Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.226/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_226/2009

Urteil vom 27. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Betreibungs- und Konkursamt Berner Oberland, Dienststelle Thun, Allmendstrasse
18, Postfach, 3601 Thun,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Steigerungszuschlag,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern vom 16. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Im Grundpfandverwertungsverfahren der Betreibungen Nrn. 1.________ und
2.________ des Betreibungs- und Konkursamtes Berner Oberland, Dienststelle Thun
(BAKA), lagen die Steigerungsbedingungen und die Lastenverzeichnisse vom 3. bis
13. November 2008 auf und erwuchsen danach in Rechtskraft.
Am 22. Januar 2009 versteigerte das BAKA im betreffenden Verfahren die
Grundstücke Sigriswil-GBB-Nrn. A.________ bis M.________.
X.________ ersteigerte für Fr. 2'594'000.-- verschiedene Grundstücke, darunter
u.a. die Stockwerkeinheit Nr. F.______. Am 23. Januar 2009 forderte ihn das
BAKA auf, den verbleibenden Betrag von Fr. 2'509'500.-- zu bezahlen.

B.
Mit Beschwerde vom 30. Januar 2009 machte X.________ geltend, infolge fehlender
Bewohnbarkeit der Stockwerkeinheit Nr. F.________ sei er einem Grundlagenirrtum
erlegen, weshalb der Zuschlag für alle von ihm ersteigerten Grundstücke
aufzuheben und diesbezüglich eine neue Steigerung durchzuführen sei.
Mit Entscheid vom 16. März 2009 wies die kantonale Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen die Beschwerde ab.

C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 1. April 2009 beim Bundesgericht
Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und um
Anweisung des BAKA, die Steigerung der ihm zugeschlagenen Grundstücke erneut
durchzuführen. Mit Präsidialverfügung vom 5. Mai 2009 wurde der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Es wurden keine
Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig vom Streitwert der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG).

2.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat festgehalten, der Beschwerdeführer sei
zusammen mit Y.________ als einfacher Gesellschafter am Stockwerkeigentum der
meisten der zur Verwertung gelangten Grundstücke beteiligt gewesen, namentlich
auch am Grundstück Nr. F.________. Aus der Urschrift Nr. N.________ vom 26.
März 1997 gehe hervor, dass als Grundstück Nr. F.________ von Anfang an eine
1½-Zimmer-Wohnung mit Mehrzweckraum, Reduit und Autoabstellraum vorgesehen
gewesen sei. Auf der gleichen Seite der Urschrift sei präzisierend festgehalten
worden, dass die betreffende Stockwerkeinheit "als Abstell-, Mehrzweck- oder
Wohnraum bestimmt" sei.
Gestützt auf diese Feststellungen hat die Aufsichtsbehörde erwogen, dem
Beschwerdeführer hätte aufgrund seiner früheren (Mit)eigentümerschaft
namentlich auch bezüglich der fraglichen Einheit Nr. F.________ klar sein
müssen, dass deren Zweckbestimmung noch nicht definitiv festgelegt gewesen,
sondern vorerst ungewiss geblieben sei. Mit diesem Wissensstand und der sich
daraus ergebenden Unsicherheit betreffend der Nutzungsart habe der
Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Einheit als Wohnraum
genutzt werden könne; vielmehr hätte er sich vor der Steigerung informieren
müssen, was ihm auch ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dass er dies
unterlassen habe, zeige, dass es sich bei diesem Umstand nicht um eine
notwendige Geschäftsgrundlage habe handeln können.
Die Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass im Übrigen die subjektive und objektive
Wesentlichkeit eines allfälligen Irrtums für die Gegenseite nicht erkennbar
gewesen wäre, weil sich der Beschwerdeführer im Zuge der Steigerung um eine
sich offensichtlich stellende Frage (nämlich die Möglichkeit der Nutzung als
Wohnraum) nicht gekümmert habe und deshalb die Gegenseite daraus habe
schliessen dürfen, dass es sich für die irrende Partei nicht um eine notwendige
Geschäftsgrundlage handle; die Voraussetzungen für einen Grundlagenirrtum seien
mithin nicht gegeben.

3.
Wie bereits vor der kantonalen Aufsichtsbehörde bringt der Beschwerdeführer
auch vor Bundesgericht wiederum vor, aufgrund interner Unstimmigkeiten mit
seinem ehemaligen Miteigentümer Y.________ habe dieser ihn über die weiteren
Vorgänge nicht mehr informiert und die Unterlagen bewusst an sich
zurückgenommen, um die alleinige Kontrolle über das Projekt zu erhalten. Er
habe deshalb nicht wissen können, dass Y.________ die Stockwerkeinheit Nr.
F.________ unberechtigterweise im Grundbuch habe eintragen lassen, obwohl es
hierfür nie eine Baubewilligung gegeben habe und die Einheit deshalb nicht
bewohnt werden dürfe. Er sei deshalb einem Grundlagenirrtum unterlegen, weil
die Stockwerkeinheit infolge mangelnder Bewohnbarkeit einen tieferen als den
von ihm gebotenen Wert aufweise.
Mit diesen Ausführungen ist keine Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 lit. a
BGG darzutun: Zwar kann der Zuschlag nicht nur wegen Verfahrensfehlern bei der
Versteigerung oder wegen unzulässiger Einwirkung auf den Steigerungserfolg,
sondern auch wegen Willensmängeln im Sinn von Art. 23 ff. OR bei der Steigerung
angefochten werden (BGE 79 III 114 E. 1 S. 116; 95 III 21 E. 1 S. 22); Art. 230
OR will nämlich deren Geltendmachung nicht ausschliessen, sondern zusätzliche
Anfechtungsgründe schaffen (Urteil 5A_219/2007 vom 16. Juli 2007, E. 2.1). Eine
vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (Art. 106 Abs. 1 BGG) ist im
Zusammenhang mit dem Grundlagenirrtum aber einzig, ob der irrig angenommene
Sachverhalt nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige
Grundlage des Vertrages betrachtet werden durfte und ob dies für die
Gegenpartei erkennbar war (vgl. etwa BGE 108 II 410 E. 1a S. 412; 118 II 58 E.
3b S. 62; 132 III 737 E. 1.3 S. 741). Eine Sachverhalts- bzw. Beweisfrage ist
hingegen, was für einen Wissensstand der Beschwerdeführer aufgrund der
konkreten Umstände hatte oder jedenfalls hätte haben müssen (BGE 108 II 410 E.
1b S. 412; 113 II 25 E. 1a S. 27). Diesbezüglich hat die kantonale
Aufsichtsbehörde festgehalten, dass der Beschwerdeführer als früherer (Mit)
eigentümer aufgrund der Urschrift von der damals noch unklaren Zweckbestimmung
der fraglichen Stockwerkeinheit Kenntnis hatte und dass es ihm ein Leichtes
gewesen wäre, die tatsächliche Nutzungsart und -möglichkeit festzustellen.
An diese kantonalen Sachverhaltsfeststellungen ist das Bundesgericht
grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig
vorgebracht werden, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt
worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich"
gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl 2001 IV 4338; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S.
252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Hierfür gilt im Übrigen das strikte
Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), wie es für die frühere staatsrechtliche
Beschwerde gegolten hat (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Diesen
Rügeanforderungen vermag die blosse Aussage des Beschwerdeführers, angesichts
der in der Urschrift erwähnten Formulierung "oder Wohnraum" habe er gedacht,
die Nutzung als Wohnraum sei möglich, offensichtlich nicht zu genügen:
Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht einmal die Verletzung eines
verfassungsmässigen Rechts anruft, wäre selbst bei sinngemässer Annahme einer
Willkürrüge eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung
erst dann genügend nachgewiesen, wenn mit substanziierten Ausführungen
dargelegt würde, dass und inwiefern die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich
unhaltbar wäre, indem sie mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stünde, auf einem offenkundigen Versehen beruhte oder sich sachlich in keiner
Weise rechtfertigen liesse (BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398).
Hat die kantonale Aufsichtsbehörde mangels entsprechender (und rechtsgenüglich
begründeter) Rügen willkürfrei und damit für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt, dass der Beschwerdeführer um die Unsicherheit der Bewohnbarkeit
wusste und dass es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, sich Gewissheit zu
verschaffen, so fehlt es bereits am Element des Irrtums als primäres
Tatbestandselement des Grundlagenirrtums. Die Prüfung der - von der kantonalen
Aufsichtsbehörde ebenfalls verneinten - rechtlichen Voraussetzungen des
Grundlagenirrtums (objektive und subjektive Wesentlichkeit des Irrtums;
Erkennbarkeit der Wesentlichkeit für die Gegenpartei) erübrigt sich deshalb im
Prinzip. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Erkennbarkeit für
die Gegenpartei verneint werden muss, wo sich - wie vorliegend - eine Partei im
Zuge der Steigerung nicht um eine sich offensichtlich stellende Frage kümmert,
weil diesfalls die Gegenpartei daraus schliessen darf, dass es sich für die
irrende Partei nicht um eine notwendige Geschäftsgrundlage handelt (BGE 129 III
363 E. 5.3 S. 365 mit Verweis auf BGE 117 II 218 E. 3b S. 224).

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit
überhaupt darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Möckli