Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.211/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_211/2009

Urteil vom 18. Juni 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Gut.

Parteien
A.X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Heidi Pfister-Ineichen,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Lustenberger.

Gegenstand
Klage auf Bestreitung neuen Vermögens,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz, vom 13. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
In der von der Y.________ GmbH angestrengten Betreibung Nr. 1 des
Betreibungsamtes C.________ über Fr. 100'000.-- schlug A.X.________ Recht vor
und erhob die Einrede mangelnden neuen Vermögens. Mit Entscheid vom 17. Februar
2005 bewilligte der Amtsgerichtspräsident D.________ von E.________ den
Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens im Umfang von Fr. 60'850.-- nicht und
stellte die Betreibung für den darüber liegenden Betrag definitiv ein. Das
Bundesgericht trat auf die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde am 13.
Oktober 2005 nicht ein (Urteil 5P.117/2005).

B.
A.X.________ reichte am 31. März 2005 beim Amtsgericht E.________ gegen die
Y.________ GmbH eine Klage auf Feststellung ein, dass er vom 1. Mai 2003 bis
30. April 2004 kein neues Vermögen erworben habe. Demzufolge sei ihm der
Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes C.________
vollumfänglich zu bewilligen und das Verfahren im gesamten Betrag endgültig
einzustellen. Mit Urteil vom 25. Juli 2008 bewilligte das Amtsgericht
E.________ den Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, soweit er den Betrag
von Fr. 60'180.-- überstieg. In diesem Umfang wurde die Betreibung definitiv
eingestellt. Das Obergericht des Kantons Luzern wies die von A.X.________
erklärte Appellation am 13. Februar 2009 ab.

C.
A.X.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 27. März 2009 an das
Bundesgericht gelangt. Er beantragt, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und
festzustellen, dass er in der Zeit vom 5. Mai 2003 bis 4. Mai 2004 kein neues
Vermögen gebildet habe. Damit sei ihm der Rechtsvorschlag für den Betrag von
Fr. 60'180.-- zu bewilligen und die Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes
C.________ endgültig abzuschreiben. Eventualiter sei die Sache zu weiteren
Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Y.________ GmbH verlangt, auf
die Beschwerde nicht einzutreten. Eventualiter sei sie abzuweisen. Das
Obergericht beantragt die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Mit Verfügung vom 30. April 2009 hiess die Präsidentin der II. zivilrechtlichen
Abteilung das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gut.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über ein Begehren
um Bestreitung neuen Vermögens nach Art. 265a Abs. 4 SchKG. Dabei handelt es
sich um einen Endentscheid in einer Zwangsvollstreckungssache mit
Vermögenswert. Die gesetzliche Streitwertgrenze ist erreicht. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist gegeben (Art. 75 Abs. 1, Art. 90, Art. 72 Abs. 2 lit. a und
Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; BGE 5A_556/2008 vom 29. Mai 2009 E. 1.1).

1.2 Es können alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG vorgebracht werden und das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), was
heisst, dass es behauptete Rechtsverletzungen (Art. 42 Abs. 2 BGG) mit voller
Kognition prüft. Hingegen ist es an den vorinstanzlich festgestellten
Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass
die Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei (Art. 97 Abs. 1
BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist
(BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Es gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs.
2 BGG), wie es für die frühere staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat (BGE
133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 f.). Demzufolge wird eine blosse Bestreitung des
vorinstanzlich festgestellten Sachverhaltes ebenso wenig berücksichtigt wie der
Versuch seiner Erweiterung. Diesen Anforderungen haben beide Prozessparteien zu
genügen.

2.
Nach Art. 265 Abs. 2 SchKG kann gestützt auf einen Verlustschein eine neue
Betreibung nur eingeleitet werden, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen
gekommen ist. Diese Regelung soll dem Schuldner erlauben, sich nach der
Durchführung des Konkurses wirtschaftlich zu erholen, ohne dem ständigen Druck
seiner Verlustscheingläubiger ausgesetzt zu sein. Er hat nur dann neues
Vermögen gebildet, wenn er sich nach dem Konkurs eine neue Existenz aufbauen,
standesgemäss leben und zusätzlich Ersparnisse beiseite legen kann. Auch der
Arbeitserwerb kann unter den genannten Voraussetzungen neues Vermögen
darstellen, wobei es nicht genügt, dass der Schuldner über dem Existenzminimum
nach Art. 93 SchKG leben kann. Die massgeblichen Kriterien zur Berechnung des
neuen Vermögens bilden Bundesrecht, womit ihre Anwendung vom Bundesgericht frei
überprüft wird. Welcher konkrete Betrag hingegen für ein standesgemässes Leben
nötig ist, liegt weitgehend im Ermessen des Richters und unterliegt daher nur
einer zurückhaltenden Überprüfung (BGE 5A_556/2008 vom 29. Mai 2009 E. 2.1; BGE
133 III 620 E. 2 und E. 3.1 S. 622 f.).

3.
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Schuldner im massgeblichen Zeitraum
kein neues Vermögen im Sinne von Ersparnissen habe bilden können. Der Nachweis,
dass bei der Ehefrau Vermögen vorhanden sei, welches ihm zugerechnet werden
könnte, sei von der beweispflichtigen Gläubigerin ebenfalls nicht erbracht
worden. Hingegen habe der Schuldner in der fraglichen Zeit bei der X.________
Treuhand AG, einer Unternehmung seines Sohnes und seiner Ehefrau, ein Einkommen
erzielt, das ihm erlaubt hätte, neues Vermögen zu bilden. In der relevanten
Zeitspanne habe sein Lohn nicht bloss Fr. 4'272.-- netto im Monat für eine
Teilzeitstelle betragen, wie er vorbringe. In Wirklichkeit sei er vollzeitlich
tätig gewesen und sein Gehalt habe sich daher auf Fr. 8'544.- netto im Monat
belaufen. Die Ehefrau ihrerseits habe ein monatliches Gesamteinkommen aus ihrer
beruflichen Tätigkeit und dem Ertrag ihrer Liegenschaft von Fr. 7'503.-- netto
erzielt und nicht wie vorgetragen von Fr. 4'672.55.

3.1 Der Beschwerdeführer besteht darauf, im massgeblichen Zeitraum einzig den
Verdienst erzielt zu haben, welcher sich aus seinem Lohnausweis ergebe. Er
wirft der Vorinstanz vor, sich stattdessen auf die diesbezüglichen
Zeugenaussagen gestützt und diese in unhaltbarer Weise gewürdigt zu haben. Dass
die Vorinstanz bei der Beurteilung des Arbeitspensums dem ehemaligen
Prokuristen der X.________ Treuhand AG, F.________, mehr Glauben geschenkt hat
als deren Verwaltungsrat und Geschäftsführer, B.X.________, lässt sich
angesichts des persönlichen Interesses des letzteren und des Umstandes, dass er
der Sohn des Beschwerdeführers ist, durchaus vertreten. Zudem hat sich der
Zeuge F.________ auf die entsprechende Frage nach dem täglichen Arbeitspensum
des Beschwerdeführers konkret geäussert und dieses auf 8½ bis 10 Stunden
beziffert. Demgegenüber spricht der Beschwerdeführer dem genannten Zeugen
schlichtweg die Kompetenz ab, sich zur gestellten Frage zu äussern, da er
höchstens seine Anwesenheit, nicht aber seine Tätigkeit beurteilen könne. Hier
erschöpfen sich seine Vorbringen in rein appellatorischer Kritik an der
Beweiswürdigung der Vorinstanz. Hinsichtlich der Aufgaben, welche der
Beschwerdeführer für die X.________ Treuhand AG wahrgenommen habe, stützte sich
die Vorinstanz auf die Angaben sowohl des Zeugen F.________, wonach dieser alle
Aufgaben eines Treuhänders wahrgenommen habe, wie des Zeugen B.X.________,
wonach dieser normale Funktionen eines Mitarbeiters ausgeübt, an Essen mit
Kunden und an Geschäftsreisen teilgenommen sowie über eine eigene Kreditkarte
für Spesen verfügt habe; zudem sei der Beschwerdeführer Mitglied des
Verwaltungsrates eines Kunden gewesen. Für seine Tätigkeit habe er den gleichen
Stundenansatz wie er selber und seine Mutter verrechnet, nämlich Fr. 180.--.
Der Beschwerdeführer äussert sich zu dieser Begründung nur am Rande und nimmt
vor allem zu den Angaben des Zeugen B.X.________ hinsichtlich der Entlöhnung
keine Stellung, sondern schildert bloss seine Sicht der Dinge. Zudem erneuert
er seine im kantonalen Verfahren gemachte Behauptung, dass er angesichts seiner
Vorstrafe auf dem freien Arbeitsmarkt nie das ihm nun angerechnete Einkommen
erzielen könnte. Dass es vorliegend einzig um seinen konkreten Verdienst geht,
wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, darauf geht der Beschwerdeführer nicht
ein. Damit genügt er den Begründungsanforderungen an eine Willkürrüge in keiner
Weise.

3.2 Auch hinsichtlich des Verdienstes seiner Ehefrau besteht der
Beschwerdeführer auf einem Lohnausweis, der nach seiner Darstellung auf
monatlich Fr. 4'672.55 lautet. Die Vorinstanz ging von einem solchen über
monatlich Fr. 5'083.-- aus und verwies auf die Angaben des Beschwerdeführers.
Weshalb die vorinstanzliche Feststellung des Erwerbseinkommens der Ehefrau
willkürlich sein sollte, wird mit keinem Wort begründet.

3.3 Zudem erneuert der Beschwerdeführer den im kantonalen Verfahren
eingenommenen Standpunkt, dass seine Ehefrau für die Berechnung der
Nettoerträge ihrer Liegenschaft den steuerrechtlich zugelassenen Pauschalabzug
auf den erzielten Mietzinsen machen könne. Dass bei der Berechnung der
Einkünfte des Schuldners die Mietzinsen aus einer Liegenschaft nach Abzug der
Aufwendungen für den Unterhalt zu berücksichtigen sind, ist unbestritten. Nach
Ansicht der Vorinstanz sind diese jedoch konkret zu beziffern und zu belegen.
Weshalb dies einem Schuldner nicht zumutbar sein soll, wird in der Beschwerde
nicht ausgeführt. Ebenso wenig nimmt der Beschwerdeführer zu den Gründen
Stellung, die eine unterschiedliche Sichtweise der Steuerveranlagungsbehörden
und des Richters im Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG rechtfertigen können.
Er begnügt sich mit der blossen Behauptung, die Methode, nach welcher die
Steuergesetzgebung Abzüge zulasse, müsse auch für die Feststellung von neuem
Vermögen gelten. Auf welche Weise der Richter die Aufwendungen in einem solchen
Verfahren berechnet, beschlägt die Beweiswürdigung und kann demzufolge nur auf
Willkür überprüft werden. Auch hier genügt der Beschwerdeführer dem strengen
Rügeprinzip nicht.

3.4 Ob die vorinstanzlich berechneten Aufwendungen für eine standesgemässe
Lebensführung vor Bundesrecht standhalten, ist vorliegend nicht zu prüfen, da
die Beschwerdegegnerin den Entscheid nicht angefochten hat (vgl. dazu BGE
5A_556/2008 vom 29. Mai 2009 E. 2.1). Es bleibt damit beim vorinstanzlichen
Ergebnis, dass der Beschwerdeführer neues Vermögen in der Höhe von Fr.
60'180.-- bilden konnte. Eine Verletzung von Bundesrecht ist nicht auszumachen.

4.
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss
trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten und schuldet der
Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung (Art. 66 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin mit Fr. 3'000.-- für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juni 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Escher Gut