Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.270/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_270/2009

Urteil vom 5. Juni 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer L., von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Bern,
Hochschulstrasse 17, 3012 Bern

Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, vom 27. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
In einem gegen die Eheleute Y.________ und Z.________ hängigen
Forderungsprozess verlangte X.________ mit Gesuch vom 25. Februar 2008 die
unentgeltliche Prozessführung.

Mit Verfügung vom 29. Februar 2008 sistierte der Gerichtspräsident 2 des
Gerichtskreises X Thun die Frist zur Bezahlung des Gerichtskostenvorschusses
von Fr. 8'200.-- und der Prozesskostensicherheit von Fr. 33'125.--. Mit
Entscheid vom 9. Juni 2008 wies er das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung
zurück.

Mit Rekurs verlangte X.________ vor dem Obergericht des Kantons Bern die
Anweisung des erstinstanzlichen Richters, über das Gesuch materiell zu
entscheiden, eventuell die direkte Erteilung der unentgeltlichen
Prozessführung. Mit Entscheid vom 17. Juli 2008 hob das Obergericht den
erstinstanzlichen Entscheid auf und wies die Sache zur materiellen Entscheidung
zurück.

Am 12. August 2009 wies der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises X Thun das
Gesuch um unentgeltliche Prozessführung nach materieller Prüfung ab. Den
hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht am 27. Februar 2009 ab.

B.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 20. April 2009 Beschwerde in
Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit den Begehren um
dessen Aufhebung und Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, eventuell um
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Mit Gesuch vom 15. Mai 2009 verlangte
der Beschwerdeführer auch für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege. In der Sache wurden keine Vernehmlassungen
eingeholt.
Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG),
mit dem die unentgeltliche Rechtspflege in einem zivilrechtlichen Verfahren
verweigert worden ist. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131).

Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteil 5A_108
/2007, E. 1.2). Diese betrifft eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit
mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert (Art. 72 Abs. 1 und 74 Abs. 1 lit.
b BGG). Damit ist auch gegen den angefochtenen Entscheid über die
unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde in Zivilsachen gegeben.

2.
Der Gerichtspräsident von Thun, auf dessen Erwägungen das Obergericht verweist,
hat erwogen, nach den Angaben des Beschwerdeführers sei dieser Rechtsnachfolger
von S.________, dem die Firma T.________ AG insbesondere sämtliche (auch
künftigen) Ansprüche in Bezug auf das Hotel Mobiliar (Grossinventar) verpfändet
habe. Das Ehepaar Y.________ und Z.________ habe das Mobiliar nach der
Darstellung des Beschwerdeführers unberechtigterweise benützt und schulde ihm
deshalb eine Entschädigung. Die Aktivlegitimation begründe der Beschwerdeführer
insbesondere mit dem "Abtretungs- und Übereignungsvertrag sowie
Beteiligungs-Vereinbarung" vom 30. Oktober 2002 mit den Erben von S.________,
wonach die Erbengemeinschaft die gerichtliche Durchsetzung aller gegen die
U.________ AG und die Eheleute Y.________ und Z.________ zustehenden Ansprüche
im Umfang von 5% an den Beschwerdeführer und zu 95% der V.________ GmbH
abgetreten habe. Letztere bzw. deren Rechtsnachfolgerin W.________ GmbH habe
durch den Beschwerdeführer den Abstand erklärt und sei aus dem Verfahren
ausgeschieden. Der Beschwerdeführer habe der V.________ als Direktor mit
Einzelunterschrift und der W.________ als Geschäftsführer mit
Einzelunterschrift vorgestanden. Beim vorangegangenen Verfahren, bei welchem es
um das Eigentum am Hotelmobiliar gegangen sei, habe das Bundesgericht offen
gelassen, ob mit dem Abtretungsvertrag ein Verstoss gegen die Vorschriften über
die Berechtigung zur Prozessvertretung vorgelegen habe (BGE 132 III 155 E. 7.2
S. 166), da es die Berufung aus anderen Gründen abgewiesen habe. Zessionen, die
der Umgehung gesetzlicher Abtretungsbeschränkungen dienten, seien jedoch
ungültig. Im Kanton Bern gelte für sämtliche Gerichtsverfahren das
Anwaltsmonopol. Eine Abtretung, welche dazu diene, die dem Anwalt vorbehaltene
berufsmässige Parteivertretung im Zivilprozess auszuüben, habe einen
unerlaubten Inhalt und sei gemäss Art. 20 OR nichtig. Der Beschwerdeführer sei
als praktizierender Fürsprecher auch mit den Streitigkeiten rund um das
Hotelmobiliar beschäftigt gewesen. Ende 1997 habe er das Anwaltspatent
niedergelegt. Die V.________ sei am 17. September 2002, also wenige Tage vor
Abschluss des Abtretungsvertrages gegründet worden und bezwecke insbesondere
die Beratung und Betreuung in Rechtsfragen, die Vermittlung von
Vertragsabschlüssen und die Führung von Treuhandmandaten. In der Klage zum
vorliegenden Hauptverfahren habe der Beschwerdeführer wörtlich erklärt:
"Nachdem sich diese Erben verschiedentlich mit dieser Angelegenheit befasst
haben, sind sie zur Auffassung gelangt, dass es für sie zu komplex ist, die
ihnen zustehenden Rechte weiterzuverfolgen und das damit verbundene Risiko zu
tragen. Ohne persönliche Mitwirkung des hier mit-klagenden X.________ ist dies
denn auch kaum möglich. Sie haben daher am 20. Oktober 2002 das Eigentum am
besagten Grossinventar des Hotels/Restaurant T.________ sowie die
Forderungsrechte gegenüber den Eheleuten Y.________ und Z.________ im Umfange
von 95% an die V.________ GmbH sowie zu 5% an den Unterzeichnenden X.________
abgetreten, welche sich im Gegenzug dazu verpflichtet haben, die übernommenen
Forderungen auf eigene Rechnung und Gefahr zu verfolgen. Diese Abtretung
erfolgt jedoch gegen Überlassung einer Beteiligung am Erfolg." Damit habe der
Beschwerdeführer zuerst als Anwalt die vorliegend geltend gemachte Forderung
einzutreiben versucht. Nachdem er nicht mehr über das Anwaltspatent verfügt
habe und er deshalb seine Klienten nicht mehr vor Gericht habe vertreten
dürfen, habe er sich und der von ihm beherrschten GmbH die Forderung gegen
Erfolgsbeteiligung abtreten lassen, womit er das Anwaltsmonopol umgangen habe.
Die Abtretung sei deshalb nichtig und die Klage wegen fehlender
Aktivlegitimation aussichtslos. Im Übrigen sei die unentgeltliche
Prozessführung auch deshalb nicht zu gewähren, weil es nicht Sache des Staates
sei, einen Prozess über eine Forderung zu finanzieren, welche sich ein
Mittelloser habe zedieren lassen.

3.
Die kantonalen Instanzen haben ihre Entscheide mit zwei voneinander
unabhängigen Begründungen versehen: Einerseits verstosse der Abtretungsvertrag
gegen das Anwaltsmonopol und sei deshalb nichtig, andererseits könne es nicht
Aufgabe des Staates sein, einen Prozess zu finanzieren für eine Forderung, die
sich ein Mittelloser habe abtreten lassen.

3.1 Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen,
so muss jede angefochten werden, und zwar mit dem jeweils richtigen
Rechtsmittel. Diese Rechtsprechung, wie sie sowohl für die staatsrechtliche
Beschwerde (BGE 113 Ia 94 E. 1a/bb S. 95 f.; 132 I 13 E. 3 S. 17) als auch für
die Berufung gegolten hat (BGE 111 II 397 E. 2b; 115 II 300 E. 2a S. 302),
findet auch auf die Beschwerde in Zivilsachen Anwendung (Art. 42 Abs. 2 BGG;
BGE 134 IV 119 E. 6.3 S. 120 f.). Ficht der Beschwerdeführer nur eine von
mehreren selbständigen Begründungen an, so entfällt das Rechtsschutzinteresse
an der Beurteilung der beanstandeten Erwägungen (BGE 132 III 460 nicht publ. E.
2) und bleibt der angefochtene Entscheid gestützt auf die unangefochtenen
Begründungen im Ergebnis auch dann bestehen, wenn die in der Beschwerde
erhobenen Einwände begründet wären. Auf das Rechtsmittel ist diesfalls
insgesamt nicht einzutreten (vgl. BGE 134 IV 119 E. 6.4 S. 121).

3.2 Der Beschwerdeführer äussert sich ausführlich zum Anwaltsmonopol und macht
in diesem Zusammenhang geltend, der Abtretungsvertrag aus dem Jahr 2002 könne
nicht aufgrund eines erst später in Kraft getretenen Anwaltsgesetzes nichtig
sein. Die kantonalen Gerichte würden in diesem Zusammenhang gegen Art. 20 OR,
gegen Art. 8, 9 und 29 der Bundesverfassung sowie gegen Art. 11 und 26 der
Kantonsverfassung verstossen. Ausserdem sei er im Zusammenhang mit
Inkassomandaten durch die Handels- und Gewerbefreiheit geschützt.

Wie es sich mit der Nichtigkeit des Abtretungsvertrages verhält, wurde bereits
in BGE 132 III 155 E. 7.2 S. 166 offen gelassen und braucht auch vorliegend
nicht abschliessend entschieden zu werden, weil die Alternativbegründung nicht
mit der für Verfassungsrügen notwendigen Substanziierung angefochten wird (dazu
E. 3.3). Immerhin sei auf die vom Obergericht - und im Übrigen auch in der
Beschwerde - festgehaltene Tatsache verwiesen, dass der Beschwerdeführer mit
den abtretenden Erben eine Vereinbarung geschlossen hat, wonach die Forderung
auf Rechnung des Beschwerdeführers eingeklagt werde und die Erben einen Drittel
bzw. 30% am Prozessgewinn erhalten würden. Ganz abgesehen davon, dass die
Honorierung des Rechtsvertreters in Form der Beteiligung am Prozessgewinn in
der Schweiz verpönt ist, steht die Forderungsabtretung aufgrund des zeitlichen
Zusammenhanges ganz offensichtlich im Zusammenhang mit der Gründung der
V.________, über welche der Beschwerdeführer weiterhin gewissermassen eine
anwaltliche Tätigkeit ausübt.

3.3 Für Verfassungsrügen gilt sowohl bei der Berufung in Zivilsachen als
aufgrund des Verweises in Art. 117 BGG auch bei der subsidiären
Verfassungsbeschwerde das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), wie es für
die frühere staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat (BGE 133 II 249 E. 1.4.2
S. 254). Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete
Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt
(133 III 393 E. 7.1 S. 398). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt,
reicht es sodann nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers
darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich
zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale
Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid
deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II
244 E. 2.2 S. 246).

Mit seinen Ausführungen, die kantonalen Erwägungen seien geradezu
ehrverletzend, bedeuteten Zweiklassenjustiz, entsprächen kapitalistischem
Denken aus dem 19. Jahrhundert, etc., ergeht sich der Beschwerdeführer in
typischer appellatorischer Kritik, auf die im Zusammenhang mit Verfassungsrügen
nicht einzutreten ist. Ohnehin wäre den kantonalen Ausführungen auch in der
Sache zu folgen: Kern und historischer Ausgangspunkt der unentgeltlichen
Rechtspflege ist die Gewährung der Waffengleichheit (Urteil 5A_175/2008, E. 4);
jede Verfahrenspartei soll grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre finanzielle
Situation unter den von der Rechtsprechung umschriebenen Voraussetzungen Zugang
zum Gericht und Anspruch auf Vertretung durch einen Rechtskundigen haben (BGE
119 Ia 134 E. 4 S. 135; 131 I 350 E. 3.1 S. 355). Nicht zum Grundgedanken der
Waffengleichheit gehört es aber, dass eine vermögende Partei ihre Forderung an
eine mittellose Partei abtritt, damit sie auf Staatskosten durchgesetzt werden
kann. Mit solchem Gebahren wird die Rechtswohltat der unentgeltlichen
Rechtspflege missbraucht; das verdient keinen Rechtsschutz. Der Grundsatz von
Treu und Glauben gilt nicht nur für das zivilprozessuale Verfahren schlechthin
(Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., 1979, S. 188 ff.),
sondern insbesondere mit Blick auf die unentgeltliche Rechtspflege auch
zwischen der Verfahrenspartei und dem Staat (vgl. Urteil 4P.103/1995, E. 3b/
aa).

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Beschwerde mangels genügend
substanziierter Rügen bezüglich der Alternativbegründung insgesamt nicht
einzutreten ist. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss sie als von
Anfang an aussichtslos betrachtet werden, weshalb es an den materiellen
Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege mangelt (Art. 64 Abs. 1 BGG)
und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juni 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli