Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Erläuterung und Berichtigung 4G.2/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4G_2/2009

Urteil vom 21. Oktober 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Leemann.

Parteien
Federation Y.________,
Gesuchstellerin,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Marc Veit und Fabian Meier,

gegen

X.________ AG,
Gesuchsgegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roberto Dallafior.

Gegenstand
Erläuterung des Urteils des Bundesgerichts
vom 9. Juni 2009 (4A_94/2009 und 4A_96/2009).
Sachverhalt:

A.
Mit Schiedsspruch vom 12. Januar 2009 wies das ICC Schiedsgericht das
Feststellungsbegehren der X.________ AG (Gesuchsgegnerin) bezüglich der
behaupteten Verlängerung des Vertrags vom 6. November 2001 mit der Federation
Y.________ (Gesuchstellerin) ab (Dispositiv-Ziffer 1), während es sich für die
weiteren Feststellungs- sowie Unterlassungsbegehren der Gesuchsgegnerin für
unzuständig erklärte (Dispositiv-Ziffern 2 und 3). Die Schadenersatzklage der
Gesuchsgegnerin hiess das Schiedsgericht teilweise gut (Dispositiv-Ziffer 4),
während es die Widerklage der Gesuchstellerin infolge Verrechnung mit der
Schadenersatzforderung der Gesuchsgegnerin abwies (Dispositiv-Ziffer 5). Im
Weiteren entschied es über die Kosten und Entschädigungen des Schiedsverfahrens
(Dispositiv-Ziffern 5 - 8).
Beide Parteien erhoben gegen den Schiedsspruch vom 12. Januar 2009 beim
Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen.

B.
Mit Urteil vom 9. Juni 2009 wies das Bundesgericht die Beschwerde der
Gesuchsgegnerin ab, soweit es darauf eintreten konnte. Demgegenüber hiess es
die Beschwerde der Gesuchstellerin gut. Dispositiv-Ziffer 3 des
bundesgerichtlichen Urteils lautet wie folgt:
"Die Beschwerde der Beklagten (4A_96/2009) wird gutgeheissen,
Dispositiv-Ziffern 4 sowie 6 - 8 des Schiedsspruchs vom 12. Januar 2009 werden
aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Kosten und
Entschädigungen an die Vorinstanz zurückgewiesen."
Hinsichtlich der von der Gesuchstellerin widerklageweise erhobenen und vom
Einzelschiedsrichter abgewiesenen Schadenersatzforderung (Dispositiv-Ziffer 5
des Schiedsspruchs) hielt das Bundesgericht fest, dass die Gesuchstellerin
keine hinreichende Zuständigkeitsrüge erhoben habe.

C.
Mit Eingabe vom 17. September 2009 beantragt die Gesuchstellerin, es sei
Dispositiv-Ziffer 3 des Urteils des Bundesgerichts vom 9. Juni 2009 (4A_94/2009
und 4A_96/2009) erläuternd wie folgt zu formulieren:
"Die Beschwerde der Beklagten (4A_96/2009) wird gutgeheissen,
Dispositiv-Ziffern 4 - 8 des Schiedsspruchs vom 12. Januar 2009 werden
aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Kosten und
Entschädigungen an die Vorinstanz zurückgewiesen."
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Ist das Dispositiv eines bundesgerichtlichen Entscheids unklar, unvollständig
oder zweideutig, stehen seine Bestimmungen untereinander oder mit der
Begründung im Widerspruch oder enthält es Redaktions- oder Rechnungsfehler, so
nimmt das Bundesgericht auf schriftliches Gesuch einer Partei oder von Amtes
wegen die Erläuterung oder Berichtigung vor (Art. 129 Abs. 1 BGG).

1.1 Die Erläuterung dient dazu, Abhilfe zu schaffen, wenn die Entscheidformel
(Dispositiv) unklar, unvollständig, zweideutig oder in sich widersprüchlich
ist. Sie kann sich ferner auf Gegensätze zwischen den Entscheidungsgründen und
dem Dispositiv beziehen, nicht dagegen auf die Entscheidungsgründe als solche.
Die Erwägungen unterliegen der Erläuterung nur, wenn und insoweit der Sinn des
Dispositivs erst durch Beizug der Entscheidungsgründe ermittelt werden kann
(Urteil 4G_1/2007 vom 13. September 2007 E. 2.1; vgl. bereits unter Geltung des
OG BGE 110 V 222 E. 1 S. 222 mit Hinweisen).
Unzulässig sind anderseits Erläuterungsgesuche, die auf eine inhaltliche
Abänderung der Entscheidung abzielen. Ebenso wenig geht es an, auf dem Weg des
Erläuterungsgesuchs über den rechtskräftigen Entscheid eine allgemeine
Diskussion (z.B. über dessen Recht- und Zweckmässigkeit) einzuleiten, die
schlechthin jede Äusserung des Gerichts, insbesondere die verwendeten
Rechtsbegriffe und Wörter, zum Gegenstand hat. Vom Urteilsinhalt ist der
Erläuterung nur zugänglich, was den Charakter einer Anordnung aufweist. Nicht
dazu gehören namentlich Fragen, die vom Gericht nicht zu prüfen waren und über
die es deshalb nicht zu entscheiden hatte (Urteil 4G_1/2007 vom 13. September
2007 E. 2.1; vgl. BGE 110 V 222 E. 1 S. 222 mit Hinweisen).

1.2 Die Gesuchstellerin macht im Wesentlichen geltend, laut dem derzeitigen
Wortlaut des Bundesgerichtsurteils vom 9. Juni 2009 werde Dispositiv-Ziffer 5
des Schiedsspruchs, wonach ihre Widerklage über USD 500'000.-- zuzüglich
Verzugszins zufolge Verrechnung abgewiesen wurde, nicht aufgehoben. Sie sieht
darin einen Widerspruch zu den Entscheidgründen, weil das Bundesgericht in E.
5.3 f. zum Schluss komme, dass gestützt auf den Vertrag vom 6. November 2001
der Gesuchsgegnerin kein Schadenersatzanspruch zustehe. Gleichzeitig lasse es
diesen inexistenten Schadenersatzanspruch zur Verrechnung zu.

1.3 Die Gesuchstellerin beruft sich zu Unrecht auf einen Widerspruch zwischen
dem Dispositiv des bundesgerichtlichen Entscheids vom 9. Juni 2009 und dessen
Begründung. Ihr kann zunächst nicht gefolgt werden, wenn sie vorbringt, das
Bundesgericht habe einen Schadenersatzanspruch der Gesuchsgegnerin zur
Verrechnung zugelassen, da es über diese Frage gar nicht zu befinden hatte.
Hinsichtlich der zufolge Verrechnung abgewiesenen Widerklage hat es vielmehr
festgehalten, dass die Gesuchstellerin keine hinreichende Zuständigkeitsrüge
nach Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG erhoben hat. Unter Berücksichtigung des im
Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit anwendbaren Rügeprinzips
(Art. 77 Abs. 3 BGG) hatte das Bundesgericht daher nicht zu prüfen, ob der
Einzelschiedsrichter mit der Abweisung der Widerklage
Zuständigkeitsvorschriften verletzt hat. Der Entscheid des Bundesgerichts, auf
eine Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 5 des angefochtenen Schiedsspruchs zu
verzichten, ist daher keineswegs widersprüchlich, sondern vielmehr
folgerichtig.
Das Vorbringen der Gesuchstellerin, sie habe entgegen dem bundesgerichtlichen
Entscheid auch Dispositiv-Ziffer 5 des Schiedsspruchs hinreichend angefochten,
ist unverständlich, ist sie doch in der Beschwerdebegründung mit keinem Wort
auf die Widerklage eingegangen. Abgesehen davon ist es im Rahmen des
Erläuterungsverfahrens ohnehin unzulässig, unter Hinweis auf die
Beschwerdeeingabe die Rechtmässigkeit des ergangenen Entscheids in Frage zu
stellen; schon gar nicht lassen sich über den Weg der Erläuterung allfällige
Versäumnisse der Parteien im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beheben. Aus
diesem Grund stossen auch die Vorbringen der Gesuchstellerin ins Leere, das
Urteil des Bundesgerichts führe zu einer unhaltbaren Situation, da ihre
Widerklageforderung zufolge Verrechnung mit einer nie geltend gemachten
Schadenersatzforderung untergegangen sei, wobei der Bestand der
Verrechnungsforderung nie einer gerichtlichen Beurteilung unterzogen worden sei
und wegen der res iudicata-Wirkung des Bundesgerichtsurteils auch keiner
gerichtlichen Beurteilung zugeführt werden könne, womit das rechtliche Gehör
der Gesuchstellerin verletzt werde.

2.
Das Erläuterungsgesuch erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Gesuchstellerin kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gesuchsgegnerin ist keine Parteientschädigung
zuzusprechen, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Erläuterungsverfahren kein
Aufwand erwachsen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Erläuterungsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Oktober 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Leemann