Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.34/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_34/2009

Urteil vom 27. Februar 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Attilio R. Gadola,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bazzani.

Gegenstand
Herausgabe von Originaldokumenten,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung Grosse Kammer,
vom 14. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ beabsichtigte im Frühling 1981 die Realisierung einer Überbauung mit
einem Bauvolumen von ca. Fr. 15 Mio. Zu diesem Zwecke gründete er die
X.________ AG (Beschwerdeführerin), in deren Verwaltungsrat er Einsitz nahm.
Die Beschwerdeführerin wirkte im Hinblick auf Planung und Bauleitung des
Projekts mit der Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) zusammen. Die
Beschwerdegegnerin wurde mit der Bauleitung beauftragt und die
Beschwerdeführerin trat als Bauherrin auf. Mit Vertrag vom 16. April 1981
verkaufte A.________ eine Beteiligung an der Beschwerdeführerin an B.________.
Dieser ist heute Alleinaktionär der Beschwerdeführerin. Nachdem das Projekt im
Jahr 1989 fertig gestellt und sämtliche Stockwerkeigentumseinheiten verkauft
worden waren, legte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin die
provisorische Bauabrechnung zur Genehmigung vor. Bei der Überprüfung der
Bauabrechnung hegte B.________ den Verdacht, dass es im Laufe ihrer Erstellung
zu Unregelmässigkeiten gekommen sei, die Verantwortlichkeitsansprüche begründen
könnten, weil die Bauabrechnung gegenüber dem bereinigten Kostenvoranschlag vom
6. Dezember 1986 Mehrkosten von Fr. 890'000.-- aufwies.

B.
Da die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin ursprünglich am selben Ort
domiziliert waren, wurden die Dokumente im Zusammenhang mit der Überbauung nur
einfach ausgefertigt und verblieben nach der räumlichen Trennung der beiden
Unternehmungen bei der Beschwerdegegnerin. Auf mehrfaches Verlangen der
Beschwerdeführerin, ihr die Akten herauszugeben, liess die Beschwerdegegnerin
die Akten kopieren und die Kopien und zum Teil Originalakten in acht
Archivschachteln aushändigen, was die Beschwerdeführerin am 12. Februar 1997
quittierte.

C.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ob und in welchem Ausmass ihr
Ansprüche gegen die Beschwerdegegnerin oder A.________ zustehen, lasse sich nur
anhand der Originalbauakten abschätzen, da keine Gewähr dafür bestehe, dass die
ausgehändigten Kopien mit den Originalen übereinstimmten. Dem Versuch, die
Herausgabe der Originale in einem Verfahren auf vorzeitige Aktenedition zu
erwirken, war indessen kein Erfolg beschieden (vgl. Urteil des Bundesgerichts
4P.46/2004 vom 13. Mai 2004). Nachdem die Beschwerdegegnerin zusammen mit
A.________ am 21. Januar 2005 Klage erhoben hatte, um feststellen zu lassen,
der Beschwerdeführerin stünden keinerlei Ansprüche zu, reichte diese am 18.
November 2005 ihrerseits Klage ein mit dem Begehren, die Beschwerdegegnerin sei
zu verpflichten, ihr unverzüglich sämtliche Dokumente und
Bauabrechnungsunterlagen im Original auszuhändigen, welche die
Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Überbauung entweder selbst
geschaffen habe, oder die ihr bei der Ausführung des Auftrags von Dritten
zugekommen seien. Sie stützte den Herausgabeanspruch auf ihre Stellung als
Eigentümerin der Akten sowie auf ihren Herausgabeanspruch als Auftraggeberin
nach Art. 400 Abs. 1 OR.

D.
Das Kantonsgericht des Kantons Nidwalden wies die Klage ab. Dieses Urteil
bestätigte das Obergericht des Kantons Nidwalden am 14. Februar 2008. Mit
Beschwerde in Zivilsachen hält die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an ihren
im kantonalen Verfahren gestellten Begehren fest. Ihr Gesuch um aufschiebende
Wirkung wies das Bundesgericht am 2. Februar 2009 ab. Die Beschwerdegegnerin
schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, während das Obergericht
unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung verzichtet.

E.
Mit Eingabe vom 19. Februar 2009 beantragt die Beschwerdeführerin, es sei ihr
vorsorglich zu bewilligen, die für das kantonale Verfahren geschuldete
Parteientschädigung auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Die Beschwerdegegnerin habe
ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben, was die Rückforderung des Betrages bei
Gutheissung der Beschwerde gefährde. Die Beschwerdeführerin hat sich am 27.
Januar 2009 zudem an die Präsidentenkonferenz gewandt, damit diese bei
Gutheissung der Beschwerde den Nidwaldner Gerichten eine scharfe Rüge erteile.

F.
Die kantonalen Instanzen haben die gegen die Beschwerdeführerin angestrengte
negative Feststellungsklage im Wesentlichen geschützt. Mit Urteil vom heutigen
Tage hat das Bundesgericht die hiergegen erhobene Beschwerde abgewiesen, soweit
es darauf eingetreten ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_36/2009 vom 27. Februar
2009).

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin behauptet, die Weigerung, die Originalakten
herauszugeben, habe es bisher verunmöglicht, die Bauabrechnung zu überprüfen
und abzuklären, ob die Beschwerdeführerin durch das Verhalten ihres damaligen
Verwaltungsrates A.________ geschädigt worden ist. Nachdem diesbezüglich aber
die negative Feststellungsklage rechtskräftig gutgeheissen wurde, steht fest,
dass der Beschwerdeführerin weder gegen die Beschwerdegegnerin noch gegen ihren
ehemaligen Verwaltungsrat Ansprüche im Zusammenhang mit dem Bauprojekt
zustehen. Ob sie unter diesen Umständen überhaupt noch ein Interesse an der
Herausgabe der Originale und der Unterlagen hat, ist zweifelhaft. Immerhin ist
zu beachten, dass die Beschwerdeführerin nicht lediglich die Edition der
Dokumente zur Verwendung im Prozess verlangt, sondern deren Herausgabe, wobei
sie sich einerseits auf den dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers (641
ZGB), andererseits auf den obligatorischen gegenüber dem Beauftragten (Art. 400
Abs. 1 OR) beruft.

1.1 Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch
auf Herausgabe ihres Eigentums nicht hinreichend substantiiert. Ob ein Anspruch
hinreichend substantiiert ist, damit er unter die Bestimmungen des materiellen
Rechts subsumiert werden kann, bestimmt sich nach Bundesrecht (BGE 108 II 337
E. 2b S. 339; 133 III 153 E. 3.3 S. 162 mit Hinweisen). Um eine
Rechtsverletzung aufzuzeigen (Art. 42 Abs. 2 BGG), müsste die
Beschwerdeführerin mit Aktenhinweisen im Einzelnen aufzeigen, wo sie im
kantonalen Verfahren Ausführungen gemacht hat, die ihren Anspruch als
hinreichend substantiiert erscheinen lassen. Die blosse Behauptung
entsprechender Vorbringen ohne exakten Aktenhinweis vermag den Anforderungen an
eine Ergänzung des Sachverhalts nicht zu genügen (Art. 97 Abs. 1 und 105 BGG;
Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege BBl 2001 4339 Ziff. 4.1.4.3;
BGE 133 III 462 E. 2.4 S. 466 f.; vgl. auch BGE 115 II 484 E. 2a S. 485).
Insoweit ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden.

1.2 Was den auf Auftragsrecht gestützten Herausgabeanspruch der
Beschwerdeführerin anbelangt, hielt die Vorinstanz fest, die Dokumente seien
mit Blick auf das einheitliche Domizil der Gesellschaften nur einfach
ausgefertigt worden. Daraus lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass nach dem
insoweit übereinstimmenden Parteiwillen die Dokumente beiden Gesellschaften zur
Verfügung stehen sollten. Demgemäss ist die Beschwerdegegnerin ebenfalls zum
Zugriff auf die Akten berechtigt und kann deren Herausgabe an die
Beschwerdeführerin nicht zur Erfüllung des Auftrages gehören. Die
Beschwerdeführerin könnte allenfalls der gemeinsamen Nutzung entsprechend
Zugang zu den Unterlagen verlangen, nicht aber deren Herausgabe unter
Ausschluss der Verfügbarkeit für die Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdeführerin
dringt daher mit ihrem aus Art. 400 Abs. 1 OR abgeleiteten Herausgabeanspruch
nicht durch. Die von der Vorinstanz aufgeworfene Frage der Verjährung braucht
unter diesen Umständen nicht vertieft abgehandelt zu werden. Sie wäre mit Bezug
auf den Herausgabeanspruch und den Anspruch auf Zugang zu den Akten
unterschiedlich zu beantworten.

2.
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet, ohne dass auf die weiteren
Vorbringen einzugehen ist. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Mit Abweisung der Beschwerde wird das Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen
Massnahme gegenstandslos. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung Grosse Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Februar 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak