Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.153/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_153/2009

Urteil vom 29. Mai 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer, Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber von Roten.

Parteien
K.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Antoine F. Goetschel,

gegen

B.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Peter Krähenbühl.

Gegenstand
Anfechtung eines Vereinsbeschlusses,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof,
1. Zivilkammer, vom 30. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
K.________ (Beschwerdeführerin) züchtet Grosspudel. Sie ist Mitglied im
H.________ Club und damit im Verein B.________ (Beschwerdegegnerin). Deren
Zentralvorstand erteilte der Beschwerdeführerin wegen Verstössen gegen
Zuchtvorschriften am 26. Mai 2004 eine einjährige Eintragungssperre mit der
Folge, dass unter dem Zuchtnamen der Beschwerdeführerin "H.________" während
eines Jahres keine Eintragungen in das Schweizerische Hundestammbuch erfolgen
und die züchterische Tätigkeit der Beschwerdeführerin für ein Jahr eingestellt
ist. Im September 2004 liess die Beschwerdeführerin zwei Hündinnen decken und
die Würfe bei der Stammbuchverwaltung der Beschwerdegegnerin melden. Deren
Zentralvorstand ordnete darauf am 10. März 2005 eine weitere Eintragungssperre
von zwei Jahren gegenüber der Beschwerdeführerin an. Deren Rekurs blieb
erfolglos. Das Verbandsgericht der Beschwerdegegnerin bestätigte die
Eintragungssperre vom 9. Juni 2005 bis 8. Juni 2007 für die Zuchtstätte
"H.________" (Urteil vom 17. Oktober 2005).

B.
Am 17. November 2005 focht die Beschwerdeführerin das Urteil vom 17. Oktober
2005 beim Zivilgericht im Kreis Z.________ an. Auf Anfrage hin bezifferte sie
den Streitwert am 10. März 2006 auf Fr. 137'850.--. Mit Rücksicht darauf und
wegen formeller Mängel nahm die Gerichtspräsidentin die Klageschrift als
Begehren um Ladung zum Aussöhnungsversuch entgegen. An der Verhandlung im
Aussöhnungsverfahren wurde der Beschwerdeführerin am 7. Juni 2006 die
Klagebewilligung erteilt. Am 6. Dezember 2006 reichte die Beschwerdeführerin
die begründete Klage ein. Das Zivilgericht beschränkte das Verfahren auf die
Frage der Klagefrist (Verfügung vom 22. Mai 2007) und wies die Klage ab (Urteil
vom 8. Januar 2008). Die dagegen erhobene Appellation der Beschwerdeführerin
wies das Obergericht des Kantons Bern ab (Urteil vom 30. Oktober 2008).

C.
Dem Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin mit Beschwerde vom 4. März
2009, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur materiellen
Beurteilung an das Zivilgericht zurückzuweisen. Es sind die Akten, hingegen
keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:

1.
Das Urteil über die Anfechtung eines Vereinsbeschlusses unterliegt auf
Bundesebene der Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG. Da das kantonale Verfahren
auf die Einhaltung der Klagefrist beschränkt war, sind Vorbringen zur
Gültigkeit des angefochtenen Vereinsbeschlusses unzulässig (S. 7 ff. der
Beschwerdeschrift), genügt hingegen mangels entsprechender Feststellungen in
der Sache der Rückweisungsantrag (BGE 133 III 489 E. 3.1 S. 490; 134 III 379 E.
1.3 S. 383). Weitere formelle Einzelfragen werden im Sachzusammenhang zu
erörtern sein. Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden.

2.
Nach Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten
verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat, binnen
Monatsfrist beim Gericht angefochten werden. Die Beschwerdeführerin stellt in
Frage, was Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann und welcher Art die
Klagefrist ist (vorab S. 10 f. Ziff. 3 der Beschwerdeschrift).

2.1 Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungsklage, mit deren Gutheissung der
angefochtene Beschluss rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Zustandekommens
aufgehoben wird (Riemer, Berner Kommentar, 1990, N. 79 zu Art. 75 ZGB, mit
Hinweisen; seither: Urteil 5C.246/2005 vom 6. Februar 2006 E. 2.1, in: ZBGR 88/
2007 S. 373). Obschon die Marginalie zu Art. 75 ZGB auf "Schutz der
Mitgliedschaft" lautet, ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass nicht
nur der Ausschluss aus dem Verein, sondern auch Beschlüsse über Verbandsstrafen
- wie hier die Eintragungs- bzw. Zuchtstättensperre - der Anfechtung
unterliegen (Riemer, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 75 ZGB, mit Hinweisen; seither,
z.B.: BGE 118 II 12; 119 II 271; 134 III 193).

2.2 Die gesetzliche Monatsfrist, binnen derer die Anfechtung beim Gericht
erfolgen muss, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Verwirkungsfrist (BGE 85
II 525 E. 3 S. 536; 132 III 503 E. 3.2 S. 507/508; RIEMER, a.a.O., N. 62 zu
Art. 75 ZGB, mit Hinweisen).

2.3 Entgegen ihrer Darstellung hat die Beschwerdeführerin diese Grundsätze im
Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht verkannt und namentlich nicht bloss eine
Schadenersatzforderung einklagen wollen. In tatsächlicher Hinsicht steht
unangefochten fest, dass die Beschwerdeführerin am 17. November 2005 unter
Hinweis auf die Monatsfrist eine Klage gestützt auf Art. 75 ZGB eingereicht und
begehrt hat, den Sanktionsentscheid der Beschwerdegegnerin vom 17. Oktober 2005
aufzuheben und die Beschwerdegegnerin gerichtlich anzuweisen, die zweijährige
Eintragungs- bzw. Zuchtsperre rückwirkend auf deren Erlass aufzuheben bzw. zu
überprüfen. Auf Anfrage des Gerichts hin hat die Beschwerdeführerin
geantwortet, dass mit ihrer auf Art. 75 ZGB gestützten Klage die ihr auferlegte
Zuchtsperre möglichst rasch und rückwirkend aufgehoben werden solle. Es handle
sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit. Sie werde von der
Beschwerdegegnerin Schadenersatz fordern, "sofern und sobald die ihr auferlegte
Zuchtsperre als unzulässig qualifiziert wurde", und beziffere den ihr bis heute
entstandenen und bei Fortbestand der Zuchtsperre künftigen Schaden rein
vorsorglich approximativ auf Fr. 137'850.-- (Schreiben vom 10. März 2006). Mit
Blick darauf kann die Annahme nicht beanstandet werden, dass der
Beschwerdeführerin bzw. ihrem damaligen Anwalt die Rechtsnatur der
Anfechtungsklage und der Monatsfrist bekannt war und dass die
Beschwerdeführerin eine Anfechtungsklage innert der Frist von Art. 75 ZGB und
nicht bloss eine Schadenersatzklage erheben wollte.

3.
Streitig ist die Einhaltung der Monatsfrist gemäss Art. 75 ZGB.

3.1 Ein Ladungsgesuch zum Aussöhnungsversuch wahrt die Verwirkungsfrist gemäss
Art. 75 ZGB, wenn (1.) nach kantonalem Recht vor der gerichtlichen Klage auch
tatsächlich ein Aussöhnungsversuch durchgeführt werden muss oder kann, wenn
(2.) das Aussöhnungsgericht gemäss kantonalem Recht die Streitsache mangels
Aussöhnung von Amtes wegen an das urteilende Gericht weiterzuleiten hat oder
wenn zwischen dem Aussöhnungsverfahren und dem eigentlichen Prozessverfahren
nach kantonalem Recht ein Zusammenhang wenigstens in dem Sinne besteht, dass
der Kläger den Streit innert einer gewissen Frist vor das urteilende Gericht
bringen muss, und wenn (3.) der Kläger letztere Frist im konkreten Fall auch
wirklich einhält (für Art. 75 ZGB: BGE 85 II 525 E. 3 S. 536 f.; allgemein: BGE
98 II 176 E. 11 S. 181; 130 III 515 E. 3 S. 516 f.; 133 III 645 E. 5.4 S. 655).

3.2 Im ordentlichen Verfahren ist nach Art. 144 Abs. 1 ZPO/BE vor Einreichung
der Klage ein Aussöhnungsversuch durch den Gerichtspräsidenten abzuhalten. Die
Regelung in Art. 153 ZPO/BE mit der Marginalie "Misslingen des
Aussöhnungsversuchs, Klagefrist" genügt den bundesrechtlichen Anforderungen (E.
3.1), zumal sie entsprechende Fristen vorsieht, innert derer der Kläger die
Sache vor das urteilende Gericht bringen muss (vgl. BGE 87 II 364 E. 1 S. 369;
132 III 406 E. 2.1 S. 409; für Einzelheiten: E. 3.4 sogleich). Neben dem
Ladungsgesuch zum Aussöhnungsversuch wahrt die Verwirkungsfrist auch die
Einreichung der Klage direkt beim Gericht ohne vorgängige Durchführung des
Aussöhnungsversuchs, weil dessen Fehlen einen verbesserlichen Fehler bedeutet,
der durch ein Nachholen des Aussöhnungsversuchs behoben werden kann (ZBJV 92/
1956 S. 30 f.; vgl. KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4.A. Bern 1984,
S. 172).

3.3 Mit ihrer Klageschrift vom 17. November 2005, die sie direkt beim Gericht
eingereicht hat, hätte die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten die
Verwirkungsfrist gemäss Art. 75 ZGB grundsätzlich wahren können. Das
Obergericht hat indessen dargelegt, aus welchen - vorab verfahrenstechnischen
und prozessökonomischen - Gründen die Gerichtspräsidentin die Eingabe vom 17.
November 2005 als blosses Ladungsbegehren zum Aussöhnungsversuch entgegen
nehmen durfte (E. III/B/3 S. 11 ff. des angefochtenen Urteils). Gegen diese
Umwandlung der Klageschrift in ein Ladungsgesuch erhebt die Beschwerdeführerin
keine Rügen (S. 11 ff. ad 3), ganz abgesehen davon, dass sie bzw. ihr damaliger
Anwalt nicht opponiert und den Erhalt der Klagebewilligung am 7. Juni 2006
unterschriftlich bestätigt hat, die nach fruchtlosem Aussöhnungsversuch
ausgestellt wurde.

3.4 Verfahrensmässig ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin am
17. November 2005 ein Ladungsgesuch zum Aussöhnungsversuch gestellt und den
ersten Schritt zur Wahrung der Verwirkungsfrist gemäss Art. 75 ZGB getan hat.
Für den zweiten Schritt der Einreichung der Klage beim urteilenden Gericht ist
Art. 153 ZPO/BE massgebend mit folgendem Wortlaut:
Misslingt der Aussöhnungsversuch, so ist dem Kläger die Klagebewilligung zu
erteilen.
Die Klagebewilligung berechtigt zur Anhebung der Klage während der Klagefrist.
Die ordentliche Klagefrist beträgt sechs Monate.
In Streitigkeiten über Ansprüche, für welche eine kürzere als sechsmonatige
Verwirkungsfrist gilt, ist die Klagefrist auf die Dauer der entsprechenden
Verwirkungsfrist verkürzt.
Nach dem Wortlaut von Art. 153 ZPO/BE muss innert sechs Monaten die Klage
eingereicht werden (Abs. 3), es sei denn, der Streit betreffe Ansprüche, für
welche eine kürzere als die ordentliche sechsmonatige Klagefrist vorgesehen ist
(Abs. 4). Die Bedeutung der Regelung ist auf Grund ihres Wortlauts klar und
lässt sich auch veröffentlichten und nicht veröffentlichten Urteilen des
Bundesgerichts, Grundrissen, Handbüchern und Aufsätzen entnehmen. Beträgt z.B.
die Klagefrist gemäss Art. 706a Abs. 1 OR zwei Monate, ist das Ladungsgesuch
zum Aussöhnungsversuch binnen zwei Monaten zu stellen und die Klage zwei Monate
nach Erhalt der Klagebewilligung bei Gericht einzureichen (vgl. Kummer, a.a.O.,
S. 171 f.; z.B. BGE 91 II 153 E. 4 S. 158; Urteil 7B.177/1999 vom 24. August
1999 E. 2, betreffend Frist zur Kollokationsklage). Die ordentliche Klagefrist
von sechs Monaten gemäss Art. 153 Abs. 3 ZPO/BE verkürzt sich somit gemäss Art.
153 Abs. 4 ZPO/BE auf die Dauer der gesetzlich vorgesehenen, weniger als sechs
Monate betragenden Klagefristen (vgl. Giger, Handbuch der schweizerischen
Zivilrechtspflege, Zürich 1990, S. 250 bei/in Anm. 31 mit dem Beispiel der zehn
- heute: zwanzig - Tage für Aberkennungsklagen gemäss Art. 83 SchKG) oder -
noch einfacher gesagt - die Klagefrist beträgt ordentlich sechs Monate und bei
kürzerer Verwirkungsfrist gleichviel wie diese (vgl. Vogel, Eintritt der
Rechtshängigkeit mit Klageanhebung, recht 2000 S. 109; z.B. ZBJV 104/1968 S.
484 f.). Die Kommentierungen stimmen damit überein. Als kürzer denn die
sechsmonatige Klagefrist bezeichnen sie "die Monatsfrist des Art. 75 ZGB"
(Leuch, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3.A. Bern 1956, N. 3 zu
Art. 153 ZPO/BE), oder sie verweisen ausdrücklich auf Art. 75 ZGB als Beispiel
einer vorbehaltenen kürzeren Verwirkungsfrist (Leuch/Marbach/Kellerhals/
Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5.A. Bern 2000, N. 4 zu
Art. 153 ZPO/BE; Kellerhals/Güngerich/Berger, Bernisches Zivilprozessrecht,
Bern 2002, S. 134).

3.5 Die Beschwerdeführerin hat die Klagebewilligung am 7. Juni 2006 erhalten
und hätte die Klage gemäss Art. 75 ZGB binnen Monatsfrist einreichen müssen.
Mit ihrer Klage vom 6. Dezember 2006 hat sie die Verwirkungsfrist gemäss Art.
75 ZGB nicht wahren können. Die Klage durfte insoweit abgewiesen werden. Die
kantonalen Gerichte haben somit weder den bundesrechtlichen Begriff der
Klageanhebung verkannt noch kantonales Recht willkürlich angewendet.

4.
Einen Anspruch der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin auf
Vertrauensschutz gegen die Fristversäumnis hat das Obergericht verneint. Es ist
davon ausgegangen, von einem Anwalt könne verlangt werden, dass er die
anwendbaren Bestimmungen, insbesondere die Fristen in Art. 75 ZGB und Art. 153
ZPO/BE kenne (E. III/B/4 S. 13 ff. des angefochtenen Urteils). Die
Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verweigerung des geltend gemachten
Vertrauensschutzes (S. 13 ff. Ziff. 1-16 ad 4 der Beschwerdeschrift).

4.1 Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat die Monatsfrist gemäss
Art. 75 ZGB gekannt und am 17. November 2005 ihre Klage gestützt auf Art. 75
ZGB bei Gericht eingereicht (E. 2), dann aber übersehen, dass die
Klagebewilligung ebenfalls nur einen Monat statt der ordentlichen sechs Monate
gültig ist (E. 3 hiervor). Darin besteht die Ausgangslage, von der abzuweichen,
die Schilderungen der Beschwerdeführerin, namentlich zur angeblichen
Unbedarftheit ihres früheren Anwalts keinen Grund geben. Im vorliegenden
Verfahren ist die Einhaltung der Klagefrist zu prüfen und nicht die
Verantwortlichkeit des früheren Anwalts der Beschwerdeführerin zu beurteilen.

4.2 Das Aussöhnungsverfahren mit dem Versuch einer gütlichen Einigung der
Parteien vor Einreichung der Klage steht ausserhalb des eigentlichen
Prozessverfahrens und endet entweder in einer Verständigung der Parteien oder
mit der Erteilung der zeitlich befristet gültigen Klagebewilligung (vgl.
Kummer, a.a.O., S. 170 f.). Die Klagebewilligung entspricht dem Protokoll der
Verhandlung im Aussöhnungsverfahren, nennt die Parteien, die Rechtsbegehren und
den Gang der Verhandlung und schliesst mit der Verfügung, wonach der
Aussöhnungsversuch als fruchtlos erklärt und die Klagebewilligung erteilt wird.
Eine Pflicht zur Belehrung über die Klagefrist ist im kantonalen Recht nicht
vorgesehen (anders als z.B. in § 100 Ziff. 9 ZPO/ZH). Die
Rechtsmittelbelehrungspflicht besteht nur für Urteile, die einem ordentlichen
Rechtsmittel unterliegen (vgl. Art. 205a ZPO/BE). Äussert sich die
Gerichtspräsidentin zur Klagefrist, liegt nach kantonaler Praxis keine
förmliche Rechtsmittelbelehrung, sondern eine blosse Auskunft vor (ZBJV 104/
1968 S. 486 E. 2).

4.3 Die Beschwerdeführerin macht eine derartige Auskunfterteilung geltend und
behauptet, die Gerichtspräsidentin habe an der Verhandlung im
Aussöhnungsverfahren bekannt gegeben, die Klagefrist betrage sechs Monate.
Mangels Rechtserheblichkeit hat das Obergericht beweismässig nicht geklärt, ob
die Aussöhnungsrichterin auf die Klagefrist von sechs Monaten verwiesen habe
(E. III/A/2 S. 10). Es ist davon ausgegangen, selbst im Falle einer unrichtigen
Belehrung über die Klagefrist greife der Vertrauensschutz nicht, weil der
Anwalt der Beschwerdeführerin allein schon durch Konsultierung des massgebenden
Gesetzestextes die Mängel der Belehrung hätte ersehen können (E. III/B/4 S. 14
f. des angefochtenen Urteils).

4.4 Nur derjenige kann Vertrauensschutz geltend machen, der die Unrichtigkeit
der Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie auch bei gebührender
Aufmerksamkeit nicht hätte erkennen können. Rechtsuchende geniessen keinen
Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein
schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung ersichtlich
ist. Dagegen wird nicht verlangt, neben den Gesetzestexten auch noch die
einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachzuschlagen (vgl. BGE 134 I 199
E. 1.3.1 S. 202 f.). Auch gegenüber behördlichen Auskünften kann keinen
Vertrauensschutz anrufen, wer die Unrichtigkeit des Bescheides ohne weiteres
hat erkennen können (vgl. BGE 131 V 472 E. 5 S. 480; 131 II 627 E. 6.1 S. 637).

4.5 In verfahrensmässiger Hinsicht ist davon auszugehen, dass die anwaltlich
vertretene Beschwerdeführerin die Monatsfrist gemäss Art. 75 ZGB gekannt und am
17. November 2005 ihre Klage gestützt auf Art. 75 ZGB bei Gericht eingereicht
hat (E. 2). Sie hat sodann der Entgegennahme ihrer Klageschrift als
Ladungsgesuch zum Aussöhnungsversuch nicht opponiert, an der Verhandlung im
Aussöhnungsverfahren teilgenommen und den Empfang der Klagebewilligung am 7.
Juni 2006 unterschriftlich bestätigt (E. 3.3 hiervor). Spätestens nach deren
Erhalt hätte der Anwalt der Beschwerdeführerin sich über Wirkung und
Geltungsdauer der Klagebewilligung vergewissern können und müssen, und zwar um
so mehr, als er in einem Kanton als Anwalt aufgetreten ist, dessen Prozessrecht
ihm angeblich nicht geläufig war. Die sich stellenden Fragen hätten mit einem
einfachen Lesen von Art. 153 ZPO/BE beantwortet werden können, wonach die
Klagefrist sechs Monate beträgt (Abs. 3), ausser es gelte eine kürzere als die
sechsmonatige Verwirkungsfrist (Abs. 4). Dass letztere Voraussetzung im Fall
des Art. 75 ZGB erfüllt ist, kann und muss einem an Gerichten zugelassenen
Anwalt klar gewesen sein. Dass das Obergericht die Berufung der
Beschwerdeführerin auf verfassungsmässigen Vertrauensschutz abgelehnt hat, ist
deshalb nicht zu beanstanden.

5.
Weitergehend leitet die Beschwerdeführerin eine allgemeine
Rechtsbelehrungspflicht aus einer gerichtlichen Fürsorgepflicht ab (S. 22 ff.
Ziff. 1-9 ad 5 der Beschwerdeschrift). Das Obergericht hat dagegengehalten, die
Gerichtspräsidentin habe eine anwaltlich vertretene Partei weder auf
bundesrechtliche Verwirkungsfristen noch auf allfällige Besonderheiten des
bernischen Zivilprozessrechts hinweisen müssen (E. III/B/5 S. 15 f. des
angefochtenen Urteils).

5.1 Die Beschwerdeführerin unterstellt erneut, es stehe beweismässig fest, dass
die Gerichtspräsidentin die Parteien auf eine Klagefrist von sechs Monaten
Dauer hingewiesen habe. Auf bereits Gesagtes kann verwiesen werden (E. 4.3
hiervor). Selbst wenn es sich im Übrigen so verhalten haben sollte, dürfte
nicht davon ausgegangen werden, der Hinweis der Gerichtspräsidentin habe beim
Anwalt der Beschwerdeführerin einen beachtlichen Irrtum hervorgerufen, kann und
muss von ihm doch erwartet werden, dass er sich über die Klagefrist anhand des
einschlägigen und klaren Gesetzestextes vergewissert (E. 4.4 und 4.5 hiervor).

5.2 Aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf ein faires Strafverfahren hat das
Bundesgericht eine gerichtliche Fürsorge- und Aufklärungspflicht insofern
abgeleitet, als das Gericht allenfalls auch ohne Ersuchen einer Partei für
deren hinreichende Rechtsvertretung zu sorgen hat, wenn der privat bestellte
Anwalt seine Berufs- und Standespflichten zum Schaden der von ihm vertretenen
Partei vernachlässigt. Das Gericht hat im Falle einer in schwerwiegender Weise
mangelhaften Verteidigung von Amtes wegen einzuschreiten (vgl. BGE 124 I 185 E.
3b S. 189 f.; 131 I 185 E. 3.2.3 S. 192 und 350 E. 4.2 S. 361). Wie es sich
damit im Zivilprozess verhält, bleibt offen und bedarf heute keiner
abschliessenden Klärung. Von einem bei Gericht zugelassenen Anwalt darf
erwartet werden, dass er in voller Kenntnis der Rechts- und Sachlage handelt;
auf Grund seiner besonderen Ausbildung und der Zulassung als Anwalt besteht
gleichsam eine Vermutung, dass er seinen Mandanten hinreichend vertritt (BGE
113 Ia 84 E. 3d S. 90). Weitergehend nimmt die - hier nicht zu prüfende -
kantonale Praxis an, dass lediglich dort, wo für das Gericht ohne weiteres
offenkundig ist, dass sich der Anwalt einer Partei über die Fristberechnung im
Unklaren ist oder sich darüber irrt, es nicht hinzunehmen wäre, wenn das
Gericht untätig bliebe und damit bewusst in Kauf nähme, dass die betreffende
Partei einen Rechtsverlust erleidet (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur
zürcherischen Zivilprozessordnung, Ergänzungsband, Zürich 2000, N. 4 zu § 52
ZPO/ZH, mit Hinweis). Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin kann
unter dem Blickwinkel verfassungsmässiger Verfahrensgarantien nicht davon
ausgegangen werden, der Anwalt der Beschwerdeführerin sei derart unbedarft
gewesen, dass das Gericht ihm von Amtes wegen hätte Rechtsbelehrungen erteilen
müssen.

5.3 Zur Hauptsache rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 89 ZPO/
BE. Danach handelt der Richter von Amtes wegen, soweit er nicht auf den Antrag
einer Partei verwiesen ist. Er kann in jedem Stadium des Prozesses von Amtes
wegen zur Ergänzung oder wahrheitsgemässen Feststellung des Tatbestandes der
von den Parteien behaupteten Rechte und Ansprüche die Einvernahme der Parteien
anordnen und die ihm notwendig scheinenden Beweisverfügungen treffen (Abs. 1).
Der Richter hat den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln, wo das
Bundesrecht dies vorschreibt (Abs. 2). Die Auslegung und Anwendung des
kantonalen Rechts kann das Bundesgericht auf Verletzung verfassungsmässiger
Rechte, namentlich auf Willkür hin überprüfen (Art. 95 BGG; vgl. BGE 134 II 349
E. 3 S. 351; 134 III 379 E. 1.2 S. 382/383), wenn und soweit entsprechende
Rügen erhoben und begründet werden, d.h. klar und detailliert anhand der
Erwägungen des angefochtenen Urteils dargelegt wird, inwiefern
verfassungsmässige Rechte verletzt sein sollen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 I
83 E. 3.2 S. 88).

5.4 Aus Art. 89 ZPO/BE ist keine allgemeine Rechtsbelehrungspflicht abzuleiten.
Von seinem Wortlaut her betrifft Art. 89 ZPO/BE die Sachverhaltsermittlung und
steht damit im Zusammenhang mit der hier geltenden Verhandlungsmaxime. In
diesem Rahmen soll das Gericht kraft seiner materiellen Prozessleitung auf eine
möglichst lückenfreie Darstellung des Sachverhalts hinwirken (vgl. KUMMER,
a.a.O., S. 78 f.). Der von der Beschwerdeführerin angerufene Autor sieht die
Prozessleitung zwar durchaus im "Führen, Anregen, Fragen, Helfen", bezieht
diese Richterpflicht aber ebenfalls auf die Beschaffung der Urteilsgrundlage
und die Sammlung des Prozessstoffes, für die das Gericht eine Mitverantwortung
trifft. Nur in diesem Rahmen bejaht er auch eine Rechtsbelehrungspflicht
(LEUCH, Prozessleitung nach bernischer Zivilprozessordnung, ZBJV 59/1923 S. 497
/553 ff., ab S. 561 ff., betreffend materielle Prozessleitung). Dass
weitreichende Aufklärungspflichten im Aussöhnungsverfahren und damit vor
Einreichung der begründeten Klage im eigentlichen Prozessverfahren bestehen,
kann im von der Beschwerdeführerin behaupteten Umfang nicht angenommen werden,
ist es doch namentlich nicht Sache des Aussöhnungsgerichts, sondern Aufgabe des
für die Beurteilung der Klage zuständigen Gerichts, über die Einhaltung von
Verwirkungsfristen zu wachen (vgl. Leuch/Marbach/Kellerhals/ Sterchi, a.a.O.,
N. 3 zu Art. 155 ZPO/BE).

5.5 Insgesamt erscheint es nicht als verfassungswidrig, dass das Obergericht
eine gerichtliche Fürsorgepflicht im Umfang, wie sie die Beschwerdeführerin
geltend macht, verneint hat.

6.
Die Beschwerdeführerin erblickt in Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE eine eigentliche
Überraschungsklausel (S. 25 ff. Ziff. 1-6 ad 6) und rügt einen Verstoss gegen
das Verbot des überspitzten Formalismus (S. 28 ff. Ziff. 1-6 ad 7 der
Beschwerdeschrift). Das Obergericht hat beide Einwände verworfen (E. III/B/6-7
S. 16 f. des angefochtenen Urteils).

6.1 Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE verkürzt die sechsmonatige Klagefrist gemäss Art.
153 Abs. 3 ZPO/BE auf die Dauer gesetzlich vorgesehener Verwirkungsfristen, die
weniger als sechs Monaten betragen. Die Regelung verwirklicht die Absicht des
Gesetzgebers, durch die Festsetzung kurzer Verwirkungsfristen eine rasche
Entscheidung herbeizuführen (vgl. KUMMER, a.a.O., S. 171). Sie lässt sich
insoweit sachlich begründen und durch schutzwürdige Interessen rechtfertigen
und entgeht deshalb dem Vorwurf des überspitzten Formalismus.

6.2 Eine Überraschungsklausel im Sinne einer regelrechten Prozessfalle (z.B.
BGE 95 I 1 E. 2b S. 5) kann nicht angenommen werden. Zwar ist der Begriff der
Klageanhebung ein solcher des Bundesrechts, doch wird ihre Form durch das
kantonale Prozessrecht bestimmt (E. 3.1 hiervor). Wo der Aussöhnungsversuch
hierzu genügt, besteht in den verschiedenen Kantonen eine Vielzahl
unterschiedlicher Bestimmungen über die Gültigkeitsdauer der Klagebewilligung
(vgl. für eine Übersicht: Berti, Zürcher Kommentar, 2002, N. 71 zu Art. 135
OR). Hinzu kommen die Kantone, die einen Aussöhnungsversuch für innert
Verwirkungsfrist anzuhebende Klagen ausschliessen und für nichtig erklären,
wenn er gleichwohl durchgeführt wird (z.B. Art. 113 Abs. 1 lit. e und Abs. 2
ZPO/VS). Praktisch wörtlich gleiche Regelungen wie Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE
enthalten die Zivilprozessordnungen der Kantone Solothurn (§ 122 Abs. 2 ZPO/SO)
und Jura (Art. 151 Abs. 4 CPC/JU) sowie die von der Bundesversammlung
beschlossene, aber noch nicht in Kraft getretene Schweizerische
Zivilprozessordnung (Art. 209 Abs. 4 ZPO; BBl 2009 21 S. 67). Von
Überraschungen kann im fraglichen Bereich nicht die Rede sein. Auf Grund der
bekannten Vielfalt an kantonalen Lösungen darf von einem Anwalt um so mehr
verlangt werden, dass er sich kundig macht, ist es doch eine seiner
wesentlichsten Aufgaben, Fristen richtig zu berechnen (vgl. Frank/Sträuli/
Messmer, a.a.O., N. 3 zu § 52 ZPO/ZH).

6.3 Aus den dargelegten Gründen erweist sich das angefochtene Urteil insgesamt
weder als willkürlich (Art. 9 BV; vgl. BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148; 134 II 124
E. 4.1 S. 133) noch als überspitzt formalistisch (Art. 29 Abs. 1 BV; vgl. BGE
132 I 249 E. 5 S. 253; 135 I 6 E. 2.1 S. 9).

7.
Die Beschwerde muss abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Die
Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet, da keine Vernehmlassungen eingeholt
wurden (vgl. Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Mai 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl von Roten