Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.485/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_485/2009

Urteil vom 11. November 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Leemann.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Bader und Rechtsanwältin Elena Valli,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Stephan Kinzl.

Gegenstand
Auftrag; Sorgfaltspflichtverletzung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof,
1. Zivilkammer, vom 10. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Y.________ (Beschwerdegegner) ist Rechtsnachfolger der am 8. August 2007
verstorbenen Z.________ (nachfolgend: Patientin). Diese war am 16. September
1996 von ihrem Zahnarzt zur operativen Entfernung der Wurzel eines Zahns an Dr.
med. dent. X.________, Bern, (Beschwerdeführer) überwiesen worden.
Am 8. Oktober 1996 hatte die Patientin den ersten Termin in der Praxis des
Beschwerdeführers. Nachdem die Patientin eine Anzahlung von Fr. 7'000.--
geleistet hatte, wurden ihr am 5. Dezember 1996 zwei Zähne gezogen und
Implantate eingesetzt. Die Patientin erhielt eine Schlussrechnung, wonach sie
nach Abzug der Akontozahlung noch Fr. 4'315.25 zu leisten hatte, womit sich die
Gesamtkosten des Eingriffs auf Fr. 11'315.25 beliefen.
In der Folge ergaben sich Komplikationen, weshalb der Patientin die beiden
Implantate an den Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern am 27. Mai
2004 wieder entfernt wurden. Die Kosten dafür beliefen sich auf Fr. 762.45. Für
die Nachbetreuung wurden ihr Fr. 1'675.70 verrechnet.

B.
B.a Am 9. September 2005 klagte die Patientin beim Gerichtspräsidenten des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen gegen den Beschwerdeführer auf Zahlung von Fr.
17'500.-- zuzüglich Zins von 5 % seit dem 1. Oktober 2004 sowie
Betreibungskosten von Fr. 300.--. Im Weiteren beantragte sie die Aufhebung des
Rechtsvorschlags in der bereits erhobenen Betreibung sowie die Erteilung der
definitiven Rechtsöffnung.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2008 hiess der Gerichtspräsident 5 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Klage im Umfang von Fr. 13'753.40 nebst
Zins zu 5 % seit dem 1. Oktober 2004 gut, er beseitigte den Rechtsvorschlag und
erteilte die definitive Rechtsöffnung.
B.b Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid erhobene Appellation wies
das Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 10. Juni 2009 ab und bestätigte
den erstinstanzlichen Entscheid.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht,
es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 10. Juni 2009
aufzuheben und die Klage des Beschwerdegegners sei abzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2009 hat das Bundesgericht das Gesuch des
Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 III 212 E. 1 S. 216 mit
Hinweisen).

1.1 Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, dass die Streitwertgrenze von
Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) vorliegend nicht erreicht ist, beruft
sich aber darauf, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung, weshalb die Beschwerde dennoch zulässig sei (Art. 74 Abs. 2 lit. a
BGG).
Seiner Ansicht nach bedürften "zahlreiche Fragen um die Arzthaftung, im
Speziellen die Problematik der rechtlichen Ausgestaltung der
Aufklärungspflicht" einer Überprüfung der Rechtsprechung. Es würden an die
(zahn-)ärztliche Aufklärungspflicht immer höhere Anforderungen gestellt, die
kaum mehr erfüllt werden könnten. Der Ursprung des Problems liege darin, dass
die ärztliche Aufklärungspflicht gegenwärtig als Schutz der körperlichen
Integrität verstanden werde. Die Haftung wegen unzureichender Aufklärung, so
der Beschwerdeführer weiter, sei aufgrund der Entwicklungen in der
Rechtsprechung immer mehr zu einem Auffangtatbestand geworden für Fälle, in
denen sich ein Behandlungsfehler vom Patienten nicht nachweisen lasse oder ein
solcher gar nicht vorliege, der Patient aber mit der Behandlung bezüglich
Ablauf oder Resultat nicht zufrieden sei. Die Berufung auf die verletzte
Aufklärungspflicht als Auffangtatbestand werde durch die unterschiedliche
Beweislastverteilung bei der Haftung für einen Behandlungsfehler einerseits und
die Aufklärungspflichtverletzung andererseits zusätzlich "attraktiv". Der
Beschwerdeführer bringt mit Hinweis auf CHRISTIAN CONTI (Die Malaise der
ärztlichen Aufklärung - Zu den Grenzen ärztlicher Aufklärungspflichten des
Patienten, AJP 2000 S. 617) sowie FRANZ JOSEF PELZ (Verschulden - Realität oder
Fiktion, Die ärztliche Haftung in der Rechtsprechung, in: Laufs und andere
[Hrsg.], Die Entwicklung der Arzthaftung, Berlin 1997, S. 52) vor, dass dies in
der Lehre auf Kritik stosse.

1.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Begriff der Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung restriktiv auszulegen. Soweit es bei der
aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der
Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4, 397 E.
1.2 S. 399; 134 III 115 E. 1.2 S. 117). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2
lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass
eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche
Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit
Rechtssicherheit herzustellen (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4; 133 III 645 E. 2.4 S.
648 f.). Auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann
unter der Voraussetzung von grundsätzlicher Bedeutung sein, dass sich die
erneute Überprüfung aufdrängt. Dies kann zutreffen, wenn die Rechtsprechung
nicht einheitlich oder in der massgebenden Lehre auf erhebliche Kritik
gestossen ist (BGE 134 III 354 E. 1.5 S. 357 f.) oder wenn in der Zwischenzeit
neue Gesetzesbestimmungen in Kraft getreten sind (BGE 134 III 115 E. 1.2 S.
117). Das Bundesgericht hat seine bisherige Rechtsprechung zu Art. 74 Abs. 2
lit. a BGG dahingehend zusammengefasst, dass es für die Beurteilung des
konkreten Falls erforderlich sein muss, eine Rechtsfrage zu beantworten, die zu
einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und daher dringend einer
höchstrichterlichen Klärung bedarf (BGE 135 III 397 E. 1.2 S. 399 mit
Hinweisen). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist in der
Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42
Abs. 2 BGG).

1.3 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gründet das Erfordernis
der Einwilligung des Patienten und der damit verbundene Aufklärungsanspruch in
dessen allgemeinen Persönlichkeitsrechten sowie dem Recht auf körperliche
Integrität (BGE 133 III 121 E. 4.1.1 S. 128; 117 Ib 197 E. 2a S. 200; 115 Ib
175 E. 2b S. 180 f.; 114 Ia 350 E. 6 S. 358 f.; 113 Ib 420 E. 2 S. 423). Führt
der Arzt einen Eingriff aus, ohne den Patienten darüber zu informieren und
dessen Zustimmung einzuholen, handelt er widerrechtlich und haftet für den
eingetretenen Schaden grundsätzlich auch dann, wenn er dabei nach den Regeln
der Kunst vorgegangen ist (BGE 133 III 121 E. 4.1.1 S. 128 mit Hinweisen).
Ebenfalls ständiger Rechtsprechung entspricht es, dass dem Arzt die Beweislast
dafür obliegt, dass er den Patienten vor dem Eingriff hinreichend aufgeklärt
und dessen Zustimmung eingeholt hat (BGE 133 III 121 E. 4.1.3 S. 129 mit
Hinweisen).
Das Bundesgericht hatte bereits in früheren Jahren berücksichtigt, dass diese
Rechtsprechung in der Lehre teilweise kritisiert worden war, hielt jedoch trotz
dieser Kritik daran fest (BGE 117 Ia 197 E. 2b/c S. 200 ff.). Die
Rechtsprechung wurde seither mehrmals bestätigt (vgl. etwa die Urteile 4C.9/
2005 vom 24. März 2005 E. 4.2; 4P.265/2002 vom 28. April 2004 E. 4.1; 4C.378/
1999 vom 23. November 2004 E. 3.1), unlängst in einem in der Amtlichen Sammlung
publizierten Entscheid (BGE 133 III 121 E. 4.1 S. 128 ff.). Angesichts dieser
seit Jahren konstanten Praxis des Bundesgerichts kann trotz vereinzelter Kritik
in der Lehre von einer erheblichen Rechtsunsicherheit keine Rede sein.
Demzufolge besteht kein dringendes Bedürfnis zur Überprüfung der klaren und
konstanten Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der ärztlichen Haftung. Eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a
BGG liegt somit nicht vor und auf die Beschwerde in Zivilsachen ist nicht
einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer erhebt nicht ausdrücklich subsidiäre Verfassungsbeschwerde
(Art. 113 ff. BGG), er macht jedoch hinsichtlich einzelner
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz geltend, diese seien offensichtlich
unrichtig bzw. willkürlich.

2.1 Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von
verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht
kann die Verletzung eines Grundrechts nur insofern prüfen, als eine solche Rüge
in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer muss klar und detailliert anhand der
Erwägungen des angefochtenen Entscheids darlegen, inwiefern verfassungsmässige
Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88; 134 V 138 E. 2.1
S. 143; 133 III 393 E. 6 S. 397, 589 E. 2 S. 591 f.; je mit Hinweisen). Das
Bundesgericht untersucht nicht von sich aus, ob der angefochtene kantonale
Entscheid verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte,
klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 134 V 138 E. 2.1 S.
143; 133 II 396 E. 3.1 S. 399).

2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG). Es kann davon nur abweichen,
wenn die Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung eines verfassungsmässigen
Rechts zustande kam (Art. 118 Abs. 2 i.V.m. Art. 116 BGG), was der
Beschwerdeführer mit einer den vorstehend genannten Anforderungen genügenden
Begründung geltend zu machen hat (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE
133 III 439 E. 3.2 S. 444 f.). Soweit in einer Beschwerde Willkür in der
Ermittlung des Sachverhalts geltend gemacht wird, ist zu beachten, dass dem
Sachrichter in der Beweiswürdigung ein breiter Ermessensspielraum zusteht; der
Beschwerdeführer hat daher darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht sein
Ermessen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen,
erhebliche Beweise übersehen oder willkürlich ausser Acht gelassen habe (vgl.
BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40).
Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids,
sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 5; 134 II 124 E.
4.1 S. 133; 133 I 149 E. 3.1 S. 153).
Wird eine verfassungswidrige Nichtberücksichtigung von behaupteten, im
angefochtenen Entscheid aber nicht festgestellten Tatsachen geltend gemacht,
ist mit Aktenhinweisen darzulegen, dass diese rechtsrelevanten Tatsachen
bereits bei der Vorinstanz prozessrechtskonform eingebracht wurden, indessen
von jener unter Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts unberücksichtigt
gelassen worden seien. Ansonsten geltend sie als neu und daher unzulässig (Art.
99 Abs. 1 i.V.m. Art. 117 BGG; Urteil 4D_91/2009 vom 14. Mai 2009 E. 2.2).

2.3 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Der Beschwerdeführer legt
weder dar, inwiefern das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des
Sachverhalts anders ausgegangen wäre noch zeigt er mit Aktenhinweisen auf, dass
die nach seiner Ansicht zutreffenden Tatsachen bereits bei der Vorinstanz
prozessrechtskonform eingebracht wurden. Insbesondere im Zusammenhang mit der
Feststellung im angefochtenen Entscheid, wonach aus dem Patientenblatt -
abgesehen von den finanziellen Folgen - nicht ersichtlich sei, worüber der
Beschwerdeführer die Patientin aufgeklärt habe, bringt der Beschwerdeführer
lediglich vor, es liessen sich dem Dokument weitere Elemente in Form einer
Zeichnung, dem Vermerk der verschiedenen Behandlungsvarianten sowie einer
Auflistung der Behandlungsphasen entnehmen. Er zeigt jedoch keine Willkür auf,
wenn er einzig behauptet, die Interpretation und Auslegung der gemachten
Notizen sowie der Skizze seien besonders bedeutsam und von der Vorinstanz nicht
bzw. ungenügend gewürdigt worden. Vielmehr übt er damit appellatorische Kritik
am angefochtenen Entscheid, was nicht zulässig ist.

3.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird der
Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art.
68 Abs. 2 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. November 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Leemann