Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.388/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_388/2009

Urteil vom 29. Juni 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Parteien
1. X.________, vertreten durch Advokat Y.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Psychiatrie-Rekurskommission Z.________.

Gegenstand
Parteientschädigung (fürsorgerische Freiheitsentziehung),

Beschwerde in Zivilsachen/subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid
vom 16. April 2009.

Sachverhalt:

A.
X.________ trat am 1. April 2009 freiwillig in die Psychiatrische Klinik
A.________ ein. Im Verlaufe des Eintrittstages wünschte sie, die Klinik wieder
zu verlassen, weshalb ihr die Ärztin des Gesundheitsdienstes fürsorgerisch die
Freiheit entzog.

B.
X.________ gelangte dagegen mit Rekurs vom 6. April 2009 an die
Psychiatrie-Rekurskommission des Kantons Basel-Stadt und ersuchte um
Entlassung. Ferner stellte sie das Begehren, die Kosten des Verfahrens dem
Gemeinwesen aufzuerlegen, subsidiär ihr im Fall des Unterliegens den
Kostenerlass (die unentgeltliche Rechtspflege) zu gewähren. Mit Entscheid vom
16. April 2009 hiess die Kommission den Rekurs gut, bewilligte der Rekurrentin
die unentgeltliche Rechtspflege und sprach dem Rechtsvertreter, Y.________, ein
(reduziertes) Honorar von Fr. 1'555.90 (inkl. 7.6% MWST) zulasten des
Gesundheitsdepartementes Basel-Stadt zu.

C.
X.________ und ihr amtlicher Rechtsbeistand, Y.________, haben gegen diesen
Entscheid am 11. Mai 2009 Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre
Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragen, den Kostenentscheid der
Vorinstanz aufzuheben und der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor der
Psychiatrie-Rekurskommission eine Parteientschädigung von Fr. 1'900.20 (inkl.
MWST) zuzusprechen. Die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht seien der
Psychiatrie-Rekurskommission aufzuerlegen. Eventualiter sei der
Beschwerdeführerin der Kostenerlass für die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens zu bewilligen. Die Psychiatrie-Rekurskommission schliesst auf
Abweisung der Beschwerden.

Erwägungen:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine letztinstanzliche
(Art. 75 Abs. 1 BGG) Beurteilung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung,
mithin um eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG, die
grundsätzlich mit Beschwerde in Zivilsachen angefochten werden kann. Da im
vorliegenden Fall aber nur die Parteientschädigung streitig ist und der
Streitwert Fr. 30'000.-- bei weitem nicht erreicht wird, ist nur die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gegeben (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 113 BGG; vgl.
Urteil 5D_88/2008 vom 14. August 2008 E. 1). Auf die Beschwerde in Zivilsachen
ist nicht einzutreten.

1.2 Beide Beschwerdeführer verfügen über ein rechtlich geschütztes Interesse an
der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art. 115 lit. b BGG; vgl. 5P.241/
2000 vom 10. Januar 2001).

2.
2.1 Der angefochtene Entscheid hat die Entschädigung des Beschwerdeführers ohne
Begründung festgesetzt. Nach der mündlich nachgelieferten "Erläuterung" des
Präsidenten der Rekurskommission wird der geltenden Praxis folgend, in Fällen,
in denen wie hier Kostenerlass für den Fall des Unterliegens beantragt wird,
auch bei Obsiegen der Partei nur ein reduziertes Anwaltshonorar (Fr. 180.-- pro
Stunde) ausgerichtet; ein volles Honorar (Fr. 220.-- pro Stunde) wird nur dann
gesprochen, wenn kein Kostenerlass verlangt wird. Die Rekurskommission hat
daher ein Honorar von Fr. 1'555.90 zuerkannt, das sich aus einer Entschädigung
von 8 Stunden zu Fr. 180.--/Std., aus den Telefonkosten von Fr. 6.-- gemäss
Honorarnote und der Mehrwertsteuer von 7.6% zusammensetzt.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, aus der von der Rekurskommission
geübten Praxis ergebe sich für den konkreten Fall, dass ihm eine ordentliche
Parteientschädigung von Fr. 1'900.20 (8 Std. zu Fr. 220.--/Std. zuzüglich Fr.
6.-- Telefonkosten und Mehrwertsteuer von 7.6%) zugesprochen worden wäre, wenn
die Beschwerdeführerin im Verfahren keinen Eventualantrag auf unentgeltliche
Prozessführung gestellt hätte. Die Vorinstanz übersehe mit ihrer Praxis, dass
es mit der Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nicht darum gehe,
die unterliegende Partei von der Bezahlung einer Parteientschädigung zu
entlasten, sondern der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht zu
ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil 5P.421/2000 vom
10 Januar 2001) habe der öffentlich-rechtliche Entschädigungsanspruch
subsidiären Charakter und bleibe daher ohne Einfluss auf die
Prozessentschädigung des unterliegenden Prozessgegners. Er komme nur zum
Tragen, wenn keine Prozessentschädigung geschuldet oder diese uneinbringlich
sei, weshalb kein sachlicher Grund bestehe, die Entschädigung der obsiegenden
Partei nur deshalb zu kürzen, weil ihr ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
bestellt worden sei. Die von der Vorinstanz vorgenommene Unterscheidung
verletze Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 BV. Aufgrund dieser Überlegungen sei der
angefochtene Kostenentscheid aufzuheben und die Entschädigung auf Fr. 1'900.20
festzusetzen.

2.3 Entgegen der Auffassung der Rekurskommission erweist sich die Beschwerde
mit den vorgenannten Ausführungen als genügend begründet, werden doch darin die
als verletzt erachteten Bestimmungen erwähnt; ferner wird verständlich
aufgezeigt, inwiefern diese Bestimmungen durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sein sollen. Dass nicht auf kantonale Normen Bezug genommen
worden ist, schadet den Beschwerdeführern nicht (siehe dazu E. 3.2). Unter dem
Gesichtspunkt der Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III
393 E. 6 S. 397) kann auf die Beschwerde eingetreten werden.

2.4 Im Übrigen macht die Rekurskommision geltend, der Möglichkeit, im Fall des
Obsiegens eine Parteientschädigung zuzusprechen, stehe die Verpflichtung der
Behörde gegenüber, den Rekurrierenden die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren, wenn deren Voraussetzungen erfüllt seien. Es bestehe keine durch ein
kantonales Gesetz begründete Verpflichtung, dem obsiegenden Rekurrenten für die
ihm entstandenen Anwaltskosten eine Parteientschädigung auszurichten. Weder aus
dem Psychiatriegesetz noch aus anderen das Rekursverfahren regelnden Gesetzen
des Kantons Basel-Stadt ergebe sich, dass der Entschädigung des unentgeltlichen
Rechtsbeistands im Verhältnis zur Ausrichtung einer Parteientschädigung
subsidiären Charakter zukomme. Durch die Entschädigung des Rechtsbeistands
unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nach den Grundsätzen der unentgeltlichen
Rechtspflege entstehe der verbeiständeten Person kein Nachteil, zumal das
Psychiatriegesetz auch im Fall der verbesserten wirtschaftlichen Verhältnisse
des Verbeiständeten keine Rückerstattung von im Rahmen der unentgeltlichen
Rechtspflege bezahlten Anwaltskosten vorsehe. Sodann habe der amtliche
Rechtsbeistand eine Kürzung des Honorars hinzunehmen und er sei nicht
berechtigt, von der verbeiständeten Person ein zusätzliches Honorar zu
verlangen. Mit der Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung trete der
Rechtsbeistand des Rekurrenten in ein besonderes Auftragsverhältnis zum
Gemeinwesen; seine Entschädigung richte sich unter diesen Umständen nach dem
einschlägigen kantonalen Recht. Der im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege
verbeiständete Anwalt müsse gegenüber einer Entschädigung im Falle "normalen
Obsiegens" einen etwas niedrigeren Stundenansatz akzeptieren, trage aber
gleichzeitig nicht das Risiko, sein Honorar im Fall der Abweisung des Rekurses
nicht oder nicht vollständig erhältlich machen zu können.

3.
3.1 Nach § 25 Abs. 3 des auf die fürsorgerische Freiheitsentziehung anwendbaren
Gesetzes über Behandlung und Einweisung psychisch kranker Personen
(Psychiatriegesetz) vom 18. September 1996 sind im Rekursverfahren die
Grundsätze der unentgeltlichen Verbeiständung anwendbar. Gemäss § 41 Abs. 1 des
Gesetzes ist das Verfahren vor der Rekurskommission kostenlos, wenn auch bei
offensichtlich mutwilliger Rekurs- oder Beschwerdeführung eine Spruchgebühr
auferlegt werden kann. Einer ganz oder teilweise obsiegenden Partei, der
Anwaltskosten entstanden sind, kann eine angemessene Parteientschädigung
zugesprochen werden (§ 41 Abs. 2 ).

3.2 Ob sich aus dem Psychiatriegesetz oder aus anderen das Rekursverfahren
regelnden Gesetzen des Kantons Basel-Stadt die Subsidiarität der Entschädigung
des amtlichen Rechtsbeistands gegenüber der ordentlichen von der unterliegenden
Partei zu entrichtenden Parteientschädigung herleiten lässt, ist hier nicht von
Bedeutung. Einem allgemeinen prozessualen Leitsatz entspricht, dass
grundsätzlich jede Partei die andere nach Massgabe ihres Unterliegens zu
entschädigen hat. Der Umstand, dass der obsiegenden Partei ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand bewilligt worden ist, befreit die unterliegende nicht von der
Leistung einer Prozessentschädigung (BGE 117 Ia 295 E. 3 S. 296; Frank/Sträuli/
Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. Zürich 2000,
N. 1 zu § 89 ZPO). Der öffentlich-rechtliche Entschädigungsanspruch des
amtlichen Anwalts hat subsidiären Charakter und bleibt ohne Einfluss auf die
Prozessentschädigung des unterliegenden Gegners. Er kommt zum Tragen, wenn
keine Prozessentschädigung geschuldet oder diese uneinbringlich ist. Dass die
obsiegende Partei von einem unentgeltlichen Rechtsbeistand vertreten wird, ist
somit keine wesentliche Tatsache für die Festsetzung der Parteienschädigung
(Urteil 5P.421/2000 vom 10. Januar 2001 E. 3b). An der Anwendbarkeit des
aufgezeigten Grundsatzes ändert nichts, dass im vorliegenden Fall die
Parteientschädigung nicht von einem privaten Prozessgegner, sondern von der
öffentlichen Hand geschuldet ist (vgl. BGE 122 I 326 E. 3d S. 327). Auch das
bundesgerichtliche Verfahren geht von der Subsidiarität der amtlichen
Entschädigung aus, wird doch dem amtlichen Rechtsbeistand der obsiegenden im
Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege prozessierenden Partei erst dann eine
reduzierte Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse entrichtet, wenn die der
obsiegenden Partei zulasten des unterliegenden Prozessgegners zugesprochene
Parteientschädigung nicht erhältlich gemacht werden kann (Art. 64 Abs. 2 BGG).
Wird das unterliegende Gemeinwesen zu einer ordentlichen Entschädigung an den
obsiegenden, im Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege prozessierenden Gegner
verurteilt (Art. 68 Abs. 1 BGG), wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
des obsiegenden Gegners in aller Regel gegenstandslos (BGE 133 I 234 E. 3 S.
248). Zusammenfassend besteht somit kein Grund, die Entschädigung der
obsiegenden Partei nur deshalb zu kürzen, weil ihr ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand bestellt worden ist. Der Entscheid der Rekurskommission verletzt
daher den Rechtsgleichheitsgrundsatz (Art. 8 Abs. 1 BV) sowie das Willkürverbot
(Art. 9 BV). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde erweist sich damit als
begründet.

4.
4.1 Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, entscheidet es in der Sache
selbst oder weist sie zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 107
Abs. 2 BGG). Diese Bestimmung ist aufgrund des Verweises in Art. 117 BGG auch
auf die Verfassungsbeschwerde anwendbar. Somit ist auch bei einer Gutheissung
der Verfassungsbeschwerde nicht einfach nur der angefochtene Entscheid
aufzuheben, sondern in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die
erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden sind (Urteil 4D_48/
2007 vom 13. November 2007 E. 1.1; vgl. BGE 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen).

4.2 Paragraph 41 Abs. 2 Psychiatriegesetz verweist bezüglich der Entschädigung
der obsiegenden Partei für entstandene Anwaltskosten auf das richterliche
Ermessen ("kann"). Im vorliegenden Fall hat die Rekurskommission den
Beschwerdeführer als amtlichen Rechtsbeistand bestellt und hat demzufolge die
anwaltliche Verbeiständung der Beschwerdeführerin im Rekursverfahren als
erforderlich betrachtet. Weder aus dem angefochtenen Entscheid noch aus der
Vernehmlassung der Vorinstanz ergeben sich Anhaltspunkte, die eine
Entschädigung der Beschwerdeführerin für entstandene Anwaltskosten
ausschliessen würden. Es kann entgegen der Auffassung der Rekurskommission
nicht gesagt werden, die Kommission wäre bei pflichtgemässer Ausübung des
Ermessens nicht verpflichtet gewesen, die anwaltlich vertretene, in der Sache
obsiegende Beschwerdeführerin für die entstandenen Anwaltskosten zu
entschädigen. Des weiteren sind auch die einzelnen Positionen der Kostenliste
des Beschwerdeführers sowie der Stundenansatz von Fr. 220.-- nicht bestritten.
Dem Antrag auf Ausrichtung einer Entschädigung von Fr. 1'900.20 (inkl. 7.6
MWST) ist somit zu entsprechen.

5.
Die Beschwerdeführer obsiegen zur Hauptsache. Im vorliegenden Fall sind
Vermögensinteressen des unterliegenden Kantons Basel-Stadt betroffen, weshalb
er zur Bezahlung von Gerichtskosten verhalten werden kann (Art. 66 Abs. 4 BGG e
contrario). Des weiteren hat der Kanton die Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

6.
Mit der vorliegenden Kosten- und Entschädigungsregelung wird das Gesuch der
Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
1.1 Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten. Die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde wird gutgeheissen und Ziff. 3 des Entscheids der
Psychiatrie-Rekurskommission vom 16. April 2009 aufgehoben.

1.2 Der Kanton Basel-Stadt hat die Beschwerdeführerin für das Rekursverfahren
mit Fr. 1'900.20 (inkl. MWST) zu entschädigen.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 200.-- werden dem Kanton Basel-Stadt auferlegt.

4.
Der Kanton Basel-Stadt hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit insgesamt mit Fr. 600.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und der Psychiatrie-Rekurskommission
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Juni 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Zbinden