Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.520/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_520/2009

Urteil vom 6. Januar 2010
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.

Parteien
X.________ Holding AG, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Jürg Purtschert,
Beschwerdeführerin,

gegen

C.Z.Y.________, vertreten durch
Rechtsanwälte Alex Wittmann und Dominique Müller,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Aktienkaufvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz, vom 17. August 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 30. Mai 2002 verkauften A.Y.________ und B.Z.________ ihre Aktien der
Y.________ & Z.________ Holding AG für Fr. 1.-- an die X.________ Holding AG
(Beschwerdeführerin).
Mit Kaufvertrag vom 30. Mai 2002 veräusserten C.Z.Y.________
(Beschwerdegegnerin; Ehefrau von B.Z.________) und D.Z.________ (Sohn) ihre
Aktien der E.________ SA (Eigentümerin der Marke "Y.________ & Z.________") für
Fr. 3'327'000.-- an die F.________ AG, ein Unternehmen der Beschwerdeführerin.

B.
Mit Klage vom 28. Juli 2006 forderte die Beschwerdegegnerin von der
Beschwerdeführerin vor dem Amtsgericht Luzern-Stadt die Bezahlung von Fr.
1'000'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2005. Zur Begründung machte sie
geltend, sie habe "im Rahmen des Aktienkaufvertrags betreffend die Y.________ &
Z.________ Holding AG" der Y.________ & Z.________ Holding AG ein Darlehen von
Fr. 1'000'000.-- gewährt. Gleichzeitig habe ihr die Beschwerdeführerin
garantiert, den Darlehensbetrag bei Fälligkeit zurückzuzahlen. In der Folge
habe die Beschwerdeführerin die Y.________ & Z.________ Holding AG in den
Konkurs geschickt und die Rückzahlung des Darlehens sei unterblieben. Mit
Urteil vom 7. November 2008 verpflichtete das Amtsgericht die
Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Fr. 1'000'000.-- nebst Zins zu 5 %
seit 1. Januar 2005 zu bezahlen.
Dagegen appellierte die Beschwerdeführerin an das Obergericht des Kantons
Luzern und beantragte die Abweisung der Klage. Mit Urteil vom 17. August 2009
wies das Obergericht die Appellation ab und verpflichtete die
Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Fr. 1'000'000.-- nebst Zins zu 5 %
seit 1. Januar 2005 zu bezahlen.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des
Obergerichts vom 17. August 2009 aufzuheben und die Klage vom 28. Juli 2006
abzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die erste
Instanz, subeventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht
schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich"
(BGE 135 III 397 E. 1.5).
Der Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, kann sich nicht damit begnügen, den bestrittenen Feststellungen
eigene tatsächliche Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die
Beweise seiner Ansicht nach zu würdigen gewesen wären. Vielmehr hat er klar und
substantiiert aufzuzeigen, inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die
Unterlassung von Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Auf eine Kritik an den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht
genügt, ist nicht einzutreten (BGE 133 II 249 E. 1.4.3).
Vorliegend präsentiert die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht eine eigene
Sachverhaltsdarstellung, in der sie diejenige der Vorinstanz durch mehrere
Punkte ergänzt. Sie zeigt aber in keiner Weise auf, inwiefern die Unterlassung
von Feststellungen offensichtlich unrichtig wäre. Eine Ergänzung des
Sachverhalts ist daher nicht statthaft. Massgebend bleibt allein der
Sachverhalt, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Auch ihre rechtlichen
Ausführungen gründet die Beschwerdeführerin auf zahlreichen
Sachverhaltselementen, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Darauf
kann ebenfalls nicht abgestellt werden.

2.
Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96
BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 134 V 138 E. 2.1; 133 II 396 E. 3.1. S. 399).
Diese Begründungsanforderungen lässt die Beschwerdeführerin über weite Strecken
ausser Acht. Sie rügt zwar formell eine Verletzung von Art. 18 Abs. 1 OR
(Auslegung nach dem Vertrauensprinzip) und von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
(Grundlagenirrtum). Sie tut aber nicht rechtsgenüglich dar, inwiefern das
angefochtene Urteil diese Vorschriften missachtet, sondern begnügt sich
grösstenteils damit, ihre eigene Sicht der Dinge auszubreiten, ohne sich
hinlänglich mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen. Mit ihren
weitgehend appellatorischen Vorbringen scheint sie zu verkennen, dass das
Bundesgericht keine letzte Appellationsinstanz ist, die von den Parteien mit
vollkommenen Rechtsmitteln angerufen werden könnte. Auf die Beschwerde ist
daher - abgesehen von den nachstehenden Erwägungen - nicht einzutreten.

3.
Die Vorinstanz ging von folgenden vier "Vertragsgebilden" aus:
dem Aktienkaufvertrag betreffend die Y.________ & Z.________ Holding AG
zwischen B.Z.________ und A.Y.________ einerseits und der Beschwerdeführerin
andererseits;
dem Darlehensvertrag zwischen der Beschwerdegegnerin und der Y.________ &
Z.________ Holding AG (vereinbart in Ziffer 8 Absatz 5 des Aktienkaufvertrags);
dem Garantievertrag zwischen der Beschwerdegegnerin und der Beschwerdeführerin
betreffend die Sicherstellung der Darlehensrückzahlung (vereinbart in Ziffer 8
Absatz 8 des Aktienkaufvertrags);
dem "E.________-Vertrag" zwischen der Beschwerdegegnerin und D.Z.________
einerseits und der F.________ AG, hinter welcher die Beschwerdeführerin steht,
andererseits.
Die Vorinstanz verwarf den Standpunkt der Beschwerdeführerin, die bezüglich des
Aktienkaufvertrags das Vorliegen eines Drittgeschäfts verneinte und eine
wirtschaftliche Einheit zwischen den Verträgen in dem Sinn postulierte, dass
sich die Beschwerdegegnerin das Verhalten der Verkäufer betreffend den
Aktienkaufvertrag anrechnen lassen müsse. Sie gelangte demgegenüber zum
Schluss, dass der Darlehensvertrag und der Garantievertrag trotz ihrer Aufnahme
in die gleiche Vertragsurkunde wie der Aktienkaufvertrag eigenständige Verträge
sind und eine materielle Verknüpfung mit dem zwischen anderen Parteien
abgeschlossenen Aktienkaufvertrag fehle. An dieser Eigenständigkeit ändere auch
der in der Unterschriftenzeile enthaltene Passus "mitwirkend auf Verkäuferseite
sowie zustimmend zu Ziffer 8" nichts.
Die These der Beschwerdeführerin, wonach kein Drittgeschäft vorliege, verwarf
die Vorinstanz namentlich mit der Begründung, dass nicht substantiiert sei,
dass die Beschwerdegegnerin am gesamten Vertragswerk auf Seiten der
Verkäuferschaft mitgewirkt habe. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin selbst
dargelegt, dass die Beschwerdegegnerin mit Ausnahme der formellen
Unterzeichnung während der ganzen Verhandlungen nie in Erscheinung getreten
sei. Die Beschwerdeführerin hält dieser Begründung, welche die Beurteilung der
Vorinstanz durchaus zu stützen vermag, nichts entgegen, weshalb ihre Beschwerde
bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann. Sie konzentriert ihre Kritik
einzig auf die Auslegung des genannten Passus in der Unterschriftenzeile, die
aber nach der vorinstanzlichen Beurteilung nicht ausschlaggebend war für die
Annahme eines Drittgeschäfts. Ohnehin zeigt die Beschwerdeführerin nicht
rechtsgenüglich auf, inwiefern die Vorinstanz bei der Auslegung des erwähnten
Passus das Vertrauensprinzip missachtet haben soll. Sie unterbreitet dem
Bundesgericht eingehend und unter freier Ergänzung des Sachverhalts lediglich
ihr eigenes Verständnis dieses Passus. Mit ihren appellatorischen Ausführungen
kann sie nicht gehört werden. Eine Verletzung von Art. 18 Abs. 1 OR ist nicht
dargetan.

4.
Ebenso unbehelflich sind die Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit diese
die Berufung auf einen Grundlagenirrtum und eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1
OR betreffen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe die
Verbindlichkeit des Aktienkaufvertrags als notwendige Grundlage und
Voraussetzung für die Verpflichtung aus der Sicherungsabrede verstanden und
nach Treu und Glauben verstehen dürfen.

4.1 Ein Vertrag ist für jene Partei unverbindlich, die sich beim Abschluss in
einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Als wesentlich gilt ein
Irrtum namentlich, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betrifft, der vom
Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige
Grundlage des Vertrags betrachtet werden konnte (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR:
Grundlagenirrtum). Bei der Beurteilung des Grundlagenirrtums ist davon
auszugehen, dass Feststellungen über die Umstände des Vertragsschlusses sowie
das Wissen und Wollen der Vertragsschliessenden Tatfragen beschlagen. Das
kantonale Gericht beurteilt namentlich grundsätzlich abschliessend, ob und
inwiefern sich eine Partei beim Vertragsschluss in einem Irrtum befand. Auf
einen Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich der
Vertragsschliessende berufen, der sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt
hat, der für ihn notwendige Vertragsgrundlage war und den er nach Treu und
Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags
betrachten durfte (Urteil 4A_56/2008 vom 8. Oktober 2009 E. 7.1 mit Hinweisen).
Objektiv wesentlich ist danach eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise
beiden Parteien bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung
eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrags gewesen ist
(BGE 132 III 737 E. 1.3 S. 741 mit Hinweisen).

4.2 Die Vorinstanz verneinte einen Grundlagenirrtum, weil es bereits an der
objektiven Wesentlichkeit fehlen würde. In ihren diesbezüglichen Ausführungen
legt die Beschwerdeführerin dar, weshalb für sie die Verbindlichkeit des
Aktienkaufvertrags subjektiv eine notwendige Grundlage für das abgegebene
Garantieversprechen gewesen sein soll. Damit zeigt sie aber nicht auf,
inwiefern die Vorinstanz Art. 24 Abs. 1 OR verletzt haben soll, indem diese das
Fehlen der objektiven Wesentlichkeit monierte. Ebenso gelingt es der
Beschwerdeführerin nicht, eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1 OR darzutun, wenn
sie sich für ihre Auffassung, sie habe die Verbindlichkeit des
Aktienkaufvertrags auch objektiv als notwendige Grundlage der Sicherungsabrede
verstehen dürfen, auf die "Begleitumstände", wie die Unterzeichnung der
"Mitwirkungsklausel" im Aktienkaufvertrag, die "Aufhebungsklausel in Ziffer 10
des E.________-Vertrags" sowie die "Positionierung der Beschwerdegegnerin im
Gesamtgeschäft" beruft. Sie zieht diese "Begleitumstände" lediglich in dem Sinn
heran, wie sie sich nach ihrem eigenen Verständnis präsentieren. Die Vorinstanz
hat demgegenüber zu Recht erkannt, dass sich aus diesen Umständen keine
materielle Abhängigkeit zwischen Aktienkaufvertrag und Garantievertrag
konstruieren lässt. Es ist daher weder dargetan noch ersichtlich, dass die
Verbindlichkeit des zwischen anderen Parteien abgeschlossenen
Aktienkaufvertrags objektiv, nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr
betrachtet eine notwendige Grundlage für den Garantievertrag hätte bilden
sollen.

5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit überhaupt darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 15'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 17'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Januar 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:

Klett Sommer