Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.224/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_224/2009

Urteil vom 22. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer, Bundesrichter Marazzi,
Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Levante.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp Straub,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprech Dr. Urs Tschaggelar.

Gegenstand
Konkurseröffnung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn
(Zivilkammer) vom 23. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 24. September 2008 benachrichtigte A.________, Gesellschafter und
einzelzeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Y.________ GmbH (mit Sitz in
B.________), das Richteramt Solothurn-Lebern (Zivilabteilung), dass die
Gesellschaft überschuldet sei. Mit Urteil vom 30. Oktober 2008, 14 Uhr,
eröffnete der Amtsgerichtspräsident über die Y.________ GmbH zufolge
Überschuldung den Konkurs. Gegen das Konkursdekret erhob X.________,
Gesellschafterin und einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin der
Y.________ GmbH, am 10. November 2008 Rekurs.

B.
Mit Urteil vom 23. März 2009 trat das Obergericht (Zivilkammer) des Kantons
Solothurn auf den Rekurs nicht ein und setzte den Zeitpunkt der Eröffnung des
Konkurses über die Y.________ GmbH auf den 23. März 2009, 11 Uhr, fest.

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 31. März 2009 Beschwerde in Zivilsachen. Die
Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil und die
Konkurseröffnung seien aufzuheben; eventualiter sei die Sache zur neuen
Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Weiter ersucht die
Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung und unentgeltliche Rechtspflege.
Die Y.________ GmbH als Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet und schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
kantonale Konkursamt verlangt in einer unaufgefordert eingereichten
Vernehmlassung im Wesentlichen die Abweisung der Beschwerde.
Mit Präsidialverfügung vom 22. April 2009 wurde der Beschwerde im Sinne der
Erwägungen aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
Das Konkurserkenntnis ist ein Entscheid in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen, welcher der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt (Art. 72 Abs. 2
lit. a BGG). Die Beschwerde gegen Entscheide des Konkursrichters ist an keinen
Streitwert gebunden (Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG). Der Entscheid des
Konkursgerichts gemäss Art. 192 SchKG ist in einem eigenen Verfahren ergangen,
womit er einen Endentscheid nach Art. 90 BGG darstellt. Hingegen kommt er
keiner einstweiligen Verfügung gleich, über die in einem späteren
Hauptverfahren entschieden wird (vgl. Art. 98 BGG; BGE 133 III 687 E. 1.2 S.
689). Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin sämtliche
Beschwerdegründe vorbringen kann (Art. 95 ff. BGG).

2.
Das Obergericht hat zunächst festgehalten, dass die Beschwerdeführerin als
Gesellschafterin und einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin ohne
weiteres befugt sei, im Namen der konkursiten Gesellschaft ein Rechtsmittel
einzulegen. Die Beschwerdeführerin habe jedoch in ihrem eigenen Namen Rekurs
gegen die Konkurseröffnung eingereicht. Sie könne sich nicht auf ihre
Legitimation als Organ der GmbH berufen, sondern sie hätte im Namen der
Y.________ GmbH rekurrieren müssen.
Weiter hat das Obergericht geprüft, ob die Beschwerdeführerin, welche
Lohnforderungen aus Arbeitsvertrag gegenüber der GmbH geltend macht, als
Gläubigerin gegen die Konkurseröffnung rekurslegitimiert sei. Da die
Beschwerdeführerin kein Gesuch um Konkursaufschub gestellt habe, obwohl sie von
der Überschuldungsanzeige des anderen Geschäftsführers Kenntnis gehabt habe,
könne auf ihren Rekurs auch unter diesem Blickwinkel mangels
Rechtsmittellegitimation nicht eingetreten werden.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, es habe ihr als Organ der
GmbH zu Unrecht die Legitimation abgesprochen, um das Konkursdekret
weiterzuziehen. Sie habe ausdrücklich (auch) in ihrer Funktion als Organ
rekurriert, und die Vorinstanz sei zu Unrecht auf das Rechtsmittel nicht
eingetreten; sie habe das Rechtsmittel nicht "im Namen der GmbH" erhoben,
jedoch habe sie das Konkursdekret offensichtlich im Interesse der Gesellschaft
angefochten.

3.2 Anlass zur Beschwerde gibt die Konkurseröffnung über eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) nach Art. 192 SchKG. Der gegen die Konkurseröffnung
erhobene kantonale Rekurs stützt sich auf Art. 194 i.V.m. Art. 174 SchKG. Die
Weiterziehung des Entscheides des Konkursgerichts erfolgte von der
Beschwerdeführerin als einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafterin mit
Geschäftsführungsbefugnis, während die Überschuldungsanzeige durch den anderen,
ebenfalls einzelzeichnungsberechtigten Gesellschafter und Geschäftsführer
erfolgt war, jedoch ausdrücklich im Namen der GmbH. Umstritten ist, ob das
Obergericht die Weiterziehung des Konkursdekretes durch die Beschwerdeführerin
als unzulässig erachten durfte.
3.2.1 Über eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann der Konkurs
wie über eine Aktiengesellschaft wegen Überschuldung eröffnet werden; die
Regelung des Aktienrechts ist entsprechend anwendbar (Art. 820 OR [in der seit
1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung]; Art. 725 f. OR). Grundlage der
Benachrichtigung wegen Überschuldung ist grundsätzlich ein gültiger Beschluss
der Geschäftsführer (Wüstiner, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 3.
Aufl. 2008, N. 7a zu Art. 820; BUCHWALDER, Commentaire romand, Code des
obligations II, 2008, N. 3 zu Art. 820; VOUILLOZ, Le surendettement de la Sàrl
et son éventuel assainissement, Jusletter 22. August 2005, Rz. 6; MONTAVON,
Droit suisse de la Sàrl, 2008, S. 363).
3.2.2 Für die Konkurseröffnung über eine überschuldete GmbH wird in der
kantonalen Praxis der Nachweis für den Beschluss der Geschäftsführer verlangt
(Krampf/Schuler, Die aktuelle Praxis des Konkursrichters des Bezirksgerichts
Zürich zu Überschuldungsanzeige, Konkursaufschub und Insolvenzerklärung
juristischer Personen, AJP 2002 S. 1072). Es kann nämlich vorkommen, dass ein
Geschäftsführer einer GmbH ohne Rücksprache mit den anderen Geschäftsführern
den Überschuldungsfall angemeldet hat und kein gültiger Beschluss vorliegt. Die
Frage, ob in Fällen dieser Art ein (anderer) einzelner vertretungsberechtigter
Gesellschafter und Geschäftsführer das Konkursdekret weiterziehen kann, wird
daher zu Recht bejaht (vgl. Rutz, Weiterziehung des Konkursdekretes, in: Angst/
Cometta/Gasser [Hrsg.], Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, 2000, S. 355
f.; vgl. BJM 1999, S. 326; ZR 1987 Nr. 44 S. 100).

3.3 Das Obergericht ist vorliegend auf die Weiterziehung nicht eingetreten,
weil diese von der Beschwerdeführerin "persönlich", und nicht "im Namen der
Gesellschaft" eingereicht worden sei. Die Beschwerdeführerin bestätigt, dass
sie das Konkursdekret nicht "im Namen der Gesellschaft" weitergezogen habe,
besteht aber darauf, dass die Legitimation zur Weiterziehung gegeben sei, weil
sie das Rechtsmittel ausdrücklich unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Organ
der GmbH erhoben habe.
3.3.1 Die Vorinstanz scheint ihren Nichteintretensentscheid darauf zu stützen,
dass die Beschwerdeführerin die Weiterziehung deshalb nicht "im Namen der
Gesellschaft" erhoben habe, weil sie das Rechtsmittel insoweit nicht mit der
Firma der GmbH und ihrem beigefügten Namen gezeichnet hat (vgl. Art. 814 Abs. 5
OR). Es ist allerdings anerkannt, dass im Fall, in dem die Zeichnung "im Namen
der Gesellschaft" fehlt, Art. 32 Abs. 2 OR gilt, wonach die Vertretungswirkung
dennoch zustande kommen kann, wenn der Dritte auf ein Vertretungsverhältnis
schliessen musste (Watter, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 3. Aufl.
2008, N. 6 zu Art. 719). Die Beschwerdeführerin besteht jedoch darauf, als
Organ Parteistellung zu haben und nicht für die Gesellschaft handeln zu wollen,
auch wenn sie stellenweise vorbringt, das Konkursdekret im Interesse der
Gesellschaft angefochten zu haben. Dass das Obergericht aufgrund der Vorbringen
im Rekurs zum Schluss kommen musste, die Beschwerdeführerin habe das
Konkursdekret (nach Art. 32 Abs. 2 OR) für die Gesellschaft weitergezogen,
macht sie jedoch nicht geltend, so dass die Frage nicht zu erörtern ist.
3.3.2 Zu klären ist, ob in der vorliegenden Weiterziehung nach Art. 174 SchKG
die GmbH oder das rekurrierende Organ Parteistellung hat. Wo - wie hier - ein
anderer einzelner vertretungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer
das Konkursdekret weiterziehen kann, weil angeblich ein gültiger
Geschäftsführerbeschluss fehle (vgl. E. 3.2.2), hat der Gesellschafter selber
ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, zumal dieser der Organhaftung
nach Art. 827 OR unterliegt (vgl. Rutz, a.a.O.). Deshalb erscheint es
sachgerecht, ein strittiges Verfahren zwischen der konkursit erklärten
Gesellschaft und dem betreffenden Geschäftsführer anzunehmen (in diesem Sinn
Brunner, in: Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 1996, N. 22 zu Art. 192). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann
daher der GmbH-Geschäftsführer im Fall, dass die Überschuldungsanzeige auf
einem angeblich ungültigen Geschäftsführungsbeschluss beruhe, die
Konkurseröffnung selber weiterziehen.
3.3.3 Die Benachrichtigung des Konkursrichters erfolgte vorliegend durch
A.________, welcher einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und
Geschäftsführer der GmbH ist. Bereits im kantonalen Verfahren hat die
Beschwerdeführerin die Gültigkeit des Geschäftsführungsbeschlusses in Frage
gestellt. Die Beschwerdeführerin hält in ihrer Beschwerdeschrift zu Recht fest,
dass sie im Weiterziehungsverfahren geltend gemacht habe, "Geschäftsführerin
der GmbH" zu sein und "ein offensichtliches Interesse daran zu haben, die
Konkurseröffnung rückgängig zu machen". Im Weiteren spricht die Vorinstanz
selber davon, die Beschwerdeführerin rekurriere als "Organ der GmbH".
3.3.4 Nach dem Dargelegten ist mit den Regeln über die Weiterziehung des
Konkursdekretes (Art. 174 i.V.m. Art. 194 SchKG) nicht vereinbar, wenn das
Obergericht auf den kantonalen Rekurs nicht eingetreten ist, soweit dieser von
der Beschwerdeführerin als Organ der GmbH erhoben wurde. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist insoweit begründet und der Nichteintretensentscheid aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis ist nicht weiter zu prüfen, ob das Obergericht die
Weiterziehung insoweit als unzulässig erachten durfte, als sich die
Beschwerdeführerin auf ihre Gläubigereigenschaft beruft.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde in Zivilsachen gutzuheissen, und der
angefochtene Nichteintretensentscheid sowie die (Neu-) Eröffnung des Konkurses
sind aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Entscheidung in der Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 BGG). Das Gesuch der
Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge
Gegenstandslosigkeit abzuschreiben. Das vorliegende Urteil ist den in Art. 176
SchKG genannten Behörden mitzuteilen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts
(Zivilkammer) des Kantons Solothurn vom 23. März 2009, mit welchem auf den
Rekurs von X.________ nicht eingetreten und der Konkurs über die Y.________
GmbH, in B.________, eröffnet worden ist, wird aufgehoben, und die Sache wird
zu neuer Entscheidung an der Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht (Zivilkammer) des Kantons
Solothurn, dem Konkursamt des Kantons Solothurn, dem Handelsregisteramtes des
Kantons Solothurn, dem Grundbuchamt Region Solothurn und dem Betreibungsamt
Region Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Levante