Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.466/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_466/2009

Urteil vom 28. Oktober 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ludwig Müller,

gegen

Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt.

Gegenstand
unentgeltliche Prozessführung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss,
vom 23. April 2009.
Sachverhalt:

A.
In einer gegen A.________ (Beschwerdeführer) eingeleiteten Betreibung wurde der
V.________ Genossenschaft vom Bezirksgerichtspräsidium Plessur am 6. Februar
2008 für den Betrag von Fr. 2'123'666.75 nebst Zins zu 10 % provisorische
Rechtsöffnung erteilt. Der Beschwerdeführer erhob beim Zivilgericht Basel-Stadt
Aberkennungsklage. Dieses verpflichtete ihn zur Leistung eines
Kostenvorschusses von Fr. 36'000.-- und lehnte sein Begehren, den Vorschuss in
9 Raten zu begleichen, wegen ungenügender Glaubhaftmachung der behaupteten
Zahlungsschwierigkeiten ab. Mit Verfügung vom 12. September 2008 wies der
Instruktionsrichter des Zivilgerichts auch das hierauf gestellte Gesuch um
Kostenerlass ab. Die hiergegen eingereichte Beschwerde wies der Ausschuss des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 23. April 2009 ab, und zwar
mangels hinreichender Substanziierung seiner und seiner Familie Einkommens- und
Unterhaltssituation.

B.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen,
es sei ihm der Kostenerlass gemäss kantonalem Recht und Art. 29 Abs. 3 BV zu
bewilligen, und der unterzeichnende Rechtsvertreter sei zum Armenanwalt zu
bestellen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die erste oder an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner verlangt er auch für das Verfahren vor
Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege. Seinem Begehren um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung entsprach das Bundesgericht am 9. Oktober 2009.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid ist ein letztinstanzlicher kantonaler
Zwischenentscheid, der den Hauptprozess nicht abschliesst. Gegen diesen
Zwischenentscheid ist nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG die Beschwerde zulässig,
wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.
Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird,
haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1 S.
131; 126 I 207 E. 2a S. 210 mit Hinweisen). Dies trifft auch im vorliegenden
Fall zu.

2.
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster
Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein
solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Dass § 173 der
Zivilprozessordnung vom 8. Februar 1875 (ZPO/BS; SG 221.100) einen über den
verfassungsrechtlichen hinausreichenden Anspruch gewähren würde, macht der
Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Die Beschwerde ist
demnach im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV zu beurteilen.

2.1 Art. 29 Abs. 3 BV verschafft einer bedürftigen Partei in einem für sie
nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf
Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur
gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf (BGE 135 I 91 E. 2.4.2.2 S. 96; 133
III 614 E. 5 S. 616). Da die Vorinstanz die Aussichtslosigkeit verneint hat,
ist einzig zu prüfen ob sie bei der Beurteilung der Bedürftigkeit Bundesrecht
verletzt hat.

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Person bedürftig, wenn sie nicht in
der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel
beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie
notwendig sind (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205 mit
Hinweisen). Dafür ist neben dem Einkommen auch allfälliges Vermögen zu
berücksichtigen (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2, 97 E. 3b S. 98; 120 Ia 179 E. 3a S.
181 mit Hinweisen).

2.3 Die unentgeltliche Rechtspflege ist nicht nur ein Problem des
Rechtsstaates, sondern auch der Finanzen. Auch in diesem Gebiet staatlichen
Wirkens müssen unnütze Ausgaben vermieden werden. Im öffentlichen Interesse hat
das Gericht deshalb den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären. Der
Untersuchungsgrundsatz entbindet den Gesuchsteller freilich nicht davon, seine
finanzielle Situation vollumfänglich offen zu legen. Nur bei vollständiger
Kenntnis der gesamten finanziellen Verhältnisse des Gesuchstellers kann
namentlich beurteilt werden, ob und allenfalls in welchem Umfang ihm die
Beanspruchung des Vermögens, etwa durch entsprechende Kreditaufnahme, nicht nur
möglich, sondern auch zumutbar ist, um die Mittel aufzubringen, welche zur
Führung nicht aussichtsloser Prozesse erforderlich sind. Grundsätzlich obliegt
dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend
darzustellen und soweit möglich auch zu belegen. Dabei dürfen um so höhere
Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen
Situation durch den Gesuchsteller selbst gestellt werden, je komplexer diese
Verhältnisse sind. Verweigert ein Gesuchsteller die zur Beurteilung seiner
aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, so kann die
Bedürftigkeit ohne Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs verneint werden
(BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f.; Urteil des Bundesgerichts 5P.426/2002 vom 17.
Januar 2003 E. 4.2 mit Hinweisen, in: Pra 92/2003 Nr. 170 S. 927 ff., S. 930
f.).

3.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst als Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehörs, dass ihm die Stellungnahme der V.________ zu seinem Gesuch
um Kostenerlass erst zusammen mit dem Entscheid des erstinstanzlichen Gerichts
zugestellt worden ist.

3.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV steht den Parteien das rechtliche Gehör zu. Dieser
Anspruch ist formeller Natur, womit seine Verletzung ungeachtet der materiellen
Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur
Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt. Das rechtliche Gehör dient
einerseits der Klärung des Sachverhaltes, anderseits stellt es ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar,
welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere
das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines ihn belastenden Entscheides
zur Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder
sich zumindest zum Beweisergebnis äussern zu können, wenn dieses geeignet ist,
den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen (BGE 135 I 187 E. 2.2. S. 190 mit
Hinweisen).

3.2 Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende -
Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die
betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu
äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann.
Von einer Rückweisung der Sache ist indes selbst bei einer schwerwiegenden
Verletzung des rechtlichen Gehörs abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu
einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen
würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen
Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären
(BGE 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.; 132 V 387 E. 5.1 S. 390; je mit Hinweisen).

3.3 Die Vorinstanz führte zur entsprechenden, ihr unterbreiteten Rüge aus, der
Beschwerdeführer habe sich vor Appellationsgericht zur Stellungnahme der
V.________ äussern können, und das Appellationsgericht prüfe die angefochtene
Verfügung mit freier Kognition. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern
sein Äusserungsrecht im kantonalen Verfahren tatsächlich verkürzt worden ist.
Vielmehr weist er selbst auf die oben wiedergegebene ständige Praxis des
Bundesgerichts hin, wonach ausnahmsweise im Rechtsmittelverfahren die Gewährung
des rechtlichen Gehörs nachgeholt werden kann. Die Schwere der Verletzung hängt
zudem entgegen seiner Meinung nicht von dem auf dem Spiele stehenden
Streitwert, sondern unmittelbar vom Gewicht des Eingriffs in den Gehörsanspruch
ab. Konnte der Beschwerdeführer seine Mitwirkungsrechte vor einer oberen
Instanz vollumfänglich ausüben, ist nicht ersichtlich, welches
Rechtsschutzinteresse er an einer Rückweisung noch haben kann, zumal es dabei
entgegen seiner Auffassung nicht darum geht, die unteren Instanzen zu
disziplinieren. Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist nicht dargetan.

4.
4.1 Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, der Beschwerdeführer, ein selbständiger
Architekt, habe seine Einkommenssituation nicht hinreichend belegt. Es fehlten
Belege zur behaupteten Inaktivität der W.________ GmbH, deren einziger
Gesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei. Zwar treffe zu,
dass die drei Gesellschaften, X.________ GmbH, Y.________ GmbH und Z.________
GmbH, als deren Geschäftsführer und/oder Gesellschafter der Beschwerdeführer
eingetragen sei, sich in Liquidation befänden. Der Beschwerdeführer habe aber
weder Buchhaltungsunterlagen (Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen) noch
Bankbelege dieser Gesellschaften eingereicht, aus welchen sich allfällige
Bezüge des Beschwerdeführers bzw. deren Versiegen ergeben hätten. Ebenso
fehlten Unterlagen, aus denen auf die frühere Zusammensetzung des Einkommens
und damit auf die Auswirkungen der Liquidation der drei Gesellschaften
geschlossen werden könnte. Schliesslich falle auf, dass der Beschwerdeführer
vorbringe, er sei daran, die zum Teil nicht fertig gestellten Überbauungen,
welche die V.________ finanziert hatte, durch Verkauf oder anderweitig
finanzierte Fertigstellung zu retten. Dass der Beschwerdeführer an diesen
Grundstücken nicht berechtigt sei, trage er nicht vor. Auch das Darlehen des
Schwiegervaters, mit dem nach Angaben des Beschwerdeführers der Bedarf der
Familie gedeckt werde, sei durch nichts belegt. Der Beschwerdeführer habe somit
seine und seiner Familie Einkommens- und Unterhaltssituation ungenügend
substanziiert und die Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht.

4.2 Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander.
Seine Ausführungen, wonach er die Steuererklärungen, soweit sie vorlägen,
eingereicht habe, gehen an der Sache vorbei, da die Vorinstanz nicht auf diese,
sondern auf die anderen, von ihr angeführten Belege hätte abstellen wollen, um
daraus die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers zuverlässig
abzulesen. Inwiefern sie damit Recht verletzte, legt der Beschwerdeführer nicht
dar. Ebenso wenig geht aus dem angefochtenen Urteil hervor, dass der
Beschwerdeführer seinen Schwiegervater, der ihn angeblich unterstützt, als
Zeugen angerufen hat, und der Beschwerdeführer zeigt nicht unter Aktenhinweis
auf, dass er diesen Zeugen im kantonalen Verfahren prozesskonform angeboten
hat, damit aber nicht gehört wurde. Indem der Beschwerdeführer schliesslich
geltend macht, mit der nachgewiesenen vollzogenen Pfändung über Fr. 11'050.--
sei seine Hablosigkeit hinreichend glaubhaft gemacht, unterbreitet er dem
Bundesgericht lediglich seine eigene Sicht der Dinge, ohne auf die
Argumentation der Vorinstanz einzugehen, die angesichts seiner diversen
Beteiligungen an Liegenschaften nähere Auskünfte darüber und über deren
Wertentwicklung für unerlässlich hielt. Insoweit verfehlt der Beschwerdeführer
die Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE
133 II 249 E. 1.4.1 ff.).

5.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, soweit
darauf eingetreten werden kann. Unter diesen Umständen kommt die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht nicht in
Frage. Vielmehr wird der Beschwerdeführer entsprechend dem Verfahrensausgang
kostenpflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor
Bundesgericht wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Oktober 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak