Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.280/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_280/2009

Urteil vom 29. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Konkursamt Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Schätzung; Inventarisierung von Gegensständen; Kompetenzcharakter eines Autos,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern vom 30. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Nachdem über X.________ am 14. Oktober 2008 der Konkurs eröffnet worden war,
nahm das Konkursamt Y.________, Dienststelle Z.________, am 24. Oktober 2008
das Inventar auf. Die später verfasste Reinschrift wurde am 26. Januar 2009 von
der Schuldnerin unterzeichnet.
Die Mutter der Schuldnerin erhob an drei Pferden und A._________ am Laptop
Eigentumsansprache. Das Konkursamt wies beide Ansprachen ab und verwies auf die
Aussonderungsklage. Dagegen und mit Bezug auf andere Gegenstände erhoben die
Mutter und A.________ Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde; sie treten vor
Bundesgericht nicht mehr auf.

B.
Die Schuldnerin erhob am 22. Dezember 2008 ebenfalls Beschwerde, in welcher sie
die Abweisung der Eigentumsansprachen und die Schätzwerte der genannten Sachen
beanstandete. Beim Laptop berief sie sich ausserdem auf Art. 92 Abs. 2 SchKG.
Sodann machte sie geltend, das Auto Mazda sei Kompetenzgut und könne aus diesem
Grund nicht zur Masse gezogen werden.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2009 beanstandete die Schuldnerin (gemeinsam mit
ihrer Mutter), dass der Pferdewirt für die Schätzung der Pferde nicht
qualifiziert sei und dass das Konkursamt für das Auto einen tieferen als den
von der Garage angegebenen Schätzwert eingesetzt habe. Sodann sei sie auf das
Auto angewiesen, weil sie andernfalls die Stelle verliere.
Am 5. Februar 2009 erhob die Beschwerdeführerin gegen das von ihr am 26. Januar
2009 unterschriebene Inventar vom 27. Oktober 2008 erneut Beschwerde und machte
geltend, dieses entspreche nicht demjenigen vom 24. Oktober 2008, das an ihrem
Domizil aufgenommen worden sei. Rund 50 Gegenstände seien nicht in dasjenige
vom 27. Oktober 2008 übernommen worden. Sodann seien die Kompetenzgüter nicht
ausgeschieden und verschiedene Objekte falsch geschätzt worden.
Mit Eingaben vom 28. Februar und 6. März 2009 beantragte die Schuldnerin, das
Konkursamt habe eine detaillierte Kosten(zwischen)abrechnung zu erstellen.
Mit Entscheid vom 30. März 2009 wies die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern alle Beschwerden und Eingaben ab, soweit sie
darauf eintrat.

C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 26. April 2009 Beschwerde erhoben mit
den Begehren um dessen Aufhebung, um Entlassung des Autos aus dem
Konkursbeschlag bzw. Schätzung gemäss ihren Angaben, um Schätzung der Pferde
gemäss ihren Angaben, um Entlassung des Laptop aus dem Konkursbeschlag bzw.
Feststellung der Unpfändbarkeit der darauf enthaltenen privaten Daten und um
Anweisung des Konkursamtes zur rechtskonformen Neuerstellung des Inventars und
Erstellung einer Abrechnung bis zum heutigen Tag. Sodann verlangt die
Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege sowie eine Entschädigung
seitens des Konkursamtes. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig vom Streitwert der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG).

2.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend
macht, weil ihr die Aufsichtsbehörde die Stellungnahmen des Konkursamtes
jeweils ohne Beilagen zugesandt habe, trifft sie keine Beschwer, weil ihr auf
erste Aufforderung hin stets sämtliche Beilagen zugesandt worden sind und ihr
damit vollumfänglich Akteneinsicht gewährt wurde. Auf die Gehörsrügen ist somit
nicht einzutreten.

3.
Soweit die Beschwerdeführerin gegen verschiedene Mitarbeiter des Konkursamtes
Disziplinarmassnahmen fordert, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht
eingetreten werden, weil das Bundesrecht mit Art. 14 Abs. 2 SchKG die kantonale
Aufsichtsbehörde als Disziplinarbehörde einsetzt; die Disziplinarhoheit liegt
mit anderen Worten beim Kanton, und selbst dem Bundesrat als die Oberaufsicht
ausübendes Organ käme die Überwachung der Disziplin der
Zwangsvollstreckungsorgane nicht zu (Levante, in: Kurzkommentar SchKG, Basel
2009, N. 5 zu Art. 14 SchKG).
Entsprechend kann dem Bundesgericht auch das weiter hinten in der
Beschwerdeschrift gemachte Vorbringen, die Aufsichtsbehörde habe Beweismittel
zum Nachweis von Amtsverfehlungen nicht entgegen genommen und damit ihren
Beweisführungsanspruch verletzt, nicht unterbreitet werden.

4.
Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit sich die
Beschwerdeführerin zu denjenigen Teilen des angefochtenen Entscheides äussert,
welche die Beschwerden ihrer Mutter und von A.________ betreffen.

5.
Unzulässig ist die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführerin Drittansprüche an
verschiedenen Gegenständen behauptet; diesbezüglich hat das Konkursamt der
Mutter und A.________ Frist zur Aussonderungsklage angesetzt und über die
Eigentumsfrage ist in den betreffenden Prozessen materiell zu entscheiden.

6.
Die Beschwerdeführerin kritisiert die von der Aufsichtsbehörde übernommenen
Schätzwerte des Konkursamtes für verschiedene Sachen (Ergometer, Pferde, Auto).
Die Schätzung gepfändeter oder admassierter Gegenstände (Art. 97 bzw. 227
SchKG) ist eine Ermessenssache. Diesbezüglich kann das Bundesgericht lediglich
prüfen, ob die kantonale Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen
überschritten oder missbraucht hat. Dies ist dann der Fall, wenn Kriterien
berücksichtigt worden sind, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn
umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht geblieben sind (BGE 110 III 69
E. 2 S. 71; 120 III 79 E. 1 S. 80 f., 135 E. 2 S. 136).
Soweit die Beschwerdeführerin den Schätzwerten einfach eigene Behauptungen
gegenüberstellt, ist von vornherein kein Ermessensmissbrauch aufgezeigt. Was
die Pferde anbelangt, ist mit dem blossen Vorbringen, sie kenne sich damit aus
und könne deshalb deren Wert abschätzen, kein Ermessensmissbrauch darzutun. Für
das Auto verweist die Beschwerdeführerin auf die höhere Schätzung der Garage;
die Aufsichtsbehörde hat indes im Anschluss an das Konkursamt festgehalten,
dass bei der zwangsvollstreckungsrechtlichen Verwertung von Autos regelmässig
tiefere Erlöse als die Eurotax-Werte erzielt werden. Dies entspricht im Übrigen
einer allgemeinen Erfahrungstatsache; ein Ermessensmissbrauch ist nicht
ersichtlich.

7.
Unbegründet ist die Beschwerde, soweit behauptet wird, bei einem Wert von bloss
Fr. 200.-- sei der Laptop mit Rücksicht auf Art. 92 Abs. 2 SchKG aus dem
Konkursbeschlag zu entlassen. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass im Konkurs
als Generalexekution grundsätzlich das gesamte Vermögen zu admassieren ist.
Immerhin müssen die einzelnen Vermögensgegenstände auch pfändbar sein (Art. 197
Abs. 1 SchKG). Soweit die Beschwerdeführerin diesbezüglich sinngemäss
behauptet, die Verwertungskosten würden den mutmasslichen Erlös nicht decken,
scheint sie davon auszugehen, es würde einzig wegen des Laptop zu einem
isolierten Steigerungsverfahren kommen; dem ist nicht so: Die Betreibungs- und
Konkursämter pflegen Vermögensgegenstände aus einer Vielzahl von Verfahren an
einer Steigerung zusammenzuziehen, so dass der mutmassliche Erlös die auf den
Laptop entfallenden Verwertungskosten bei weitem übersteigt.

8.
Mit Bezug auf die Kompetenzqualität des Autos hat das Obergericht festgehalten,
dass gemäss Schreiben der Arbeitgeberin diese keineswegs verlange, dass die
Beschwerdeführerin mit dem Auto zur Arbeit komme. Sie könne denn auch die
öffentlichen Verkehrsmittel nehmen oder den rund 8 km langen Arbeitsweg mit dem
Fahrrad zurücklegen.
Ob ein Arbeitnehmer tatsächlich auf ein Fahrzeug angewiesen ist, beschlägt eine
Tatfrage, die vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft werden kann (Art.
97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398) und aufgrund
des hierfür geltenden Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) eine entsprechend
substanziierte Willkürrüge voraussetzt (BGE 133 II 249 E. 1.4.2. S. 254).
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind rein appellatorischer Natur und
vermögen deshalb den an Willkürrügen zu stellenden Anforderungen von vornherein
nicht zu genügen (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Selbst
wenn in der Behauptung der Beschwerdeführerin, die Arbeitgeberin habe im
Schreiben vom 12. Februar 2009 festgehalten, es sei unabdingbar, dass sie für
die Arbeitstätigkeit über ein Auto verfüge, sinngemäss eine Willkürrüge erkannt
werden sollte, wäre diese jedenfalls unzutreffend: Wie von der Aufsichtsbehörde
festgehalten, hat die Arbeitgeberin vielmehr geschrieben, dass die
Beschwerdeführerin für eine reibungslose Abwicklung aller Transporte per LKW
sowie Sonderfahrten zuständig sei; deshalb müsse sie so schnell wie möglich von
ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz gelangen können und jederzeit auf Abruf während
der Woche zur Verfügung stehen. Spricht aber die Arbeitgeberin nicht von - im
Übrigen leicht zu belegenden, aber von der Beschwerdeführerin durch nichts
belegten - unregelmässigen Einsätzen ausserhalb der Zeiten, zu denen
öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, kann der Aufsichtsbehörde im
Zusammenhang mit der Erwägung, die Beschwerdeführerin könne ihren
Arbeitseinsätzen, auch wenn diese unregelmässig seien, mit öffentlichen
Verkehrsmitteln nachkommen, kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden. Im
Übrigen hat die Aufsichtsbehörde als Tatbestandselement festgehalten, dass die
Beschwerdeführerin den Arbeitsweg (selbstredend tageszeitunabhängig) per
Fahrrad zurücklegen kann; inwiefern dies unzumutbar und oder gar willkürlich
sein soll, wird nicht im Ansatz dargetan.

9.
Das Inventar vom 24. Oktober 2008 wurde zum integrierenden Bestandteil
desjenigen vom 27. Oktober 2008 gemacht. Die Kompetenzgut darstellenden
persönlichen Effekten der Beschwerdeführerin (ungefähr 50 Gegenstände) sind
unter Ziff. II.3 unter dem Titel "1 Posten div. persönliche Gegenstände und
Effekten" zusammengefasst; als Schätzwert ist "p.M." (pro memoria) und als
sonstige Bemerkung "Kompetenz-Gut" eingetragen.
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist damit kein Bundesrecht
verletzt; das Konkursamt ist vielmehr nach Art. 224 SchKG und Art. 31 KOV
vorgegangen. Insbesondere war entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin
keine Schätzung nötig, sind doch die Kompetenzgüter dem Gemeinschuldner zur
freien Verfügung zu überlassen.

10.
Wie bereits im kantonalen Verfahren verlangt die Beschwerdeführerin eine
Zwischenabrechnung in ihrem Konkursverfahren. Indes folgt aus der allgemeinen
Buch-, Kassa- und Rechnungspflicht des Konkursamtes gemäss Art. 16 ff. KOV
keine Pflicht zu periodischer Zwischenabrechnung; das Konkursamt ist einzig
verpflichtet, nach Abschluss des Konkursverfahrens eine Schlussrechnung
aufzustellen (Art. 261 SchKG). Als Folge kann es im Zusammenhang mit der
verlangten "Zwischenabrechnung" auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs
geben.

11.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Androhung wendet, künftig würden
ihr bei Eingaben ähnlicher Natur wegen mutwilliger Beschwerdeführung eine Busse
oder die Gebühren und Auslagen auferlegt, trifft sie keine Beschwer, handelt es
sich doch lediglich um eine Androhung.
Wie indes die vorliegend behandelte Beschwerde zeigt, hat die Schuldnerin ihre
in der Tat an Mutwilligkeit grenzende Beschwerdeführung vor Bundesgericht
fortgesetzt, so dass ihr für den Fall weiterer Eingaben ähnlicher Art auch von
dieser Seite die entsprechenden Folgen gemäss Art. 33 Abs. 2 BGG anzudrohen
sind (Ordnungsbusse bis Fr. 2'000.-- und im Wiederholungsfall bis Fr.
5'000.--).

12.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit
überhaupt darauf eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Ausführungen
zeigen, muss sie als von Anfang an aussichtslos gelten, womit es an den
materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64
Abs. 1 BGG) und folglich das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. Beim
genannten Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Mai 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli