Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.492/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_492/2009

Urteil vom 27. Januar 2010
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Kunz,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Breitenstein.

Gegenstand
Aberkennungsklage,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 1. September 2009.
Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) und die Apotheke Y.________ GmbH als Mieter
schlossen mit der Z.________ AG (Vermieterin, heute zufolge Fusion X.________
AG, Beschwerdegegnerin) einen Mietvertrag über ein Ladenlokal ab zum Betrieb
einer Apotheke. Wegen Zahlungsrückstands der Mieter sprach die Vermieterin per
31. August 2005 eine Kündigung aus. In dem darauffolgenden Ausweisungs- und
Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich über die
Fortsetzung des Mietverhältnisses, in welchem sich die Vermieterin unter
Anderem bereit erklärte, auf eine per 31. Oktober 2006 fällige Rate von Fr.
49'123.50 für ausstehende Mietzinse zu verzichten, sofern die Mieter die
vereinbarten Raten zur Tilgung der Mietzinsausstände fristgemäss überweisen und
kumulativ auch ihre Zahlungs-, Melde- und Abrechnungsverpflichtungen gemäss dem
Vergleich erfüllen würden.

B.
Da die Mieter nach Auffassung der Vermieterin nicht sämtlichen Pflichten
nachgekommen waren, leitete sie für Fr. 49'123.50 Betreibung ein. Sie erhielt
provisorische Rechtsöffnung, worauf der Beschwerdeführer Aberkennungsklage
einreichte. Nach gescheiterter Schlichtungsverhandlung wies das Bezirksgericht
Uster, nachdem ein erstes Urteil wegen formeller Mängel aufgehoben worden war,
am 20. Mai 2009 die Aberkennungsklage ab und erklärte die provisorisch erteilte
Rechtsöffnung für definitiv. Gleich entschied am 1. September 2009 das
Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschwerde in Zivilsachen hält der
Beschwerdeführer im Wesentlichen an der Aberkennungsklage fest. Sein Gesuch um
Gewährung der aufschiebenden Wirkung wies das Bundesgericht am 22. Oktober 2009
ab. Der Beschwerdeführer suchte mit Schreiben vom 8. November 2009 persönlich
um unentgeltliche Rechtspflege nach, leistete aber schliesslich den verlangten
Kostenvorschuss. Die Beschwerdegegnerin schliesst im Wesentlichen auf
kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, während
das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz hielt unter Hinweis auf das Urteil des Mietgerichts fest, die
Mieter hätten, wie im Vergleich verlangt, fristgerecht Fr. 50'000.-- an die
ausstehenden Mietzinsschulden geleistet und die monatlichen Mietzinsen bis
Ablauf des Mietverhältnisses ordnungsgemäss bezahlt. Darüber hinaus seien die
Mieter verpflichtet gewesen, der Vermieterin die von ihnen pro Quartal
erzielten Umsätze jeweils bis zum 10. Tag des Folgemonats schriftlich zu melden
und ihr bis zum 10. Oktober 2006 eine Abrechnung der Umsatzmiete zu erstatten,
umfassend den von ihnen in der Periode 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006
erzielten Gesamtumsatz. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 sei die Frist für die
Abrechnung bis zum 13. Oktober 2006 verlängert worden. Erst am 14. November
2006, also einen Monat nach Ablauf der gesetzten Frist, hätten die Mieter der
Vermieterin per E-Mail eine Darstellung der Umsatzzahlen Oktober 2005 bis
September 2006 zugesandt. Dies erachteten die kantonalen Instanzen einerseits
als verspätet und andererseits für formell (mangelnde Unterschrift) und
inhaltlich (keine eigentliche Abrechnung des aufgrund des Umsatzes allenfalls
geschuldeten Mietzinses) ungenügend. Sie hielten daher die Forderung der
Beschwerdegegnerin für ausgewiesen.

1.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht auf
die Frage beschränkt, ob die Mieter die im Vergleich vorgesehenen Bedingungen
erfüllt hatten, statt zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin, auch mit Blick auf
das Rechtsmissbrauchsverbot, überhaupt die Erfüllung sämtlicher Bedingungen
habe verlangen dürfen. Er rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art.
274d Abs. 3 OR sowie seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
BV). Bereits in der Verhandlung vor Mietgericht habe er den Antrag gestellt,
eine schriftliche Replik einzureichen. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Die
kantonalen Instanzen hätten sowohl die Umstände ausser Acht gelassen, die zum
Abschluss des Vergleichs geführt hätten, als auch das dabei zwischen den
Parteien bestehende Ungleichgewicht. Der Beschwerdeführer hätte bei wirksamer
Kündigung wegen Zahlungsverzugs seine einzige Einkommensquelle verloren und bei
einem allfälligen Leerstand riskiert, schadenersatzpflichtig zu werden. Ende
des Jahres 2007 sei es zwischen den Parteien zum Streit um die Beendigung des
Mietverhältnisses gekommen. Die Beschwerdegegnerin habe die geltend gemachte
Forderung als Druckmittel benützt, um den Beschwerdeführer zu einem vorzeitigen
Auszug zu bewegen.
1.1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz gehe davon aus, die
Beschwerdegegnerin habe nie verlangt, dass die Abrechnungen auf einer geprüften
Rechnung basierten. Hätten die kantonalen Instanzen den Sachverhalt richtig
abgeklärt, hätte sich aber ergeben, dass die Beschwerdegegnerin sehr wohl eine
geprüfte Abrechnung verlangt habe, was aus einem E-mail vom 21. Februar 2009
hervorgehe. Es sei objektiv unmöglich gewesen, die verlangten Unterlagen
termingerecht zu liefern, was ein vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren
beantragtes Gutachten, welches nicht angeordnet worden sei, ohne Weiteres
bewiesen hätte. Selbst wenn die verlangte Abrechnung aber objektiv
termingerecht hätte erstellt werden können, sei ihr im Kontext sämtlicher
Voraussetzungen für den Forderungsverzicht eine absolut untergeordnete Rolle
zugekommen. Das Bestehen auf einer Jahresrechnung sei bei Vorliegen sämtlicher
dafür erforderlichen Daten überflüssig und damit rechtsmissbräuchlich.
1.1.2 Die Beschwerdegegnerin habe selbst erkennen müssen, dass die Erfüllung
der Bedingung betreffend Umsatzmeldung innert der von ihr vorgeschriebenen
Frist gar nicht möglich gewesen sei. Deshalb habe sie sich auch wiederholt für
die prompte Zustellung der entsprechenden Zahlen bedankt. Sie habe nicht an der
Erfüllung der Bedingung betreffend Umsatzmeldung festgehalten und sogar die
Jahresrechnung selbst erstellt. Die kantonalen Instanzen hätten es aber
unterlassen, die Vertreter der Beschwerdegegnerin diesbezüglich zu befragen.
Sie hätten überdies nicht hinterfragt, in wie weit die von der
Beschwerdegegnerin selbst vorgenommene Abrechnung einen Verzicht auf die
Erfüllung der entsprechenden Bedingung darstellt.

1.2 Rügen der Verletzung seines Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV) oder einer
offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhaltes (Art. 97 Abs. 1 BGG)
kann der Beschwerdeführer dem Bundesgericht grundsätzlich nicht vorlegen, da
der angefochtene Entscheid insoweit nicht letztinstanzlich ist (Art. 75 Abs. 1
BGG; BGE 134 III 524 E. 1.3 S. 527 mit Hinweisen), sondern mit kantonaler
Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich hätte
weitergezogen werden können (vgl. §§ 281 und 285 der Zivilprozessordnung vom
13. Juni 1976, ZPO/ZH, LS 271). Soweit das Bundesgericht das Recht von Amtes
wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG), bleibt indes auch im Zusammenhang mit der
Sachverhaltsfeststellung die Rüge der Verletzung von Bundesrecht, namentlich
von Art. 274d Abs. 3 OR, zulässig, da die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit nicht
offen steht.

1.3 Art. 274d Abs. 3 OR schreibt den Schlichtungsbehörden und Gerichten in
Anwendung der sozialen Untersuchungsmaxime vor, dass sie den Sachverhalt von
Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen
haben, wobei ihnen die Parteien alle für die Beurteilung des Streitfalls
notwendigen Unterlagen vorzulegen haben. Es geht darum, die wirtschaftlich
schwächere Partei zu schützen, die Gleichheit zwischen den Parteien
herzustellen sowie das Verfahren zu beschleunigen. Die Parteien sind jedoch
nicht davon befreit, bei der Feststellung des entscheidwesentlichen
Sachverhalts aktiv mitzuwirken und die allenfalls zu erhebenden Beweise zu
bezeichnen. Sie tragen auch im Bereich der sozialen Untersuchungsmaxime die
Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung. Art. 274d Abs. 3 OR schreibt
keine umfassende Untersuchungsmaxime vor. Das Gericht hat lediglich seine
Fragepflicht auszuüben, die Parteien auf ihre Mitwirkungspflicht sowie das
Beibringen von Beweisen hinzuweisen. Zudem hat es sich über die Vollständigkeit
der Behauptungen und Beweise zu versichern, wenn diesbezüglich ernsthafte
Zweifel bestehen. Die richterliche Initiative geht insoweit nicht über eine
Aufforderung an die Parteien hinaus, Beweismittel zu nennen und beizubringen.
Ferner gilt, dass die Untersuchungsmaxime im Rechtsmittelverfahren durch
kantonales Prozessrecht eingeschränkt werden kann. Sie führt nicht dazu, dass
jede vom kantonalen Recht festgesetzte Beschränkung der Überprüfungsbefugnis
unbeachtlich wird. Die Kantone sind insbesondere frei, die Kognition der
zweiten Instanz durch ein Novenverbot zu beschränken (BGE 125 III 231 E. 4a S.
238 f. mit Hinweisen).

1.4 Die kantonalen Instanzen haben sehr wohl geprüft, ob sich die
Beschwerdegegnerin allenfalls missbräuchlich verhält. Art. 274d Abs. 3 OR
erlaubt dem Beschwerdeführer nicht, dem Bundesgericht einfach einen über die
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid hinausgehenden
Sachverhalt zu unterbreiten, daraus von der Vorinstanz abweichende Schlüsse zu
ziehen und zu behaupten, die Vorinstanz sei ihrer Pflicht zur
Sachverhaltsermittlung nicht hinreichend nachgekommen. Waren die
Sachverhaltsfeststellungen des Mietgerichts ungenügend, hätte der
Beschwerdeführer dies bereits im kantonalen Rechtsmittelverfahren rügen können
und müssen. Inwiefern die kantonalen Instanzen Zweifel betreffend die
Vollständigkeit der Sachvorbringen hätten hegen müssen, ist nicht ersichtlich,
eine Verletzung der sozialen Untersuchungsmaxime mithin nicht dargetan. Da der
Beschwerdeführer keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat, kann das
Bundesgericht den angefochtenen Entscheid in tatsächlicher Hinsicht nicht
überprüfen (Art. 105 BGG). Die appellatorischen Ausführungen des
Beschwerdeführers genügen den Begründungsanforderungen in keiner Weise (Art. 42
Abs. 2 BGG).

1.5 Davon abgesehen ist ein bedingter Forderungsverzicht der Beschwerdegegnerin
zu beurteilen. Die nunmehr eingeklagte Summe war von den Mietern vertraglich
geschuldet. Ist die Beschwerdegegnerin unter gewissen Bedingungen bereit, auf
ihre Forderung zu verzichten, kann der Beschwerdeführer aus der Tatsache, dass
der wesentliche Teil der Bedingungen erfüllt wurde, nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Von Rechtsmissbrauch kann keine Rede sein. Selbst wenn die
Bedingungen objektiv nicht termingerecht erfüllbar gewesen sein sollten, wären
die Mieter nach Treu und Glauben gehalten gewesen, die Beschwerdegegnerin
möglichst früh auf die Unmöglichkeit hinzuweisen und die Abrechnung sobald als
möglich zuzustellen. Dass die Mieter dies getan hätten, ist nicht festgestellt
und ergibt sich auch nicht aus den Vorbringen des Beschwerdeführers. Daraus,
dass die Beschwerdegegnerin schliesslich gezwungen war, die von den Mietern
vorzunehmende Abrechnung selbst zu erstellen, kann nicht geschlossen werden,
sie habe auf die Erfüllung dieser Bedingung verzichtet. Es erhellt vielmehr,
dass die Vorinstanz zu Recht davon ausging, die Mieter seien den ihnen
obliegenden Pflichten nicht vollständig nachgekommen. Unter diesen Umständen
blieb der streitige Betrag gemäss der getroffenen Vereinbarung geschuldet.

1.6 Selbst wenn sich die Beschwerdegegnerin erst dazu entschlossen haben
sollte, den Betrag einzufordern, als es zu neuerlichen Auseinandersetzung mit
den Mietern kam, genügt dies nicht, um ihr Verhalten als rechtsmissbräuchlich
auszuweisen. Es ist Sache des Gläubigers zu entscheiden, ob er auf die
Eintreibung eines ihm zustehenden Anspruchs verzichten will. Er kann sich bei
dieser Entscheidung auch vom Verhalten des Schuldners leiten lassen. Verpönt
wäre einzig der Versuch, eine Forderung als Druckmittel zur Durchsetzung
rechtlich missbilligter Zwecke zu verwenden. Entsprechendes ist aber nicht
festgestellt, ebensowenig wie Umstände, aus denen die Mieter nach Treu und
Glauben darauf hätten schliessen dürfen, die Beschwerdegegnerin habe die
Bedingungen für den Forderungsverzicht gemäss der getroffenen Vereinbarungen
als erfüllt angesehen oder auf deren Erfüllung verzichtet. Damit ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz die Forderung der Beschwerdegegnerin für
ausgewiesen erachtete.

2.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie ist abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann. Wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde
fällt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von Vornherein ausser
Betracht. Es braucht nicht abgeklärt zu werden, ob der Beschwerdeführer sein
diesbezügliches Gesuch allenfalls trotz Zahlung des Kostenvorschusses hätte
aufrecht erhalten wollen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird er
kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak