Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.359/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_359/2009

Urteil vom 4. August 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter L. Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber von Roten.

Parteien
G.________ Bank AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Philipp Rupp,

Betreibungsamt B.________.

Gegenstand
Konkursandrohung,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft vom 21. April 2009.

Sachverhalt:

A.
Auf Begehren der Gläubigerin G.________ Bank AG erliess das Betreibungsamt
B.________ eine Konkursandrohung gegen die Schuldnerin S.________ GmbH für eine
Forderung von CHF 195'795.40 nebst Zins und Kosten. Unter der Rubrik
"Forderungsurkunde und deren Datum, Grund der Forderung" wurde in der
Konkursandrohung ein Inhaberschuldbrief vom 18. Oktober 2005 im 1. Rang GB
L.________ sowie ein Pfandausfallschein vom 23. Dezember 2008 in der Betreibung
Nr. xxxx des Betreibungsamtes C.________ aufgeführt.

B.
Die Schuldnerin S.________ GmbH erhob gegen die Konkursandrohung Beschwerde und
machte geltend, sie sei nicht persönlich Schuldnerin, sondern lediglich
Pfandstellerin für einen Kredit an Dritte. Die Aufsichtsbehörde
Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft lud das Betreibungsamt zur
Vernehmlassung ein (Verfügung vom 20. Februar 2009), teilte die Stellungnahme
des Betreibungsamtes der Schuldnerin S.________ GmbH zur Kenntnisnahme mit und
erklärte den Schriftenwechsel für geschlossen (Verfügung vom 24. Februar 2009).
Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut und hob die
Konkursandrohung des Betreibungsamtes in der Betreibung Nr. yyyy auf. Der
Entscheid vom 21. April 2009 wurde den Parteien, der G.________ Bank AG sowie
dem Inspektorat der Bezirksschreibereien schriftlich eröffnet.

C.
Dem Bundesgericht beantragt die G.________ Bank AG (fortan:
Beschwerdeführerin), den Entscheid vom 21. April 2009 aufzuheben, eventualiter
aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Beurteilung unter Einholung einer
Vernehmlassung der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der
Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Die S.________ GmbH
(hiernach: Beschwerdegegnerin) stellt die Begehren, das Gesuch um aufschiebende
Wirkung abzuweisen und auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter den
angefochtenen Entscheid zu bestätigen und die Beschwerde abzuweisen. Die
kantonale Aufsichtsbehörde hat auf Vernehmlassungen verzichtet. Der Beschwerde
ist die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden (Verfügung vom 8. Juni 2009).
Das Betreibungsamt hat keine Stellungnahmen eingereicht.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGE 133
III 350 E. 1 S. 351 f.; BGE 5A_780/2008 vom 9. Februar 2009 E. 1). Ihren Antrag
auf Nichteintreten begründet die Beschwerdegegnerin damit, dass die
Beschwerdebegehren, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, eventuell die Sache
zur neuen Beurteilung nach Einholung einer Vernehmlassung an die Vorinstanz
zurückzuweisen, die formellen Anforderungen nicht erfüllten (S. 3 ad. 1.1 der
Beschwerdeantwort). Mit Rücksicht auf die zur Hauptsache gerügte Verweigerung
des rechtlichen Gehörs (S. 4 f. Ziff. 1.1 der Beschwerdeschrift) genügt der
blosse Aufhebungsantrag, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der
Sache nicht selbst entscheiden könnte. Unter dem Blickwinkel der Rüge in der
Sache betreffend Pfandausfallschein (S. 5 Ziff. 1.2 der Beschwerdeschrift)
genügt der blosse Aufhebungsantrag als materieller Antrag, zumal mit der
Aufhebung des angefochtenen Entscheids, der die Konkursandrohung aufgehoben
hat, die Konkursandrohung wieder als gültig erlassen angesehen werden müsste,
das Verfahren weitergeführt werden könnte und die bereits erfolgte
Konkurseröffnung (Beschwerde-Beilage Nr. 7) gegebenenfalls wirksam werden
würde. Es liegt in doppelter Hinsicht ein zulässiges Beschwerdebegehren vor
(Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383; vgl. zum Ganzen: BRACONI,
Le recours en matière de poursuite pour dettes selon la loi du 17 juin 2005 sur
le Tribunal fédéral [LTF]: compendium des premiers cas d'application, Journal
des tribunaux, JdT 157/2009 II S. 78 ff., vorab S. 89 f. Ziff. VII). Auf die
Beschwerde kann eingetreten werden.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Aufsichtsbehörde eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Sie habe keine Kenntnis vom
Beschwerdeverfahren erhalten und sei daran nicht beteiligt worden. Da der
Anspruch auf rechtliches Gehör formeller Natur sei, sei der angefochtene
Entscheid bereits deshalb aufzuheben (S. 4 f. Ziff. 1.1 der Beschwerdeschrift).

2.1 Das Bundesgericht hat sich unlängst wieder ausführlich mit dem
vollständigen Ausschluss einer Gläubigerin vom Beschwerdeverfahren befasst, in
dem auf Beschwerde des Schuldners hin eine betreibungsamtliche Verfügung
aufsichtsbehördlich aufgehoben wurde. Es hat bestätigt, dass die
Nichtbeteiligung der Gläubigerin am Beschwerdeverfahren gegen eine Nachpfändung
des Schuldners den verfassungsmässigen Anspruch der Gläubigerin auf rechtliches
Gehör verletzt (BGE 5A_780/2008 vom 9. Februar 2009 E. 2).

2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV steht den Parteien das rechtliche Gehör zu. Dieser
Anspruch ist - entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin (S. 4 ad 1.1 der
Beschwerdeantwort) - formeller Natur, womit seine Verletzung ungeachtet der
materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und
zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führt. Das rechtliche Gehör dient
einerseits der Klärung des Sachverhaltes, anderseits stellt es ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar,
welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere
das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines ihn belastenden Entscheids zur
Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich
zumindest zum Beweisergebnis äussern zu können, wenn dieses geeignet ist, den
Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen (BGE 5A_780/2008 vom 9. Februar 2009 E.
2.2).

2.3 Im vorliegenden Fall hat die Aufsichtsbehörde auf Beschwerde hin die
Konkursandrohung aufgehoben, die das Betreibungsamt nach Empfang des
Fortsetzungsbegehrens der Beschwerdeführerin bzw. deren Begehrens um
Konkursandrohung unverzüglich ausgefertigt und der Beschwerdegegnerin
mitgeteilt hat (Art. 159 ff. SchKG). Durch die Aufhebung der Konkursandrohung
ist die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsstellung als Gläubigerin unmittelbar
betroffen, berechtigt doch die Konkursandrohung zur Stellung des
Konkursbegehrens (Art. 166 SchKG; vgl. BGE 106 III 51 E. 2 S. 54; zur Bedeutung
der Konkursandrohung: BGE 85 III 173 ff.; 121 III 486 E. 3b S. 487 f.). Die
Aufhebung der Konkursandrohung beschwert sie, so dass die Beschwerdeführerin
vor Erlass des Entscheids über die Aufhebung der Konkursandrohung hätte
angehört werden müssen. Indem die Aufsichtsbehörde ihr keine Gelegenheit
gegeben hatte, sich zum Verfahren und Entscheid zu äussern, ist der Anspruch
der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.

3.
Der angefochtene Entscheid ist aus den dargelegten Gründen aufzuheben, ohne
dass die von der Beschwerdeführerin überdies geltend gemachten
Rechtsverletzungen noch zu prüfen wären (BGE 5A_780/2008 vom 9. Februar 2009 E.
2.3). Im zitierten Urteil hat das Bundesgericht eine Heilung des
Verfahrensmangels deshalb nicht in Betracht gezogen, weil nach der
Rechtsprechung eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des
rechtlichen Gehörs nur dann ausnahmsweise als geheilt gelten kann, wenn die
betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu
äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann
(vgl. BGE 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.). Abgesehen davon, dass der vollständige
Ausschluss der Gläubigerin vom Beschwerdeverfahren eine schwerwiegende
Verletzung des rechtlichen Gehörs bedeutet, ist eine Heilung ausgeschlossen,
weil dem Bundesgericht mit Bezug auf den Sachverhalt keine freie
Prüfungsbefugnis zusteht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Zu
beurteilen sind hier nicht bloss Rechtsfragen, sondern Aktenwidrigkeitsrügen
(S. 5 Ziff. 1.2 der Beschwerdeschrift) gegen die Feststellung, dass das
Bestehen einer persönlichen Schuld der Beschwerdegegnerin für den Pfandausfall
auf Grund der Akten nicht erstellt ist (E. 3 S. 4 des angefochtenen
Entscheids). Welche tatsächlichen Schlüsse die Urkunden ("Akten") als
Beweismittel gestatten, beantwortet nun aber die Beweiswürdigung (vgl. BGE 129
III 320 E. 6.3 S. 327), die das Bundesgericht nicht frei, sondern nur auf
Willkür hin überprüfen kann (vgl. BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 62). Die
Voraussetzungen für eine Heilung der Gehörsverletzung sind somit nicht erfüllt.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die mit ihren Anträgen unterliegende
Beschwerdegegnerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin
ist nicht anwaltlich vertreten, weshalb ihr keine Parteientschädigung
zuzusprechen ist (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 4 S. 446).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Aufsichtsbehörde
Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft vom 21. April 2009 aufgehoben und
die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Für das bundesgerichtliche Verfahren wird keine Parteientschädigung
zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. August 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl von Roten