Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.363/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_363/2009

Urteil vom 23. September 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.

1. Parteien
A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Advokat Dr. Sven Oppliger,

gegen

1. C.________,
2. D.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Advokat Toni Thüring.

Gegenstand
Erstreckung des Mietverhältnisses,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 3. Juli 2009.
Sachverhalt:

A.
A.________ und B.________ (Mieter, Beschwerdeführer) sind seit dem 1. Juli 1988
Mieter eines 5 1/2-Zimmer-Einfamilienhauses in Dornach. Vermieter sind
C.________ und D.________ (Vermieter, Beschwerdegegner). Diese kündigten am 29.
April 2008 den Mietvertrag per 31. Oktober 2008 unter Berufung auf Eigenbedarf.
Die Mieter wandten sich an die Mietschlichtungsstelle Dorneck-Thierstein,
welche die Kündigung am 22. August 2008 per 31. März 2009 als gültig erklärte
und das Mietverhältnis einmalig bis 31. Juli 2009 erstreckte. Die Mieter
erhoben am 16. September 2008 form- und fristgerecht Klage beim Richteramt
Dorneck-Thierstein. Sie verlangten im Wesentlichen eine erstmalige Erstreckung
des Mietverhältnisses bis 31. Dezember 2010. Die Beschwerdegegner widersetzten
sich diesem Begehren und beantragten für den Fall der Erstreckung des
Mietverhältnisses eine Erhöhung des Mietzinses. Der Amtsgerichtspräsident von
Dorneck-Thierstein stellte mit Urteil vom 27. Januar 2009 fest, die
ausgesprochene Kündigung sei per 31. März 2009 gültig, und er erstreckte das
Mietverhältnis mit Wirkung ab 1. April 2009 einmalig bis 31. Juli 2009. Sodann
stellte er fest, dass der bisher geltende Mietzins, vorbehältlich des Ausgangs
eines von den Beschwerdeführern iniziierten Verfahrens betreffend Herabsetzung
des Mietzinses, bis zum Ablauf der Erstreckung weiterhin Gültigkeit habe. Auf
Appellation der Mieter und Anschlussappellation der Vermieter bestätigte das
Obergericht des Kantons Solothurn am 3. Juli 2009 diesen Entscheid.

B.
Die Mieter beantragen dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen die
Aufhebung des Urteils des Obergerichts und eine erstmalige, eventuell eine
einmalige Erstreckung des Mietverhältnisses bis 31. Dezember 2010,
subeventualiter eine erstmalige Erstreckung bis 30. Juni 2010. Eventuell sei
die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ihrem
Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gab das Bundesgericht am 2.
September 2009 statt. Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der
Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das Obergericht stellt
unter Hinweis auf seine Urteilsmotive und die Akten den selben Antrag und
verzichtet im Übrigen auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, die Vorinstanz habe zu Unrecht
dringenden Eigenbedarf der Beschwerdegegner angenommen.

1.1 Der dringende Eigenbedarf im Sinne von Art. 271a Abs. 3 lit. a OR setzt
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts keine Zwangs- oder gar Notlage des
Vermieters voraus, sondern ist immer dann gegeben, wenn es ihm aus
wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zumutbar ist, auf die Benutzung der
vermieteten Wohnung oder des Hauses zu verzichten. Beim Entscheid über diese
Frage sind alle erheblichen Umstände des Falles zu würdigen. Das Erfordernis
der Dringlichkeit ist dabei nicht allein zeitlich, sondern auch sachlich zu
verstehen. Es müssen Gründe vorliegen, denen auch nach objektiver Beurteilung
eine gewisse Bedeutung zukommt. Liegt ein dringender Eigenbedarf des Vermieters
vor, sind bei der Erstreckung dessen Interessen gegenüber jenen des Mieters
abzuwägen (BGE 132 III 737 E. 3.4.3 S. 745; 118 II 50 E. 3a-d S. 53 ff.).

1.2 Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass die Beschwerdegegner die
Kündigung aussprachen, um die Mietliegenschaft selbst als Alterswohnsitz nutzen
zu können, nachdem sie ihre bisherige grosse, sieben Zimmer umfassende, über
dem von ihnen bislang betriebenen Geschäft gelegene Wohnung per 1. Oktober 2008
ihrem Geschäftsnachfolger vermietet haben. Den beabsichtigten Auszug aus der
Geschäftsliegenschaft begründen sie damit, dass sie nicht auf lange Sicht im
gleichen Haus wie ihre Geschäftsnachfolger wohnen wollen. Sie haben mit dem
Geschäft abgeschlossen und wollen nicht mehr immer wieder auf Geschäftliches
angesprochen werden. Weil die Beschwerdeführer per 1. Oktober 2008 die
Mietliegenschaft noch nicht verlassen hatten, bezogen die Beschwerdegegner die
in der Geschäftsliegenschaft gelegene abgeschrägte 3 1/
2-Zimmer-Dachgeschosswohnung, welche die Mutter des Beschwerdegegners gerade
verlassen hatte, um in ein Altersheim zu ziehen. Diese Zwischenlösung bedingte,
dass die Beschwerdegegner einen grossen Teil ihrer Möbel und
Einrichtungsgegenstände gegen Entgelt in einem Lagerhaus deponieren mussten.
Zur Dachwohnung gehört weder ein Garten noch eine geschlossene Garage.

1.3 Wenn die Vorinstanz aus diesen Gründen für die Beschwerdegegner nicht
zumutbar erachtete, auf die Benutzung ihres den Beschwerdeführern vermieteten
Hauses zu verzichten und daher dringenden Eigenbedarf im Sinne von Art. 271a
Abs. 3 lit. a OR bejahte, ist dies im Lichte der hiervor wiedergegebenen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu beanstanden (BGE 132 lll 737 E.
3.4.3 S. 745 mit Hinweisen). Indem die Beschwerdeführer vorbringen, die
Beschwerdegegner könnten sehr wohl noch ein weiteres Jahr auf den Gebrauch
ihrer Liegenschaft verzichten, verkennen sie, dass Dringlichkeit keine Zwangs-
oder gar Notlage des Vermieters voraussetzt und dass nicht die Möglichkeit,
sondern die Zumutbarkeit des Verzichts auf die Eigennutzung den Ausschlag gibt.
Weshalb bei objektiver Beurteilung bedeutungslos sein soll, dass den
Beschwerdegegnern gegenwärtig eine Wohnung mit lediglich halb so vielen Zimmern
wie vorher zur Verfügung steht, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf, und sie
setzen sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass sich die Ersatzwohnung der
Beschwerdegegner im gleichen Gebäude wie das früher von diesen betriebene
Geschäft befindet, zu welchem die Beschwerdegegner innere und äussere Distanz
zu nehmen wünschen. Die vorliegende ist vergleichbar mit der vom Bundesgericht
beurteilten Konstellation, in welcher dringlicher Eigenbedarf angenommen wurde,
weil die Tochter des Vermieters, der eine Übergangslösung für ihre
Wohnsituation zur Verfügung stand, mit ihrem Lebenspartner zusammenziehen
wollte und in das umstrittene Mietobjekt einzuziehen gedachte (Urteil des
Bundesgerichts 4C.400/2001 vom 4. März 2002 E. 3b, publ. in Pra 99/2002 Nr. 110
S. 635). Die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführer ist unbegründet.

2.
Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe bei der Interessenabwägung ihr
Ermessen zu Lasten der Beschwerdeführer überschritten.

2.1 Die Vorinstanz erwog, drei der vier Kinder der Beschwerdeführer besuchten
die Schulen im Kanton Basel-Land. Mittlerweile habe auch das jüngste Kind die
Primarschule in Dornach beendet, weshalb die familiäre Situation erlaube, bei
der Wohnungssuche einen weiteren Umkreis ins Auge zu fassen. Den
Beschwerdeführern sei ohne Weiteres möglich, kurzfristig eine zumutbare Wohnung
ähnlicher Grösse in der Region Dornach ("Basel-Land West") zu finden, wobei
ihre komfortable finanzielle Situation zu berücksichtigen sei. Die
Beschwerdeführerin hat zusammen mit drei Miterbinnen am 19. Juni 2009 eine
Parzelle in Binningen für Fr. 1'300'000.-- verkauft, wobei die Käuferin
zugesichert habe, ihr ein Vorkaufsrecht auf Stockwerkeigentum für die im
Attikageschoss zu erstellende Wohnung zu gewähren. Angesichts dieser Umstände
kam die Vorinstanz zum Ergebnis, eine spezielle Härte, die über das hinaus
gehe, was jeder Umzug zwangsläufig mit sich bringe, liege nicht vor. Den
Beschwerdeführern sei einschliesslich der von der Schlichtungsbehörde
bewilligten Erstreckung eine Frist von 15 Monaten für die Wohnungssuche zur
Verfügung gestanden. Sie seien in einem Alter, in welchem ein Umzug keine
spezielle Härte begründe. Dies gelte auch bei der zwanzigjährigen Dauer des
Mietverhältnisses.

2.2 Wenn die Vorinstanz vor diesen Hintergrund zum Schluss kam, die Interessen
der Vermieter überwögen offensichtlich jene der Mieter und die einmalige
Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 31. Juli 2009 bestätigte, kann von
einem Ermessensmissbrauch offensichtlich nicht die Rede sein. Dass die
Beschwerdeführer eine andere Gewichtung vornehmen, ändert daran nichts, zumal
sie in ihre Beschwerde Tatsachen einfliessen lassen, die dem angefochtenen
Urteil nicht zu entnehmen sind, so wenn sie behaupten, die Beschwerdegegnerin
könne keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, und das Einkommen des
Beschwerdeführers reiche nur knapp für den Unterhalt der Familie aus. Damit
sind sie von vornherein nicht zu hören, da sie dem Bundesgericht keinerlei
hinreichend begründete Sachverhaltsrügen unterbreiten.

3.
Keine Rolle spielt, ob die Beschwerdegegner in Erwägung zogen, den
Beschwerdeführern das Mietobjekt zu einem bestimmten Preis zu verkaufen oder
entsprechende Verhandlungen geführt wurden, wie die Beschwerdeführer unter
Hinweis auf einen von den Parteien geschlossenen Vergleich behaupten. Da kein
Verkauf zustande kam, ist nicht ersichtlich, was sich an der Beurteilung des
Eigenbedarfs ändern sollte. Damit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz
von einem dringenden Eigenbedarf ausging.

4.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als offensichtlich
unbegründet und ist abzuweisen. Ausgangsgemäss werden die Beschwerdeführer
kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftbarkeit.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak