Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.509/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_509/2009

Urteil vom 7. Januar 2010
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________ Schule AG,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Teilzeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz,
vom 26. August 2009.

Sachverhalt:

A.
X.________ (Beschwerdeführerin) und die Y.________ Schule AG
(Beschwerdegegnerin) schlossen am 5. März 1999 einen Anstellungsvertrag, mit
dem die Beschwerdeführerin als Lehrerin für die Tageshandelsschule angestellt
wurde. In den Ziffern 2 und 5 des Vertrags wurde Folgendes vereinbart:
"2. Das Honorar für eine Stunde (60 Min.) beträgt pauschal Fr. 47.-- abzüglich
AHV/ALV, obligatorische Unfall- sowie Krankentaggeldversicherung. Aus
praktischen Gründen (Teilzeitarbeit mit stark wechselnder Beschäftigung) ist in
der Honorarpauschale von Fr. 47.-- ein 11 %-iger Lohnzuschlag für Ferien und
Feiertage von Fr. 4.65 inbegriffen. Die Honorarzahlungen erfolgen monatlich
nach erteilten Stunden.
5. Sollte ein vorgesehener Kurs wegen ungenügender Teilnehmerzahl nicht
zustande kommen, so besteht kein Honoraranspruch. Falls aus irgendwelchen
Gründen ein Kurs eingestellt werden müsste, wird die anteilsmässige
Entschädigung für die bereits erteilten Stunden ausgerichtet."
Gemäss Ziffer 8 des Vertrags gelten im Übrigen die Art. 319 ff. OR.
Seit Vertragsbeginn unterrichtete die Beschwerdeführerin ohne Unterbruch, wobei
unbestritten ist, dass das Pensum vor dem Schuljahresbeginn jeweils im
gegenseitigen Einverständnis festgelegt wurde. Für das Schuljahr 2008/2009
hatte die Beschwerdeführerin bis Ende Mai 2008 ihre Unterrichtswünsche
einzureichen. Sie tat dies unter Angabe der bevorzugten Zeiten und einer
Lektionenanzahl von ca. 15 bis 18 Stunden. Mit E-Mail vom 9. Juli 2008 teilte
sie mit, sie habe die Möglichkeit erhalten, ihre Tätigkeit bei der Gemeinde
A.________ auszuweiten, weshalb sie ihr Pensum bei der Beschwerdegegnerin auf
ca. 10 Stunden begrenzen müsse. In der Folge verzichtete die Beschwerdegegnerin
auf eine Tätigkeit der Beschwerdeführerin für das genannte Schuljahr.

B.
Mit Klage vom 12. September 2008 forderte die Beschwerdeführerin vor dem
Arbeitsgericht des Kantons Luzern von der Beschwerdegegnerin Fr. 16'520.--
nebst einem Arbeitszeugnis und einer Arbeitsbestätigung. Im Laufe des
Verfahrens erhöhte sie den eingeklagten Betrag auf Fr. 29'740.-- nebst Zins zu
5 % seit Klageeinreichung. Am 14. Mai 2009 hiess das Arbeitsgericht die Klage
auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses und einer Arbeitsbestätigung gut, die
eingeklagte Geldforderung hingegen wies es ab.
Gegen dieses Urteil appellierte die Beschwerdeführerin an das Obergericht des
Kantons Luzern. Sie beantragte die Zusprechung eines Geldbetrages von Fr.
25'740.--. Mit Urteil vom 26. August 2009 wies das Obergericht die Appellation
ab. In Ziffer 1 seines Urteilsspruchs verpflichtete das Obergericht die
Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin ein Arbeitszeugnis und eine
Arbeitsbestätigung auszustellen. In Ziffer 2 wies es die Klage im Übrigen ab.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, Ziffer 2 des
Urteils des Obergerichts vom 26. August 2009 aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin
habe der Beschwerdeführerin Fr. 25'740.-- nebst 5 % Zins seit 12. September
2008 zu bezahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen und das Urteil des
Obergerichts zu bestätigen. Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein verfahrensabschliessender
Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1
BGG). Sodann übersteigt der Streitwert von Fr. 25'740.-- die Grenze nach Art.
74 Abs. 1 lit. a BGG. Da somit die Beschwerde in Zivilsachen vom Streitwert her
zulässig ist, braucht nicht entschieden zu werden, ob sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt, wie die Beschwerdeführerin eventualiter
geltend macht. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist
einzutreten.

2.
2.1 Das Arbeitsgericht ging von einem Vertrag über unechte Arbeit auf Abruf
aus. Eine Einigung der Parteien über einen Einsatz der Beschwerdeführerin für
das Schuljahr 2008/2009 sei nicht zustande gekommen. Die Beschwerdegegnerin
habe keine Pflicht gehabt, die Beschwerdeführerin gemäss deren Anträgen
einzusetzen. Die Beschwerdeführerin habe ihrerseits keine Pflicht gehabt, einem
allfälligen Arbeitsaufgebot Folge zu leisten. Ein Arbeitgeberverzug nach Art.
324 OR komme daher nicht zum Tragen.
Die Vorinstanz liess die Frage nach der rechtlichen Einordnung des
Verhältnisses der Parteien offen. Sie ging aber auch davon aus, dass sich die
Parteien zumindest für jedes Schuljahr auf das jeweilige Pensum zu einigen
hatten. Für den streitigen Zeitraum habe die Beschwerdeführerin vor Ende Mai
2008 das Pensum angeboten, zu einem späteren Zeitpunkt ihre Offerte aber
widerrufen, indem sie unter Bezugnahme auf einen anderweitigen Erwerb bei der
Gemeinde A.________ eine neue und stundenmässig tiefere Offerte eingereicht
habe. Damit habe sie unmissverständlich ein bestimmtes Vertragsverständnis zum
Ausdruck gebracht, nämlich dass sie frei sein wolle, wie viele Stunden sie
offeriere. Das bedeute aber zwangsläufig, dass auch die Beschwerdegegnerin frei
sei, eine bestimmte Offerte anzunehmen oder nicht. Zudem und entscheidend falle
ins Gewicht, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich der Ansicht sei, eine
bereits abgegebene Offerte frei widerrufen und im Sinne einer subjektiven
Beliebigkeit durch eine für sie unter den zwischenzeitlich eingetretenen
Umständen günstigere Offerte ersetzen zu können. Wer für sich solche Freiheiten
im Rahmen eines Vertragsverhältnisses beanspruche, müsse im Gegenzug dem
Vertragspartner nach Treu und Glauben in analoger Weise die freie Wahl lassen,
ob er ein Pensum zuteile oder nicht. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die
Beschwerdegegnerin eine sich im bisherigen Rahmen haltende Offerte der
Beschwerdeführerin abgelehnt hätte, könne offen bleiben, da die
Beschwerdeführerin dazu nichts vorgetragen habe.

2.2 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 319 ff. OR,
insbesondere von Art. 324 OR. Sie ist der Meinung, beim vorliegenden Vertrag
handle es sich um echte Teilzeitarbeit. Von eigentlicher Teilzeitarbeit spricht
man, wenn der reduzierte Einsatz wiederholt und mit zum Voraus bestimmten -
wenn auch möglicherweise unregelmässigen - Arbeitszeiten erfolgt (Streiff/von
Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 18 zu Art. 319 OR, S. 91). Die
Beschwerdeführerin begründet ihre Meinung, vorliegend handle es sich um solche
eigentliche Teilzeitarbeit, mit der Behauptung, die Arbeit sei immer gemäss
einem im Voraus bestimmten Arbeits-/Stundenplan erfolgt und der reduzierte
Einsatz habe wiederholt und regelmässig während mehr als neun Jahren
stattgefunden. Diese Behauptung steht im Widerspruch zur für das Bundesgericht
verbindlichen vorinstanzlichen Feststellung (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass das
Pensum vor dem Schuljahresbeginn im gegenseitigen Einverständnis jeweils erst
festgelegt werden musste. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin ist
nicht festgestellt, dass ihre Einsätze nach einem zum Voraus bestimmten
Arbeitsplan erfolgten. Der von der Vorinstanz verbindlich festgestellte
Sachverhalt spricht für eine uneigentliche Teilzeitarbeit, bei welcher jeder
Einsatz ein gegenseitiges Einverständnis voraussetzt. Solche Arbeitstypen sind
zulässig (BGE 124 III 249 E. 2a), und die daran von der Beschwerdeführerin
geübte, ohnehin bloss allgemein gehaltene Kritik hilft ihr nicht weiter.

2.3 Auch ist vorliegend nicht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin sich
verpflichtet hätte, echte Arbeit auf Abruf zu leisten. Bei der echten Arbeit
auf Abruf trifft den Arbeitnehmer eine Einsatzpflicht nach Weisung des
Arbeitgebers. Das heisst, der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer einseitig
abrufen (sog. kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit; BGE 124 III 249 E.
2a; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl.
2005, S. 401 f.; Portmann, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Aufl.
2007, N. 19 zu Art. 321 OR; Streiff/von Kaenel, a.a.O., N. 18 zu Art. 319 OR,
S. 92 ff.; Vischer, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl. 2005, S. 45 f.). In einem
solchen Arbeitsverhältnis muss auch der Bereitschaftsdienst entschädigt werden
(BGE 124 III 249 E. 3) und es muss auch während der Kündigungsfrist die vorher
durchschnittlich geleistete Arbeit zugewiesen bzw. - wenn der Arbeitgeber auf
einen Einsatz des Arbeitnehmers verzichtet - die entsprechende Entlöhnung
bezahlt werden, da sonst der Kündigungsschutz unterlaufen würde (BGE 125 III
65). Bei der unechten Arbeit auf Abruf hingegen trifft den Arbeitnehmer keine
Einsatzpflicht; ein Einsatz kommt vielmehr aufgrund gegenseitiger Vereinbarung
zustande. Oftmals liegt den einzelnen Einsätzen ein Rahmenvertrag zugrunde, in
dem die Arbeitsbedingungen einheitlich geregelt sind (Streiff/von Kaenel,
a.a.O., N. 18 zu Art. 319 OR, S. 94 f.).
Vorliegend musste sich die Beschwerdeführerin nicht für Einsätze nach
einseitigem Abruf durch die Beschwerdegegnerin bereithalten. Die jeweiligen
Einsätze kamen aufgrund eines vor Beginn des Schuljahres im gegenseitigen
Einverständnis festgelegten Pensums zustande. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz brachte die Beschwerdeführerin selbst ein
Vertragsverständnis in dem Sinn zum Ausdruck, dass sie in der Offerte der
Stundenzahlen frei war. Entsprechend teilte sie am 9. Juli 2008 der
Beschwerdegegnerin mit, dass sie wegen ihrer anderen Tätigkeit bei der Gemeinde
A.________ bei der Beschwerdegegnerin nur noch für ca. zehn Stunden zur
Verfügung stehe. Die Beschwerdegegnerin war nicht verpflichtet, diese relativ
kurzfristig vor Semesterbeginn geänderten Einsatzwünsche der Beschwerdeführerin
zu berücksichtigen. Die Ablehnung eines sich im bisherigen Rahmen haltenden
Einsatzangebots der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Es ist der Vorinstanz
beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin, die für sich in Anspruch nahm,
ihre Einsatzwünsche beliebig ändern zu können, nicht erwarten durfte, dass die
Beschwerdegegnerin diese Wünsche ohne weiteres zu berücksichtigen habe. Genauso
wenig wie sich die Beschwerdeführerin zur Leistung eines bestimmten Einsatzes
verpflichtet fühlte, war die Beschwerdegegnerin gebunden. Die
Beschwerdegegnerin geriet daher nicht in Annahmeverzug, indem sie für das
Schuljahr 2008/2009 wegen der stark reduzierten Verfügbarkeit der
Beschwerdeführerin auf deren Einsatz verzichtete. Dass sie die
Beschwerdeführerin auch in den kommenden Schuljahren nicht mehr hätte einsetzen
wollen, ist nicht festgestellt. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht -
namentlich nicht Art. 324 OR - verletzt, wenn sie die Lohnforderung der
Beschwerdeführerin abwies.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 4 lit. c
BGG). Der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin ist gemäss
bundesgerichtlicher Praxis keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 4 S. 446 mit Hinweis).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Januar 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:

Klett Sommer