekommenen gerichtlichen Vergleichs. Bei
Erbteilungsklagen richte sich der Streitwert regelmässig nach dem Geldwert des
klägerischen Erbanteils, der vorliegend Fr. 786'500.-- betrage. Da die
Beschwerdeführerin die vollständige Abweisung des Vollstreckungsbegehrens
verlangt habe, richte sich demnach auch der Streitwert nach dem gesamten
Rechtsbegehren der Beschwerdegegnerin. Demnach sei sowohl die Festsetzung des
Streitwerts als auch die darauf basierende Berechnung der Gerichtskosten anhand
von § 4 GebV durch das Bezirksgericht nicht zu beanstanden.
3.2
3.2.1 Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, im Vollstreckungsverfahren sei
einzig noch die Ablösung einer Hypothek in der Höhe von Fr. 43'000.-- strittig
gewesen. Hingegen habe sie sich der Vollstreckung der übrigen Begehren der
Beschwerdegegnerin nicht entgegengesetzt. Der Streitwert bestimme sich danach,
was die Klägerin fordere und die Beklagte zuzugestehen sich weigere und trotz
Anerkennung ihrer Schuldpflicht nicht leiste. Demnach habe der Streitwert im
Vollstreckungsverfahren höchstens noch die Hälfte des Wertes der strittigen
Hypothek betragen, somit Fr. 21'500.--. In Anwendung von § 4 GebV resultiere
damit eine Gerichtsgebühr von Fr. 3'270.--.
Das Obergericht habe wie das Bezirksgericht für die Bemessung des Streitwerts
einzig auf ihren Antrag auf Abweisung des Vollstreckungsgesuchs in der Antwort
auf das Vollstreckungsgesuch (Eingabe vom 18. August 2008) abgestellt. Hingegen
habe es die Begründung dieser Eingabe nicht beigezogen, obwohl daraus
ersichtlich geworden wäre, dass sie sich der Vollstreckung mit einer Ausnahme
(Hypothek) gar nicht widersetze, sondern erfüllungsbereit gewesen sei.
3.2.2 Damit habe das Obergericht nicht nur den Streitwert gestützt auf § 18 ZPO
/ZH willkürlich (Art. 9 BV) berechnet, sondern sei durch die rein formelle
Anknüpfung an ihren Antrag auf Abweisung des Vollstreckungsgesuchs (ohne die
Begründung heranzuziehen) auch in überspitzten Formalismus verfallen, was eine
Form der Rechtsverweigerung darstelle und Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1
EMRK verletze.

4.
4.1 Wird eine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 9 BV geltend gemacht,
muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an
einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Willkürlich ist ein
Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar
erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich
unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine
Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur
vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar ist, was die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde
aufzuzeigen hat (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.; 131 I 217 E. 2.1 S. 219).

4.2 Gemäss § 18 Abs. 1 ZPO/ZH richtet sich der Streitwert wie erwähnt (E. 2.1
oben) nach dem Rechtsbegehren der Klägerin zur Zeit des Eintritts der
Rechtshängigkeit. Vorliegend erging der bezirksgerichtliche Entscheid im
summarischen Verfahren. Dieses wird beim Einzelrichter mit mündlichem oder
schriftlichem Begehren rechtshängig gemacht (§ 205 ZPO/ZH). Die
Rechtshängigkeit tritt damit mit der Einreichung des Begehrens ein und hat die
entsprechenden Wirkungen, insbesondere auch die Festlegung des Zeitpunkts zur
Bemessung des Streitwerts (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 1 zu § 205 ZPO/ZH).
Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Formulierung ("Rechtsbegehren des Klägers")
und der zeitlichen Fixierung ("Eintritt der Rechtshängigkeit") stellt sich
bereits die Frage, inwiefern für die Streitwertberechnung die Position der
Beklagten überhaupt noch zu berücksichtigen ist (vgl. Vogel/Spühler, Grundriss
des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, N. 4.100; GULDENER, Schweizerisches
Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 110). Dies umso mehr, als mit der
Totalrevision der Zivilprozessordnung des Kantons Zürich im Jahr 1976 die
frühere Bestimmung zum Streitwert (§ 21 Abs. 1 aZPO/ZH: "Der Streitwert wird
durch das klägerische Rechtsbegehren bestimmt, in der Weise, dass als
streitiger Betrag der Wert derjenigen Leistung zu betrachten ist, welche der
Kläger von dem Beklagten fordert und dieser zuzugestehen sich weigert") im
erwähnten Sinne geändert wurde.

4.3 Jedenfalls kann nicht von einer willkürlichen Anwendung von Art. 18 Abs. 1
ZPO/ZH gesprochen werden, wenn das Obergericht im Ergebnis für den Streitwert
auf die Begehren der Beschwerdegegnerin abgestellt hat.

5.
5.1 Das Verbot des (eine nach Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verbotene formelle Rechtsverweigerung darstellenden) überspitzten Formalismus
wendet sich gegen prozessuale Formenstrenge, die als exzessiv erscheint, durch
kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird
und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert
oder gar verhindert (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; 128 II 139 E. 2a S. 142).

5.2 Überspitzt formalistisch wäre es, eine Partei auf der unglücklichen
Formulierung oder beim unbestimmten Wortlaut ihres Rechtsbegehrens zu behaften,
wenn sich dessen Sinn unter Berücksichtigung der Klagebegründung, der Umstände
des zu beurteilenden Falles oder der Rechtsnatur der betreffenden Klage ohne
Weiteres ermitteln liesse (Urteil 5P.35/2005 vom 4. Mai 2005 E. 1.1). Weder
wird aber von der Beschwerdeführerin behauptet, noch ist ersichtlich, inwiefern
das von ihrem Anwalt verfasste Rechtsbegehren auf Abweisung des
Vollstreckungsgesuchs unbestimmt oder unglücklich formuliert sein soll. Indem
sich das Obergericht auf diesen klaren Antrag abstützte, handelte es nicht
überspitzt formalistisch.

6.
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden. Die
Beschwerdeführerin wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2011
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Bettler