Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.186/2009
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_186/2009

Urteil vom 25. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Sutter, Beschwerdeführer,

gegen

1. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johannes Säuberli,
2. Z.________ Versicherungsgesellschaft,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
betreibungsrechtliches Existenzminimum,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden als
kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom 17. November
2008.

Sachverhalt:

A.
In den von Y.________ bzw. der Z.________ Versicherungsgesellschaft gegen
X.________ eingeleiteten Betreibungen Nrn. 1.________ und 2.________ setzte das
Betreibungsamt B.________ mit Pfändungsverfügung vom 19. September 2008 das
Existenzminimum des Betriebenen mit Wirkung ab 1. Oktober 2008 auf Fr. 2'900.--
fest.
Eine von X.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht von
Appenzell Ausserhoden als kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und
Konkurs am 17. November 2008 teilweise gut. Es hob die Pfändungsverfügung vom
19. September 2008 auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen und zu
anschliessendem Erlass einer neuen Verfügung an das Betreibungsamt zurück. Dem
von X.________ unter anderem gestellten Begehren, den vom Betreibungsamt in
Anlehnung an die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten
der Schweiz eingesetzten Grundbetrag von Fr. 1'100.-- wegen der eingetretenen
Teuerung zu erhöhen, gab die kantonale Aufsichtsbehörde nicht statt. Dagegen
hielt sie dafür, dass verschiedene Zuschläge zum Grundbedarf in einer von ihr
festgelegten Höhe ausgewiesen seien. Bezüglich des für das Automobil
beanspruchten Mehrbetrags wies sie die Sache zu weiteren Abklärungen an das
Betreibungsamt zurück.

B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 16. März 2009 verlangt X.________, den
Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben und die Sache an diese
zurückzuweisen, damit sie sein Existenzminimum unter Berücksichtigung eines
Grundbetrags von Fr. 1'230.-- neu festlege. Ausserdem ersucht er darum, ihm für
das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig von einem allfälligen Streitwert (Art. 74
Abs. 2 lit. c BGG) der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG).
Der angefochtene Entscheid stammt von der letzten kantonalen Instanz (Art. 75
Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat über die Beschwerde nicht endgültig
entschieden, sondern die Sache zum Erlass einer neuen Pfändungsverfügung an das
Betreibungsamt zurückgewiesen. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich
somit um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Indessen enthält er
hinsichtlich des vom Beschwerdeführer (einzig noch) beanstandeten Grundbetrags
insofern eine verbindliche Anweisung, als das Betreibungsamt diesen nicht zu
erhöhen habe. Die Beschwerde ist unter diesen Umständen deshalb gleichwohl
zulässig (BGE 134 III 136 E. 1.2 S. 138). Auf die innert der Frist von zehn
Tagen (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) eingereichte Beschwerde ist mithin
einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Richtlinien der Konferenz der
Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, auf die das Betreibungsamt und die
kantonale Aufsichtsbehörde sich bei der Festsetzung des in seinem Notbedarf
zugestandenen Grundbetrags berufen hätten, seien aufgrund der rasanten Teuerung
überholt. Die Richtlinien sähen selber vor, dass sie zu überprüfen seien,
sobald die Teuerung 110 Punkte erreicht habe. Bereits Ende August 2008 habe der
nach den Richtlinien massgebende Landesindex der Konsumentenpreise (ohne die
Teilfaktoren Miete, Heizöl und Fernwärme) den Stand von 109.4 Punkten erreicht,
und im Oktober 2008 seien sogar 110 Punkte überschritten worden. Damit stehe
fest, dass das von der Vorinstanz festgesetzte Existenzminimum selbst nach
Auffassung der genannten Konferenz zu tief sei. Wenn die kantonale
Aufsichtsbehörde im Übrigen erkläre, mit der Anwendung der Richtlinien der
Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten würden die Schuldner über weite
Teile der Schweiz gleich behandelt, übersehe sie, dass gerade etwa der nur
wenige Minuten von seinem Wohnort entfernt gelegene Kanton St. Gallen den
Grundbetrag auf Fr. 1'230.-- angehoben habe; bei etwa gleichen
Lebenshaltungskosten werde einem Schuldner dort somit ein um einen Viertel
(recte: Achtel) höherer Grundbetrag zugestanden.

3.
Erwerbseinkommen kann so weit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen des
Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine allfällige Familie nicht
unbedingt notwendig ist (Art. 93 Abs. 1 SchKG). Wie Ermessensentscheide
rechtlicher Natur im Allgemeinen überprüft das Bundesgericht einen auf dieser
Bestimmung beruhenden Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde an sich frei.
Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz
grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen
ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die für den Entscheid im
Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände
nicht in Betracht gezogen hat, die hätten beachtet werden müssen. Das
Bundesgericht greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als
im Ergebnis offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen
(BGE 132 III 49 E. 2.1 S. 51; 130 III 571 E. 4.3 S. 576; je mit Hinweisen).

3.1 Wie offensichtlich schon das Betreibungsamt beruft sich die kantonale
Aufsichtsbehörde auf die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und
Konkursbeamten der Schweiz (in der letzten, vom 24. November 2000 datierten
Fassung veröffentlicht in: BlSchK 2001, S. 14 ff.), was sie indessen nicht von
der Pflicht entband, zu prüfen, ob die genannten Empfehlungen im konkreten Fall
zu einem angemessenen Ergebnis führen (BGE 86 III 10 S. 11). In einem Schreiben
vom Dezember 2000 (veröffentlicht in: BlSchK 2001 S. 12 f.) empfahl die
Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten den kantonalen Aufsichtsbehörden
die im November 2000 verabschiedete Neufassung der Richtlinien zur Anwendung.
Gleichzeitig erklärte sie, es liege jener bei einer Basis Mai 2000 = 100 Punkte
der Landesindex der Konsumentenpreise mit einem Stand von 100.6 Punkten Ende
Oktober 2000 zugrunde. Sie fügte bei, dass eine Änderung der in den Richtlinien
festgelegten Ansätze erst bei Überschreiten eines Indexstandes von 110 Punkten
vorgesehen sei.
Es trifft zu, dass der einschlägige Index im August 2008 den Stand von 109.4
Punkten und im Oktober 2008 den Stand von 110.1 Punkten erreichte (Tabelle bei
www.lik.bfs.admin.ch). Zu beachten ist indessen, dass bei der Ermittlung des
pfändbaren Einkommens auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs
abzustellen ist (BGE 108 III 10 E. 4 S. 12 f. mit Hinweis). Die beanstandete
Pfändungsverfügung wurde im September 2008 erlassen und sollte für die Zeit ab
1. Oktober 2008 wirksam sein. Im September 2008 lag der Indexstand mit 109.5
Punkten noch unter der von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten
festgelegten Schwelle. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die mit den
Richtlinien verbundene Erklärung zur Anpassung der Ansätze stösst nach dem
Dargelegten ins Leere. Beigefügt sei im Übrigen, dass der Indexstand ab
November 2008 (109.3 Punkte) auf jeden Fall bis April 2009 (108.7 Punkte) stets
unter der 110-Punkte-Marke blieb.

3.2 Unbehelflich ist sodann auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die
Regelung im Nachbarkanton St. Gallen (wo gemäss Kreisschreiben der kantonalen
Aufsichtsbehörde vom Dezember 2008 der einschlägige Grundbetrag - allerdings
erst mit Wirkung ab 1. Januar 2009 - auf monatlich Fr. 1'230.-- angehoben
wurde): Im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und
Konkurs von 1994 wurde ein parlamentarischer Antrag, für den Erlass von
Richtlinien zur Bestimmung des Notbedarfs den Bundesrat für zuständig zu
erklären, ausdrücklich abgelehnt (dazu Amtl. Bull. NR 1993 S. 25 ff.; GEORGES
VONDER MÜHLL, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
Basel 1998, N. 21 zu Art. 93 SchKG). Die Kompetenz in diesem Bereich liegt
damit nach wie vor bei den kantonalen Aufsichtsbehörden, denen im Rahmen ihrer
Überwachung der Betreibungsämter (Art. 13 Abs. 1 SchKG) obliegt, Verfügungen
zum betreibungsrechtlichen Notbedarf einer betriebenen Person auf ihre
Angemessenheit zu überprüfen (Art. 17 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 SchKG). Mit dem
blossen Hinweis auf die Regelung im Nachbarkanton wäre eine bundesrechtswidrige
Ausübung des der Vorinstanz zustehenden Ermessens nach dem Gesagten selbst dann
nicht dargetan gewesen, wenn der Grundbetrag bereits in dem für die vorliegende
Pfändung massgebenden Zeitpunkt erhöht gewesen wäre. Auch aus dieser Sicht ist
die Beschwerde demnach unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Sie erschien unter den
dargelegten Umständen von vornherein als aussichtslos. Das Gesuch des
Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren, ist daher abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG), und es
sind die Gerichtskosten ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Bei ihrer Bemessung ist den prekären finanziellen Verhältnissen
des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt B.________ und dem
Obergericht von Appenzell Ausserrhoden als kantonaler Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Mai 2009

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Gysel