Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.205/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_205/2009

Urteil vom 6. August 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X._________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. Y._________, Deutschland,
vertreten durch Advokat Dr. David Jenny,
Beschwerdegegnerin,
2. Betreibungsamt Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4001 Basel,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Zustellung von Zahlungsbefehlen,

Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und
Konkursamt Basel-Stadt vom 7. Februar 2009 (AB 2008/39).

Sachverhalt:

A.
In den von Y._________, wohnhaft in Deutschland, beim Betreibungsamt des
Kantons Basel-Stadt eingeleiteten Betreibungen Nrn. ..., ... und ... wurde der
X._________ AG am 8. Dezember 2005 bzw. am 6. Dezember 2006 bzw. am 8. Dezember
2007 der jeweilige Zahlungsbefehl zugestellt.
Mit Beschwerde vom 24. Juni 2008 verlangte die X._________ AG bei der
Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt die Aufhebung
(Nichtigerklärung) der drei Betreibungen: Y._________ sei bei deren Einleitung
nicht durch den vom Amtsgericht Z.________ als Vormundschaftsgericht mit
Beschluss vom 15. Mai 1996 bestellten Betreuer Rechtsanwalt Dr. A.________
vertreten gewesen und eine Genehmigung der von Advokat Dr. B.________
gestellten Betreibungsbegehren durch das Vormundschaftsgericht falle ausser
Betracht.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Urteil vom 7. Februar
2009 ab.

B.
Die X._________ AG verlangt mit Eingabe vom 24. März 2009 an das Bundesgericht
die Aufhebung dieses Entscheids und erneuert das im kantonalen Verfahren
gestellte Rechtsbegehren.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Bundesgericht mit Schreiben vom 9. Juni 2009
mitgeteilt, dass der Präsident des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt als
Konkursrichter ... über die Beschwerdeführerin den Konkurs eröffnet habe.
Der Beschwerdeführerin sowie dem Betreibungs- und dem Konkursamt Basel-Stadt
wurde durch Präsidialverfügung vom 12. Juni 2009 Gelegenheit eingeräumt, sich
zur Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 9. Juni 2009 zu äussern. Die an die
Beschwerdeführerin gerichtete, von der Post an das Konkursamt umgeleitete
Sendung kam mit dem Vermerk "Annahme verweigert" zurück. Stellungnahmen zur
erwähnten Eingabe sind nicht eingegangen.

Auf Anfrage liess der Präsident des Zivilgerichts Basel-Stadt die erkennende
Abteilung mit Schreiben vom 17. Juli 2009 wissen, dass gegen das
Konkurserkenntnis vor dem Appellationsgericht Basel-Stadt ein
Berufungsverfahren hängig sei.
Vernehmlassungen zur Sache selbst sind nicht eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig von einem allfälligen Streitwert der
Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c
BGG). Der angefochtene Entscheid stammt von der letzten kantonalen Instanz
(Art. 75 Abs. 1 BGG) und befindet über die Gültigkeit von Zahlungsbefehlen,
d.h. von betreibungsamtlichen Verfügungen im Sinne von Art. 17 Abs. 1 SchKG, so
dass er einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG darstellt (BGE 133 III 350
E. 1.2 S. 351). Aus der Sicht der angeführten Punkte ist auf die Beschwerde
nach dem Gesagten ohne weiteres einzutreten.

2.
Die Eröffnung des Konkurses bewirkt, dass - von hier nicht in Betracht
fallenden Ausnahmen abgesehen - alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen
aufgehoben sind (Art. 206 Abs. 1 SchKG). Eine Aufhebung der gegen die
Beschwerdeführerin hängigen Betreibungen Nrn. ..., ... und ... hätte zur Folge,
dass der vorliegenden Beschwerde die Grundlage entzogen wäre und das
Beschwerdeverfahren gegenstandslos würde (vgl. BGE 99 III 12 E. 1 S. 14
betreffend das Widerspruchsverfahren). Indessen bleiben die Wirkungen von Art.
206 Abs. 1 SchKG suspendiert, falls gegen die Konkurseröffnung ein Rechtsmittel
hängig ist und diesem aufschiebende Wirkung zukommt (HEINER WOHLFART, Kommentar
zum SchKG, Basel 1998, N. 8 zu Art. 206). Wie es sich hier damit verhält, mag
dahingestellt bleiben. Aus den nachstehend darzulegenden Gründen kann der
Beschwerde von vornherein kein Erfolg beschieden sein, so dass sich eine
Sistierung des vorliegenden Verfahrens bis zu einem endgültigen Entscheid über
die Konkurseröffnung nicht rechtfertigt. Ebenso wenig drängt sich unter den
gegebenen Umständen eine Einstellung des Verfahrens im Sinne des von der
Beschwerdegegnerin erwähnten Art. 207 SchKG (Sistierung von den Bestand der
Konkursmasse berührenden Zivil- und Verwaltungsprozessen) auf. Die Beschwerde
ist vielmehr sofort materiell zu behandeln.

3.
Die mit den Zustellungen der Zahlungsbefehle jeweils ausgelöste Frist von zehn
Tagen zu deren Anfechtung (Art. 17 Abs. 2 SchKG) war längst abgelaufen, als die
Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde eingereicht wurde. Die
Beschwerdeführerin beruft sich indessen auf Art. 22 SchKG. Nach Art. 22 Abs. 1
SchKG sind betreibungsamtliche Verfügungen, die gegen im öffentlichen Interesse
oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassene
Vorschriften verstossen, nichtig. Die Nichtigkeit einer Betreibungshandlung ist
- von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen aus Gründen des zu schützenden
guten Glaubens abgesehen (dazu FRANCO LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde
und Nichtigkeit, Basel 2000, N. 176 f. zu Art. 22 SchKG) - jederzeit zu
beachten und von Amtes wegen festzustellen (BGE 131 III 448 E. 2.1 S. 448 f.
mit Hinweisen), so dass die Vorinstanz die bei ihr erhobene Beschwerde zu Recht
entgegennahm.

4.
Die kantonale Aufsichtsbehörde weist in der Begründung ihres Entscheids darauf
hin, dass die Einleitung eines Betreibungsverfahrens die (aktive)
Betreibungsfähigkeit der betreibenden Person voraussetze, was deren
Handlungsfähigkeit erfordere. Bei einem internationalen Verhältnis unterstehe
die Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person aufgrund von Art. 35 IPRG dem
Recht an ihrem Wohnsitz, im Falle der in Deutschland wohnenden
Beschwerdegegnerin somit dem deutschen Recht. Der Beschwerdegegnerin sei durch
Beschluss des Amtsgerichts Z.________ vom 15. Mai 1996 in der Person von
Rechtsanwalt Dr. A._________ ein Betreuer im Sinne von § 1896 Abs. 1 des
Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestellt worden. Der Aufgabenkreis
des Betreuers sei dabei wie folgt umschrieben worden:
"Vermögenssorge, beschränkt auf die Wahrnehmung der Rechte - einschliesslich
des Rechts auf Stimmrechtsausübung - aus den der Betreuten aus dem Nachlass
ihres Vaters Dr. C.________ zustehenden 47 Inhaberaktien an der
Aktiengesellschaft Schweizerischen Rechts in Firma X.________ AG mit Sitz in
E.________ einschliesslich der Besitzverschaffung an diesen Aktien, die beim
Amtsgericht D._________ unter dem Aktenzeichen ... hinterlegt sind".
Sodann weist die Vorinstanz darauf hin, dass den strittigen
Betreibungsverfahren eine Dividendenforderung der Beschwerdegegnerin aufgrund
deren Aktienbeteiligung an der Beschwerdeführerin zugrunde liege. Der
Beschwerdegegnerin gehe es somit darum, Ansprüche aus demjenigen Vermögensteil
durchzusetzen, der durch den im Amtsgerichtsbeschluss umschriebenen Auftrag an
den Betreuer erfasst werde. Der genannte Beschluss stelle indessen nicht fest,
dass der Beschwerdegegnerin diesbezüglich die Geschäftsfähigkeit fehle, und
bestimme demzufolge auch nicht, dass die Beschwerdegegnerin für die Einleitung
von Betreibungsverfahren der strittigen Art auf die Einwilligung bzw.
Genehmigung ihres Betreuers angewiesen gewesen wäre. Dies habe das Amtsgericht
Z.________ auf Anfrage des Betreuers in einem Schreiben vom 14. Mai 2008 mit
der Erklärung bestätigt, die Anordnung der Betreuung über die
Beschwerdegegnerin habe keine Auswirkungen auf deren Prozessfähigkeit. Dazu
gehöre auch die aktive Betreibungsfähigkeit. Hinzu komme, dass der Betreuer mit
Schreiben vom 25. August 2008 seine Zustimmung zu den von der
Beschwerdegegnerin gegen die Beschwerdeführerin angehobenen
Betreibungsverfahren erklärt und diese dadurch genehmigt habe. Der Betreuer
habe damit insbesondere auch die zweimalige Vollmachterteilung der
Beschwerdegegnerin an Advokat Dr. B.________ genehmigt, der in ihrem Namen die
strittigen Betreibungsverfahren eingeleitet habe. Aus den dargelegten Gründen
sei die Beschwerde unbegründet.

5.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die kantonale Aufsichtsbehörde habe das
herangezogene deutsche Recht nicht richtig angewendet.

5.1 Nach Art. 96 lit. b BGG kann mit Beschwerde in Zivilsachen gerügt werden,
das nach dem schweizerischen internationalen Privatrecht massgebende
ausländische Recht sei nicht richtig angewendet worden, sofern der Entscheid
keine vermögensrechtliche Sache betrifft. Letzteres ist hier, wo es um die
Einleitung von Betreibungen für einen Dividendenanspruch gegen die
Beschwerdeführerin geht, nicht der Fall. Zulässig ist jedoch die Rüge der
Verletzung von - zum Bundesrecht nach Art. 95 lit. a BGG zählenden -
verfassungsmässigen Rechten des Bundes. Insbesondere kann geltend gemacht
werden, die Anwendung des ausländischen Rechts durch die kantonale Instanz
verstosse gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV; BGE 133 III 446 E. 3.1 S. 447
f.).

Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine
solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106
Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass - entsprechend den altrechtlichen
Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die
Organisation der Bundesrechtspflege (OG) - klar und detailliert anhand der
Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern
verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 134 I 83 E. 3.2 S.
88 mit Hinweisen). Bei der Willkürrüge ist in der erwähnten Form aufzuzeigen,
inwiefern der kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar sein, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen bzw. eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder sonst wie in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen soll (BGE 133 I 149 E. 3.1 S.
153 mit Hinweisen). Auf rein appellatorische Kritik, wie sie allenfalls in
einem Berufungsverfahren zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258 E.
1.3 S. 261 f. mit Hinweisen).

5.2 Mit den Erwägungen der kantonalen Aufsichtsbehörde setzt sich die
Beschwerdeführerin nicht rechtsgenügend auseinander. Sie begnügt sich damit,
der Vorinstanz zu widersprechen und ihre eigene Sicht der Dinge vorzutragen.
Ihre rein appellatorischen Vorbringen sind nicht geeignet, die Auffassung der
kantonalen Aufsichtsbehörde als willkürlich erscheinen zu lassen. Soweit die
Beschwerdeführerin erklärt, es sei keine von der Beschwerdegegnerin
unterzeichnete Vollmacht für Advokat Dr. B.________ zur Einleitung der
Betreibungsverfahren vorgelegt worden, wird nicht ausgeführt, inwiefern die
vorinstanzliche Annahme des Bestehens eines Mandatsverhältnisses willkürlich
sein soll. Sollte die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis, das vom
Betreibungsamt zusammen mit der Vernehmlassung vom 4. Juli 2008 eingereichte
Beweismaterial sei ihr nicht zugestellt worden, eine Missachtung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend machen wollen, wäre
die Rüge unbegründet: Die Beilagen waren in der Vernehmlassung erwähnt worden,
und es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, die kantonale
Aufsichtsbehörde um Einblick in diese Schriftstücke zu ersuchen.
Nach dem Gesagten braucht nicht erörtert zu werden, ob es sich bei den von der
Beschwerdeführerin angerufenen Bestimmungen des deutschen Betreuungsrechts um
Vorschriften handelt, die im Sinne von Art. 22 Abs. 1 SchKG im öffentlichen
Interesse oder im Interesse am Verfahren nicht beteiligter Personen erlassen
worden sind. Bemerkt sei immerhin, dass der Hinweis der Beschwerdeführerin auf
BGE 115 III 11 ff. insofern unbehelflich ist, als dort einem Anlagefonds die
aktive Betreibungsfähigkeit deshalb abgesprochen worden war, weil ihm gar keine
Rechtspersönlichkeit zukomme (BGE 115 III 11 E. 2a S. 14).

6.
Die Beschwerde ist nach dem Dargelegten abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassungen zur Beschwerde
eingeholt worden und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen sind,
entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungs- und dem Konkursamt des
Kantons Basel-Stadt und der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und
Konkursamt Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. August 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel