Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.47/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_47/2009/don

Urteil vom 6. Februar 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer. Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Aerztliche Leitung der Psychiatrischen Klinik Y.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fürsorgerische Freiheitsentziehung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug,
Fürsorgerechtliche Kammer, vom 15. Januar 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a Die Beschwerdeführerin war kurz nach ihrer Scheidung in der Zeit vom 7.
März 1994 bis 24. März 1995 in der Klinik Z.________ hospitalisiert, wo bei ihr
eine polymorph-psychotische Störung diagnostiziert wurde und von wo sie
schliesslich mit der Diagnose eines schizophrenen Residuums entlassen werden
konnte. In den folgenden Jahren wurde sie ambulant betreut. Nach einer
zwischenzeitlichen depressiven Symptomatik wurde die Beschwerdeführerin 1997
unter anderem wegen Vergiftungs- und Verfolgungsideen auffällig und musste
schliesslich wegen zunehmender psychotischer Dekompensation am 23. Juni 1997 in
die Klinik Z.________ eingewiesen werden; dort wurde eine gemischte
schizoaffektive Störung, differentialdiagnostisch paranoide Schizophrenie,
diagnostiziert. Nach ihrer Entlassung am 2. Oktober 1997 wurde die
Beschwerdeführerin wegen schizoaffektiver Störungen bis 2007 ambulant
medizinisch betreut. Am 30. Mai 2007 trat sie wegen Verdachts auf einen Schub
schizoaffektiver Störung auf Veranlassung ihres Arztes in die Psychiatrische
Klinik Y.________ ein, wo eine schizoaffektive Störung, gegenwärtig manisch,
erkannt wurde; die Beschwerdeführerin konnte schliesslich die Klinik am 6. Juli
2007 in deutlich gebessertem Zustand verlassen und wurde erneut ambulant
betreut.
A.b Am 15. Dezember 2008 wurde die Beschwerdeführerin notfallmässig in die
Psychiatrische Klinik Y.________ eingewiesen.

B.
Die Beschwerdeführerin gelangte gegen die Einweisung mit Eingabe vom 23.
Dezember 2008 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit dem sinngemässen
Begehren um Entlassung. Am 5. Januar 2009 wurde die Beschwerdeführerin von der
fürsorgerischen Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug angehört. Am 12.
Januar 2009 erstattete Dr. med. A.________, B.________, im Auftrag des Gerichts
ein ärztliches Gutachten. Am 15. Januar 2009 wies das Verwaltungsgericht die
Beschwerde ab.

C.
Die Beschwerdeführerin gelangt mit einer am 19. Januar 2009 der Post
übergebenen Eingabe an das Bundesgericht und beantragt sinngemäss die Aufhebung
des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts und die sofortige Entlassung
aus der Klinik. Sie ergänzte ihre Eingabe mit einem an das Verwaltungsgericht
gesandten Fax vom 28. Januar 2009.
Das Verwaltungsgericht und die ärztliche Leitung der Psychiatrischen Klinik
haben sich mit Eingaben vom 22. Januar bzw. 23. Januar 2009 vernehmen lassen.
Das Verwaltungsgericht verweist auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils
und beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid betreffend
fürsorgerische Freiheitsentziehung, wogegen die Beschwerde in Zivilsachen
gegeben ist (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG, Art. 75 Abs. 1 BGG). Mit dieser
kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich
verfassungsmässiger Rechte sowie von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 BGG).

1.2 Soweit sich die Beschwerdeführerin überhaupt rechtsgenüglich mit dem
angefochtenen Urteil auseinandersetzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), die Zurückbehaltung
in der Klinik sinngemäss als unverhältnismässig bezeichnet und damit eine
Verletzung von Art. 397a Abs. 1 ZGB rügt, ist auf die Beschwerde einzutreten.
Als unzulässig erweist sie sich hingegen, soweit sich die Beschwerdeführerin
gegen die Zwangsbehandlung richtet, bildete diese doch nicht Gegenstand des
Urteils vom 15. Januar 2009; damit liegt, was die Zwangsbehandlung anbelangt,
kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor (Art. 75 Abs. 1 BGG). Die
ergänzende Eingabe der Beschwerdeführerin bleibt unbeachtlich, zumal sie
lediglich per Fax erfolgt ist (BGE 121 II 252).

2.
Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit,
Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer
Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten
werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden
kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Wie bei der Einweisung in eine Anstalt ist auch
bei der Zurückbehaltung des Betroffenen das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu
beachten. Erforderlich ist, dass der Betroffene infolge der im Gesetz
umschriebenen Schwächezustände persönlicher Fürsorge bedarf, die ihm nur in
einer Anstalt gewährt werden kann (BGE 114 II 213 E. 5). Ferner ist die
Belastung zu berücksichtigen, welche die Person für ihre Umgebung bedeutet
(Art. 397a Abs. 2 ZGB). Sobald es sein Zustand erlaubt, muss der von der
fürsorgerischen Freiheitsentziehung Betroffene entlassen werden (Art. 397a Abs.
3 ZGB; zum Ganzen: BGE 134 III 289 E. 4).

2.1 Die Beschwerdeführerin war in den Jahren 1994 bis 2007 mehrfach wegen
psychischer Störungen in psychiatrischen Kliniken untergebracht, wobei
anlässlich des Aufenthaltes in der Klinik Z.________ im Jahr 2007 eine
gemischte schizoaffektive Störung, differentialdiagnostisch paranoide
Schizophrenie, diagnostiziert wurde. Der gerichtliche Gutachter diagnostizierte
eine akute Dekompensation der bei der Beschwerdeführerin bekannten
schizoaffektiven Störung mit Manie und Psychose. Damit liegt wie die Vorinstanz
angenommen hat, bei der Beschwerdeführerin ein Schwächezustand im Sinn von Art.
397a Abs. 1 ZGB vor. Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob die
Beschwerdeführerin wegen des festgestellten Gesundheitszustandes der Fürsorge
bedurfte, die ihr nur in einer Anstalt gewährt werden konnte.

2.2 Am Tag der Einweisung (15. Dezember 2008) rief der Sohn der
Beschwerdeführerin aus deren Wohnung den Notfallarzt an und berichtete, die
Beschwerdeführerin befinde sich in einem akuten psychotischen Zustand, sie
spreche mit einer dritten Person, nenne sich selbst Kind einer
Professorenfamilie, zerschlage Vasen und andere Gegenstände und sei nicht mehr
zur Einnahme der Medikamente zu bewegen. In der Klinik fand der einweisende
Arzt die Beschwerdeführerin in einem akuten Erregungszustand, wild um sich
schreiend und alle sich ihr nähernden Personen aufs Übelste beschimpfend vor
und stellte überdies fest, dass die Beschwerdeführerin nicht zugänglich sei. Er
ging deshalb von einem wahnhaften Erleben und Halluzinationen aus. Nach dem für
die Einweisung zuständigen Arzt war die Einweisung zur stationären Behandlung
unumgänglich.
Aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Entscheid bedurfte die
Beschwerdeführerin anlässlich der Einweisung der Fürsorge in Form einer
sofortigen medizinischen Behandlung, wobei sich eine ambulante Behandlung als
unmöglich erwies. Die notwendige Fürsorge in Form einer Behandlung des akuten
Gesundheitszustandes konnte ihr somit nur in einer Anstalt zuteil werden und
die Einweisung war deshalb mit Art. 397a Abs. 1 ZGB zu vereinbaren. Zu prüfen
bleibt, ob eine Zurückbehaltung nach wie vor als bundesrechtskonform erscheint.

2.3 Nach dem angefochtenen Entscheid erklärte einer der an der Verhandlung
befragten Ärzte, eine akute Selbstgefährdung im Sinn einer Suizidalität sei
weder in der Klinik noch im Fall einer baldigen Entlassung der
Beschwerdeführerin anzunehmen. Im letzteren Fall gehe die Klinik jedoch davon
aus, dass die Reize, mit denen die Beschwerdeführerin konfrontiert sei, zu
stark seien und es deshalb rasch wieder zu einer Exazerbation kommen könnte. Es
sei mit einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen, wenn
die Beschwerdeführerin im aktuellen Zustand entlassen würde. Der gerichtliche
Experte gelangt in seinem Gutachten zum Schluss, im gegenwärtig geschützten
Rahmen der Klinik und unter Reizabschirmung sowie unter zunehmend freiwilliger
Einnahme auch der Reservemedikation bestehe keine akute Selbstgefährdung im
Sinn einer Suizidalität, Verwahrlosung oder Verschlechterung des
Krankheitsbildes. Allerdings bestehe noch eine gewisse Nachwirkung des
Clopixols aus der Zwangsmedikation. Für den Fall baldiger Entlassung bestünden
ernsthafte Zweifel an der Einsicht der Beschwerdeführerin, die
psychotherapeutischen Medikamente weiterhin in erhöhter Dosis als bisher
einnehmen zu müssen. Die Beschwerdeführerin könne zur Zeit noch nicht voll in
das Stationsleben integriert werden; es habe noch keine Behandlung
therapeutischer Art angefangen werden können. Bei einer sofortigen Entlassung
werde die Beschwerdeführerin derzeit mit Sicherheit zu starken Reizen
ausgesetzt werden, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ein auffälliges
psychotisches Verhalten zu erwarten sei. Suizidale Vorkommnisse seien aus den
Akten nicht ersichtlich.

2.4 Aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass der
Gesundheitszustand, der zur notfallmässigen Einweisung der Beschwerdeführerin
führte, derzeit noch nicht derart stabilisiert ist, dass eine Entlassung zu
verantworten wäre: Die Einsicht der Beschwerdeführerin, die derzeit hohe
erforderliche Dosis an Medikamenten einzunehmen, ist laut dem angefochtenen
Urteil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden. Eine
Integration in das Stationsleben ist noch nicht erfolgt. Aus den Darstellungen
im angefochtenen Urteil lässt sich schliessen, dass bei einer derzeitigen
Entlassung sehr bald wieder mit einem Zustand gerechnet werden muss, der erneut
eine notfallmässige Einweisung zur Folge hätte und wiederum zu einer
erheblichen Belastung der Familienangehörigen führte. Unter diesen Umständen
ist eine Entlassung derzeit nicht in Betracht zu ziehen (vgl. dazu: SPIRIG
Zürcher Kommentar 3. Aufl. 1995, N. 303 zu Art. 397a ZGB). Die weitere
Zurückbehaltung der Beschwerdeführerin erweist sich damit als
bundesrechtskonform. Die Klinikleitung wird freilich so bald als möglich zu
prüfen haben, ob sich eine Entlassung der Beschwerdeführerin rechtfertigt.

3.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es
rechtfertigt sich, im vorliegenden Fall keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Fürsorgerechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zbinden