Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.370/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_370/2009

Urteil vom 4. August 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Y.________,
2. Z.________, gesetzlich vertreten durch seine Mutter Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Kindsverhältnis (persönlicher Verkehr),

Beschwerde gegen das Urteil des Bezirksgerichts T.________ vom 24. April 2009.

Sachverhalt:

A.
Z.________, geboren im Februar 1993, ist der Sohn von X.________ und
Y.________. Die im August 1992 geschlossene Ehe der Eltern wurde durch Urteil
des Bezirksgerichts S.________ vom 6. April 1995 geschieden, wobei Z.________
unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt und X.________ ein Besuchs- und
Ferienrecht eingeräumt wurde.
Im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts kam es zu grossen
Spannungen, und durch Urteil des Kantonsgerichts vom 7. November 2000 wurde die
Besuchsrechtsregelung schliesslich vollständig aufgehoben. Nachdem einem ersten
Beistandschaftsgesuch von X.________ am 7. Oktober 2004 stattgegeben worden,
der entsprechende Beschluss am 15. November 2004 jedoch wieder aufgehoben
worden war, beschloss das Vormundschaftsamt U.________ am 13. März 2008 unter
anderem erneut, dass für Z.________ eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1
und 2 ZGB errichtet werde. Dem als Beistand ernannten K.________, Mitarbeiter
des Amts für Kindesschutz, wurde aufgegeben, die soziale und schulische
Situation von Z.________ und die Notwendigkeit eines begleiteten Besuchsrechts
sowie einer Verwaltungsbeistandschaft zur Verwaltung der Unterhaltszahlungen
abzuklären und ferner Z.________ Korrespondenz seines Vaters auszuhändigen.
Eine von Y.________ und Z.________ gegen die Person des Beistands eingereichte
Beschwerde wies das in der Zwischenzeit neu geschaffene interkommunale
Vormundschaftsamt V.________ am 5. Juni 2008 ab.
In Gutheissung einer von Y.________ und Z.________ eingereichten Berufung hob
das Bezirksgericht T.________ am 24. April 2009 den vormundschaftsbehördlichen
Beschluss vom 13. März 2008 auf und stellte ausdrücklich fest, dass X.________
kein Recht auf persönlichen Verkehr mit seinem Sohn zustehe. Gleichzeitig wurde
die ebenfalls bezüglich der Ernennung des Beistands erhobene Beschwerde als
gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. Die
Gerichtskosten wurden X.________ auferlegt, der ausserdem verpflichtet wurde,
Y.________ und Z.________ einen Auslagenersatz von Fr. 100.-- zu zahlen.

B.
Mit einer als "Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
Verfassungsbeschwerde" bezeichneten Eingabe vom 25. Mai 2009 verlangt
X.________ namentlich, das bezirksgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache
einem "kompetenten und objektiven" Bezirksrichter zur Neubeurteilung zu
unterbreiten.
Durch Präsidialverfügung vom 28. Mai 2009 ist das Gesuch des Beschwerdeführers,
der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen worden.
Der Bezirksrichter des Bezirks T.________ hat mit Eingabe vom 13. Juli 2009
erklärt, er verzichte unter Hinweis auf das angefochtene Urteil und die Akten
auf eine umfassende Stellungnahme zur Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Mit Präsidialverfügung vom 2. Juli 2009 ist den Beschwerdegegnern eine Frist
bis 14. Juli 2009 angesetzt worden, um sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen.
Die entsprechenden eingeschriebenen Sendungen wurden mit dem Vermerk "Nicht
abgeholt" an das Bundesgericht zurückgeleitet. Sie waren den Adressaten mit
einer bis zum 10. Juli 2009 laufenden Frist zur Abholung bei der Post angezeigt
worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine nicht abgeholte
eingeschriebene Sendung der in Frage stehenden Art als am letzten Tag der
Abholfrist in Empfang genommen zu betrachten, sofern der Adressat mit der
Zustellung hatte rechnen müssen (BGE 134 V 49 E. 4 S. 52 mit Hinweisen).
Letzteres ist hier der Fall: Am 29. Mai 2009 hatte die Beschwerdegegnerin - als
gesetzliche Vertreterin auch im Namen des Beschwerdegegners - die Verfügung der
Präsidentin der erkennenden Abteilung vom 28. Mai 2009 in Empfang genommen,
worin unter anderem das Gesuch des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen worden war. Die Beschwerdegegner
hatten somit Kenntnis vom bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren und hätten
dafür sorgen müssen, dass ihnen die Verfügung vom 2. Juli 2009 hätte zugestellt
werden können.

Hat die Einladung zur Einreichung einer Beschwerdeantwort nach dem Gesagten als
in Empfang genommen zu gelten, ist von einem Verzicht der Beschwerdegegner auf
eine Stellungnahme auszugehen.

2.
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen Endentscheid der letzten
kantonalen Instanz (Art. 90 und Art. 75 Abs. 1 BGG; Art. 118 Abs. 1 des
Walliser EG zum ZGB). Der Bezirksrichter spricht dem Beschwerdeführer jeden
persönlichen Verkehr mit seinem Sohn ab. Strittig ist damit eine Zivilsache
nicht vermögensrechtlicher Natur, so dass die Beschwerde in Zivilsachen offen
steht (Art. 72 Abs. 1 BGG). Dass der Beschwerdeführer seine Eingabe als
"Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
Verfassungsbeschwerde" bezeichnet, schadet nicht. Unter das Bundesrecht, dessen
Verletzung nach Art. 95 lit. a BGG mit Beschwerde in Zivilsachen gerügt werden
kann, fallen auch verfassungsmässige Rechte des Bundes (BGE 134 III 379 E. 1.2
S. 382 mit Hinweisen). Die rechtzeitig eingereichte Eingabe (Art. 100 Abs. 1
BGG) ist nach dem Gesagten als Beschwerde in Zivilsachen entgegenzunehmen.

3.
Der Bezirksrichter weist darauf hin, dass mit Urteil des Kantonsgerichts Wallis
vom 7. November 2000 das durch den Scheidungsrichter festgelegte Besuchsrecht,
das der Beschwerdeführer letztmals am 26. Oktober 1996 habe ausüben können,
vollständig aufgehoben worden sei. Vor der Aufhebung des Besuchsrechts sei es
am 17. Januar 1998 einzig noch zu einem Erinnerungskontakt zwischen dem
Beschwerdeführer und seinem Sohn gekommen. Mithin sei das Besuchsrecht seit
rund 11 ½ Jahren nicht mehr (in üblicher Form) ausgeübt worden. In seinem
Urteil vom 7. November 2000 habe das Kantonsgericht unter Hinweis auf das
eingeholte Gutachten von massiven Spannungen zwischen dem Beschwerdeführer und
der Beschwerdegegnerin gesprochen und erklärt, dass unter den gegebenen
Umständen selbst seltene und kurze Kontakte, insbesondere auch
Erinnerungskontakte, zwischen Vater und Sohn eine dem Kindeswohl
entgegenstehende Belastung darstellen würden.
Die Vorinstanz hält sodann fest, dass zwischen dem Beschwerdeführer und der
Beschwerdegegnerin nach wie vor massivste Spannungen bestünden, wovon die Akten
hinlänglich zeugten; Anhaltspunkte für eine wesentliche positive Veränderung
der Verhältnisse seien nicht vorhanden. Den Äusserungen des heute mehr als 16
Jahre alten Z.________ in dem an das Bezirksgericht gerichteten (im Urteil
auszugsweise wörtlich wiedergegebenen) Schreiben vom 31. März 2009 sei ferner
unmissverständlich zu entnehmen, dass dieser keinerlei Kontakte zum
Beschwerdeführer wünsche. Diese Haltung sei bei dem zu treffenden Entscheid als
wesentliches Element zu berücksichtigen. Z.________ habe sich im Übrigen
bereits zuvor von seinem Vater distanziert und keinen Kontakt zu ihm mehr
gewollt; eine Anhörung des Jugendlichen würde deshalb nichts
Entscheidrelevantes bringen. Abschliessend erklärt der Bezirksrichter, dass
bereits aufgrund der klaren Meinungsäusserung des in rund anderthalb Jahren
mündigen Jugendlichen die Einräumung eines Besuchsrechts bzw. eines Rechts auf
persönlichen Verkehr mit seinem Wohl nicht vereinbar wäre und dass im Übrigen
den Akten nichts zu entnehmen sei, was für die Anordnung von
Kindesschutzmassnahmen sprechen würde. Im Ergebnis hält der Bezirksrichter
mithin dafür, dass die von der Vormundschaftsbehörde im Hinblick auf eine
allfällige Wiederherstellung von Kontakten zwischen Z.________ und dem
Beschwerdeführer angeordnete Beistandschaft mit entsprechenden Anweisungen an
den Beistand von vornherein nutzlos sei.

4.
Zu einem bedeutenden Teil beruht der Entscheid des Bezirksrichters nach dem
Gesagten auf dem Schreiben Z.'________ vom 31. März 2009. Der Beschwerdeführer
macht geltend, er sei zu diesem Schriftstück nicht angehört worden und habe
dazu keine Stellung nehmen können; die Vorinstanz habe somit seinen Anspruch
auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 8 BV (recte: Art. 29 Abs. 2 BV)
missachtet.

4.1 Der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs
verleiht einer Verfahrenspartei den Anspruch, in alle für den Entscheid
wesentlichen Akten Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern, bevor jener
gefällt wird (BGE 132 II 485 E. 3.2 S. 494). Wünscht eine Partei, der eine neu
eingegangene Eingabe ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit einer
allfälligen weiteren Äusserung zur Kenntnis gebracht wurde, sich dazu zu
äussern, hat sie dies umgehend zu tun (BGE 133 I 98 E. 2.2 S. 99 f.).

4.2 Das am 31. März 2009 vorab per Fax an den Bezirksrichter übermittelte
Schreiben Z.'________ vom gleichen Tag war durch eine Vorladung des
Jugendlichen zu einer persönlichen Anhörung auf eben diesen 31. März 2009
veranlasst worden. Z.________ teilte mit, dass und weshalb er diesen Termin
nicht wahrnehmen werde, und äusserte sich zudem ausführlich zur Frage der
Erziehungsbeistandschaft und zur Beziehung zum Beschwerdeführer. Nachdem der
vorinstanzliche Richter Z.________ in der Folge auf den 21. April 2009 ein
weiteres Mal vorgeladen hatte, erklärte die Beschwerdegegnerin mit einer vorab
wiederum per Fax übermittelten Eingabe vom 21. April 2009 in dessen Namen, dass
er auch zu diesem Termin nicht erscheinen werde. Noch am gleichen 21. April
2009 sandte der Bezirksrichter dem Beschwerdeführer sowohl das Schreiben vom
31. März 2009 als auch die Eingabe vom 21. April 2009, verbunden mit dem
Hinweis, dass er den Entscheid "umgehend aufgrund der Akten" fällen werde. Der
Beschwerdeführer nahm die Sendung am 22. April 2009 (Mittwoch) entgegen. Am 24.
April 2009 (Freitag) wurde der angefochtene Entscheid gefällt und bei der Post
aufgegeben, und am 27. April 2009 (Montag) wurde er dem Beschwerdeführer
ausgehändigt.

4.3 Zwischen dem Tag, an dem der Beschwerdeführer das im angefochtenen Urteil
angerufene Schreiben Z.'________ vom 31. März 2009 zur Kenntnis erhielt, und
dem Urteilsdatum lag nur ein einziger Tag. Damit eine Stellungnahme zu jenem
Schreiben noch vor Fällung des Urteils (24. April 2009) bei der Vorinstanz
eingetroffen wäre, hätte sie demnach gleich noch am Tag der Empfangnahme des
fraglichen Schriftstücks bei der Post aufgegeben werden müssen. Durch die
Fällung des Urteils nur zwei Tage, nachdem dem Beschwerdeführer Z.'________
Schreiben zur Kenntnis gelangt war, ist jener in seinem aus Art. 29 Abs. 2 BV
fliessenden Recht, sich zu einer wesentlichen Entscheidgrundlage zu äussern, in
ungerechtfertigter Weise beschnitten worden, zumal keine Gründe dargetan sind,
die einen derart raschen Entscheid dringend geboten hätten, und das Schreiben
Z.'________ zudem bereits drei Wochen vor seiner Zustellung an den
Beschwerdeführer beim Bezirksrichter eingegangen war. Der Einwand des
Bezirksrichters, der Beschwerdeführer sei ausdrücklich darauf hingewiesen
worden, dass der Entscheid umgehend aufgrund der Akten gefällt werde, und eine
allfällige weitere Stellungnahme hätte deshalb umgehend eingereicht werden
müssen, ist angesichts der zeitlichen Gegebenheiten unbehelflich. Im Übrigen
ist zu bemerken, dass der vom Bezirksrichter angesprochene Hinweis in dessen
Schreiben vom 21. April 2009 den Eindruck erweckte, eine allfällige
Stellungnahme des Beschwerdeführers würde von vornherein nicht abgewartet.

4.4 Das angefochtene Urteil ist nach dem Gesagten aufzuheben, ohne dass auf die
Vorbringen des Beschwerdeführers zur Sache einzugehen wäre. Der Bezirksrichter
wird diesem (nochmals) Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum Schreiben
Z.'________ vom 31. März 2009 - wie auch zu dem im bezirksgerichtlichen
Schreiben vom 21. April 2009 erstmals (stillschweigend) zum Ausdruck gebrachten
und vom Beschwerdeführer ebenfalls beanstandeten Verzicht, Z.________
persönlich zu befragen - einzuräumen und alsdann neu zu entscheiden haben.

5.
Das Bundesgericht ist nicht zuständig, die Sache einem anderen kantonalen
Richter zuzuweisen. Den ein Ablehnungsbegehren enthaltenden Antrag, der Fall
sei "einem kompetenten und objektiven Bezirksrichter zur Neubeurteilung zu
unterbreiten", hätte der Beschwerdeführer beim Kantonsgerichtspräsidenten zu
stellen gehabt (vgl. Art. 30 Abs. 1 lit. b der Walliser Zivilprozessordnung
[ZPO]).

6.
Durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils wird den Rechtsbegehren und
Vorbringen, die den darin getroffenen Kostenentscheid betreffen, die Grundlage
entzogen.

7.
Die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind - ungeachtet der
Tatsache, dass keine Äusserungen zur Beschwerde vorliegen (dazu BGE 123 V 156
E. 3c S. 157 f.; HANSJÖRG SEILER/NICOLAS VON WERDT/ANDREAS GÜNGERICH,
Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N. 18 zu Art. 66; BERNARD CORBOZ, Commentaire
de la LTF, Bern 2009, N. 38 zu Art. 66) - ausgangsgemäss (unter Solidarhaft)
den beiden Beschwerdegegnern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Dem nicht
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer steht keine Parteientschädigung zu.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Bezirksgerichts T.________ vom 24. April 2009 wird aufgehoben; die Sache
wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die kantonale Instanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden unter Solidarhaft den beiden
Beschwerdegegnern auferlegt.

3.
Dem Beschwerdeführer wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht T.________ schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 4. August 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel