Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.228/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_228/2009

Urteil vom 8. Juli 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer, Bundesrichter Marazzi,
nebenamtlicher Bundesrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Esslinger, Beschwerdeführer,

gegen

Z.________,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Viktor Peter,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Persönlichkeitsverletzung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts (I. Kammer) des Kantons Luzern vom
17. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a Am 27. Juni 2006 reichte X.________ beim Amtsstatthalteramt A.________
gegen Z.________, der gegen ihn Geldansprüche aus einem Arbeitsverhältnis
erhebt, Anzeige wegen Drohung und allfälliger weiterer Delikte ein. Z.________
wurde in Untersuchungshaft genommen und erklärte anlässlich seiner
polizeilichen Befragung vom 29. Juni 2006 unter anderem, X.________ habe ihm
für den Fall, dass er dessen Bruder töte, Fr. 70'000.-- angeboten. Durch
Strafverfügung vom 19. Oktober 2006 verurteilte ihn das Amtsstatthalteramt
A.________ wegen Drohung und versuchter Nötigung zu einer Busse von Fr. 400.--.

Aufgrund der Aussagen von Z.________ wurde durch das Amtsstatthalteramt
B.________ gegen X.________ ein Strafverfahren wegen Verdachts der Anstiftung
zu einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben eröffnet. Dieses Verfahren
wurde mit Entscheid vom 3. April 2007 eingestellt.

Ausserdem stellte das Amtsstatthalteramt A.________ mit Entscheid vom 11.
Oktober 2007 seinerseits das gegen Z.________ wegen falscher Anschuldigung und
Irreführung der Rechtspflege angehobene Verfahren ein.
A.b Z.________ hatte eine Reihe von an X.________ gerichteten, zum Teil auch
bei den Strafverfolgungsbehörden erhobenen Vorwürfen in einem vom 7. Februar
2006 datierten Brief zusammengefasst, den er X.________ in der Folge an dessen
Arbeitsort gesandt hatte. Das Schreiben trägt den Eingangsstempel "26. Feb.
2007".

B.
Mit Eingabe vom 3. Juli 2007 reichte X.________ beim Amtsgericht A.________
gestützt auf die Art. 28 ff. ZGB gegen Z.________ Klage ein und verlangte, es
sei diesem, mit Ausnahme von Äusserungen gegenüber Gerichten oder
Strafuntersuchungsbehörden, zu verbieten,
wörtlich oder sinngemäss zu behaupten, dass er, X.________, ihm oder einer
anderen Person eine Geldsumme bzw. Fr. 70'000.-- angeboten habe, damit er oder
eine andere Person seinen, X.'________, Bruder oder einen Mann im Tessin
umbringe,

wörtlich oder sinngemäss zu behaupten, dass er, X.________, einen Spion oder
Spitzel auf seinen, X.'________, Bruder angesetzt habe,
wörtlich oder sinngemäss zu behaupten, dass er, X.________, von Z.'________
Arzt verlangt habe, jenen wieder arbeitsfähig zu schreiben und jenem falsche
Medikamente zu verschreiben,
wörtlich oder sinngemäss zu behaupten, dass er, X.________, zur Polizei
gegangen sei, um Aussagen von Z.________ zu verhindern und
bestimmte (wörtlich wiedergegebene) Passagen aus dem Brief vom 7. Februar 2006,
ausserhalb von Zivil- oder Strafverfahren, Dritten zugänglich zu machen.
Einem Gesuch um Erlass eines vorsorglichen Verbots im Sinne der Art. 28c ff.
ZGB, das X.________ bezüglich eines Teils der vorstehend angeführten
Behauptungen und Äusserungen gestellt hatte, wurde mit Entscheid des
Amtsgerichtspräsidenten I von A.________ vom 12. April 2007 stattgegeben.

Das Amtsgericht A.________ (I. Abteilung) und das Obergericht (I. Kammer) des
Kantons Luzern wiesen die Klage vom 3. Juli 2007 mit Urteil vom 8. Mai 2008
bzw. mit Appellationsurteil vom 17. Februar 2009 ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 1. April 2009 verlangt X.________, den
obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und seine Klagebegehren gutzuheissen.

Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Gegenstand der Beschwerde ist eine Auseinandersetzung über die Verletzung von
Persönlichkeitsrechten, d.h. eine Zivilsache nicht vermögensrechtlicher Natur
(dazu BGE 127 III 481 E. 1a S. 483 mit Hinweis). Das von der letzten kantonalen
Instanz stammende angefochtene Urteil stellt einen Endentscheid dar, so dass
auf die Beschwerde auch aus dieser Sicht ohne weiteres einzutreten ist (Art. 72
Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).

2.
Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem
Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen (Art.
28 Abs. 1 ZGB). Eine Verletzung ist nach Art. 28 Abs. 2 ZGB dann
widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein
überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz
gerechtfertigt ist. Der Betroffene kann dem Gericht unter anderem beantragen,
eine drohende Persönlichkeitsverletzung zu verbieten (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 1
ZGB).

3.
Mit der Begründung, dass dem Beschwerdeführer von vornherein kein
Unterlassungsanspruch zustehe, hat das Obergericht nicht abschliessend
beurteilt, ob die vom Unterlassungsbegehren erfassten Äusserungen als
Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 ZGB zu qualifizieren seien.
Ebenso hat es offen gelassen, ob eine solche widerrechtlich wäre. Die
Vorinstanz bemerkt, dass mit dem Unterlassungsanspruch nach Art. 28a Abs. 1
Ziff. 1 ZGB präventive Zwecke verfolgt würden, weshalb einem entsprechenden
Begehren nur mit grosser Zurückhaltung und unter Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismässigkeit stattzugeben sei. Wer auf Unterlassung klage, müsse nicht
nur ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, sondern auch das Vorliegen einer
ernsthaften und naheliegenden Gefahr einer Persönlichkeitsverletzung. Eine
Wiederholungsgefahr dürfe nicht bereits deshalb angenommen werden, weil der
Verursacher einer Verletzung bestreite, widerrechtlich gehandelt zu haben,
würde diesem doch sonst faktisch die Berufung auf Rechtfertigungsgründe
verwehrt. Auf ein ernsthaftes Wiederholungsrisiko sei vor allem dann zu
schliessen, wenn der Verletzer die Wiederholung der Verletzungshandlung androhe
oder Anstalten zur Wiederholung treffe. Dem Hinweis des Beschwerdeführers auf
BGE 124 III 72 ff. hält das Obergericht entgegen, jener Entscheid gehe zu weit
und sei zudem insofern nicht einschlägig, als ihm ein Unterlassungsbegehren im
Rahmen einer UWG-Streitigkeit zugrunde gelegen habe, deren Gegenstand durch die
Ausstrahlung einer Fernsehsendung bereits an die Öffentlichkeit gelangt gewesen
sei. Demgegenüber sei der Beschwerdegegner mit den beanstandeten Äusserungen
nicht an die Öffentlichkeit gelangt, sondern einzig an die zuständigen
Strafuntersuchungsbehörden und an den Beschwerdeführer persönlich. Dieser nehme
die Äusserungen gegenüber Gerichten und Strafuntersuchungsbehörden ausdrücklich
von seinem Unterlassungsbegehren aus und mache nicht geltend, der
Beschwerdegegner habe sich in der Vergangenheit gegenüber der Öffentlichkeit
herabmindernd über ihn geäussert. Mit der ersten Instanz sei davon auszugehen,
dass die Gefahr eines Gangs an die Öffentlichkeit nicht als ernsthaft und
naheliegend zu befürchten sei, sei doch anzunehmen, dass der Beschwerdegegner
diesen Weg bereits beschritten hätte, wenn es ihm tatsächlich darum gegangen
wäre, den Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Was die
Gefahr betreffe, dass der Beschwerdegegner seine Äusserungen gegenüber dem
Beschwerdeführer selbst wiederhole, so bringe dieser keine konkreten
Anhaltspunkte vor. Insbesondere werde nicht geltend gemacht, der
Beschwerdegegner habe eine Wiederholung der in Frage stehenden Äusserungen
angedroht oder entsprechende Anstalten getroffen. Eine ernsthafte und
naheliegende Gefahr einer Persönlichkeitsverletzung durch den Beschwerdegegner
sei demnach nicht schlüssig dargetan, so dass die Klage abzuweisen sei.

4.
Die Feststellung des Obergerichts, er habe eine ernsthafte und naheliegende
Gefahr einer künftigen Persönlichkeitsverletzung durch den Beschwerdegegner
nicht schlüssig dargetan, verstösst nach Auffassung des Beschwerdeführers gegen
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 1 ZGB.

4.1 Einem Unterlassungsbegehren im Sinne dieser Bestimmung kann nur entsprochen
werden, wenn ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse des Klägers vorhanden ist.
Letzteres ist der Fall, wenn das Verhalten des Beklagten eine künftige
Persönlichkeitsverletzung ernsthaft befürchten lässt, eine solche mit einer
gewissen Unmittelbarkeit droht (BGE 97 II 97 E. 5b S. 108 mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 124 III 72 E. 2a S. 74 betreffend das Bundesgesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb [UWG]). Naturgemäss lässt sich ein künftiges Verhalten
nie mit letzter Sicherheit beweisen, so dass es lediglich darum gehen kann,
eine Vermutung darzutun (vgl. BGE 97 II 97 E. 5b S. 108). In welcher Intensität
eine einschlägige Gefahr vorhanden sein muss, um einen Unterlassungsanspruch
bejahen zu können, ist eine Rechtsfrage und kann demnach vom Bundesgericht frei
überprüft werden. Die tatsächlichen Gegebenheiten, aus denen sich eine Gefahr
der dargelegten Art ergeben soll, sind vom Kläger nachzuweisen.

4.2 Der Beschwerdeführer beruft sich nach wie vor auf BGE 124 III 72 (E. 2a S.
74), wonach eine Wiederholungsgefahr in der Regel schon dann angenommen werden
dürfe, wenn der Beklagte die Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens
bestreite, zumal in einem solchen Fall zu vermuten sei, dass er es im Vertrauen
auf dessen Rechtmässigkeit weiterführen werde. Ein wesentlicher Unterschied
zwischen jenem Fall - der nicht eine Persönlichkeitsverletzung nach den Art. 28
ff. ZGB, sondern einen Verstoss gegen die Bestimmungen des UWG betroffen hatte
- und der vorliegenden Streitsache besteht darin, dass dort die Beklagte (die
Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) sich nicht vollständig an das
superprovisorisch verfügte Ausstrahlungsverbot, das dem dem Urteil zugrunde
liegenden Unterlassungsbegehren vorangegangen war, gehalten, sondern sich
entschlossen hatte, den Filmbeitrag - ohne Ton, mit grau verdecktem Bild und
einem auf die superprovisorische Verfügung hinweisenden Text sowie mit einem
mündlichen Kommentar des Präsentators der Sendung - gleichwohl auszustrahlen
(vgl. BGE 124 III 72 S. 73). Wie die Vorinstanz hier festhält, hat der
Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, dass der Beschwerdegegner sich in der
Vergangenheit gegenüber der Öffentlichkeit herabmindernd über ihn geäussert
hätte. Dem vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Umstand, dass der
Beschwerdegegner die Rechtswidrigkeit seines Handelns bestreite, kommt bei
dieser Sachlage deshalb nicht die gleiche Bedeutung zu wie der zum Teil
fehlenden Einsicht der Beklagten in die Rechtswidrigkeit ihrer Medienäusserung
in dem im angerufenen Entscheid beurteilten Fall.

Die vom Obergericht übernommene, auf einem entsprechenden Vorbringen des
Beschwerdegegners beruhende Einschätzung der ersten Instanz, der
Beschwerdegegner wäre mit den Gegenstand des Unterlassungsbegehrens bildenden
Äusserungen schon längst an Dritte gelangt, wenn es ihm darum gegangen wäre,
den Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, ist nicht zu
beanstanden. Der Einwand des Beschwerdeführers, es wäre für den
Beschwerdegegner ein Leichtes gewesen, (ausdrücklich) zu erklären, dass er den
Schritt an die Öffentlichkeit nicht tun werde, ist insofern unbehelflich, als
in der Erklärung des Beschwerdegegners, er hätte sich schon längst an die
Öffentlichkeit gewendet, wenn er dies gewollt hätte, die (stillschweigende)
Zusage enthalten ist, er werde es auch in der Zukunft nicht tun. Es mag sein,
dass aus der Tatsache, dass der Beschwerdegegner sich an das am 12. April 2007
superprovisorisch verfügte Verbot gehalten hat, nichts zu dessen Gunsten
abgeleitet werden kann, doch ergibt sich daraus andererseits auch nichts, was
den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu rechtfertigen vermöchte.

Mit der weiteren Feststellung der Vorinstanz, er trage auch keine konkreten
Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdegegner die Äusserungen ihm
persönlich gegenüber wiederholen könnte, setzt sich der Beschwerdeführer in
keiner Weise auseinander.

5.
Nach dem Gesagten ist nicht dargetan, dass die obergerichtliche Auffassung, es
bestehe keine ernsthafte und naheliegende Gefahr einer künftigen
Persönlichkeitsverletzung, die den vom Beschwerdeführer angestrebten
Unterlassungsentscheid zu rechtfertigen vermöchte, gegen Bundesrecht
verstiesse. Es braucht unter diesen Umständen nicht erörtert zu werden,
inwiefern die vom Beschwerdeführer beanstandeten Äusserungen des
Beschwerdegegners Persönlichkeitsverletzungen im Sinne von Art. 28 ZGB
enthalten würden und ob diese widerrechtlich wären. Die auf diese Fragen
bezogenen Vorbringen des Beschwerdeführers stossen deshalb ins Leere.

6.
Die Beschwerde ist mithin abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassungen zur Beschwerde
eingeholt worden und dem Beschwerdegegner somit keine Kosten erwachsen sind,
entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (I. Kammer) des Kantons
Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juli 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel