Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.333/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_333/2009

Urteil vom 4. Dezember 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter L. Meyer, Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber von Roten.

Parteien
K.________ AG,
vertreten durch
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Schumacher,
Beschwerdeführerin,

gegen

Baugenossenschaft B.________,
vertreten durch Fürsprecher Max Uhlmann,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts,

Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 3. Februar
2009.

Sachverhalt:

A.
Die Baugenossenschaft B.________ ist Eigentümerin des selbstständigen und
dauernden Baurechts GB G.________ Nr. 8635 mit den Mehrfamilienhäusern an der
S.________strasse 55 - 65. Sie wollte ihre Häuser an der S.________strasse 59/
61 sanieren und erweitern lassen und übertrug mit Werkvertrag vom 25. März 2008
die Gerüstarbeiten für den Pauschalbetrag von Fr. 50'300.-- an die K.________
AG. Das Gerüst wurde ab 4. Februar 2008 aufgebaut und musste in verschiedenen
Bauetappen umgestellt bzw. dem Baufortschritt angepasst, d.h. teilweise
abgebaut und in geänderter Form wieder aufgebaut werden. Verwendet wurde kein
für das Bauvorhaben eigens hergestelltes Gerüst, sondern ein gängiges Element-/
Systemgerüst. Dessen Abbau erfolgte ab 9. Juli 2008 und wurde am 7. August 2008
beendet.

B.
Die K.________ AG (Beschwerdeführerin) und die Baugenossenschaft B.________
(Beschwerdegegnerin) vereinbarten im März/April 2008 die vorläufige Eintragung
eines Bauhandwerkerpfandrechts zur Sicherstellung des Vergütungsanspruchs von
Fr. 50'300.--. Die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr.
50'300.-- zugunsten der Beschwerdeführerin und zulasten von GB G.________ Nr.
8635 im Eigentum der Beschwerdegegnerin wurde am 14. April 2008 im Grundbuch
vorgemerkt. Die Beschwerdeführerin erhob am 3. Juli 2008 Klage auf definitive
Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 50'300.-- nebst Zins. Die
Beschwerdegegnerin schloss auf Abweisung. Die von der Beschwerdeführerin der
Beschwerdegegnerin inzwischen gestellten Rechnungen über insgesamt Fr.
51'300.-- blieben unbezahlt. Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage
ab (Urteil vom 3. Februar 2009).

C.
Dem Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin die Anweisung an das
zuständige Grundbuchamt, das vorläufig eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht für
Fr. 50'300.-- nebst 5% Zins seit 11. September 2008 zulasten von GB G.________
Nr. 8635 im Eigentum der Beschwerdegegnerin und zugunsten der
Beschwerdeführerin definitiv im Grundbuch einzutragen. Eventuell sei die Sache
zu weiteren Sachverhaltsabklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die
Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung. Das Handelsgericht hat die Akten
zugestellt, auf Vernehmlassung aber verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Urteil über die definitive Eintragung des gesetzlichen Grundpfandrechts für
die Forderungen der Handwerker und Unternehmer (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB)
betrifft eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) und eine vermögensrechtliche
Angelegenheit, wobei der gesetzliche Mindeststreitwert überschritten wird, der
hier dem - gegenüber der Pfandsache unstreitig geringeren - Wert der zu
sichernden Forderung von Fr. 50'300.-- entspricht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG;
vgl. BGE 106 II 22 E. 1 S. 24). Angefochten ist das Urteil eines Fachgerichts
als letzter kantonaler Instanz (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG), das die
Beschwerdeführerin als unterliegende Klägerin in ihren rechtlich geschützten
Interessen trifft (Art. 76 BGG) und das Verfahren abschliesst (Art. 90 BGG).
Zulässig sind die Beschwerdegründe gemäss Art. 95-97 BGG (vgl. für einen
Anwendungsfall: BGE 134 III 147). Auf die im Weiteren rechtzeitig (Art. 100
Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) erhobene Beschwerde kann grundsätzlich
eingetreten werden.

2.
Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes besteht gemäss Art. 837
Abs. 1 ZGB "für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten
oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein
geliefert haben, an diesem Grundstücke, sei es, dass sie den Grundeigentümer
oder einen Unternehmer zum Schuldner haben" (Ziff. 3). Streitig ist, ob der
Gerüstbau der Beschwerdeführerin als "Arbeit" im Sinne von Art. 837 Abs. 1
Ziff. 3 ZGB erfasst werden kann. Das Bundesgericht hat im Jahr 2005
entschieden, dass der Monteur des Baugerüsts nicht in den Genuss des
Bauhandwerkerpfandrechts kommt, unabhängig von der Qualifikation des Vertrags,
der ihn mit dem Bauherrn oder dem Unternehmer bindet, zumindest wenn das Gerüst
nicht für einen bestimmten Bau hergestellt worden ist (BGE 131 III 300). Das
Handelsgericht hat sich auf den bundesgerichtlichen Entscheid gestützt. Die
Beschwerdeführerin beantragt eine Praxisänderung. Sie begründet die
Berechtigung und die Notwendigkeit der Änderung von BGE 131 III 300 damit, dass
die Frage nach der Pfandberechtigung von Bauarbeiten allgemein und insbesondere
für den Gerüstbau von erheblicher Tragweite sei, dass BGE 131 III 300 in der
massgebenden Lehre auf heftige Kritik gestossen sei und dass die
Rechtssicherheit durch eine Änderung von BGE 131 III 300 nicht ernsthaft
gefährdet werde, da es sich um ein erstmaliges und einmaliges Präjudiz handle,
das erst vor relativ kurzer Zeit gefällt worden sei (S. 4 ff. Ziff. 8-15). Wie
das Bundesgericht neu zu entscheiden habe, legt die Beschwerdeführerin unter
anderem mit Hinweis auf die laufende Gesetzesrevision ausführlich dar.
Entscheidend ist ihr Einwand, dass der Anspruch auf Errichtung des
Bauhandwerkerpfandrechts zwar eine sachenrechtliche Beziehung zwischen der
forderungsbegründenden Leistung und dem Grundstück voraussetze, diese
sachenrechtliche Beziehung aber nicht oder zumindest nicht in jedem Fall in
einer unmittelbaren Einwirkung der Bauarbeit auf das Baugrundstück bestehen
müsse (S. 9 ff. Ziff. 16-35 der Beschwerdeschrift). Die Beschwerdegegnerin
verlangt, an BGE 131 III 300 festzuhalten und auf die sachenrechtliche
Betrachtungsweise abzustellen, die den wirtschaftlichen Überlegungen der
Beschwerdeführerin weiterhin vorzuziehen sei (S. 2 Ziff. III/1 der
Beschwerdeantwort).

3.
Eine Änderung der Praxis lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue
Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen
oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige
Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte
sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der
Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder
nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist (BGE 135
I 79 E. 3 S. 82; 135 II 78 E. 3.2 S. 85; 133 III 335 E. 2.3 S. 338). Es ist zu
prüfen, ob die Vorbringen der Beschwerdeführerin so gewichtig sind, dass sich
eine Änderung der vom Bundesgericht in BGE 131 III 300 eingehend begründeten
grundsätzlichen Ablehnung des Bauhandwerkerpfandrechts für Forderungen aus
besagten Gerüstbauarbeiten rechtfertigt.

4.
Die Beschwerdeführerin begründet die Notwendigkeit einer Änderung von BGE 131
III 300 mit der daran geübten Kritik in der Lehre und mit der Wichtigkeit des
Entscheids über diese Frage für das Baugewerbe.

4.1 Dass die Pfandberechtigung von Forderungen aus Gerüstbau in der Baupraxis
wichtig ist, steht ausser Diskussion. Das Bundesgericht hat denn auch bei
erster geeigneter Gelegenheit ein Leiturteil dazu gefällt. Es hat sich dabei
mit der Lehre befasst und namentlich auf das massgebende Standardwerk "Das
Bauhandwerkerpfandrecht" von RAINER SCHUMACHER verwiesen. In der 2. Auflage von
1982 (N. 260) bejaht der Kommentator die Frage, ob der Gerüstbauer einen
Anspruch auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts habe (BGE 131 III 300 E.
4.1 S. 304), während er - was hier ergänzt sei - die Frage in der 1. Auflage
von 1979 (N. 104) noch verneint hat. Er hat das in BGE 131 III 300
veröffentlichte Urteil besprochen (in: Baurecht, BR 2005 S. 163-166: Kein
Bauhandwerkerpfandrecht beim Gerüstbau?) und an der Pfandberechtigung des
Gerüstbaus auch in der 3. Auflage des Standardwerkes von 2008 festgehalten (N.
298 und N. 321-324). Diese Lehrmeinung halten weitere Autoren, die ihr auch
schon vor der Veröffentlichung von BGE 131 III 300 gefolgt sind, für
zutreffend, ohne - wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt - einen
eigenen Standpunkt zu entwickeln (z.B. JOSEF HOFSTETTER, Basler Kommentar, 2.A.
2003 und 3.A. 2007, je N. 4 zu Art. 839/840 ZGB).

4.2 In seinem Rechtsprechungsbericht fasst HEINZ REY zusammen, bei der
Beantwortung der sich in BGE 131 III 300 stellenden Hauptfrage stehe die
sachenrechtliche Betrachtungsweise im Vordergrund, die der Rechtssicherheit
dienende Kriterien zu liefern vermöge, um den Kreis der
Pfandrechtsprivilegierten zu umgrenzen. Er hält dies für anerkennenswert und
fährt fort, indessen wäre zu wünschen, dass vor allem die Doktrin, vom
Gesetzeswortlaut des Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ausgehend, der davon spricht,
dass derjenige ebenfalls pfandrechtsprivilegiert ist, der "Arbeit allein"
erbracht hat, den Zweck des Bauhandwerkerpfandrechts auch unter anderen
Gesichtspunkten (einschliesslich bereicherungs- und
gewinnherausgaberechtlichen) neu überdenken würde. Er verweist auf die
kritisch-konstruktiven Bemerkungen zu diesem Urteil von RAINER SCHUMACHER (BR
2005 S. 163 ff.) und meint, insbesondere sei seine Qualifikation des Gerüstbaus
als eine typische Bauarbeit ebenso beachtenswert wie sein Vorschlag, bei der
hängigen Revision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts die durch den
vorliegenden Entscheid geschaffene Problematik in einem grösseren
systematischen Rahmen zu reflektieren. Dem könne nur zugestimmt werden (Die
privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts, veröffentlicht im Jahr
2005. Sachenrecht, ZBJV 143/2007 S. 830). Nicht bloss aus Gründen der
Rechtssicherheit, sondern unter dem Aspekt der direkten Wertvermehrung stimmt
TAMARA BERCHTOLD dem Urteil in ihrer Doktorarbeit zu. Die Leistungen des
Gerüstbauers stellten ein Beispiel für indirekte Arbeiten dar, die sich
ebenfalls auf den Bauvorgang auswirkten, aber eben nicht unmittelbar mit der
Baute verbunden würden und auch nicht zu einer direkten Wertvermehrung führten
(Zur Revisionsbedürftigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts, Diss. Zürich 2008, S.
103 f.; gl.M. CHRISTOPH THURNHERR, Das Bauhandwerkerpfandrecht - eine aktuelle
Übersicht, ZBJV 142/2006 S. 909 ff., S. 916).

4.3 Die wenigen Hinweise auf die Literatur verdeutlichen, dass das
Bundesgericht die unterschiedlichen Lehrmeinungen in BGE 131 III 300 beachtet
und in Weiterführung seiner Rechtsprechung das Bauhandwerkerpfandrecht für
Forderungen aus Gerüstbau nicht zugelassen hat. Die seither weiterhin
unterschiedlichen Lehrmeinungen wiederholen und verdeutlichen die bisherigen
Standpunkte und können deshalb eine Änderung von BGE 131 III 300 für sich
allein nicht rechtfertigen.

5.
Entscheidend ist die sachenrechtliche Beziehung, die die pfandberechtigten von
den sonstigen Bauarbeiten abgrenzt. Mit ihren Vorbringen zur Auslegung vermag
die Beschwerdeführerin keine ernsthaften Gründe darzutun, die eine
Praxisänderung stützen könnten.

5.1 Grundgedanke und Rechtfertigung des gesetzlichen Grundpfandes für die
Forderungen der Handwerker und Unternehmer bestehen darin, dass ihre Arbeit
einen Mehrwert schafft, diese Arbeit in der Regel aber nicht zum Voraus,
sondern erst nach Abschluss vergütet wird. Weil das Ergebnis ihrer Arbeit zu
einer Baute oder einem anderen Werk auf einem Grundstück sachenrechtlich zu
dessen Bestandteil wird, kann die Vergütung der Arbeit nicht anders als durch
ein Pfandrecht an diesem Grundstück gesichert werden (TUOR/SCHNYDER/SCHMID/
RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13.A. Zürich 2009, § 112 N.
37-38 S. 1117 f.; STEINAUER, Les droits réels, III, 3.A. Bern 2003, N.
2855-2859 S. 267 f.).

5.2 Die sachenrechtliche Betrachtungsweise lässt sich auf den Wortlaut - als
Ausgangspunkt jeder Auslegung - von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB stützen.
Voraussetzung des Anspruchs auf Errichtung des gesetzlichen Grundpfandes ist,
dass "zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit
oder Arbeit allein geliefert" worden sein muss ("sur l'immeuble pour lequel ils
ont fourni des matériaux et du travail ou du travail seulement" bzw. "che
avessero fornito materiali e lavoro, o lavoro soltanto, per una costruzione o
per altre opere sopra un dato fondo"). Als pfandberechtigt gelten nur
Forderungen für "Material und Arbeit" und für "Arbeit allein", die sich mit dem
Werk auf dem Grundstück verbinden. Es scheiden damit - wie die
Beschwerdeführerin hervorhebt - blosse Materiallieferungen oder geistige Arbeit
aus, folgerichtig aber auch die Gerüstbauarbeiten, weil das Gerüst sich nur
vorübergehend mit dem Werk auf dem Grundstück verbindet und nicht zu dessen
Bestandteil wird. Die Bauarbeit bezieht sich unmittelbar auf das Gerüst und
nicht auf das Grundstück (BGE 131 III 300 E. 3 S. 303 und E. 4.2 S. 305). Der
Gerüstbau unterscheidet sich nicht von den Arbeitsleistungen im Zusammenhang
mit dem Baubewilligungsverfahren (z.B. Aufstellen des Baugespanns) oder mit der
Einrichtung der Baustelle (z.B. Auf- und Abbau des Baukrans). Forderungen
daraus sind anerkanntermassen nicht pfandberechtigt (SCHUMACHER, Das
Bauhandwerkerpfandrecht, 3.A. Zürich 2008, N. 326).

5.3 Den sachenrechtlichen Bezug hat die Rechtsprechung zum einen insofern
gelockert, als alle Leistungen und Lieferungen ein und desselben Handwerkers
oder Unternehmers in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden müssen. Sind sie als "un
seul travail spécifique" zu betrachten, werden sie auch gesamthaft durch ein
Baupfand geschützt (BGE 131 III 300 E. 3 S. 303). In diesem Sinn gelten
Leistungen und Lieferungen des gleichen Handwerkers oder Unternehmers, die
teils pfandberechtigt, teils nicht pfandberechtigt sind, in ihrem ganzen Umfang
als pfandgeschützt, wenn nichts Abweichendes vereinbart worden oder die
Ausscheidung unterblieben ist (BGE 103 II 33 E. 4 S. 40). Dieser Sonderfall
wird hier nicht geltend gemacht, geht es doch um eine Forderung einzig aus
Gerüstbau, der nach der allgemeinen Regel (E. 5.2 soeben) nicht pfandgeschützt
ist.

5.4 Zum anderen und hier entscheidend kann die Eintragung des
Bauhandwerkerpfandrechts für die Lieferung von Sachen verlangt werden, die
eigens für einen bestimmten Bau angefertigt worden und deshalb sonst nicht oder
nur schwer verwendbar sind. Dieser zweite Sonderfall könnte auch das Gerüst
erfassen, das im Hinblick auf einen bestimmten Bau hergestellt wird und auf
einer anderen Baustelle nicht oder kaum wieder verwendet werden kann (BGE 131
III 300 E. 3 S. 303 f. und E. 4.2 S. 305). Die Voraussetzung trifft hier nicht
zu, da gemäss den handelsgerichtlichen Feststellungen kein speziell für den
besagten Auftrag angefertigtes Gerüst, sondern ein Element-/Systemgerüst mit
einem Meccano zum Zusammensetzen verwendet wurde (E. III/11 S. 10 des
angefochtenen Urteils). Einem derartigen Gerüst fehlt die als dauernd gewollte
Verbindung mit dem Bau oder anderen Werk auf dem Grundstück (BGE 106 II 333 E.
4b S. 337). Der Auf-, Um- und Abbau des Gerüsts unterscheidet sich damit
wesentlich von pfandgeschützten Lieferungen wie Frischbeton und ähnliche für
einen bestimmten Bau speziell vorfabrizierte Materialien, die zur körperlichen
Verbindung mit dem Bau oder anderen Werk auf dem Grundstück vorgesehen sind
(STEINAUER, a.a.O., N. 2873a S. 274, mit Hinweisen). Dass in diesem
Zusammenhang nicht von Arbeit mit einer "unmittelbaren physischen Einwirkung
auf das Grundstück" (E. IV/20 S. 18 des angefochtenen Urteils) gesprochen
werden kann, ist richtig (S. 17 f. Ziff. 35 der Beschwerdeschrift), betrifft
aber nur die Formulierung und nicht das Ergebnis. Es genügt und ist notwendig,
dass die Arbeitsleistung zu einer körperlichen Verbindung mit dem Grundstück
bestimmt ist (BGE 97 II 212 E. 1 S. 215: "destinées à une construction
déterminée"). Dass die Arbeit auf der Baustelle selbst geleistet werden muss,
ist ebenso wenig vorausgesetzt (STEINAUER, a.a.O., N. 2873b S. 274; vgl. auch
SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 3.A. Zürich 2009, S. 436 N. 1710-1712, je
mit Hinweisen).

5.5 Die Anerkennung einer Pfandberechtigung für den Bau eines wieder
verwendbaren Gerüsts, wie sie die Beschwerdeführerin fordert, bedeutete nicht
bloss eine weitere Lockerung der sachenrechtlichen Betrachtungsweise, sondern
deren vollständige Aufgabe und damit ein Abweichen vom Konzept des
Bauhandwerkerpfandrechts. Vorausgesetzt ist, dass die pfandgeschützten
Leistungen "se matérialisent dans la construction" (BGE 119 II 426 E. 2a S.
427), d.h. sich mit dem Bau oder anderen Werk auf dem Grundstück körperlich
verbinden müssen (E. 5.1-5.3) oder zu einer solchen Verbindung wenigstens
bestimmt sein müssen (E. 5.4 soeben). Dass der Gerüstbau zu 65 % in manueller
Arbeit besteht, unerlässlich für die Erstellung eines Bauwerks auf einem
Baugrundstück ist und ein erfolgsbezogenes Mitwirken an der gesamten
arbeitsteiligen Bauausführung darstellt (S. 16 Ziff. 33 der Beschwerdeschrift),
begründet für sich allein keine Pfandberechtigung, kann doch der Gerüstbau
nicht als eine Arbeit zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück
betrachtet werden, die sich mit dem Grundstück dauernd körperlich verbindet
oder zu einer solchen Verbindung bestimmt ist. Die Vorbringen der
Beschwerdeführerin vermögen eine Praxisänderung nicht zu rechtfertigen.

6.
Schliesslich verweist die Beschwerdeführerin auf die laufende Gesetzesrevision.
Ein "Unmittelbarkeitsprinzip" sei nicht vorgesehen.

Gemäss der Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
(Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) vom 27. Juni 2007
bleibt das Grundkonzept des Bauhandwerkerpfandrechts unverändert. Neu wird in
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB die Ausdehnung des Pfandschutzes auf
Abbrucharbeiten vorgeschlagen ("die zu Bauten oder andern Werken auf einem
Grundstück oder zum Abbruch derselben Material und Arbeit oder Arbeit allein
geliefert haben"). Die weiteren, teilweise lediglich redaktionellen Änderungen
interessieren im vorliegenden Zusammenhang nicht (BBl 2007 5283 S. 5319 f.).
Der Ständerat als Erstrat hat den Pfandschutz zusätzlich auf den Gerüstbau, die
Baugrubensicherung und dergleichen erweitert (AB 2008 S 415-419: "die auf einem
Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau,
zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein
geliefert haben"). Im Nationalrat (AB 2009 N 622-626) wurde die Erweiterung der
pfandgeschützten Bauleistungen unterstützt (Voten Thanei, Amherd und Huber,
alle S. 624) und vereinzelt auch abgelehnt (Votum Schwander, S. 623), dem
Beschluss des Ständerats aber schliesslich zugestimmt (Abstimmung, S. 626).
Uneinigkeit besteht in der Frage des Bauhandwerkerpfandrechts für
Subunternehmer. Mit Bezug auf Art. 837 ZGB ist die Differenzbereinigung erfolgt
(AB 2009 S 938-941 und Sitzung des Nationalrats vom 26. November 2009). Im
Urteilszeitpunkt stehen die Schlussabstimmungen noch aus.

Nach dem derzeitigen Stand der Revision sollen künftig nicht mehr nur
Leistungen zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück pfandgeschützt
sein, sondern Leistungen auf einem Grundstück auch zu Abbrucharbeiten, zum
Gerüstbau, zur Baugrubensicherung und dergleichen. Allein die Formulierung
verdeutlicht, dass Arbeit auf einem Grundstück im Zusammenhang mit einem
Bauvorhaben genügen soll, die bisherige körperliche Verbindung der Arbeit mit
dem Grundstück oder wenigstens die Bestimmtheit der Arbeit zu einer solchen
Verbindung hingegen nicht mehr verlangt wird. Der Zusatz "und dergleichen"
dürfte bedeuten, dass letztlich jede Lieferung von Material und Arbeit oder
Arbeit allein auf einem Grundstück pfandberechtigt sein wird, wenn und soweit
sie nur mit einem konkreten Bauvorhaben im Zusammenhang steht. Die vorgesehene
Revision passt nicht in das heutige rechtliche Umfeld und läuft auf eine
Änderung des bisherigen Rechts hinaus. Unter diesen Umständen kann sie weder
bei der Auslegung des geltenden Rechts berücksichtigt werden noch die verlangte
Praxisänderung rechtfertigen (vgl. HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des
ZGB, Bern 2003, N. 58 und N. 193 f. zu Art. 1 ZGB; Steinauer, Le Titre
préliminaire du Code civil, SPR II/1, Basel 2009, N. 274 S. 92, bei/in Anm. 24,
und N. 459 S. 160, je mit Hinweisen).

7.
Die Voraussetzungen für eine Praxisänderung (E. 3) sind aus den dargelegten
Gründen (E. 4-6) nicht erfüllt. Die Beschwerde muss abgewiesen werden. Die
Beschwerdeführerin wird damit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.
1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Dezember 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl von Roten